Gedichte im Islam
Beschreibung des wahren Sufis

von Dschalaleddin Rumi

Das Herz, in dem das Mondlicht sich erhebt -
es ist dem Wissenden der Pforte Öffner.
Für dich ist's eine Wand, für sie ein Tor,
für dich ein Stein, für sie ist's ein Juwel.
Was du im Spiegel sahst ganz klar und rein,
das sieht der Pir im Lehm schon und im Stein.
Ein Pir hat nichts in dieser Welt zu tun,
im Meer der Großmut Herz und Seele ruhn...
Sie sahn die Sphären eher als Saturn,
sie sahn das Brot schon eher als das Korn,
noch ohne Herz und Hirn, schon voll Gedanken,
ganz ohne Heer, und Sieger schon im Kämpfe-
Denken ist auf Vergangenheit und Zukunft gerichtet,
aber die unmittelbare Schau der Meister hat nichts mit
Zeit zu tun.
Der Geist sah in der Traube schon den Wein,
der Geist sah Etwas schon im Noch-Nicht-Sein.
Ganz ohne Wie sah er Qualifiziertes,
eh Recht und Falsch sich noch qualifizierten.
Und eh die Trauben noch geschaffen waren,
trank er schon Wein und war bereits berauscht.
Im heißen Juli sehen sie den Winter,
im Sonnenstrahl sehn sie den kühlen Schatten.
Im Herz der Trauben sahen sie den Wein
und sahen im Entwerden wahres Sein.
Der Himmel trinkt vom kreisen ihres Bechers,
die Sonne trägt Brokat durch ihre Güte,
und treffen sich zwei Freunde unter ihnen,
sind einer sie und sind doch sechzigtausend;
Denn ihre Anzahl ist wie die der Wellen,
die, windbewegt, zu einzelnen erquellen.
Getrennt wird dann die Sonne ihrer Seele,
wenn sie durchs Fenster ihrer Körper scheint!
Siehst du den Sonnenball, ist's einer nur -
doch wer die Leiber sieht, wird wohl verwirrt.

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