Gedichte im Islam

Traure nicht

von Muhammad Schams ad-Din (Hafiz) aus seinen Ghaselen, übersetzt von Friedrich von Bodenstedt 1877

Bald nach Kanaan kehrt Joseph,
der verlor'ne, - traure nicht!
Bald von Rosen prangt das Haus, das
gramerkor'ne, - traure nicht!

Fasse Mut, o gramgebeugtes
Herz! bald springen Deine Bande,
Auch der wirre Kopf kommt endlich
zu Verstande, - traure nicht!

Wenn Du wieder auf den Fluren
stehst den Lenz des Lebens thronen,
Nachtigall, wirst Du auch unter
Rosen wohnen, - traure nicht!

Hoffe stets, wird auch Verborg'nes
nicht enthüllt vor Deinem Blicke:
Hinterm Vorhang spielen seltsam
die Geschicke, - traure nicht!

Dreht der Himmel heut und morgen
Deinem Wunsch sich nicht zuliebe:
Was sich dreht, verändert immer
sein Getriebe, - traure nicht!

Treibt Dich Sehnsucht durch die Wüste
nach der Ka'ba heiligen Stätten,
Und verwunden Dich die Dornen
und die Kletten, - traure nicht!

Herz, selbst wenn Du Todesfluten
hart bedräuen mit Vernichtung:
Noah gibt der Rettungsarche
schon die Richtung, - traure nicht!

Ist der Weg auch voll Gefahren
und das Ziel nicht zu erspüren:
Jeder Weg muss doch zu Ende
einmal führen, - traure nicht!

Wenn Dich Liebestrennung peinigt,
oder Nebenbuhler kränken:
Gott weiß Alles, und zum Besten
wird er's lenken, - traure nicht!

Hafis, musst Du einsam weilen
Nachts in Deiner armen Klause:
Hast Du zum Gebet den Koran
doch im Hause, - traure nicht!

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