Gedichte im Islam
Die Rose

von Muhammad Schams ad-Din (Hafiz) aus seinen Ghaselen, übersetzt von Friedrich von Bodenstedt 1877

Jetzt, da die Rose aus dem Nichts
ins Dasein tritt, zum Schmuck der Anen,
In Demut kaum das Veilchen wagt
zur Herrlichen emporzuschauen –

Sollst Du am Morgenwein Dich freu'n
bei Paukenschall und Harfenklange,
Bei Flötenhauch und Feuerkuss
an junger Schönheit Dich erbauen.

Genieß' des Lebens Rosenzeit
bei Spiel und Sang, im Glück der Liebe.
Nicht über einer Woche Frist
Kannst Du der herrlichen vertrauen!

Von Blumen glänzt die Erde nun,
gleichwie der Himmel glänzt von Sternen,
Drum kann ich gute Zeiten nur
auf Erden wie am Himmel schauen.

Lasst und im Land den Feuerdienst
erneu'n des alten Zoroaster,
Jetzt, da das Feuer Nimrod's selbst
aus Tulpen schlägt in allen Gauen.

Trink' Wein, kredenzt von schöner Hand,
der neu belebt wie Jesu Odem,
Denk' nicht an Ad und an Themud, 1
die Gott verstieß in ewiges Grauen.

Durch Lilienglanz und Rosenglut
ward nun die Welt zum Paradiese,
Doch über solcher Herrlichkeit
nie lange will der Himmel blauen.

Die Rose reitet auf dem Wind
wie weiland Salomo, der König,
Und – gleichwie David – Psalmen singt
die Nachtigall, voll Gottvertrauen.

Leer' den Pokal auf Mahmud's Wohl,
Des wahren Glaubens starke Säule,
Den neuen Assaf Salomo's –
nie zucke Gram um seine Brauen!

Nichts, Hafis, mangelt Deinem Glück
in seiner Gnade Schirm und Schatten,
Drum bitte Gott, Du mögest nie
ein Ende seiner Herrschaft schauen.

Bringt Wein her! Hafis, hoff' auf Den,
der stets Erbarmen Die erwiesen,
Und voll Erbarmen immerdar
Wird Segen auf Dich niederschauen!

 

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