Sechzehntes KapitelSitzungen im Divan der Weisheit. Ein
arabisches Gebet und ein tatarischer Lobgesang zur
Verherrlichung des Hauses des »Padischah's der Russen, des
Herrn der Welt, des Königs der Könige.«
Das Gebet der Tataren von Karabagh für den
großen Padischah der Russen, den Beherrscher der Erde &c., und
das tatarische Loblied auf die Ankunft der Russen in Erivan,
bildeten in den nächsten Sitzungen im Divan der Weisheit den
Hauptgegenstand unserer Unterhaltung.
Mirza-Schaffy hatte die Aufmerksamkeit gehabt, mir von
erstgenanntem Aktenstücke eine eigenhändige Abschrift zu
besorgen, die so schön ausgefallen war, daß der Weise sie
selbst für ein wahres Meisterstück orientalischer
Schreibekunst erklärte. Der darauf verwendete Fleiß war um so
mehr anzuerkennen, als der Inhalt den Grundsätzen meines
Lehrers durchaus zuwider lief.
Meine freundlichen Leser haben durch die Gedichte des
Mirza-Schaffy nur Eine Seite morgenländischer Poesie der
Gegenwart kennen gelernt; es ist billig und gerecht, daß ich
sie auch mit der anderen Seite bekannt mache. Denn obwohl die
Moslemin des Kaukasus weder Kirchenzeitungen noch politische
Tagesblätter kennen, so haben sich dennoch unter ihnen, durch
ihre Priester und Schriftgelehrten, verschiedene Parteien
gebildet, wovon die eine in den Erinnerungen einer glorreichen
Vergangenheit schwelgt, wo der Zar dem tatarischen Herrscher
des Landes die Steigbügel halten mußte, – und Träume einer
glorreichen Zukunft nährt; während die andere der bestehenden
Macht schmeichelt und ihren Gott zur Erde herabzieht, um den
Zar in den Himmel zu erheben – und die dritte endlich mit
philosophischer Ruhe im Genuß der Gegenwart lebt, und dem
Zaren giebt was des Zaren, und Allah was Allah's ist.
Natürlich treten diese Parteien, zersplittert wie sie sind,
und unterdrückt wie sie leben, nicht so farbenbestimmt hervor
wie die politischen und kirchlichen Parteien bei uns zu Lande;
die verschiedenen Richtungen zeichnen sich nur deutlicher ab
in den Priestern und Schriftgelehrten, welche als das konkrete
Bewußtsein des Volkes zu betrachten sind.
Welcher der genannten Parteien die hier in der Uebersetzung
folgenden, frommen Ergüsse entsprungen sind, wird der Leser
selbst leicht errathen können.
Das Gebet der Tataren von Karabagh.
»Ruhm dem Könige der Könige! Groß ist seine Gnade! Es
ergießt seine Liebe sich über alle Auserwählten. Ruhm dem
Herrscher der Stärke und der Macht, dem Herrn der Gnade und
der Gerechtigkeit, der den Bächlein und Strömen ihren Lauf
vorschreibt, und seine Gnade in den Regentropfen aus den
Wolken herabträufelt, und nicht den Schuldigen von dem
Unschuldigen unterscheidet, sondern ihnen in Fülle Gesundheit,
Mittel zur Erhaltung und Speise sendet. Der den Himmel
erschaffen, die Säulen seines Thrones, und die Erde, das Lager
seiner Sklaven, und die Berge, die Nägel der Erde, und der den
neunten Himmel zum Fundament seiner Macht gesetzt, und mit
seinem Lichte das Licht der Sonne angezündet! Der den Hals der
Himmel geschmückt hat mit Perlenschnüren, mit wandelnden
Sternen. Dessen Hand die Völker der Erde vor Empörung bewahrt
und sie gemacht hat, daß sie sein Bild erkenneten in seinen
wunderbaren Schöpfungen, und der Alles was ist, herrlich
erschaffen hat nach seinem eigenen Bilde. Der Könige
eingesetzt zur Erhaltung der Ordnung, zur Aufsicht über die
Handlungen seiner Sklaven, und sie bewahrt hat vor
Unterdrückung und Tyrannei des Volkes, und sie gemacht hat zu
einer Stütze der Unterthanen und zu Helfern der
Hülfsbedürftigen und Armen!
Also als den herrlichsten Edelstein aus der Krone seiner
Gnade hat er der Erde gesendet die Kaiserin, die
Beschützerin der Welt, die Königin der Könige, die Krone der
Sonne, die der Königskrone Hoheit verleihende, die das Weltall
schmückende. Die das Weltall erleuchtende Sonne, den Stern der
Herrschaft, die hohe Stufe, die gerechte Königin aller Länder
des Kaiserreichs und der Majestät. Die berühmten und
glücklichen Staaten Gebietende, die die Völker der Erde
Beruhigende, die die Erde und Zeit Schmückende. Die Herrin,
begabt mit einem Herzen, dem Meere gleich, und mit einer
Hoheit, gleich der der Berge; die Königin aller Stufen des
Himmels, in ihrem Glanze den Sternen unzähliger Völker
vergleichbar. Die Beschützerin der Könige der Welt und ihre
Vertheidigerin, die glänzendste Perle im Korbe des Glückes,
der leuchtendste Stern des hohen und glücklichen Gestirnes.
Der Edelstein der königlichen Krone, die kostbare Perle, das
Kleinod des Meeres. Die den Thron und die Krone Schmückende,
die den Königen der Welt Gebietende, die den Gewaltigen auf
Erden Kraft und Macht Verleihende, die die Reiche der Größe
und Herrschaft Unterwerfende, die allen mächtigen und reichen
Staaten Gebietende, die das Banner staatlicher Macht und
staatlichen Ruhmes Tragende, die den hohen und königlichen
Thron Verschönernde. Die Königin des berühmtesten Thrones und
Herrscherin des Thrones Feridun's.
Saadi und Dschamy verherrlichen in ihren Liedern die
Weisheit und Gnade Feridun's.
Die Herrin, die der Sonne Glanz und dem Monde Licht
Spendende; die Kaiserin, die große und hohe Königin der
Könige.
Und daneben der König der Welt, umgeben von der
heiligen Schaar; der Herrscher der Krone, des Thrones und der
Fahnen.
Iskjander und Darius sind seine Sklaven. Sein Hof ist
dem Himmel gleich, sein Heer den Sternen. Der ewige Himmel muß
solchem triumphirenden Herrscher viele Jahrhunderte schenken.
Er ist selbst noch ein Jüngling, und jung ist auch sein Thron.
Er ist das Licht des Herzens, der Beherrscher der Welt, der
die Städte und Vesten Unterwerfende. Als das Weltall die
Gerechtigkeit dieses Padischah's der Menschheit sah, vergaß es
die Gerechtigkeit Nuschirwan's.
Nuschirwan wird von den persischen Geschichtsschreibern und
Dichtern als ein Fürst gerühmt, der alle Tugenden in sich
vereinigte.
Wenn seine Heere gegen die Feinde ziehen, so erzittert das
Kaffgebirge
wie ein klirrend Glas, und vor dem Klange der Flöten und
Trommeln seiner Heere erzittern Alle und erschrecken sehr. Der
Herrscher der Schwerter, Lanzen und Banner, der König der
Könige der Welt &c. &c.: das ist der große und gebietende
Kaiser, der Herr aller Reußen, Nikolai Paulowitsch, dessen
Reich Allah bestehen läßt durch die Jahrhunderte, und dessen
Größe er ewig macht. Seine Majestät sitzt auf dem königlichen
Stuhle der Gerechtigkeit, die Grundlage des Rechtes
befestigend. Er schwingt das Banner auf der Seite des Rechtes,
und waltet herrlich auf dem Throne der Gerechtigkeit. Die
Völker der Länder, welche unter dem Schutze und Scepter eines
solchen Herrn stehen, der seinen Unterthanen Gerechtigkeit und
Liebe erzeigt, der den Zephyr seiner Gnade und den Hauch
seiner Barmherzigkeit über alle Städte wehen läßt wie der Wind
über's Rosenbeet wehet; in dessen Gefolge Iskjander geht, und
dessen Wächter Darius ist, und von dessen Gerechtigkeitsliebe
alle Völker überzeugt sind: ihn müssen wir aus reinem
Herzen und ohne Heuchelei mit Nachtigallzungen im Gebete
erheben, und den König würdig besingen, der
Dshemschid darin vergleichbar, daß seine gerechte
Stimme fortwährend die Kette Nuschirwan's erzittern macht, der
durch seine Gerechtigkeit, gleich dem Lichte der Sonne, diese
Welt erleuchtet, welche durch das Graus der Verbrechen
verfinstert ist; – inbrünstig müssen wir beten für die
Erhaltung und Fortdauer seines Lebens.
Jetzt ist unser Gebet zu den Pforten des Königs der
Gerechtigkeit und das Verlangen zu dem Padischah des Rechtes,
welcher alle Theile dieser Welt zusammengefügt und erschaffen
durch seine unvergleichliche Macht; der den hellblauen Atlas
zum Sonnenschirm gemacht des Weltalls; der den Himmel mit
Sternen geschmückt hat; der die Erde geordnet und sie besäet
mit Menschen und Dshinnen (Geistern) und bekleidet mit grünem
Schmuck &c. &c. &c., zu ihm beten wir für das Glück und
Gedeihen des hohen Selbstherrschers und seines kaiserlichen
Hauses, für die Kinder der Macht und Größe, für die stolzen
Aeste und Zweige des kaiserlichen Stammes. Ihre Majestät die
Kaiserin, das Sonnenantlitz des zarischen Sternbildes, das die
hellstrahlende Venus verdunkelnde, das den Palast der Macht
und des Glückes erleuchtende; die am Himmel des zarischen
Harems leuchtende Sonne, die Herrin der Völker, die Hüterin
des mit den Früchten des Glücks beladenen zarischen
Fruchtbaumes, Alexandra Feodorowna. Wir beten für ihre
strahlende Nachkommenschaft, für den Erben des Thrones der
Herrschaft, den Sohn des Königes der Könige &c. &c., den
Großfürsten und Cäsarewitsch Alexander Nikolajewitsch. Mögest
Du, o Gott! sein Leben verlängern und seine Nachkommenschaft
ewig machen, und in ewiger Schönheit erhalten die das Harem
seines Palastes verherrlichende angebetete Großfürstin, die
Cäsarewna Maria Alexandrowna! Und mögest Du auch erhalten den
hochgeehrten und großen Herrn, den uns durch seine grenzenlose
Liebenswürdigkeit über Alles theuern Großfürsten Michael
Paulowitsch und seine hohe Gemahlin. Mögest Du auch erhalten
den reinen Perlenschmuck, das Kleinod des Meeres, die
Beherrscherin der Anmuth, den Perlenglanz der Sonne, die
kostbarste Perle im Korbe der Reinheit, die große Herrin und
Fürstin Maria Nikolajewna! Mögest Du erhalten in ewigem Glanze
die Sonne im Harem des Palastes des Herrschers der Macht, des
großen Schahsadé Alexander Nikolajewitsch! Wir beten für die
glücklich unter den Thronesdecken sitzende Großfürstin, die
Palme des Lichtes und der Hoheit, Alexandra Alexandrowna, und
die der Ehrerbietung, Verehrung, Hoheit und des Ruhmes
würdigen Großfürstinnen Maria, Elisabeth und Jekaterina
Michailowna, und die den hohen Saal der Versammlung
erleuchtende Lampe, die herrliche Palme des zarischen Gartens
des großen Schahsadé, die Fürstin Maria Paulowna, und die Rose
des zarischen Gartens, die Palme des zarischen Blumenbeets,
die große Schahsadé, die Fürstin, Königin der Niederlande,
Anna Paulowna &c. &c.«
In ähnlicher überschwenglicher Weise geht es noch mehrere
Seiten fort; doch glaube ich, daß der Leser genug hat an
dieser Probe, um so mehr, als sich die alten Bilder und
Wendungen immer wiederholen und der verherrlichende Wirrwarr
immer größer wird, jemehr es dem Schlusse zugeht. Am Schlusse
steht in besonders künstlicher Schrift:
Dem Beherrscher der Welten wird dieses reine Gebet für den
Kaiser und den großen König der Könige dargebracht von
Mirza-Abul-Kassim, Kadi des Kreises von Karabagh
***
Ich lasse nun das bei Gelegenheit des Einzugs der Russen in
Eriwan gedichtete tatarische Loblieb folgen, welches für den
Leser schon deshalb Interesse haben wird, weil es eine
förmliche Schilderung der Eroberung jener berühmten Veste
enthält, welcher Fürst Paskjewitsch seinen Beinamen
Eriwansky zu verdanken hat.
Tatarisches Loblied auf den Einzug der
Russen in Eriwan
»Ich bete des Nikolai Paulowitsch Thron und Krone an;
Ich bete den von ihm allen Königen abgezwungenen Tribut an;
Ich bete des Katholikos
Nerses dargebrachte Hülfe an,
Ich bete seine in Etschmiadsyn gehaltene Messe an.
Sieben Tage gab man Bedenkzeit und stürmte dann Eriwan,
Warf Kugeln und Bomben in die Stadt, daß Häuser und Steine
erdröhnten;
Man nahm den
Hassan-Chan fest und überzog sein Gesicht mit
Schmerzen.
Nun fing das Tummeln unter den langbeinigen
Sarbassen an;
Die
Chorassaner sammelten sich um den
Melik und fleheten seine Hülfe an.
Die Muschtahiden hatte man getödtet und es blieb kein
Imamsadé.
Ich bete des Nikolai Paulowitsch Thron und Krone
an. &c. &c.
Man warf Kugeln und Bomben auf Sardarabad;
Man nahm die Sarbassen gefangen, bärtige und unbärtige;
Hassan-Chan nahm die Flucht und die Russen verfolgten ihn;
Er flehete zu Paskjewitsch: Befreie mich um Eures Kreuzes
willen!
Wer hat je einen Sardaar wie Paskjewitsch gesehen?
Er besiegte den Schach und die Schahsadé's und machte ihr Hab'
und Gut zu Schanden.
Der arme Jussuf, der dies Lied gedichtet hat, wozu braucht er
die Güter der Welt!«