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Tausend und Ein Tag im Orient
Friedrich von Bodenstedt
Berlin, 1850 n.Chr.
Inhaltsverzeichnis |
Achtes KapitelUebergänge, Keschisch-Oglu, Allahwerdy,
Volkslieder der Kurden
Mit unserm Abschiede von der
Tscherkessenküste beginnt ein Uebergangskapitel, worin ich die
schwierige Entscheidung treffen muß: entweder durch den
thrakischen Bosporus, das Marmorameer und den griechischen
Archipelagus die Rückreise in die Heimath anzutreten, wie es
der wirkliche Gang der Dinge mit sich bringt – oder noch
einmal zurückzukehren nach Tiflis, in die Schule der Weisheit
des Mirza-Schaffy.
Ich entscheide mich nach reiflicher Ueberlegung für das
Letztere, und will hier kurz die Gründe anführen, welche mich
dazu bewegen.
Es ist mir von verschiedenen Seiten der Vorwurf gemacht
worden, daß ich mich in den Reiseskizzen des ersten Bandes von
»Tausend und Ein Tag« zu großer Kürze befleißigt und mehr
angeregt als ausgeführt hätte. Jedenfalls der angenehmste
Vorwurf den ich hören konnte! aber doch immer ein Vorwurf, der
Beachtung verdient, und dem ich ein noch größeres Gewicht
beilegen würde, als wirklich der Fall ist, wenn ich nicht
schon früher ein besonderes, mehr wissenschaftlich angelegtes
Werk über die Völker des Kaukasus geschrieben hätte, welches
über viele, in diesen Skizzen nur kurz angedeutete Punkte
nähere Auskunft geben wird Jedem der es liest. Ebenso habe ich
den verschiedenen Kosakenstämmen der donischen Steppe und der
Ukraine bereits vor fünf Jahren eine besondere Schrift
gewidmet, welche außer historischen und geographischen Notizen
eine ansehnliche Sammlung chronologisch geordneter Volkslieder
enthält, so daß der wißbegierige Leser auch in diesem Punkte
sich nicht auf die Mittheilungen von »Tausend und Ein Tag« zu
beschränken braucht.
Ueber die Länder und Völker hingegen, welche ich auf meiner
Rückkehr berührte, habe ich noch Nichts veröffentlicht, und
hier dürfte es allerdings nicht rathsam sein, die
Beobachtungen eines halbjährigen Aufenthalts in Kertsch,
Theodosia, Jalta, unter den Tataren der Krimm, in Odessa,
Konstantinopel, Kleinasien &c. in ein paar flüchtig skizzirte
Kapitel zusammenzudrängen. Es bleibt deshalb die Schilderung
meiner Rückkehr in die Heimath einem besonderen Buche, von
mehr politischer Färbung, vorbehalten, während ich hier die
versprochene Fortsetzung der Lieder und Sprüche der Weisheit
des Mirza-Schaffy, nebst einigen anderen poetischen Fragmenten
aus dem Orient folgen lasse.
Ich glaube damit den Wünschen der meisten meiner Leser zu
begegnen, denn Mirza-Schaffy hat weit über die Grenzen
Deutschlands hinaus Freunde und Gönner gefunden, und in
Journalen wie in brieflichen Mittheilungen ist mir mehrfach
der Wunsch ausgedrückt worden, mein Versprechen, eine
Fortsetzung der Lieder und Sprüche des Weisen von Gjändsha
erscheinen zu lassen, bald in Erfüllung zu bringen.
Ein anderes, zu gleicher Zeit gegebenes Versprechen, die
Gedichte des blinden armenischen Sängers Keschisch-Oglu, nebst
einer größeren Sammlung kurdischer Volkslieder in der
Uebersetzung mitzutheilen, kann ich leider nur theilweise
erfüllen, da durch den plötzlichen Tod meines Freundes Abowian
in Eriwan, die Quelle versiegt ist, aus welcher ich weiteren
Mittheilungen entgegensah.
Ich werde später Gelegenheit nehmen, einige Einzelheiten
aus dem Leben dieses trefflichen Mannes hervorzuheben, der
unter Kämpfen und Entbehrungen aller Art es sich zur Aufgabe
gemacht hatte, deutsche Sitte und Sprache unter seinen
Landsleuten am Ararat zu verbreiten, und der seit einer Reihe
von Jahren jedem deutschen Reisenden in Armenien ein
freundlicher und vielfach nützlicher Führer war . . . Hier
möge zunächst als poetischer Uebergang zur Wiedereröffnung des
Divans der Weisheit des Mirza-Schaffy, eine kleine Auswahl der
Gedichte Keschisch-Oglu's folgen, der sich einige, ebenfalls
im Hochlande des Ararat gewachsene, kurdische Volkslieder
anreihen werden
Keschisch-Oglu
(oder nach der Aussprache des Volks:
Keschisch-Ogli) wurde in der ersten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts geboren zu Schulawery, einem etwa 60 Werst von
Tiflis gelegenen armenischen Dorfe.
Er war der
Sohn eines armen Priesters und erhielt als Kind eine
Art Unterricht im Armenischen und Tatarischen, hatte aber das
Unglück, schon im zwölften Lebensjahre sein Gesicht durch die
Pocken zu verlieren, ein Verlust, welcher nur dadurch
einigermaßen ersetzt wurde, daß ein inneres Licht in ihm
aufging: das Licht der Poesie. Seine dichterischen Anlagen
entwickelten sich so früh, daß er schon im zwanzigsten
Lebensjahre eine gewisse Berühmtheit im Lande erlangt hatte.
Um diese Zeit verließ er seine Heimath, wo es ihm trotz seines
Dichterruhms sehr kümmerlich ergangen war, um in der Ferne
sein Glück zu suchen. Die
Saß in der Hand pilgerte er von Stadt zu Stadt, von
Dorf zu Dorf, hatte sich am Hofe von Teheran einer glänzenden
Aufnahme zu erfreuen, durchzog später ganz Kleinasien und kam
nach Konstantinopel, wo er als Hofdichter des Sultans
angestellt wurde und auf seine alten Tage ein sorgloses und
ruhiges Unterkommen fand.
Die Wanderungen des Keschisch-Oglu wurden durch eine Menge
kleiner Triumphe verherrlicht, da er aus den
Gesangswettkämpfen, die er überall anstellte, wohin er kam,
fast immer als Sieger hervorging.
Noch heut zu Tage ist es Sitte bei den Persern, Armeniern,
Tataren &c., daß die Barden des Landes einander öffentlich zum
Kampfe herausfordern und, gewöhnlich im Beisein einer großen
Menschenmenge, förmliche Gesangturniere halten. Der Eine singt
aus dem Stegreife ein paar Verse her und zwingt den Andern, in
demselben Versmaaße darauf zu antworten. Bei den Armeniern ist
es gewöhnlich die Bibel, bei den Tataren der Koran, woraus der
Stoff zu den ersten Angriffen geschöpft wird. Uebrigens
bestehen in dieser Beziehung keine Vorschriften und Jeder kann
seine Stoffe nehmen woher er will, nur muß der Angegriffene
gleich auf den angeregten Gegenstand eingehen, und erst dann,
wenn er dies mit Glück gethan, steht es ihm frei, seinerseits
ein neues Thema zu behandeln.
Der Wettkampf dauert in dieser Weise oft stundenlang fort
und die Umstehenden folgen dem Gesange mit gespannter
Aufmerksamkeit; jeder Fehler auf der einen oder der andern
Seite veranlaßt eine lärmende Unterbrechung. Aber erst wenn
einer der Beiden förmlich in's Stocken geräth, und seinem
Gegner nicht mehr zu folgen vermag, wird er als besiegt
erklärt und der Andere unter lauten Beifallsbezeugungen als
Sieger ausgerufen.
Dem Sieger steht das Recht zu, das Saitenspiel des
Besiegten zu zerschlagen, was jedoch höchst selten geschieht.
Gewöhnlich reicht er dem Gegner die durch Gesang eroberte Saß
großmüthig zurück, wodurch das Ansehn des Letztern
einigermaßen hergestellt wird, denn ohne diese Großmuth des
Siegers würde der unterlegene Sänger sein Saitenspiel nie
wieder zur Hand nehmen dürfen.
Die Schriftkundigen unter den Umstehenden lassen es sich
angelegen sein, die gewöhnlich sehr langsam und mit öftern
Wiederholungen abgesungenen Verse niederzuschreiben; doch
kommt es, soweit meine Erfahrung reicht, nur selten vor, daß
sich unter diesen Stegreifgedichten Sachen von Bedeutung
befinden. Ich lasse hier als eine kleine Probe solcher
Improvisatorenkünste ein Fragment aus einem Wettkampfe folgen,
welchen Keschisch-Oglu einst mit einem andern armenischen
Sänger, Namens Allahwerdy, zu bestehen hatte. Ich habe dieses
Fragment, wie alle auf Keschisch-Oglu bezüglichen
Mittheilungen, meinem trefflichen Freunde Abowian von Eriwan
zu verdanken, der durch seinen zu frühen Tod leider verhindert
wurde, mir eine Fortsetzung seiner interessanten Berichte zu
liefern.
Fragment aus dem Sängerkampfe zwischen Keschisch-Oglu und
Allahwerdy.
Allahwerdy, als der Herausforderer, geht auf seinen Gegner
zu, greift in die Saß und hebt an zu singen:
|
»Möge Gruß Dir und Heil sein, o Keschisch-Oglu!
Bald wird Wehe Dein Theil sein, o Keschisch-Oglu!
Jedes Wort meiner Lieder auf Dich gezielt
Soll wie ein tödtender Pfeil sein, o Keschisch-Oglu!« |
Keschisch-Oglu erwiedert:
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»Deinen Gruß geb' ich Dir wieder, o Allahwerdy!
Bald stürzt die Wucht meiner Lieder, o Allahwerdy!
Wie die Gewitterwolke aus schwüler Luft
Verderbend auf Dich nieder, o Allahwerdy!« |
Wiederum greift Allahwerdy in die Saiten und singt:
|
»An dem Helden prallt ab die Beleidigung,
Er findet Mittel zu seiner Vertheidigung –
An dem Ohre werd' ich Dich in die Dreschtenne führen,
Zum stummen Viehe Dich machen, o Keschisch-Oglu!« |
Keschisch-Oglu entgegnet:
|
»Dem Helden steht die Stimme des Muthes gut,
Doch der Muth ist verschieden von Uebermuth –
Nicht ruhe ich, bis Deine Zunge ruht,
Und zur Wittwe Dein Weib wird, o Allahwerdy! |
In dieser Weise wird der Streit nun fortgeführt bis einer
der Sänger erschöpft ist. Zur Abwechselung werden auch Räthsel
aufgegeben, Sprüchwörter in Verse gebracht, Lieder zum Preise
des Weines und der Liebe gesungen u. s. f.
Die meisten der tatarischen und armenischen Lieder welche
mir zu Händen gekommen, tragen unzweifelhafte Spuren des
großen Einflusses, welchen die persische Poesie und besonders
Hafis hier ausgeübt hat, ohne daß die modernen Naturdichter
Armeniens vielleicht eine Ahnung davon haben. Die Hafisischen
Lieder haben unter dem Volke in Persien so tief Wurzel
geschlagen und so unendlich viele Nachahmungen hervorgerufen,
daß die meisten darin vorkommenden Bilder und Wendungen
sinnlicher Natur längst in die Volkssprache übergegangen sind.
Nun konnte es, bei der langjährigen Herrschaft der Perser über
Armenien, nicht ausbleiben, daß die Unterdrückten von den
Unterdrückern Manches annahmen, und so erklärt sich's, daß wir
in fast allen tatarischen und armenischen Liedern hafisische
Bilder und Ausdrücke wiederfinden, obgleich ein eigentliches
Studium Hafisens von der christlichen Bevölkerung Armeniens
niemals getrieben wurde.
Das Haar der Geliebten ist ein Fangnetz für Männer-Herzen,
die Augenbrauen sind Bogen womit auf das verliebte Opfer
geschossen wird, der Schoß ist ein Blumengarten, die Brüste
sind Granatäpfel, und wie die Nachtigall um das Aufblühen der
Rose, so wehklagt der Sänger um das Aufblühen der Liebe in der
Brust grausamer Schönen . . .
Ich habe es mir angelegen sein lassen, von den Liedern
Keschisch-Oglu's hier nur diejenigen mitzutheilen, in welchen
das eigenthümliche Gepräge des Dichters am meisten
hervortritt. Leider ist ihre Zahl sehr gering. Doch dürften
sie vielleicht späteren Reisenden Anlaß geben, weitere
Nachforschungen in Armenien anzustellen, wo in Gegenden, die
ich nicht besucht habe, noch hunderte von den Liedern des
blinden Barden im Munde des Volks fortleben sollen.
1.
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Ein Weib, das voller Treue ist,
Sich gern und willig fügt mir,
Ich brauche keine Andere,
Ein solches Weib genügt mir!
Die spiegelschöne Anahid
Die immer nur sich selber sieht,
Ich lasse sie für Andere,
Ein treues Weib genügt mir!
Das Auge klar und liebereich,
Der Busen süß, Melonen gleich,
Die Stirne wie der Himmel rein:
Ein solches Weib genügt mir!
Die Glück und Kummer mit mir theilt,
Wie Lokman
Abowian von Erivan, ein in der armenischen und
tatarischen Sprache tüchtig geschulter, der arabischen
Literatur aber ganz unkundiger Armenier, schrieb mir
bezüglich der in den Liedern des Keschischoglu
vorkommenden Anspielungen auf Lokman wörtlich was folgt:
»Der Name Lokman spielt in den asiatischen Sprachen
dieselbe Rolle wie der des Hypokrates in den europäischen.
Hat ein Arzt eine glückliche Kur vollbracht: das ist ein
wahrer Lokman! heißt es von ihm. Liegt Jemand an einer
schweren Krankheit danieder: da vermag nur ein Lokman zu
heilen! sagen die Leute. Solchergestalt hören sie diesen
Namen, sowohl unter der islamitischen wie unter der
christlichen Bevölkerung des Landes, täglich aussprechen,
und zwar bis in die untersten Volksschichten herab, ohne
daß Jemand ehrlich Rechenschaft zu geben wüßte, woher der
Name gekommen. Das Kind hat ihn von der Mutter gehört und
die Mutter von der Großmutter. Was ich Ihnen davon sagen
kann ist dieses: Wahrscheinlich ist ein deutscher Arzt
Hoffmann damit gemeint, dessen Namen die Tataren und
Armenier nach der ihnen bequemeren Aussprache in Lokman
umgewandelt haben. Dieser Hoffmann soll – Gott weiß wann?
aber doch nicht vor zu langer Zeit – im Kaukasus gelebt
und große Wunderkuren vollbracht haben, also daß sein Ruhm
durch ganz Asien erscholl und er weit umherpilgern mußte,
um die Kranken zu heilen. Man erzählt sich in Tiflis noch
heutzutage folgende Anekdote von ihm: Als Lokman in dieser
Stadt angekommen war und auf den Basar gehen wollte, wurde
ihm der Weg versperrt durch eine endlose Reihe
hochbeladener Araba's (zweirädrige Fuhrwagen). Lokman
fragte, was in diesen Araba's enthalten sei? Man
antwortete ihm: Fische. »Dann – sagte er – wird es viel
für mich hier zu thun geben.« Und also sprechend bog er in
eine andere Straße ein. Aber auch hier wurde ihm der Weg
versperrt durch eine endlose Reihe von Araba's,
hochbeladen mit gefüllten Schläuchen. Lokman fragte was in
diesen Schläuchen enthalten sei? Man antwortete ihm: Wein.
»Dann – sagte er – ist hier meines Bleibens nicht! Wo so
gute Arzenei in solcher Fülle vorhanden ist, da ist die
Kunst des Arztes überflüssig.« Und also sprechend verließ
er die Stadt, trauernden Antlitzes.«
Ich habe diese Geschichte, genau wie sie hier erzählt
ist, später öfter in Tiflis gehört. Sie ist dort so in's
Volk gedrungen, wie kaum eine andere Sage des Orients.
Unter den Tifliser Weintrinkern ist es gäng und gebe zu
sagen: »Wenn Lokmani Hekim (Arzt Lokman) den Wein
das beste Heilmittel für Fischkrankheiten genannt hat, wie
soll man da nicht die Klugheit der Georgier rühmen, die
ihre Kinder schon von Jugend auf an den Genuß des Weines
gewöhnen.«
Thatsache ist es – nebenbei bemerkt – daß in Georgien
die Kinder oft schon in der Wiege Wein zu trinken
bekommen.
* * *
Nach Darlegung dieser georgisch-armenischen Version der
Lokman-Sage (denn Geschichte kann man nichts von alle dem
nennen, was über Lokman bekannt geworden) bin ich es der
großen Mehrzahl meiner Leser schuldig, auf die arabische
Sage von Lokman zurückzukommen, derzufolge Lokman Abu Anam,
mit dem Beinamen al Hakim (nach der türkischen
Aussprache Hekim) d. i. der Weise (was
zugleich den Begriff der Arzneikunde in sich schließt),
als der einzige Fromme aus dem Stamme Ad, als
dieser von Gott vertilgt wurde, am Leben blieb. Es wurde
ihm von Gott die Wahl gelassen, ob er so lange leben wolle
als der Dunst von sieben Gazellen in einer Gebirgshöhle
dauern würde, oder als sieben nach einander folgende Geier
lebten. Lokman Abu Anam wählte das Letztere und lebte
darauf bis zur Zeit Davids, ja – nach andern Berichten –
bis zur Zeit des Propheten Jonas. Und er hatte seine
Wohnung zu Ramah bei Jerusalem, wo er auch begraben liegt.
Nach andern arabischen Schriftstellern war Lokman ein
Weiser, hocherfahren in der Rechtskunde und als Richter im
Lande lebend bis zu den Zeiten Davids, des Sänger-Königs.
Noch andere Sagen lassen ihn einen Zimmermann, und wieder
andere einen aus Egypten entlaufenen Sklaven gewesen sein,
von schwarzer Farbe, mit dicken Lippen und Säbelbeinen. In
ähnlicher Weise gehen die Vermuthungen fort bis in's
Unendliche.
Bekannt ist, daß Lokman als Dichter der orientalischen
Thierfabel von einigen Gelehrten (u. A. Ch. A. Neumann)
für identisch gehalten wird mit Aesop, da die meisten
arabischen Fabeln den griechischen sehr ähnlich sind. Ob
nun die Griechen ihre Fabeln von den Arabern entlehnt
haben, oder die Araber von den Griechen? Ob Aesop vor
Lokman gelebt oder Lokman vor Aesop? Ob der Lokman der
Sage identisch sei mit dem Lokman des Koran? &c. &c. Ueber
alle diese zweifelhaften Punkte sind eine Menge gelehrter
Abhandlungen geschrieben worden, auf welche wir hier nicht
näher eingehen können.
Wir bemerken hier nur zum Schluß, daß die 31. Sure des
Koran den Namen Lokman als Ueberschrift trägt und daß
hierdurch allerdings die Vermuthung einige
Wahrscheinlichkeit erhält, es habe lange vor Muhammed ein
Mann Namens Lokman gelebt, der durch seine Weisheit sich
einen Namen im Lande zu machen wußte.
alle Wunden heilt,
Und Segen spendet wo sie weilt,
Ein solches Weib genügt mir!
Des Mundes Frühlingshauch vergeht,
Es welkt des Schoßes Blumenbeet,
Das treue Aug' und Herz besteht:
Ein treues Weib genügt mir!
Keschisch-Ogln, der Sänger, spricht:
Was nützt das schönste Angesicht?
Ich armer Blinder seh' es nicht:
Ein treues Weib genügt mir! |
2.
Du wunderschöne, süße Maid!
Was soll ich für die Seligkeit
Die Du gewährt, Dir wieder geben?
Ich armer, blinder Sänger kann
Für Alles was mein Herz gewann,
Dir Nichts als meine Lieder geben!
|
Du wunderschöne, süße Maid!
Was soll ich für die Seligkeit
Die Du gewährt, Dir wieder geben?
Ich armer, blinder Sänger kann
Für Alles was mein Herz gewann,
Dir Nichts als meine Lieder geben! |
3.
Schön ist das Mädchen das ich meine,
Das mich so hoch beseligt hat,
Von allen Dirnen gleicht ihr keine
Im Hochgebirg des Ararat!
O, daß ihr Gott das Glück vergelte,
Das mir ihr Mund gegeben hat!
Schwarz ist ihr Auge, wie die Zelte
Im Hochgebirg des Ararat!
Es gleicht ihr Gang dem jungen Rehe
Auf einsamstillem Waldespfad –
Die Brust dem frischgefall'nen Schnee
Im Hochgebirg des Ararat!
Der Busen fest wie Apfelsinen,
Der Mund ein rosig Wonnebad,
Süß wie der Honig von den Bienen
Im Hochgebirg des Ararat!
Dem Lockenhaar entsteigen Düfte,
Frisch wie der Duft vom Rosenblatt,
Beim Hauch der warmen Frühlingslüfte
Im Hochgebirg des Ararat!
O, keine Andere erkiese,
Keschisch-Oglu! an ihrer Statt –
Sie macht das Land zum Paradiese
Im Hochgebirg des Ararat!
4.
Eine Taube such' ich die mir entflogen ist,
Schön ist die Maid die ich erkoren habe!
Euch ein Zeichen sag' ich, daran Ihr sie kennen sollt,
Helfet mir suchen die ich verloren habe!
Schlank ist ihr Wuchs und schwarz ihr Haar,
Schwarz sind ihre Locken und Augenbrauen –
Bezaubert hat mich die schönste der Frauen,
Helfet mir suchen die ich verloren habe!
Verlassen hab' ich Haus und Land,
Hinaus in die weite Fremde zu wandern,
Von einem Ort irrt' ich zum andern,
Um zu suchen die ich verloren habe!
Ich irre umher und finde sie nicht,
Sie verspottet den armen, blinden Mann,
Der ihre Spuren nicht finden kann –
Helfet mir suchen die ich verloren habe!
O kehre zurück! Alles trag' ich von Dir,
Gern will ich verspottet von Dir und verlacht sein,
Du sollst der Stern in meiner Nacht sein –
Kehre mir wieder, die ich verloren habe!
Du stehe auf, o Keschisch-Oglu!
Noch einmal zum Wanderstabe greife,
Umher durch Iran's Lande schweife,
Sprechend: Wo bist Du die ich verloren habe?
Lieder aus Kurdistan.
1. Liebeslied
Sieh mich lieb, Du schwarzäugige Dirne
an!
Deine Wimpern stehn wohl Deiner Stirne an.
Deine Augen, wie die Beeren der Reben schwarz,
Sie machen mein ganzes Leben schwarz,
O, wende, Du Schöne, mein Herzeleid!
Komm zu uns zu Gaste, nach Hause komm!
Mit den Gästen der Feier zum Schmause komm!
Vor allen andern sollst Du beachtet werden,
Der erste Schafbock soll Dir geschlachtet werden!
2. Liebeslied.
Es ist Dein Wuchs dem
Alef gleich,
Die Brust an
schwarzen Flecken reich,
Wohl an dreihundert zähl' ich!
Es soll die Brust mein Heil'genschrein,
Soll Kirche mir und Kloster sein,
Kein andres
Bethaus wähl' ich!
Mag Erzerum zu Grunde geh'n,
Darf ich zu Deinem Munde geh'n,
So bin ich überselig!
3. Frühlingslied.
Ueber Alles hoch und über Alles schön,
Und im Mund des Volkes vielgepriesen,
Sind die grünen Flecke auf den Bergeshöh'n,
Sind die duftenden Nomadenwiesen!
Wo der Schnee die Berge nicht bekleidet,
Wo der Kurden schwarze Zelte stehn,
Wo der Hirt die fette Heerde weidet,
Kecke Bursche, schmucke Dirnen gehn –
Ueber Alles hoch und über Alles schön,
Und im Mund des Volkes vielgepriesen,
Sind die grünen Flecke auf den Bergeshöh'n,
Sind die duftenden Nomadenwiesen!
4.Trauerlied
Mir gegenüber steht des Reiters Grab,
Noch gestern strotzt' er in der Jugend Prangen:
Mit seiner Lanze brach sein Leben ab.
Getroffen stürzt' er und gebrochen hin.
Jetzt ziehen schon die Würmer und die Schlangen
Ueber die fleischentblößten Knochen hin . . .
Es schwang sich der Reiter auf sein
schwarzes Roß,
Es versammelt sich um ihn der Knechte Troß.
Er ist zu den Zelten der Feinde geritten,
Und hat dem Samam-Chan den Kopf abgeschnitten.
6. Klagelied
Ich war auf's Feld hinausgegangen,
Da sah ich zwei schöne Mädchen wandern,
Es schwoll das Herz vor Lust mir.
Ich ging von Einer zu der Andern,
Ich konnte Keine von Beiden erlangen,
Da quoll schwarzes Blut in der Brust mir.
Es wollte keinem schönen Kind
Meine starke Liebe gefallen –
Die Köpfe zweier Kurden sind
Durch meine Hiebe gefallen.
Es war das Gras vom Thaue naß
Als sie getödtet wurden;
Die grünen Halme im Wiesengras
Vom Blute geröthet wurden.
Um zweier Schönen Augen willen
Hat sich mein Herz empört,
Um zweier Schönen Augen willen
Ist mir das Herz zerstört.
Ich bin alt geworden, schwach und alt,
Habe mein siebzigstes Jahr erreicht,
Vor Schwäche gebrochen ist meine Gestalt,
Vor Alter und Gram das Haar erbleicht.
Vor Gram sind meine Wangen erblichen,
In den Augen flimmert es roth mir –
Und Ruhe wie Schlaf ist von mir gewichen,
Vor den Augen flimmert der Tod mir!
6. Trauerlied.
Stieg der Frühling in die Lande nieder,
Flur und Hain mit frischem Grün zu färben,
Alles weckte er zum Leben wieder,
Nur der Wittwe Sohn rief er zum Sterben.
Im Gebirge scholl ein Klaggestöhn,
Weint die Mutter den verlornen Sohn,
Ach, er war so schön, so jung und schön!
Und nun deckt das kalte Grab ihn schon!
Weithin schimmerte sein roth Gewand,
Wenn er, hoch die Lanze in der Hand,
Sich zu Rosse in den Bügel schwang,
Und den Schild gleich einem Flügel schwang.
Kommt das Roß gesattelt, kommt von fern,
Wiehert laut um den verlornen Herrn,
Scharrt den Boden auf mit wundem Huf,
Doch er hört nicht seines Rosses Ruf.
Weithin tönt der Klageweiber Schrei'n –
Nimmer weilt er in der Krieger Reih'n!
Würmer fressen seine Leiche schon,
Kalte Erde, kalter Grabesstein,
Deckt das Angesicht, das bleiche, schon! |
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