Gulistan
 

Saadis Verse aus dem Gulistan

übersetzt von Friedrich Rückert

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VI. Von der Schwäche und dem Alter

1

Noch einen Atemfang will ich mir gütlich tun,
Sprach ich, ach daß in Stocken kam der Atemzug!
Ach daß ich von des Lebens bunt besetztem Tisch
Ein Paar Gericht' aß, und man plötzlich ruft: Genug!

2

Hast du gesehn, wie übel es einem Mann bekommt,
Wenn man aus seinem Munde nur einen Zahn ihm zieht?
Urteile nun, wie diesem es mag zu Mute sein
Wenn aus dem lieben Leibe das Leben selbst entflieht.

3

Der Hausherr tapeziert sein Zimmer in Gedanken,
Indes des Baus Grundfesten wanken.
Der artge Doktor reibt die Hand verlegen,
Wenn er den Kunden plötzlich sieht erlegen.
Ein alter Mann ächzt unterm Seelenwandel,
Das alte Weib rieb seinen Sandel:
Der Lebenskräft' erschöpftem Magazin
Hilft weder Sympathie noch Medizin.

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