Gulistan
 

Saadis Verse aus dem Gulistan

übersetzt von Friedrich Rückert

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Der Heuchler

25

Der ganz wie die Pistazie lauter Kern mir schien
Haut über Haut als wie die Zwiebel fand ich ihn.
Ein solcher Frommer betet mit dem Rücken
Zur Kibla, zum Geschöpfe mit den Blicken.

26

Der Knecht, der sein den Herrn will nennen,
Darf auch nichts außerm Herren kennen.

27

Ein Eisen das der Rost zerfressen
Macht kein Polieren wieder rein;
Was hilft es finstern Herzen predigen?
Der Nagel dringt nicht in den Stein.

28

In des Wohlseins Tagen nimm dich der Bedrängten an,
Weil des Armen guter Wunsch Unheil abwenden kann.
Was dir abverlangt des Bettlers flehende Gestalt,

Gib es, oder ein Bedrückter nimmt es mit Gewalt.

29

Man kann kein kleinstes Wort im Scherze sagen,
Dem Weisen wird es eine Lehre tragen.
Von Weisheit hundert Hauptstück einem Toren
Gepredigt sind ein Scherz in seinen Ohren.

30

Dein Innres stopfe nicht mit Fraß, wenn leuchten
Erkenntnisleuchte soll in deinem Glase.
So leer von Einsicht bist du nur deswegen,
Weil du bist so voll Fraß bis an die Nase.

31

Der Strafe Gottes kannst du durch die Buß entgehn,
Doch nicht entgehn kannst du den Menschenzungen.

32

Sei lieber gut und laß dich böse schmähn
Als böse und dich für gut ansehn.

33

Wenn ich täte was ich spräche,
Stürb' ich als ein Heiliger.

34

Schließen unsre Tür wir vor den Leuten,
Daß sie unsre Fehler nicht ausdeuten
Was hilft der Verschluß, da ein allklares
Auge sieht geheim und offenbares!

35

Sei guten Wandels daß nichts möge finden
An dir der Übelwollende zu rupfen.
Die Laute, wenn sie hat die rechte Stimmung,
Was braucht der Spieler sie am Ohr zu zupfen?

36

Wenn das Herz dir jede Stunde geht wo anders hin,
Bringt dir Einsamkeit auch in der Klause nicht Gewinn.
Ob du Geld und Güter hast und machst Geschäfte mit,
Wo dein Herz bei Gott nur ist, bist du sein Eremit.

37

Nicht Bulbul unter Rosen nur hat Seinen Preis gesungen,
Am Strauch sind alle Dornen Ihn zu preisen feine Zungen.

38

Wo weltlich Gut nicht ist, ruhn wir auf Nesseln
Und wo es ist, da wird es uns zu Fesseln.
Kein größer Ungemach als diese Welt
Die, sei sie oder nicht, zur Last uns fällt.

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