Heimreise
Rückkehr von Kairo nach Alexandria
5. September 1842
Am 2. September abends um fünf Uhr hatte ich meine
Rückreise nach Alexandria angetreten. Der Nil war während
meines vierzehntägigen Aufenthaltes in Kairo noch bedeutend
gestiegen und der Anblick der Gegend dadurch um so
interessanter geworden. Nach drei Tagen kam ich glücklich in
Alexandria an, wo ich abermals bei »Colombier« einkehrte.
Ich mußte noch zwei Tage auf die Abfahrt des französischen
Dampfschiffes warten und benützte diese Zeit, die Stadt samt
den Umgebungen etwas näher zu betrachten.
Bei meiner Ankunft in Alexandria begegnete ich zwei
ägyptischen Begräbnissen. Das erste war das eines Armen, da
ging keine Seele mit. Die Leiche lag in einem hölzernen
Bretterverschlag ohne Deckel, ein grober Kotzen war über den
Toten gebreitet, und vier Männer trugen den Sarg. Das zweite
Begräbnis war schon hübscher. Der Sarg war zwar auch nicht
zierlicher, jedoch war der Tote mit einem schönen Schal
bedeckt, und vier Klageweiber schritten hinten nach und
erhoben von Zeit zu Zeit ein furchtbares Geheul. Eine Menge
anderer Leute folgte dem Sarg in bunter Ordnung. Der
Verstorbene wurde ohne Sarg in die Grube gelegt.
Die Katakomben in Alexandria sind sehenswert und von
bedeutender Ausdehnung. Eine halbe Stunde davon entfernt
findet man die berühmte große Ebene, auf welcher einst das
Heer Julius Cäsars aufgestellt war. Die Zisterne und das Bad
der Kleopatra waren beide voll Wasser, ich konnte daher nichts
als den Ort, wo sie standen, sehen.
Der Palast des Vizekönigs, ein großes Gebäude mehr nach
europäischer Form, nimmt sich recht hübsch aus. Seine innere
Einrichtung ist größtenteils europäischer Art.
Der Bazar enthält nichts Ausgezeichnetes. Das Arsenal sieht
von außen sehr großartig aus. Hineinzukommen ist schwer, man
setzt sich der Gefahr aus, von den Arbeitern beleidigt zu
werden. Das Spital gleicht einem großen Privathaus.
Abreise und Heimkehr
7. September 1842
Um acht Uhr morgens begab ich mich an Bord des
französischen Paketdampfbootes »Eurotas«, eines wunderschönen
großen Schiffes von hundertsechzig Pferdekräften. Um neun Uhr
wurden die Anker gelichtet.
Glücklich und wohlbehalten kam ich am 8. Dezember in meine
Vaterstadt zurück, in die Mitte der Meinigen, die ich,
gottlob!, gesund und fröhlich wiederfand.
Vieles hatte ich gesehen, aber auch vieles ausgestanden und
das wenigste so gefunden, wie ich es mir dachte.
Verwandte und Freunde wünschten die Begebenheiten meiner
einsamen Wanderung zu lesen. Jedem konnte ich mein Tagebuch
nicht zusenden, so wagte ich es denn auf vieles Zureden meiner
Freunde, meine Erlebnisse ungeschmückt zu veröffentlichen.
Ich bin keine Schriftstellerin, ich habe nie etwas anderes
als Briefe geschrieben, mein Tagebuch kann daher nicht als
literarisches Werk betrachtet werden. Es ist eine einfache
Erzählung, in der ich alles beschreibe, wie es mir vorkam; es
ist eine Sammlung von Notizen, die ich anspruchslos
niederschrieb, um mich immer an das Gesehene zu erinnern, und
von denen ich nie glaubte, daß sie den Weg in die große Welt
finden würden; darum ersuche ich alle meine geneigten Leser
und Leserinnen um gütige Nachsicht, denn ich wiederhole es
noch einmal: ferne ist mir der Dünkel, mich in die Reihen
jener geistreichen Frauen drängen zu wollen, denen schon in
der Wiege der Weihekuß der Musen ward.