Vierter Teil
Sonnabend, 19. Mai
Heute morgen um sieben Uhr, bei herrlichstem Sonnenschein,
schreite ich zum letztenmal durch den Garten, der von den
schönen Ispahanrosen überschwemmt wird. Hier habe ich mich
eine Woche ausgeruht. Jetzt reise ich ab, setze meinen Weg
nach dem Norden fort. Und wahrscheinlich werde ich meine
liebenswürdigen Wirte niemals wiedersehen, mit denen ich diese
Abende in einer fast vertraulichen Gemeinschaft verbracht
habe.
Obgleich von hier nach Teheran kaum ein richtiger Weg
führt, so werde ich doch zu Wagen reisen, denn mein armer
französischer Diener, der noch sehr von den ausgestandenen
Strapazen mitgenommen ist, würde gar keinen Ritt vertragen.
Vor der Tür steht mein seltsamer Wagen schon angespannt; eine
Art Viktoria, von besonders starker Bauart, deren Federn durch
Stricke befestigt und verstärkt sind; in Frankreich würde man
ein, höchstens zwei Pferde davorspannen; hier gibt man mir
vier, vier kräftige Pferde zum Ziehen, sie tragen ein buntes,
mit Kupfer beschlagenes Sattelzeug, so wie es in Persien
gebräuchlich ist. Auf dem Bock haben zwei Männer Platz
genommen, beide sind mit Revolvern bewaffnet, der Kutscher und
sein Gehilfe, der stets bereit sein muß, im kritischen
Augenblick an die Spitze des Gespanns zu springen. Acht Pferde
folgen, sie tragen mein Gepäck und meine Perser; die kleineren
Sachen, die ich hinten am Wagen befestigt hatte, muß ich auf
Befehl des Kutschers bis auf die Hälfte vermindern, »denn«,
sagt er, »wenn wir umschmeißen sollten . . .«
Wir gebrauchen fast eine Stunde, um aus dem Labyrinth
Ispahans hinauszugelangen, wo unsere Pferde, die es gar zu
eilig haben, möglichst viel Unheil in den engen Straßen
anstiften, sie fahren gegen die Schauläden oder werfen
beladene Maultiere um. Bald geht's durch das Dunkel der
Basare, bald unter strahlendem Himmel zwischen den Ruinen im
schnellen Trab hindurch, der Wagen rumpelt über die Steine
dahin, man schnellt empor und könnte fast die Knochen
zerbrechen. Bettler laufen neben uns her, sie werfen uns Rosen
zu und wünschen uns glückliche Reise.
Darauf folgt das freie Land, das frische Grün der Pappeln
und der Weiden, die junge Farbe der Gerstenfelder, die ganz
mit Kornblumen übersät sind, das weiße Licht der Mohngärten.
Um zwölf Uhr befinden wir uns von neuem inmitten des
Staubes und des gewöhnlichen Verfalls irgendeiner Karawanserei,
wo wir eingekehrt sind; – in weiter Ferne verschwindest die
Stadt der blauen Kuppeln, die Stadt der taubenfarbenen Ruinen
hinter uns.
Und während der Abendetappe sehen wir uns wieder in der
Wüste, in der Wüste, die wir auf dem Wege nach Teheran nicht
mehr vermuteten, eine wirkliche Wüste mit weiten Sandflächen,
mit flimmerndem Licht, mit Karawanen und Luftspiegelungen, –
mit den schönen blauen Seen, die drei Minuten sichtbar sind,
die uns anlocken und dann wieder verschwinden . . . Durch dies
alles im Wagen durchzufahren, im scharfen Trab über die Pfade
der Kameltreiber dahinzurollen, das ist wirklich für mich eine
ganz neue, seltene Begebenheit.