Reise durch Persien

Reise durch Persien

1925 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

Vierter Teil

Sonnabend, 19. Mai

Heute morgen um sieben Uhr, bei herrlichstem Sonnenschein, schreite ich zum letztenmal durch den Garten, der von den schönen Ispahanrosen überschwemmt wird. Hier habe ich mich eine Woche ausgeruht. Jetzt reise ich ab, setze meinen Weg nach dem Norden fort. Und wahrscheinlich werde ich meine liebenswürdigen Wirte niemals wiedersehen, mit denen ich diese Abende in einer fast vertraulichen Gemeinschaft verbracht habe.

Obgleich von hier nach Teheran kaum ein richtiger Weg führt, so werde ich doch zu Wagen reisen, denn mein armer französischer Diener, der noch sehr von den ausgestandenen Strapazen mitgenommen ist, würde gar keinen Ritt vertragen. Vor der Tür steht mein seltsamer Wagen schon angespannt; eine Art Viktoria, von besonders starker Bauart, deren Federn durch Stricke befestigt und verstärkt sind; in Frankreich würde man ein, höchstens zwei Pferde davorspannen; hier gibt man mir vier, vier kräftige Pferde zum Ziehen, sie tragen ein buntes, mit Kupfer beschlagenes Sattelzeug, so wie es in Persien gebräuchlich ist. Auf dem Bock haben zwei Männer Platz genommen, beide sind mit Revolvern bewaffnet, der Kutscher und sein Gehilfe, der stets bereit sein muß, im kritischen Augenblick an die Spitze des Gespanns zu springen. Acht Pferde folgen, sie tragen mein Gepäck und meine Perser; die kleineren Sachen, die ich hinten am Wagen befestigt hatte, muß ich auf Befehl des Kutschers bis auf die Hälfte vermindern, »denn«, sagt er, »wenn wir umschmeißen sollten . . .«

Wir gebrauchen fast eine Stunde, um aus dem Labyrinth Ispahans hinauszugelangen, wo unsere Pferde, die es gar zu eilig haben, möglichst viel Unheil in den engen Straßen anstiften, sie fahren gegen die Schauläden oder werfen beladene Maultiere um. Bald geht's durch das Dunkel der Basare, bald unter strahlendem Himmel zwischen den Ruinen im schnellen Trab hindurch, der Wagen rumpelt über die Steine dahin, man schnellt empor und könnte fast die Knochen zerbrechen. Bettler laufen neben uns her, sie werfen uns Rosen zu und wünschen uns glückliche Reise.

Darauf folgt das freie Land, das frische Grün der Pappeln und der Weiden, die junge Farbe der Gerstenfelder, die ganz mit Kornblumen übersät sind, das weiße Licht der Mohngärten.

Um zwölf Uhr befinden wir uns von neuem inmitten des Staubes und des gewöhnlichen Verfalls irgendeiner Karawanserei, wo wir eingekehrt sind; – in weiter Ferne verschwindest die Stadt der blauen Kuppeln, die Stadt der taubenfarbenen Ruinen hinter uns.

Und während der Abendetappe sehen wir uns wieder in der Wüste, in der Wüste, die wir auf dem Wege nach Teheran nicht mehr vermuteten, eine wirkliche Wüste mit weiten Sandflächen, mit flimmerndem Licht, mit Karawanen und Luftspiegelungen, – mit den schönen blauen Seen, die drei Minuten sichtbar sind, die uns anlocken und dann wieder verschwinden . . . Durch dies alles im Wagen durchzufahren, im scharfen Trab über die Pfade der Kameltreiber dahinzurollen, das ist wirklich für mich eine ganz neue, seltene Begebenheit.

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