Reise durch Persien

Reise durch Persien

1925 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

Vierter Teil

Dienstag, 15. Mai

Heute morgen stellt mich der Fürst D... Seiner Hoheit Zelleh-Sultan, dem Bruder Seiner Majestät des Schahs, dem Vezir von Ispahan und Irak, vor. Aufeinander folgende Gärten führen bis zu seinem Schloß, sie sind natürlich voller weißer Heckenrosen und rosa Rosen; sie werden verbunden durch Tore, vor die man Wächter aufgestellt hat, und diese Tore tragen alle das persische Wappen: über dem Gesims ein Löwe und eine Sonne.

Ich erwartete bei diesem Satrapen den Luxus von Tausendundeiner Nacht, einen sprichwörtlichen Reichtum zu finden; aber es war eine vollständige Täuschung, sein moderner Palast könnte jedem Beliebigen gehören, wenn nicht die wunderbaren Teppiche wären, die zu betreten eine Entweihung ist. In dem Salon, wo Seine Hoheit uns empfängt, liegen Bücher auf dem Schreibtisch aufgestapelt, und geographische Karten hängen eingerahmt an den Wänden. Zelleh-Sultan ist verbindlich und geistreich, er hat einen schneidenden Blick, ein bitteres Lächeln. Ich lasse hier eine kurze Schätzung der beiden benachbarten Völker folgen, die wörtlich von ihm stammt: »Von den Russen haben wir stets nur gute Dienste erfahren. Von den Engländern im Süden unseres Landes beständige Eroberungsversuche, und zwar mit Benutzung von Mitteln, wie sie das ganze Weltall an ihnen kennt.«

In derselben Gegend der Stadt liegen die großen Gärten und das verlassene Schloß der alten Sophis-Könige, Nachfolger des Schah-Abbas, deren Dynastie sich immer eleganter, immer verfeinerter bis zur afghanischen Überschwemmung hielt (1721 nach unserer Zeitrechnung). Auch hier herrschen die Heckenrosen, aber vor allem die rosenroten Rosen, man sieht jedoch auch jene altmodischen Blumen, die man bei uns kennt, und die man »Priesterblumen« nennt: Löwenzahn, Rittersporn, Ringelblume, Tausendschön und Levkojen. Die Rosenstöcke wachsen hier so groß wie Bäume, die Platanen sind Riesen – immer von unten beschnitten, wie weiße Säulen geformt –, sie bilden regelmäßige Alleen, die mit ihrer ein wenig dunklen Fliesenpflasterung die langen, geraden, altmodisch abgesteckten Wasserbassins einrahmen. Der Palast, der inmitten dieser Schatten, dieser zwei- oder dreihundert Jahre alten Lustgärten thront, nennt sich der Palast der vierzig Spiegel. Man sieht ihn stets über seinem eigenen Bilde liegen, das von einer ruhigen Wasserfläche zurückgeworfen wird, darum nennt man ihn auch den Palast der vierzig Säulen, obgleich er in Wirklichkeit nur zwanzig hat, aber die Perser zählen das umgekehrte Spiegelbild mit, das seit Jahrhunderten nicht von dieser blanken, trostlosen Fläche vor der Schwelle verschwunden ist. In unseren Augen erscheint dieser Palast die seltsame Linienführung, die übertriebene Schlankheit der achämenidischen Baukunst zu besitzen; die wunderbar hohen, gebrechlichen Säulen tragen ein flaches Dach, und sogar die langen gestützten Platanen, die es umgeben, setzen in dem Park die aufrechtstrebende Linie fort. Ungeheure Vorhänge, seit der Verheerung der Barbaren verschwunden, bildeten scheinbar den Abschluß vor den Sälen, in die das Auge heute bis zum Hintergrunde, wie in eine Art prächtig ausgestatteter Halle vordringen kann. Zur Zeit der prunkvollen Empfänge, als alle diese Vorhänge geöffnet waren, konnte man von draußen den Schah in einer glitzernden, goldenen Ferne, gleich einem Götzenbild auf seinem Thron sitzen sehen. Der Hauptfarbenton zeigt ein mattes Gold, ein blasses Rot; aber die Säulen mit ihrer Mosaikbekleidung aus Spiegelstückchen, die das Alter oxydiert hat, schimmern wie Silber.

Der weit geöffnete, schweigende Palast scheint nicht der Wirklichkeit anzugehören, und doch ist sein Spiegelbild in diesem traurigen Wasserbecken noch weit unwahrscheinlicher. An dem Rande des viereckigen Bassins, das schon so lange das Schloß der verschwundenen Könige widerspiegelt, halten ungekünstelte, kleine Statuen aus grauem Kiesel, so wie in Persepolis, Blumentöpfe in die Höhe. Der Umkreis ist mit großen, grünlichen Fliesen gepflastert, über die einst die vielen gestickten, vergoldeten Babuschen dahineilten. Und überall Rosen, Heckenrosen, die sich an den glatten, weißen Stämmen der Platanen hinaufwinden.

Im Innern herrscht das rote Gold, herrschen die geduldigen Spiegelmosaiks, die stellenweise noch wie Diamanten funkeln können; unter den kleinen Kuppelgewölben vereinen die Arabesken und Zellen sich zu einer nicht entwirrbaren Verschlingung. Ganz im Hintergrunde erhebt sich in der Mitte ein gewaltiger spitzbogiger Rahmen und umgibt den Thron und den Herrscher gleichsam mit einer Strahlenkrone; er scheint wie mit Eiszapfen, mit Rauhreif ausgelegt zu sein; und über den Gesimsen fügen sich die Bilder in wunderbar feiner Ausführung aneinander, sie stellen Festgelage, Schlachtenszenen dar; man sieht dort einige altertümliche, übertrieben schöne Könige, mit langen Augenwimpern, mit langen, seidenweichen Bärten, der Körper ist in Goldbrokat gehüllt, und sie sind mit Edelsteinketten behangen.

Hinter diesen traumhaften Sälen, die sich immer wieder auf der Oberfläche des Wassers verdoppeln, liegen, geschützt von den Bäumen, zahllose Nebengebäude, sie erstrecken sich bis zu dem Palast, der heute von Zelleh-Sultan bewohnt wird. Es waren dies die Harems der Prinzessinnen, der untergeordneten Frauen, auch lagen hier die Speicher für die aufgehäuften Vorräte, für die phantastischen Reichtümer: Speicher für die Kasten und Kisten, Speicher für die Fackeln, Speicher für die Gewänder usw., und hier hat man auch das Weinlager zu suchen, von dem Chardin im siebzehnten Jahrhundert uns erzählt, daß es angefüllt sei mit Schalen und Karaffen, »aus venezianischem Glas, aus Porphyr, aus Beilstein, aus Korallen, aus kostbaren Steinen«. – Es gibt hier sogar unterirdische Säle aus weißem Marmor, die man für die heißen Sommertage erbaut hatte, und an deren Wänden wirkliches Wasser herabfloß.

Von meinen morgendlichen Streifzügen kehre ich in dem Augenblick zurück, wo die Muezzine zum Mittagsgebet rufen (es ist zwölf Uhr, oder kurz davor). In Ispahan geben die Gebetsausrufer die Stunde an, wie es bei uns die Schläge der Turmuhren tun. Sie singen mit ernstem Ton, was man in den anderen Ländern des Islam nicht kennt. In der benachbarten Moschee stehen mehrere Muezzins zusammen, sie rufen, sie wiederholen in langgezogenen Lauten den Namen Allahs, und es umgibt sie das Schweigen des Mittags, der Schlaf und das Licht, das mit jedem Tage stechender wird. Während ich ihnen lausche, scheine ich dem Weg ihrer Stimme folgen zu können, ich fühle sie über die geheimnisvollen Wohnungen der Umgegend dahinstreichen, über alle diese Gärten voller Rosen, in deren Schatten die Frauen, die man niemals sieht, ohne Maske vertrauensvoll im Schutz der hohen Mauern sitzen.

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de