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zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Bahirah
In Syrien lebte ein Mönch namens Bahirah in einer
Einsiedelei inmitten eines Gehölzes. Er hatte ehemals seine
Hütte unter einem Baum, nicht weit von der großen
Karawanenstraße, errichtet. Es war aber nach und nach ein
ganzer Wald um seine Behausung aufgeschossen, der sie vor den
Blicken und Besuchen neugieriger Schnüffler verbarg. Er war
ein Christ und mit christlichen Sitten und Gebräuchen
wohlvertraut. In seiner Hütte verwahrte er an einer eisernen
Kette ein heiliges Buch, zu dem die Mönche und
Schriftgelehrten von weither pilgerten. Das Buch aber hatte
ihm prophezeit, er werde den Gesandten Gottes erblicken und in
den Armen halten an dem Morgen, an dem er es nicht werde
berühren können. Und der Gesandte Gottes werde eine Narbe über
dem Herzen haben: die Narbe, da Gott ihm sein menschliches
Herz aus der Brust geschnitten und ihm ein englisches
eingesetzt habe an seiner Statt. Jahrelang hielt Bahirah
Ausschau nach dem Gesandten Gottes und bereitete sich auf ihn
vor mit Gebeten und Kasteiungen.
Eines Morgens, als er den Tag wie gewöhnlich mit einem
Gebete aus dem heiligen Buch eröffnen wollte, sah er, daß das
heilige Buch vollkommen eingesponnen war. Auf dem grünen
Gespinst aber hockte eine große giftige Spinne, das Zeichen
Luzifers auf der Stirn.
Kaum hatte Bahirah sich von seinem Schreck erholt, als
Getrappel von Pferden und Kamelen auf der Landstraße
vernehmlich wurde.
Bahirah stürzte sich auf die Straße und warf sich der
Karawane entgegen, die Arme weit gebreitet. Er fiel dem
vordersten Reiter in die Zügel und schrie: »Ich lasse Euch
nicht, Ihr tut mir denn die Ehre und seid für heute meine
Gäste. Der Gesandte Gottes weilt unter Euch, ich will ihm
huldigen.«
Seinen weißen Bart zauste der Wüstenwind. Seine Augen
brannten.
Die Kureischiten lächelten, und ihr Anführer, Abu Talib,
der Oheim Mohammeds, sprach: »Ehrwürdiger Vater, wir wollen
Euch gern das Vergnügen machen, uns zu bewirten. Aber den
Gesandten Gottes, von dem Ihr spracht, führen wir nicht bei
uns, erinnern uns auch nicht, von einem solchen gehört zu
haben.«
Die Karawane sattelte ab. Mit Hilfe seiner Jünger richtete
Bahirah unter einem Baume ein Mahl her: Lammfleisch, Brot und
Milch, und lud sie alle ein, jung und alt, Sklaven und Freie.
Als sie bei Tisch saßen, musterte Bahirah seine Gäste der
Reihe nach mit gütigen Augen und sprach: »Kureischiten, es
darf keiner, auch der Geringste nicht, zurückbleiben. Ich habe
Euch alle eingeladen; fehlt auch niemand in der Runde?«
Die Kureischiten lächelten, und Abu Talib sprach:
»Wir sind alle hier versammelt. Ein Knabe nur, mein Neffe,
blieb im Lager, um auf die Tiere acht zu haben.«
Da sprang Bahirah auf und schrie: »Holt mir den Knaben!«
Zwei Sklaven brachten Mohammed, der unbefangen auf den Mönch
zutrat und sich tief vor ihm verneigte, die Arme über die
Brust gekreuzt.
Als er die Verbeugung vollendet hatte und die Arme
seitwärts fallen ließ, erkannte Bahirah auf dem nackten
Oberkörper unter dem Herzen die Wunde, das Mal des
Prophetentums. Bahirah aber gedachte ihn zu versuchen und
sprach:
»Schwör« mir bei Lat und Uzza, Knabe, ob du wahre Träume
hast!«
Der Knabe schüttelte den dunkeln Kopf, und eine Gebärde des
Ekels erschütterte seine Züge. »Ich glaube nicht an Lat und
Uzza, die Götzen der Kureischiten. Jeder Eid, der bei ihnen
geschworen wird, ist ein Meineid.«
»Woran glaubst du sonst, Knabe, wenn nicht an die Götter
deines Volkes?«
»Die Götzen meines Volkes sind tönerne Götzen. Ich kann sie
mit meinem Stecken zerschlagen.«
»Und woran glaubst du, Knabe?«
Der Knabe hob den Kopf. Den linken Arm schön um eine
Bambusstaude geschlungen, sprach er leise:
»An mich.«
Bahirah kreuzte die Arme und neigte sich vor dem Knaben,
wie der Knabe soeben vor ihm. Dann führte er ihn in das Haus,
das heilige Buch ihm zu zeigen.
Da sah er wieder das grüne Gespinst und auf dem Gespinst
die giftige Spinne. Sie zischte wie eine Schlange, als
Mohammed ihr nahekam.
Er aber packte sie mit der Faust, warf sie auf den Boden
und zertrat sie mit bloßer Sohle.
Er riß das Gespinst auseinander, schlug das Buch auf, und
ob er gleich zuvor niemals gelesen und keiner Buchstaben
kundig war, las er:
»Gelobt sei Gott, der Herr der tausend Welten. Der
Allerbärmer. Der König der Richter und der Richter der Könige.
Ihm dienen wir, so dient er uns. Er leite uns den geraden Weg:
den Weg der Gnade und der Güte. Des Willens und der Weisung.
Es ist nur ein Gott, ihn zeugte niemand, er zeuget niemanden,
es ist nur ein Gott, und Mohammed ist sein Prophet ...«
Des Abends, als die Kureischiten sich zum Aufbruch
rüsteten, nahm Bahirah Abu Talib beiseite:
»Wisse, daß Ihr den Gesandten Gottes unter Euch habt. Meine
alten Augen sind selig, da sie ihn noch gesehen, meine dürre
Lippe lobpreist seine kindliche Gottheit.«
Abu Talib lächelte verzeihend:
»Wer ist es, den Ihr meint, ehrwürdiger Vater?«
Der Greis verneigte sich:
»Es ist Mohammed, Euer Neffe.«
Abu Talib lachte:
»Märchenerzähler!« und schwang sich aufs Pferd. »Die
Kureischiten handeln mit Edelsteinen und Seidenstoffen, aber
nicht mit Göttern. Mohammed ist ein Kaufmann.«
Der Alte ballte die Faust. Er bellte:
»Er wird Euch Euren Unglauben mit rechter Münze
heimzahlen!«