.Bücher
zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Amme
Aminah aber war zart, und Mohammed ergriff sie mit den
Pranken eines jungen Tigers. Da sprach Abd Almuttalib zu ihr:
»Ich werde gehen und eine Amme suchen. Denn das Kind ist
stark, wie ich noch keines sah; es könnte dich töten... Auch
mangelt es an genügender Nahrung für dich. Wir haben Dürre und
Hungersnot. Ich werde gehen zu den Frauen vom Stamme der Benu
Saad, deren Beruf und Verdienst es ist, zu säugen.«
Abd Almuttalib ging auf den Markt, wo die Frauen vom Stamme
der Benu Saad sich als Ammen anbieten, und rief: »Eine Amme
für Mohammed, den Sohn der Aminah!«
Das Gemurmel der Frauen, das wie Plätschern eines tiefen
Brunnens klang, riß mitten hindurch wie ein Leinentuch. Sie
spitzten ihre Ohren wie Häsinnen.
Als sie aber hörten, daß der Name eines Vaters nicht
ausgerufen wurde, überstürzten sich ihre Stimmen wie Kaskaden,
um dann munter und eben weiter dahinzuplätschern.
Ein Waisenkind! Pah! Was soll es damit! Das Gehalt fällt
mager aus, wenn der Vater fehlt. Und wo bleiben die üblichen
Ehrengeschenke des Erzeugers an die Amme? Der Großvater wird
sich nicht sonderlich um das Kind kümmern.
Abd Almuttalib lief den Markt auf und ab und rief: »Eine
Amme für Mohammed, den Sohn der Aminah!«
Er lief den ganzen Vormittag. Als alle andern Frauen schon
Säuglinge gefunden hatten, trat Halimeh, die Ärmliche und
Unscheinbare, mit den schlaffen Brüsten, welche fürchtete, um
ihren Verdienst zu kommen, auf Almuttalib zu und sprach: »Ich
bin bereit, Mohammed, den Sohn der Aminah, zu säugen und zu
pflegen...«
Sie nahm den Knaben auf die Arme und trug ihn, mißvergnügt,
daß sie ein Waisenkind davongetragen und weiterer Geschenke
verlustig gehe, zu ihrer Kamelin, einem halbverhungerten
kärglichen Tier, und schloß sich der Karawane der Ammen an,
die mit ihren Säuglingen heimritten.
Als sie nun Mohammed an ihren schlaffen Busen legte, da
schwoll er rund wie ein Granatapfel und gab Milch im Überfluß.
Am Abend, da es sie hungerte und ihr Mann die Kamelin molk,
molk er viele Eimer voll. Als sie sich zum Schlaf
niederlegten, standen Dattel- und Feigenbäume um ihr Lager und
sie tranken und aßen sich seit langem wieder einmal satt.
Halimeh aber sagte: »Wisse, wir sind in einen Garten der
Wunder getreten. Die Welt liegt hinter einem Rosenbusch.
Palmen fächeln wie Mohrensklaven. Ich bin jung und wieder
schön. Küsse mich Geliebter...«
Das Land der Benu Saad, welches das unfruchtbarste Arabiens
ist, wandelte sich, wo die Schritte Halimehs, der Amme
Mohammeds, es berührten, zu einem paradiesischen Acker. Schwer
mit Milch beladen schwankte Halimehs Vieh jeden Abend heim.
Die Bäume warfen Schatten und Früchte ins ehedem leere Haus.
Vögel und Blumen, die man vordem in dieser Gegend nie gesehen,
blühten und zwitscherten um Mohammed und Halimeh. Nach zwei
Jahren entwöhnte Halimeh Mohammed von ihrer Brust. Er aber
verlangte noch oft nach ihr, bis in sein viertes Jahr.