3. Meine Reise nach Ägypten
Erlebnisse in Alexandrien.
Meinen ersten Aufenthalt in Ägypten, in den Jahren 1853 und
1854, meine Erlebnisse und die Eindrücke, die ich auf meiner
ersten Wanderung im Nilthale von Alexandrien an bis zur Insel
Philä hin von Land und Leuten empfing, und vor allem meine
Denkmälerstudien habe ich in meinen »Reiseberichten aus
Ägypten« (1855 in Leipzig bei F. A. Brockhaus erschienen) mit
ungeschminkter Treue zu schildern versucht. Obgleich ein
Schriftsteller meines Schlages die Kinder seiner Feder nicht
besonders zu lieben pflegt, denn er entdeckt später nur zu
häufig die Mängel, die ihnen anhaften, so hat mich dennoch
niemals die Neigung verlassen, die gedruckten Seiten meines
Reisewerkes immer wieder und wieder zu lesen. Im höheren Alter
stehend, empfinde ich sogar ein Vergnügen darin, die Urteile
meiner Jugend mit den gereiften Erfahrungen meines
Lebensherbstes zu vergleichen und die wissenschaftlichen
Fortschritte abzumessen, die seitdem auf dem Felde der
Ägyptologie gemacht worden sind. Trotz zahlreicher
Verbesserungen, die von einer neuen Ausgabe meiner
Reiseberichte nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung
unzertrennlich sein dürften, ist die Wärme jugendlicher
Begeisterung in meinen gelieferten Schilderungen wohlthuend
und erquicklich für meine alt gewordene Seele.
Der Stellvertreter des preußischen Generalkonsuls in
Alexandrien, ein Herr Bauernhorst, empfing mich mit offenen
Armen. Er gehörte zu den älteren Nummern der in Afrika
vagabundierenden Reisenden, hatte mit von Heuglin und unserem
bekannten Vogel-Brehm den langen und beschwerlichen Weg nach
Chartum zurückgelegt und vieles gesehen nnd erlebt, was damals
wenigstens allen übrigen Menschen verschlossen geblieben war.
Die Erzählungen des schönen Mannes von herkulischer Gestalt,
des Sohnes eines Berliner Briefträgers und eines Bruders der
hannoverschen, auch in Petersburg und Berlin wohlbekannten
Hofschauspielerin Frau von Bärndorf, pflegten von
Kraftausdrücken zu strotzen, die seinem heftigen, oft
ungebärdigen Charakter entsprachen. Es hielt schwer, wie man
zu sagen pflegt, mit ihm fertig zu werden, denn seine
leidenschaftliche Art schreckte allgemein zurück, so daß er
nur ein paar aufrichtige Freunde besaß. Nichtsdestoweniger
hatte er mich in sein Herz geschlossen und vor meinen Augen
den Vorhang seines abenteuerlichen Lebens von Akt zu Akt
steigen lassen.
Er huldigte mit Vorliebe dem Pferdesport und konnte es
nicht begreifen, daß ich nach einigen abfälligen Versuchen
mich hartnäckig weigerte, auf seinem englischen
Vollblutschimmel neben ihm durch Alexandriens Straßen oder auf
dem Gebiete von Ramleh einherzulagen. Doch machte es ihm
Freude, mich auch »unberitten« in die Gesellschaft von
Alexandrien einzuführen, und er empfand es mit einer
besonderen Genugthuung, einen Schützling des weltbekannten
Alexander von Humboldt, der ihm auf das wärmste empfohlen sei,
als seinen Freund und Gast bezeichnen zu können. Ich war
nämlich damals in einem von dem Württemberger Zech geleiteten
Hotel in Alexandrien abgestiegen, aber meinem preußischen
Konsularvertreter ließ es keine Ruhe, mich als Gast mit Sack
und Pack in seine eigene Wohnung einrücken zu sehen. Es ging
darin ziemlich junggesellenmäßig und wild-afrikanisch her. So
gehörte es zu den Nachmittagsunterhaltungen meines
konsularischen Beschützers, mit einem Revolver nach einer im
Zimmer an der Wand befindlichen Scheibe zu schießen. Eines
Tages schlug eine Kugel durch die dünne Mauer und traf ein im
Nebenzimmer an der Rückseite aufgehängtes Bild, dessen
Glassplitter mit lautem Geklirr zur Erde fielen. Man hätte das
verblüffte Gesicht des Schießhelden sehen sollen, als er sich
davon überzeugen mußte, daß er eine hochstehende Person in
unserem Vaterlande, wenn auch nur in effigie, mitten durch die
Brust geschossen hatte!
Im übrigen war sein Grundsatz: leben und leben lassen, und
nach Luthers Wahlspruch, daß Wein, Weiber und Gesang des
Menschen Herz sein Lebelang erfreuen, huldigte er allen
dreien, besonders aber dem Weine, wozu ein biederer
Mecklenburger, mit dem Namen»Vater Langfeld«, häufig
Gelegenheit und reichen Stoff darbot. Dieser hielt am heutigen
Mehemmed-Ali-Platze, damals »Place-des-Consuls« genannt, am
Eck ein offenes Weingeschäft und es muß ihm nachgesagt werden,
daß seine Getränke unverfälscht und edel waren und mannhafte
Leute selbst unter der heißen ägyptischen Sonne wohl zu einem
langen Trunke verlocken konnten.
Da ich niemals in meinem Leben besonderes Behagen am Genuß
berauschender Getränke empfunden hatte, so wurde ich von
meinem Gastfreunde von diesem Standpunkte aus mit
verächtlicher Miene angesehen. Ich entschuldigte mich, so gut
ich es vermochte, mit Bezug auf meine schwachen Kräfte,
verhehlte ihm andererseits jedoch nicht meine volle
Bewunderung für seine eigene außerordentliche
Leistungsfähigkeit. Und so kamen wir gut miteinander aus.
Vater Langfeld, eine dicke, urkräftige Gestalt, die eher
einem behäbigen Gutsherrn, als einem Alexandriner Weinwirt
ähnlich sah, war nicht nur durch Geburt und Abstammung ein
Landsmann Fritz Reuters, sondern auch ein Geistesverwandter
von ihm durch seinen angeborenen Witz und Humor. Er sprach
eigentlich wenig und haspelte die Worte »mes singsch« in einem
wunderlichen Gemisch von Platt-und Hochdeutsch in kurzen
Sätzen ab, die an naturwüchsiger Schlagfertigkeit nichts zu
wünschen übrig ließen. Auch in seinen Handlungen und
Entschlüssen offenbarte sich der Mecklenburger, wie ihn Fritz
Reuter mit unnachahmlicher Treue in seinen Schriften
geschildert hat. Als Beweis dafür führe ich die folgende
Geschichte an, die ich von ihm erlebt habe und an die ich
nicht ohne das höchste Vergnügen zurückdenke.
Langfeld versprach mir seinen Besuch in Berlin, wenn ich
glücklich nach Europa zurückgekehrt sein würde. Einige Jahre
waren seitdem verflossen, als er wirklich in meiner Wohnung
erschien, seine kleine Reisetasche am grünen Bande um die
Schulter gehängt. Wir unterhielten uns von vergangenen Zeiten
bei einem Glase funkelnden Weins, den er mit Kennera ugen auf
seine Farbe und seinen Glanz hin prüfte, mit schlürfenden
Lippen kostete und sofort als »schlechte Sorte, Berliner Gift«
in mehr als hinreichender Weise erklärte. Darauf entspann sich
die folgende Unterhaltung.
»Wo sind Sie abgestiegen, Herr Langfeld?«
»Hier unten.«
»In meinem Hause? Das ist ja ein wunderlicher Zufall.«
»Nein, unten, in Droschke.«
»So sind Sie eben von der Bahn gekommen und suchen ein
Hotel?«
»Im Gegenteil, logiere seit gestern in Droschke.«
»Das verstehe, wer da kann. Und Ihr Gepäck?«
»Trage das bei mir!« und er klopfte mit der fleischigen
rechten Hand auf seine Tasche, »da ist Kamm, Bürste und Seife
drin und ein ganzes Packen Gold.«
»Aber erklären Sie sich doch genauer, ich verstehe immer
weniger.«
»Nicht viel zu erklären. Wohne in Droschke Tag und Nacht,
d.h. schlafe nachts ein paar Stunden in Remise. Pferdedecke
wärmt mich. Ist ja Sommer. Bei Tage fährt mich Kutscher wohin
er will, sachkundiger Mann, ersetzt mir Fremdenführer durch
Berlin. Esse und trinke gut, sehe alles, höre alles, weiß
alles. Hält Droschke, steige ich aus, erhalte Anweisung,
Kutscher wartet und nachher weiter. Brauche ich Wäsche oder
sonst etwas, kaufe ich, was ich wünsche. Kutscher kriegt
alles, was ich ablege. Bin zufrieden. Keine Überfracht, kein
Hotel, keine Trinkgelder, kein Packen, kein Suchen und Fragen,
habe alles. Bleibe noch drei Tage hier. Nun ziehen Sie sich
an, Herr Doktor, kommen unten in mein Hotel, fahren wohin
Kutscher will. Sehr bequem.«
Ich glaube kaum, daß jemals ein anderer Sterblicher auf den
Gedanken gekommen wäre, eine Droschke als ambulantes Hotel
während seines Aufenthaltes in einer europäischen Stadt zu
benutzen. Aber Vater Langfeld hatte diese Idee mit Erfolg
bereits in Triest, Wien und Prag praktisch durchgeführt und
war nicht davon zu überzeugen, daß man auch in anderer Weise
die Welt durchreisen könne. Sein nächstes Ziel war Paris, zu
dessen Besichtigung er eine ganze Woche Aufenthaltes in irgend
einer Hoteldroschke bestimmt hatte. Wie ich später aus seinem
Munde hörte, hat er nicht nur das große Babel an der Seine,
sondern auch London von einer Mietsdroschke aus mit größtem
Nutzen in Augenschein genommen. In seinem häuslichen Dasein
war er übrigens durchaus nicht verwöhnt worden. Nach damaliger
Unsitte vieler in Ägypten ansässigen Europäer war er mit einer
verwitweten oder geschiedenen koptischen Christin eine Ehe
»auf Zeit« eingegangen, die von dem Patriarchat anstandslos
anerkannt wurde. Die schlimmsten Folgen einer solchen
Verbindung traten erst hervor, wenn aus der ungesetzlichen
Gemeinschaft Kinder entsprossen waren. Ich habe später einmal
amtlich den traurigen Fall verhandeln müssen, daß ein sehr
geschickter und allgemein beliebter deutscher Photograph
plötzlich starb, ohne daß die Frau, eine Koptin, und die
hinterbliebenen Kinder auch nur das geringste Anrecht auf die
Hinterlassenschaft des Mannes und Vaters nach dem Wortlaut des
Gesetzes gehabt hätten.
Mein sehnlichst gewünschter und endlich ausgeführter Besuch
bei Mr. Harris, einem schon hochbejahrten Engländer brachte
mir eine große Enttäuschung. Ich lernte in ihm eine einfache,
schlichte Natur mit fast schüchternem Wesen kennen, während
seine farbige Tochter, elegant nach englischer Mode gekleidet,
eine so geistvoll lebendige Unterhaltung entwickelte, daß ich
geradezu entzückt von ihr war. Selbstverständlich wurde mir
bereitwilligst die erbetene Erlaubnis gewährt, in der schon
damals weltbekannten Sammlung ägyptischer und
griechisch-römischer Altertümer arbeiten zu dürfen, aber damit
war auch alles geschehen, was sich als besondere Höflichkeit
bezeichnen l ieße. Ich hatte meinerseits eine Einladung zu
einer gemeinschaftlichen Reise mit Vater und Tochter auf ihrem
großen Nilschiffe nach Oberägypten erwartet, allein davon war
auch nicht im entferntesten die Rede und ziemlich ärgerlich
schied ich bei meinem ersten Besuche von beiden Harris.
Fast einen vollen Monat weilte ich in der Alexandersstadt,
die zu jener Zeit eigentlich erst im Bau begriffen war,
insoweit es sich um die Anlage neuer Straßen mit stattlichen,
in europäischem Stile ausgeführten Häusern, oft wahren
Palästen, handelte. Bei den Ausgrabungen für die Anlagen der
Fundamentierungen traten au allen Ecken und Enden die
merkwürdigsten Reste der alten Stadt zu Tage, und nicht am
wenigsten überraschte es mich, daß die ehemaligen
Wasserleitungen, unterirdische Kanäle mit hohen, voll
ausgemauerten Wölbungen, sich wohl erhalten zeigten. Ein
ganzes Netz von Kanälen, ganz nach modernen Mustern angelegt,
zog sich durch das unterirdische Revier, und ich geriet
geradezu in das größte Erstaunen, als ich auf einem von
Arabern geleiteten Kahn beim Scheine von Fackeln lange
hochgewölbte Gänge durchfuhr, über welchen sich der größte
Teil von Neubauten der modernen Stadt befindet. Die
verschütteten Zisternen, denen man auf allen Plätzen und in
allen Gassen des heutigen Alexandrien begegnet, mündeten in
diese alten Wasserleitungen, die heutigen Tages mit dem Aufbau
der letzten Häuser verschwunden sind, so daß vielleicht nur
wenige Bewohner der älteren Generation überhaupt eine Ahnung
davon besitzen. Auf meine Mitteilung hin übernahm es in
späterer Zeit mein verstorbener Freund August Mariette,
wenigstens die Zisternen ihrer Lage nach topographisch
aufzunehmen, nachdem ihm vom Kaiser Napoleon III., der sich
damals mit seiner bekannten Arbeit über Julius Cäsar
beschäftigte, der Wunsch ausgedrückt war, den Plan und die
Straßenläufe der alten Stadt mit möglichster Sorgfalt zu
rekonstruieren.
Ich verwandte viel Zeit und Mühe auf das Studium dieser
merkwürdigen Kanäle, in deren Wandseiten sich manche behauene
Werkstücke mit Darstellungen und Inschriften von Denkmälern
aus voralexandrinischer Zeit vorfanden, nahm Kenntnis von
allen Überresten des Altertums, die sonst zu Tage lagen oder
in den Sümpfen der nächsten Umgebung versenkt waren, besuchte
wiederholt die Villenkolonie von Ramleh und die dort
aufgefundenen Reste des älteren Ortes Nikopolis, durchstöberte
die jetzt fast ganz verschwundenen Katakomben aus heidnischen
und christlichen Zeiten, mit einem Worte, ich schwelgte als
angehender Antiquar in Genüssen, die nur der zu begreifen
vermag, den jemals die Liebe zum Alten begeistert hat.
Auf meinen täglichen Ausflügen erfreute ich mich eines
kenntnisreichen und ortskundigen Führers in der Person des Dr.
med. Pfund, eines geborenen Hamburgers, der sich einige Jahre
vor meiner Ankunft in Alexandrien niedergelassen hatte und von
den sehr geringen Einnahmen seiner Stadt- und Schiffspraxis
lebte. Seinem Lieblingsfache, der Erforschung der Flora A
lexandriens, opferte er fast seine ganze Zeit, so daß seine
Herbarien einen erstaunlichen Umfang gewannen. Leider brachte
ihn seine gelehrte Neigung niemals auf einen grünen Zweig, so
daß er ohne Unterbrechung mit Kummer und Sorge zu kämpfen
hatte. Er siedelte später mit Frau und Kind nach Kairo über,
allein auch hier gelang es ihm nicht, ein besseres Fortkommen
zu finden. Ich verschaffte ihm später eine Stellung als Lehrer
an der von mir gegründeten Regierungsschule, die ihn eine Zeit
hindurch über Wasser hielt. Als sechzigjähriger Mann fühlte er
später noch die Kraft und den Mut in sich, eine ägyptische
Expedition nach Dongola und Kordofan als Arzt und Botaniker zu
begleiten, starb aber infolge eines heftigen Fiebers als ein
unglückliches Opfer seiner letzten Bemühungen, Frau und Kind
vor der bitteren Sorge um das liebe Leben zu schützen.
Bedeutend als Botaniker, fand er dennoch nirgends die
verdiente Anerkennung, denn er arbeitete langsam und bedächtig
und seine jüngeren Kollegen kamen ihm zuvor; mittelmäßig als
Arzt, verscherzte er seine Kundschaft durch den botanischen
Übereifer, der ihm die für den Krankenbesuch notwendige Zeit
raubte; schwach als Mensch und von fast kindlichem Gemüte,
verzweifelte er an sich selbst und ging darüber elend zu
Grunde. Doppelt empfinde ich deshalb die Freude, wenn ich
gelegentlich in den neuesten botanischen Werken über die Flora
Ägyptens seinen Namen mit Ehren erwähnt finde.
Meine gemeinschaftliche Reise von Alexandrien nach Kairo
mit dem später in der Wissenschaft bekannten österreichischen
Baron von Friedau und zwei anderen vornehmen Landsleuten des
letzteren, darunter ein Baron vonKönigswart, ging auf einem
Nilboote vor sich, denn in der damaligen Zeit gab es weder
Eisenbahnen noch Postdampfer in Ägypten. Fast eine Woche waren
wir unterwegs, einen Abstecher zu Lande, von dem Dorfe
Terraneh aus durch die Wüste nach den Natronseen und
Natronklöstern im Westen mit eingerechnet. Auf dieser Fahrt,
die mich zum erstenmale das üppige Grün der ägyptischen Felder
zu beiden Seiten des Stromes in winterlicher Jahreszeit kennen
lehrte, ereignete sich ein überaus lustiger Vorfall, der
höchst traurig hätte werden können. Baron v. K. war ein
eingefleischter Jäger vor dem Herrn, der es sich in den Kopf
gesetzt hatte, auf unserer Fahrt einen roten Flamingo vom
Schiffe aus zu schießen. Schon in aller Frühe des Morgens lag
er an Bord mit dem Gewehre auf der Lauer, seine schwachen
Augen mit einer Brille und einem Zwicker vierfach bewaffnet.
Seine laute Stimme drang eines Tages bei anbrechender Aurora
in den Salon hinein:»Kommts eilig, wenn Ihr den Flamingo sehen
wollt!« Wir drehten uns auf die andere Seite, um ruhig weiter
zu schlafen, als der Schrotschuß krachte, zugleich aber ein
lamentables Geschrei vom linken Ufer her zu uns herüber tönte.
Ich stürzte halb bekleidet aus dem Bettraum und war Zeuge
folgender Scene. Ein ägyptischer Fellah, nach Landessitte so
gut wie unbekleidet, war bereits in der Frühe des anbrechenden
Tages damit beschäftigt, am Nilufer mit Hilfe eines Noreg,
einer höchst einfachen Vorrichtung zum Schöpfen des
Flußwassers, seine Felder zu befeuchten. Sein von der
aufsteigenden Sonne beleuchteter rotbrauner Körper, der sich
bei der Arbeit des ledernen Schöpfeimers bald auf-, bald
abwärts bewegte, strahlte im Purpurscheine der Königin des
Tages. Da geschah das Unglaubliche. Der Baron, in der festen
Meinung, einen herrlichen rotfarbigen Flamingo vor sich zu
sehen, schoß sein Gewehr auf den Vogel ab und die Schrotladung
ging in den Rücken des armen Menschenkindes. Mit einem
Aufschrei stürzte sich der Getroffene in den Nil, seine Arme
zerteilten das Wasser und mit lautem Klagerufe klammerte er
sich am Bord unseres Nilbootes fest, um etwa den
unvorsichtigen Jäger zur Rede zu stellen? O nein! sondern um
flehentlich ein wiederholtes Backschisch auszurufen. Man zog
ihn aufs Deck, seine zahlreichen Schußwunden wurden besichtigt
und ihm ein blanker Fünffrankenthaler als Schmerzensgeld
verabreicht. Schmunzelnd betrachtete er das Geldstück,
bedankte sich nach ägyptischer Weise mit einem »Gott vermehre
euer Glück!« und versicherte uns mit treuherziger Miene, wenn
auch am ganzen Leibe zitternd und bebend, er würde doch noch
einmal gern als Zielscheibe dienen, wenn ihm die Auflage
verdoppelt würde. Baron v. K. würde sicher nicht so leichten
Kaufes davon gekommen sein, wenn er das Jagdunglück in seiner
eigenen Heimat verbrochen hätte.