Die Gesetzfrage
Hareth Ben Hemmam erzählt:
Ich fasste nach der Opfergebräuche Schluss,
nachdem ich dem
heiligen Hause gebracht meinen Gruß
und dem schwarzen Stein
meinen Kuss,
den Entschluss, zu besuchen Taiba
Ein
Ehrenname von Medina, bedeutend: die gute, liebliche.
mit einer Gesellschaft von den Benu Schaiba,
um zu
beten
am Grabe des Propheten
und nicht zu gehören zu den
Leidigen,
die, indem sie wallfahrten, beleidigen.
Nach der Überlieferung des Propheten: Wer wallfahrtet (nach
Mekka) und mich (mein Grab in Medina) nicht besucht, der
beleidigt mich.
Doch das Gerücht kam, der Wegfriede sei gestört
und die
arabischen Stämme gegen einander empört.
Da schwankt' ich
zwischen Bangen, das mich zügelte,
und Verlangen, das mich
beflügelte;
bis in mein Herz kam der Mut der Erhebung
und
die Ruhe der Gottergebung,
daß in mir der Sieg ward
entschieden
für den Besuch des Grabes dessen, über den sei
Frieden.
Worauf ich ein Tier belastete
und mit der
Gesellschaft hastete,
die zog, ohne daß sie rastete,
bis
erreicht waren die Benu Herb
Ein kriegerischer Stamm,
damals zwischen Mekka und Medina wohnend.
die den Gästen milde sind und den Feinden herb;
die
hatten eben gelöscht das Feuer der Schlacht
und die
Gastfeuer wieder angefacht;
so daß wir beschlossen, den
Schatten unseres Tages
hinzubringen am Ort ihres Hages.
Als wir nun beschäftigt waren, die Tiere zu stellen
und zu
schöpfen die frischen Quellen,
sahen wir den Stamm ausreiten
in hellem Haufen,
als sollten ihre Rosse ein Wettrennen
laufen.
Uns verwunderte der Bienenschwarm der Leute
und
wir fragten, was es bedeute?
Da ward uns gesagt, es sei
erschienen in ihrem Kreise
der arabische Weltweise,
und
ihre Eile sei ihm zum Preise.
Da sprach ich mit Zucht
zu
meiner Gesellschaft: Sollen wir nicht ernten Weisheitsfrucht?
Auf! ihre Versammlung sei von uns besucht.
Sie sprachen:
Was du redest, ist zu hören,
und was du rätst, ist ohne
Thören.
Drauf wir uns aufmachten ohne weiteres Wort
und
zogen mit dem Zuge fort,
bis wir kamen zu des Stammes
Versammlungsort.
Als wir dort nun eingetreten waren
und
den Weltweisen sahen, das Ziel der Scharen,
erkannt' ich in
ihm Abu Seid, den Herrn des Lugs und Trugs,
den Meister des
Fugs und Unfugs,
jetzt als Schriftforscher aufgeputzt
und
als Gesetzgelehrter aufgestutzt,
den Turban tragend nach der
Art Kafdaa,
das Kleid umschlagend nach der Weise Sammaa,
dasitzend in der Stellung Korfosaa;
die Häupter des Stammes
um ihn gepaart
und das Gemische des Volkes um ihn geschart;
er aber sprach: Befraget mich über Leichtes und Schweres
und forschet von mir Niedres und Hehres.
Denn bei dem, der
ausspannt des Himmels Rahmen
und der dem Adam gelehrt der
Dinge Namen,
ich bin der Weltweise der Araber vom reinen
Blut
und der Weiseste unter dem goldgestickten blauen Hut.
Des Himmels.
Da trat auf ein Mann, dem die Zunge nicht versagte
und
das Herz nicht verzagte,
der sprach: Ich habe die Weltweisen
aufgesucht in den Weltkreisen
und habe von ihnen
eingetragen
siebenundsiebzig Gesetzfragen.
Nun, wenn du
nicht bist von den leeren, nichtigen Prahlern,
sondern von
den schweren, gewichtigen Zahlern,
und wenn du wünschest von
uns gesegnete Nachhauskunft,
so hör und gieb Auskunft.
Jener sprach: Gott ist groß!
Führe deinen Stoß
und laß
deine Streitkräfte los,
daß sich zeige, wem hier fällt des
Sieges Los.
Worauf der eine fragte
und der andre die
Antwort sagte.
1. Darf ich Springwasser zur Abwaschung brauchen?
Nicht
einen Finger kannst du drein ohne Verunreinigung tauchen.
Zur gesetzlichen Abwaschung beim Gebete. Über die
verschiedenen Arten von teilweiser und ganzer Abwaschung des
Leibes hat der Moslem die genauesten und kleinlichsten
Vorschriften zu kennen und sorgfältig zu beobachten; sonst
verunreinigt er sich, statt sich zu reinigen, und muss von vorn
anfangen. Ein Springwasser machen, sein Wasser abschlagen.
2. Darf man sich waschen in dem, was speiet ein Drache?
Ja, so gut wie in jedem Bache.
Der Drache, im
Arabischen (wie in der Schweiz) ein Bergstrom.
3. Wie, wenn ein Krämer sich abwusch und vergaß dabei seine
Elle?
Er fange von vorn an auf der Stelle.
Die
Elle, der Ellbogen, der mit abgewaschen werden muss.
4. Oder ein Töpfer und vergaß seine Scheibe?
Vergebens
wusch er sich am übrigen Leibe.
Die Scheibe, die
Kniescheibe.
5. Oder ein Schlosser und vergaß den Schlüssel?
Er
fülle nur noch einmal die Schüssel.
Der Schlüssel, das
Schlüsselbein.
6. Oder ein Schreiber und vergaß sein Blatt?
Er ist
unrein, wenn er's nicht mitgewaschen hat.
Das Blatt,
das Schulterblatt.
7. Ist dem Moslem rauschendes Getränk untersagt?
Nein,
wenn ihm aus dem Bache zu trinken behagt.
8. Darf ein Moslem sich laben an des Christen Bache?
Nein, ihr Fleisch ist ihm eine verbotene Sache.
Die
Bache, das Mutterschwein.
9. Darf ein Moslem sich wenden zu den Heiden?
Ja, um
seine Herden darauf zu weiden.
10. Darf ein Gläubiger sich wahrsagen lassen? –Ja! das
Lügenreden soll er hassen.
11. Mag uns ein Einsichtiger zum Imam taugen?
Nein, er
soll sehn auf beiden Augen.
Der Einsichtige, der nur
aus einem Auge Sehende. Der Imam soll ohne körperliche
Mängel sein.
12. Darf der Imam sein, wer irgend einen Flecken hat?
Ja,
oder ein Dorf oder eine Stadt.
13. Darf der Imam einen Bruch haben?
Ja, zum Steingraben.
14. Darf der Imam ruchlos sein?
Das Gebrechen ist
klein.
Ruchlos, geruchlos.
15. Darf unser Imam Mädchen nöten?
Ja, und auch Maden
töten.
Mädchen, kleine Maden.
16. Wie, wenn er hat den Koller?
Auch gut, doch der
Leibrock ist würdevoller.
Koller, Waffenrock. Der
Imam darf in jedem Gewande, auch einem kriegerischen, der
Gemeinde vorbeten.
17. Darf ein Richter die Rechte biegen?
Ja, so gut als
die Linke schmiegen.
18. Ist er wacker, wo man ihn besticht?
Ja, im Kriege, wo
man mit Lanzen ficht.
19. Darf von Gerichts wegen verstrichen werden eines armen
Schuldners Kopf?
Ja, und sein Topf, doch nicht sein
Schopf.
Kopf (Kruppe, Kumpe), Schüssel, Becher.
20. Ist's ein gutes Werk, arme Schuldner zum Gerichte zu
laden?
Ja, durch die Einladung verdienst du Gottes Gnaden.
21. Soll ich falsch Zeugnis ablegen?
Jawohl, alles Böse
sollst du ablegen.
22. Darf man etwas Geschwornes brechen?
Ja, oder
aufstechen.
Geschwornes, ein Geschwür.
23. Ist es gut, den Schein einer Schuld zu tragen?
Jawohl, um sie einzuklagen.
24. Darf man mit Hadern vorm Richter stehn?
Nicht jeder
Arme kann in reichen Kleidern gehn.
Hadern, Lumpen.
25. Soll der Richter nach Ansehen der Person richten?
Ja,
vorher mit nichten.
26. Muss der Richter sein unbefangen?
Nein! er darf
anhaben Gewand und Spangen.
27. Darf er unschlüssig sein?
Ein fester Schluss ist nötig
dem Reiter allein.
28. Wann reden weise Männer, ohne dass sie sich besonnen?
Nachts, wann sie Mondscheingespräche begonnen. [Fußnote] Sich
besonnen, sich sonnen.
29. Ist Afterrede eine Schändlichkeit?
Nein, aber eine
Unanständigkeit.
30. Soll man Eingang wünschen guten Sitten?
Nein! dass sie
nie eingehn, soll man Gott bitten.
31. Darf man einer Hässlichen geradezu den Hals abdrehn?
Ja, du bist durchaus nicht verbunden, sie anzusehn.
Abdrehen, abwenden.
32. Darf man einem Ohrenbläser das Ohr abschlagen?
Allerdings soll man ihm Gehör versagen.
33. Ist Nachsicht zu empfehlen?
Nein! Vorsicht ist zu
wählen.
34. Wie, wenn ich sehe, mein Bruder ist unbedacht?
Er
werde von dir unter Dach gebracht.
35. Darf auch ein Vormund seine Pupille drücken?
Ja, oder
mit der Hand sie jücken.
36. Darf ich den ins Antlitz schlagen, der nach meiner
Drossel greift?
Nein, wenn es die ist, die pfeift.
37. Darf ich meine Ammer würgen?
Du darfst nicht deine
Amm' erwürgen.
38. Darf ich eine Steintaube schießen?
So wenig als eine
Stockblinde spießen.
39. Wie, wenn ich eines armen Mannes Maus verletze?
Wird
er lahm davon, so büßest du's nach dem Gesetze.
40. Was geschieht aber dem, der mir die Knöchel zerbrach?
Nichts! denn das Spiel ist eine Schmach.
41. Doch, wer meine Ferse verwundet hat?
Er gebe dir eine
heile Kuh an deren Statt.
42. Und wer meine Kiefer zerbricht?
Lad ihn als
Baumfrevler vor Gericht.
43. Doch, wenn meine Frau ihr Becken zerbrochen?
Wenn du
willst, die Scheidung sei gesprochen.
44. Darf man eine Geschiedene frein?
Man freit die
Lebenden allein.
45. Darf ein Oheim die Neffen ausrotten?
Ja, wie die
Wanzen und Motten.
Neffen, mundartlich: Blattläuse
und ähnliches Geschmeiß.
46. Wenn dem Großvater sein Enkel wehethut?
Halt er ihn
weich beschuht!
47. Darf ein Ehewirt schonungslos Frauenhaar raufen?
Ja,
und Bocksbart und Hahnenkamm zu Haufen.
48. Soll mein Weib daheim den Rocken anlegen?
Nein! der
Mann soll des Feldbaus pflegen.
49. Sind Weiber als reinlich zu loben, die gerne waschen?
Nein, sie sind Plaudertaschen.
50. Ist häuslich, die sich in Steppen ergeht?
Ja, die das
Nähen versteht.
51. Steht's ihr fein, die Krätz' an der Hand zu haben?
Ja, um zu sammeln des Baumes Gaben.
Krätze,
mundartlich: Korb.
52. Darf eine Gärtnersfrau verkaufen ihre Frucht?
Nein!
doch ihre Zucht.
Frucht, Leibesfrucht; Zucht, was im
Garten gezogen wird.
53. Ist's rätlich, im Feld unter Rüstern zu ruhn?
Nein!
rüste dich, eh' sie dir Schaden thun.
54. Darf ein Lahmer fechten?
Ja, nach Bettelrechten.
55. Ist ein Gelddieb, wer eine Katze stahl?
Ja, eine
gespickte zumal.
Katze, Geldgurt.
56. Ist ein Viehdieb, wer raubt von der Weide ein Betzchen?
So wenig, als wer nimmt von der Pappel ein Kätzchen.
Die Weide, der Weidenbaum. Betzchen (Lämmchen) und
Kätzchen, die männlichen Blüten verschiedener Bäume.
57. Oder im Tannenwald eine Kuh?
Nein, und nähm' er vom
Fichtenwald einen Zapfen dazu.
Tannenkuh,
Tannenzapfen.
58. Wie bestraft man einen Milchdieb?
Man läßt ihn
fliegen, wohin es ihm lieb.
Milch- oder Molkendieb,
Schmetterling.
59. Was verdient, wer mir einen Löffel stiehlt?
Er hat
den Arbeitslohn erzielt.
Stielen, mit einem Stiele
versehen.
60. Aber wer in meinem Garten raubt?
Gieb ihm zum Lohn
fürs Raupen ein Krauthaupt.
61. Doch wer mein Haus am hellen Mittag sprengt?
Du
dankst ihm, daß die Glut dich weniger sengt.
Sprengen, mit Wasser besprengen.
62. Ist es Sünd', einen Leib zu verbrennen?
Nein! doch
schade, man wird ihn nicht essen können.
Ein Laib,
Brotlaib.
63. Ist ein fester Platz gut in der Not?
Ja, doch
besser ist lockeres Brot.
Platz, mundartlich: Fladen,
platter Kuchen.
64. Darf man in der Not Menschen speisen?
Ja, sie werden
dafür dich preisen.
65. Darf man einem Bettler geben Schilling' oder Stüber?
Weh' dem Armenbetrüber.
Schilling und Stüber, Püffe
und Knüffe.
66. Ist ein Betrüger, wer andern zu leicht gewogen?
Nein,
sondern er ist leicht betrogen.
67. Darf ein Edler wohl den Fuchsschwanz streichen?
Ja,
und die Rappenmähne desgleichen.
68. Darf ich die Feinde im Krieg gegen meinen Stamm
anführen?
Den Feind zu hintergehn, mag sich schon gebühren.
69. Darf ich meinen Stamm oder meine Horde verderben?
Ja; doch schadest du dir und deinem Erben.
Baumstamm und
Viehhorde (Hürde).
70. Darf ich fortgehn heißen, wem ich Quartier gegeben?
Ja, und er danke dir das Leben.
Quartier, Pardon.
71. Darf unser Feldoberster reiten im Zelt?
Ja, oder im
Schritt und Trab, wie's ihm gefällt.
Der Zelt, Gang
des Pferdes (Zelters) zwischen Schritt und Trab.
72. Kann uns im Kampf auch helfen ein Wunder?
Besser
hilft uns ein Gesunder.
73. Darf man Feinden den Rücken kehren in der Schlacht?
Ja, ihn fegen und klopfen mit aller Macht.
74. Wem hat ein Bedienter zu befehlen?
Allen Bedienenden,
die seinen Dienst erwählen.
75. Darf ich meinem Vorgesetzten entgegenhandeln?
Ja, du
darfst deinen Vorsatz verwandeln.
76. Darf ich schelten, die schalten?
Nein, die
Schaltenden lass walten.
77. Ist zu ehren ein Weisheitslehrer?
Sei du des
Weisheitsvollen Ehrer.
Da rief der Fragende: Gottes Preis.
wie hoch ist
gewachsen deines Ruhmes Reis,
und wie gedehnt deines Meeres
Kreis,
Dein Lob ist von Worten unerreichbar
und deine
Einsicht von Bild unvergleichbar.
Dann stockte er wie ein
Beschämter
und starrte wie ein Zungengelähmter.
Doch Abu
Seid rief: Nun voran, voran!
woran hält es, woran?
Jener
sprach: In meinem Köcher ist kein Pfeil mehr,
und nach
deinem Sonnenaufgang ist für die Nacht kein Heil mehr.
Doch
bei Gott, dessen Huld dich geleite von dannen,
sage, wer
bist du und von wannen?
Da hub er an mit vollen Tönen
und
mit hohlem Dröhnen:
Ich bin das Wunder des Tages
Und das Erstaunen der Welt,
Der Weisheit
Kibla
Gekehrt die Blicke man hält;
Nur dass ich stets, wo ich raste,
Gleich wieder räume das Feld
Und bleibe keinem Gefährten
Als meinem Kummer gesellt.
Ja, wenn am Baume von Eden
Ich sollt' aufschlagen mein Zelt,
Von Heimweh bliebe, von Heimweh,
Auch dort die Rast mir vergällt.
Dann rief er: O Gott, gleichwie du hast gemacht
meinen
Sinn zu der Weisheit Schacht,
also mache nun diese Herzen
umher
zu der Großmut Meer.
Das Gebet drang in des Volkes
Seele,
und sie stellten voll Ehrfurcht zu seinem Befehle
eine kunstfertige Magd und ein halb Dutzend Kamele;
baten
ihn auch angelegentlich,
sie wieder zu besuchen
gelegentlich.
Und nachdem er die Wiederkehr zugesagt,
zog
er ab mit Tieren und Magd,
ohne dass er mit einem Blick nach
mir gefragt.