Die Bittschrift
Hareth Ben Hemmam berichtet:
Ich besuchte in Meraghet die Staatskanzlei;
zwar war ich in Staatsgeschäften ganz Lai',
doch fand sich
dort immer eine Konzession
von Leuten von allerlei
Konfession und Profession,
die sich besprachen über
allerhand,
was ich verstand und nicht verstand.
Heute nun
ergoss sich der Rede Brunst
über die Redekunst;
und
einmütig, einmündig stammelten
alle die hier versammelten
Ritter des Schreibekieles
und Meister des Zungenspieles,
zum Lobe der Zeit, der vergangenen,
und zur Schmach der neu
angefangenen:
dass der alten Meister scharfem Witze
kein
neuer dürfe bieten die Spitze,
und keiner jetzt im Ost und
West
sei so zügel- und bügelfest,
dem sein Ross nie bäume
und der den Sattel nie räume.
Wer breche noch neue Bahnen
und steche nach neuen Fahnen?
Wer könne sich mit eigenen
Federn schmücken,
und brauche nicht fremde auszupflücken?
Jeder, und ob er ein Goldkleid hab' an,
stelle sich nur wie
ein Bettelknab' an
gegen den Redner Sahban,
der, mit der
Wortkraft Rüstigkeit
einst scheidend zweier Stämme
Zwistigkeit,
stand und sprach, seit der Morgen hauchte,
bis die Sonne gen Abend tauchte,
und dabei ein Wort nicht
zweimal brauchte.
Es hatte sich aber unserm Kreis
angeschlossen ein Greis,
der an der Reihen äußerstem Anfang
dasaß als wie ein Anhang;
und wie nun die Reden
sprudelten,
die Kugeln trafen und pudelten,
wie jeder
seine Münzen gelten machte
und seine Waren zu Markte
brachte,
Trauben und Herlinge,
Tauben und Sperlinge;
zeigte jener mit einem Blinzen
oder einem Grinsen,
einem
Rasenrümpfen
oder Lippenstümpfen,
dass er einer sei, der da
hält hinterm Busch,
bis er versieht seinen Husch;
der den
Bogen schnitzt
und Pfeile spitzt,
bis das Glück ihm
zuruft: Itzt!
und als nun jene verschossen ihre Bolzen
und
ihr Vermögen eingeschmolzen,
als die Wogen sich geglättet
und die Stürme sich gebettet,
wendete er mit Sammlung
sich
zur Versammlung
und sprach: Ihr spinnet wirren Faden
und
rennet auf irren Pfaden;
die ihr Totengebeine
stellet in
Heiligenschreine
und sie umgebt mit Heiligenscheine,
verachtend eure Lebendigen,
näher euch Zuständigen,
mit
denen ihr doch allein euch könnt verständigen.
O ihr Präger
und Wäger echter Gewichte,
o ihr Heger und Pfleger gerechter
Gerichte!
vergesset ihr über das Hadern
um alt vernutzte
Hadern
die frische Lebensfülle junger Adern?
daraus jetzt
zu Tage wird gefördert,
was nie vor diesem ward erörtert:
Gedanken stark
und Worte voll Mark,
hochfarbige Schilderei,
tiefe Sinnbilderei,
Reime wie Blütenkeime
und Prosa wie
Honigseime.
Was findet ihr bei den Alten,
wenn ihr es ans
Licht wollt halten,
als erloschene Farben
und
ausgedroschene Garben?
Sie haben der Zeit nach den Vorgang,
nicht der Trefflichkeit nach den Vorrang.
Und ich weiß
noch jetzt den Mann; was er macht, das lacht;
was er
schmückt, das glückt;
was er beginnt, das gewinnt;
wo er
haucht, das raucht;
wo er spricht, das bricht;
was er
schafft, das rafft;
was er dichtet, das vernichtet:
der,
wo er rühmet, blümet,
und wo er tadelt, entadelt;
der, wo
er lang ist,
wie eines Stromes Gang ist,
und wo kurz,
wie ein Wassersturz.
Da sprach der Kanzleivorstand,
der
als Wortführer im Chor stand:
Und wer ist der so schwer
Gerüstete,
hehr Gebrüstete?
Jener sprach: Hier dein
Gespann,
dein Gegenmann.
Frag, ich stehe zur Rede;
fordere nur, ich stehe zur Fehde.
Da sprach jener: Höre du!
Bei uns zu Lande verkauft der Habicht sich nicht für einen
Falken,
noch der Rohrstab für einen Balken;
wir
unterscheiden Spelt von Spelzen,
hohe Beine von Stelzen.
Wer sich unnütz macht, macht sich Verdruss;
wer zur Scheibe
sich aufstellt, den trifft der Schuss.
Rege den Staub nicht
im Feld,
oder klage nicht, wenn er dir ins Auge fällt.
Wo
man früh nicht nimmt Freundesrat an,
da kommt Feindesspott
spät an.
Doch jener sprach: Ein Mann kennt sein Hemde
besser als jeder Fremde.
Da beratschlagten sie sich
untereinander,
in welches Feuer der Prüfung man solle
bringen den Salamander.
Einer von ihnen sprach: Gebt mir ihn
her!
ich roll' einen Stein in den Weg ihm quer;
ich habe
für seine Backen
eine derbe Nuss zu knacken.
Da übertrug
die gesamte Mannschaft
für diesen Krieg ihm die
Oberkommandantschaft;
und, sich wendend zum muntern Alten,
sprach er: Lass meine Geschichte dir entfalten.
Ich lebte von
hier in ferner Gegend,
frisch und wacker mich regend,
und
fand, weil klein war meine Schar,
dass groß genug mein
Einkommen war.
Doch als sich mir mehrten die Zehrer,
und
des Haushalts Bürde ward schwerer,
blieb ich kein träger
Lastträger,
sondern wandte als ein rascher Hoffnungsjäger
meinen Blick hierher auf den Landpfleger;
und durch meiner
Redegaben Nützung
fand ich bei ihm Beschützung und
Unterstützung.
Auch konnte meinen Mut nicht beugen,
noch
mir meines Gönners Ungunst erzeugen
ein Fehler in meinen
Sprachwerkzeugen,
den mir deine Ohren bezeugen,
dass das R
ist eine Klippe,
an der sich brechen die Ströme meiner
Lippe.
Nun, sattgetränkt von seinem Gnadenregen
und
bekümmert der Meinigen wegen,
bin ich bittend ihm angelegen,
mich zu den heimatlichen Gehegen
zu entlassen mit seinem
Segen;
doch er sprach dagegen:
Versagt ist deine Bitte;
dir wird kein Ross zum Ritte,
zum Abschied keine Verehrung
und zur Reise keine Zehrung,
bis du schriftlich mir vorlegst
und mündlich selbst mir vorträgst
ein Bittgesuch,
wohlgestellt,
das an Sinn und Spruch sich wohlverhält
und
an Wohlgeruch mir wohlgefällt,
und in welchem ganz der
Buchstab ist vermieden,
den auszusprechen dir nicht ist
beschieden.
Nun hab' ich mich gemüht ein Jahr lang
und das
Werk ist gerückt kein Haar lang;
ich rüttle meine Gedanken
aus dem Schlummer,
und sie werden nur immer dummer.
Und
auch die Gelehrten,
die hochverehrten,
die ich anruf' um
Hilfe, ducken
sich alle mit Achselzucken.
Nun, wenn du der
Mann bist, der du dich rühmest,
und dein Garten, wie du ihn
blümest,
wenn dein Schimmer ist keine Blendung,
so
bekräftige durch ein Zeichen deine Sendung!
Jener sprach:
Zum Brunnen ist gekommen dein Schlauch
und zur frischen
Kohle dein Hauch,
dein Pferd zu seinem Beschläger
und dein
Schwert zu seinem Feger.
Drauf sann er ein Weilchen
verschlossen,
bis die Wasser zusammengeflossen,
die Milch
ins Euter eingeschossen;
dann rief er: Rüttle am Tintenfasse
und die Feder fasse,
dass sie bringe das schwarze Nasse
auf das trockne Blasse,
und schreib also:
Milde ist eine Tugend,
ewig jung sei deine Jugend.
Geiz
ist ein Schandflecken;
deines Neidenden Auge müsse Nacht
decken!
Edle Hand gibt Spenden,
unedle lässt abziehen mit
hohlen Händen.
Den Gebenden schmückt,
was den Empfangenden
beglückt;
und das Gold, das Dank aufwägt,
ist wohl an- und
ausgelegt.
Zufließt's von innen dem Quelle,
wenn außen
abfließt die Welle;
und Ausfluss des Sonnenlichts
gibt uns
und benimmt dem Himmel nichts.
Wessen Gemüt ist aus edlen
Stoffen,
hält sein Haus dem Gaste offen,
seinen Schutz dem
flehenden,
und seinen Schatz dem gehenden.
So lange dein
Gast weilt, heiß' ihn nicht eilen,
noch weilen, wenn du ihn
siehest eilen;
und lass ihn ziehn mit Tasch' und Stabe
nicht ohne Lab' und nicht ohne Gabe.
So sei von Lust dein
Palast bewohnt,
mit des Glückes Besuch belohnt,
von des
Unglücks Fuß gemieden,
vom anklopfenden Leid geschieden.
Dein Dach sei luftig,
dein Gemach sei duftig,
deine Matten
weich,
deine Schatten denen von Eden gleicht
Dein Wipfel
sei vom entlaubenden Hauch geschont,
und ewig sei im Wachsen
dein Mond!
Dein Lampendocht sei gesättigt vom Öle
und von
Wunschfülle deine Augenhöhle.
Was du beschauest, das lenz'
und maie;
was du betauest, das glänz' und gedeihe.
Was du
stützest, schwanke nie,
und wen du beschützest, wanke nie.
Sei geliebt von den Gemeinden
und gelobt von den Feinden;
schaltend mit Macht,
waltend mit Bedacht
Unmilde zähmend,
Unbilde lähmende
Dein Stab sei weidend,
deine Klinge
schneidend
und dein Wille entscheidend
Dich flehet an
dessen Mund,
dessen Odem schloss mit deinem Befehl einen
Bund;
dessen Fuß steht, wo du ihn stellest,
dessen Stolz
fällt, wo du ihn fällest.
Deine Huld hat ihn satt gemacht,
deine Sonne hat bezwungen seine Nacht.
Du nahmest an seines
Lobes Huldigung,
mit seines Fehls Entschuldigung.
Deine
Begleitung blieb sein Gnadenkleid
und die Geschmeidigkeit
sein Halsgeschmeid,
deine Befehle
seine Seele,
und dein
Gebot
sein Leben und Tod.
In deinem Dienst ist beschneit
sein Haupt,
seines Kinnes Wald ist dünn gelaubt;
und ihn
ziehet ein Gelüste
aus deinem Luftgeheg in seine Wüste,
aus dem Gnadenlicht, das ihn umflammt,
in das Dunkel, das
ihm ist angestammt;
von wo eine Heimatluft ihn anweht,
von
wo ein Sehnsuchtsduft ihn angeht;
wo jetzt sein Haus steht
ungebaut
und sein Feld liegt unbetaut,
wo sein Hauswesen
öd' ist,
das Los seines Hänfleins schnöd' ist,
ohne Halt
und Haupt sein Gesind
und ohne Heil und Hilfe sein Weib und
Kind.
So entlasse du den Dankenden,
seinem Glück
Entwankenden.
Halte die fliehende Seele nicht
und mit
Wohlthaten quäle nicht.
Lass mich auf meines Stammes Hütten
den Abglanz deines Palastes schütten,
dass dein Lob, wie in
diesen Hallen,
mög' in den einsamen Wüsten schallen.
Dein
eigen sei Gottes Wohlgefallen
und sein Segen gemeinsam uns
allen.
So schloss er den Brief,
und das Wort im Munde seiner
Tadler schlief;
seines Beifalls Gemurmel lief
durch die
Versammlung, und sie rief:
Auf welchen Bergen ist dein Stamm
entsprossen?
aus welchem Thal kommt dein Strom geflossen?
aus welchem Köcher ist dein Pfeil geschossen?
Da hub er
an:
Dieser Ton, den Abu Seid öfter und nie, ohne zu
rühren, anstimmt, ist gleichsam der zurückgedrängte reine
Grundton seines Innern, der von Zeit zu Zeit aus den
moralischen Dissonanten hervorbricht und sie in sich
aufzulösen strebt. Ohne diese einzige Wahrheit in seinem aus
Lug und Trug gewebten Leben könnte er gar keine poetische
Person vorstellen. Diese elegische Klage um ein verlorenes
Jugendparadies und die Sehnsucht nach einem teueren Vaterland
sind nicht erdichtet. Man fühlt das überall, wo dieser Ton
anhebt, aber vollständigen Aufschluß darüber giebt der
Dichter, sehr kunstgerecht, erst in der ehevorletzten Makame.
Man kann sagen: Dieses gute Härchen am grauen Sünderkopf ist
es, woran der Himmel ihn hält, um ihn zuletzt aus der Irre zur
Heimat zurückzuführen.
Von Ghassans Wurzeln bin ich geboren,
Mir war zur Wohnung Serug erkoren,
Ein Haus, an Schimmer der Sonne gleich,
Ein Erdenhimmel mit goldnen Thoren,
O welches Leben, das ich gelebt,
O welches Eden, das ich verloren.
Wo ich gewandelt in Füll' und Lust,
Vom Most der Jugend und Rausch durchgoren,
Des Wohlbehagens Gewand geschleift
Durch Gärten, dicht wie das Haar des Mohren,
Bereit, zu duften auf meinen Wink,
Und auf mein Lächeln sich zu befloren.
Wenn Kummer hätte zu töten Macht,
Er müsste tödlich dies Herz durchbohren.
Und ließ ein Glück sich zurückbeschwören,
Mein Seufzen hätt' es zurückbeschworen.
Der Tod ist besser für einen Mann,
Als so zu leben, wie Vieh geschoren,
Vom Nasenringe der Schmach geführt,
In wunder Seite des Schicksals Sporen.
Den edlen Löwen (verkehrte Welt)
Zaust die Hyäne bei Mähn' und Ohren.
Wenn eine Thörin das Glück nicht wäre,
Würd' es mit Huld nicht beglücken Thoren;
Und wenn's die Kleider nach Manneswert
Verteilte, hätt' ich nie nackt gefroren.
Nun ward der Ruhm von seinen Proben
vor des Landpflegers
Ohren erhoben:
der gebot, ihm den Mund zu füllen mit Gold,
und bot ihm an, zu treten in seinen Sold.
Doch er ließ sich
am Geschenke genügen
und wollte sich nicht zu dem Amte
fügen.
Der Erzähler spricht:
Ich, aus alter
Freundespflicht,
da ich also sah leuchten seines Glückes
Licht
und ihn stehn vor der hehren Stufe,
wollt' ihm
raten, zu folgen dem Ehrenrufe.
Laut wollt' ich verkünden
seine Würdigkeit,
seines Geistes Ebenbürtigkeit.
Doch er
gab mir einen Wink, mich zu bescheiden
und das Schwert zu
lassen in der Scheiden.
Und als er mit der Beute nun
abgezogen,
mit dem Fang zufrieden abgeflogen,
folgt' ich
ihm nach, um ihn zu verklagen,
daß er die Bestallung
ausgeschlagen.
Doch er lächelte stiller,
dann stimmte er
an mit Getriller:
Eine Stell' in dem Stall ist besser,
Als Bestallung zur Ehrenstelle.
So unsicher ist dieser Boden,
Als beweglichen Sandes Welle.
Knecht zu sein beim Herrn, ist beschwerlich,
Und gefährlicher, sein Geselle.
Wankelmütig ist stets ein Herr,
Schnell Ergriffenes lässt er schnelle;
Bäume pflanzt er und schält den Stamm,
Baut ein Haus und zerbricht die Schwelle.
Besser, dass du durch Wüsten fahrest,
Oder flüchtest in eine Zelle,
Als zu träumen von Hoheit, dass
Nackt dich wecke des Morgens Helle.