Divan der persischen Poesie
Rumi
Aus dem Divan - Du schenkst mir deine Liebe
Du schenkst mir deine Liebe; doch ich will dich versehren –
drum horch!
Erhebe keine Bauten, denn ich will sie verheeren – drum horch!
Baust du zweihundert Häuser, Ameisen gleich und Bienen,
Ich heiße doch Verwandte und Freunde dich entbehren – drum
horch!
Du trachtest stets die Männer und Weiber zu berauschen,
Doch ich will dein Erstaunen und deinen
Rausch vermehren – drum horch!
Durchschreite kühn das Feuer, wie's Gottes Freund
durchschritten,
Zu hundert Rosenauen will ich die Glut verklären – drum horch!
Wenn Armut dich, gleich Mühlen, im raschen Schwunge drehte,
Will ich empor dich heben hoch zu des Himmels Sphären – drum
horch!
Und wärst du auch an Weisheit ein Lokman oder Plato,
Will ich mit einem Blicke dich ganz und gar bethören – drum
horch!
Du liegst in meinen Händen wie ein erlegter Vogel:
Ich, Jäger, will für Vögel dich in ein Netz verkehren – drum
horch!
Du schläfst gleich einer Schlange, beim reichen Schatz, o
Wächter!
Ich krümme dich, o Schlange: du wirst umsonst dich wehren –
drum horch!
O Muschel, traure nimmer, da dich mein Meer umfangen:
Als Muschel soll dein Busen die hellsten Perlen nähren – drum
horch!
Es können nimmer Schwerter dir an die Seele dringen,
Wirst du dich mir als Opfer, gleich Ismail
bewähren – drum horch!
Und ward dein Saum beflecket, so greif' nach meinem Saume;
Ich will dir einen Lichtsaum dem Monde gleich bescheeren –
drum horch!
Ich bin der Vogel Huma, voll Huld dein
Haupt beschattend:
Ich will, man soll als Sultan, als Feridun
dich ehren – drum horch!
Ich warne: »Lese nimmer, sei stumm stets und geduldig;
Ich will die wahre Lesung des heil'gen Buchs dich lehren –
drum horch!«
Vinzenz Rosenzweig von Schwannau