Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Nizâmî

Aus dem Heft-peikar

Das »Heft-peikar« (»Die sieben Schönen«), Nisâmîs letztes Werk, enthält mehrere kleinere episch-lyrische Erzählungen. Der schöne und tapfere Prinz Behram-Gur (Sohn des letzten Sassanidenkönigs Jesdedscherd, in der ersten Hälfte des 5. Jahrh. n. Chr. lebend) besaß in einem verschlossenen Gemache seines Palastes die Bilder von sieben ausgezeichneten Schönheiten, einer indischen, tatarischen, chowaresmischen, slawischen, mauritanischen, griechischen und persischen Prinzessin, um deren Liebe er warb und die er später heimführte. Darauf ließ er für seine Frauen einen Palast mit sieben Pavillons bauen, jeder derselben einem der Planeten geweiht und in einer der sieben Farben ausgeschmückt; abwechselnd besuchte der Prinz jede seiner Frauen an einem Tage in der Woche. Während seines Besuches bei der slawischen Fürstin, die einen roten Pavillon besaß, worauf sich die letzten der mitgeteilten Verse beziehen, erzählt diese ihm die nachfolgende Geschichte von der Tochter eines russischen Fürsten, welche ebenso schön wie in allen Zauberkünsten erfahren von Anbetern umworben wird. Gleich der chinesischen Prinzessin Turandot, hat sie sich jedoch in einer Burg verschlossen und macht den Besitz ihrer Hand von vier Bedingungen abhängig: gutem Ruf der Wohlthätigkeit, der Entdeckung und Bezwingung der Zaubertalismane, welche ihre Burg schützen, sowie der Lösung einiger Rätsel. Wer sich umsonst bemüht, soll getötet werden. Schon haben viele ihr Leben gewagt und ihre Häupter krönen die Thore der Stadt: hier hebt das mitgeteilte Fragment der Erzählung an.

Da war von hohem Stamm ein Königssproß,
Ein Jüngling schön, von adeligem Werte,
Verständig, kühn, ein wackerer Genoß;
Waldesel sank und Leu vor seinem Schwerte.
Einst ging er aus der Stadt hinaus, zu jagen,
Weil neu ringsum ergrünt des Lenzes Reich;
Da sah die Schrift er ob dem Stadtthor ragen,
Die hunderttausend Flaschen Giftes gleich.
Durch Schwerter schien der Sehnsucht Thor verwehrt,
Doch war das Bild herzraubend, augentzückend
Durch Schönheit, Anmut geistberückend,
Das jetzt schon seine Ungeduld vermehrt.
»An Heil – so ruft er – sei das Rohr stets reich,
Aus dessen Spitze diese Worte drangen,
Es formt die Schrift, die Welten schmückt; obgleich
Vom Haupt zum Fuß ihm hundert Häupter hangen.
Wenn das Juwel, das einen Drachen ziert,
Ich fliehe, find' ich keine Zufluchtsstätte;
Wenn ich mich vor der Lockungsschrift nicht rette.
Mein Herz den Gleichmut wohl im Kampf verliert.
Tobt Liebeslust im Herzen mir verderblich,
So bricht's, allein die Liebe bleibt unsterblich.
Die Schrift dort, ob sie auch in Seide prange,
Ist Dorn an Datteln, ist am Halsband Schlange,
O möge doch, wenn jedes Haupt zerschellt,
Zugleich das Mühsal sein des Todes Raub.
Was nützt' mir's, wenn mein Haupt vom Rumpfe fällt?
Im Staube liegt's, besudelt wird's vom Staub.
Zieh' ich behutsam nicht die Hand zurück,
Verwickl' ich wohl das Haupt in jene Schlingen;
Mag kühner Mut mir auch das Herz durchdringen,
Wie kann ich preisen meines Lebens Glück?
Daß ich dem Peri-Zauberwerk entflieh',
Unmöglich ist's, brauch' ich nicht selbst Magie;
Denn eh ich sie nicht aus dem Feld geschlagen,
Werd' ich mein Haupt an Thorenwerk nicht wagen.
Und alle Mittel, klein wie groß, ich brauche,
Mein Schaf zu retten vor des Wolfes Hauche,
Denn jedes Werk, mit Unlust unternommen,
Wird aus der Ordnung in Verwirrung kommen.
Nicht kleinlich denke, wenn das Glück dir schwindet,
Da dieses immer größres Unglück schafft;
Wer den Gewinn vor'm Weltenvorhang findet,
Der greift die Schwäche und verwirft die Kraft.
Muß nicht, da wüstes Herz mir ist als Geist,
Mehr als das Herz die Leber sieden mir
Wie wäre da das Herz zufrieden mir?
Wie käm's, daß mir im Sinn Erinnerung kreist?
Nicht ob des eignen Schicksals will ich klagen;
Mein Haupt – Blutopfer-Tausend – hin ihr tragen.«
Er sprach's, das Herz von wildem Harm verzehrt,
Indes manch tiefer Seufzer ihm entfährt.
Die Thräne quillt; im Geist kann er entdecken
Das Schwert am Teppich, und das Haupt im Becken.
Doch hält er seine Liebe streng verborgen,
Und niemandem vertraut er seine Sorgen.
An jedem Tage, bei des Morgens Grauen,
Treibt ihn ein Sehnen, ungestüm und wild,
Um in der Stadt das wundersame Bild
Vom Grab Ferhâds und Schîrins Schloß zu schauen.
Er suchet nach dem Tausendschlüsselbunde,
Doch nichts zeigt ihm des Seiles Ende an;
Er sieht wohl hundert Freundeshäupter dran,
Doch von des Seiles Haupt giebt niemand Kunde. Er suchet überall an allen Seiten,
Wie er wohl schmelzen kann die harten Ketten;
Gern möcht' er zu des Werks Vollendung schreiten,
Drum forscht und spüret er an allen Stätten,
Daß sich des Wunderwerkes Plan ihm kündet:
Ob's Diwen-Werk, ob Engel es gegründet.
Den kühnen Rossen legt er Zügel an,
Und so erforscht er jedes Wissens Grund;
Indem die Menschen sämtlich er für sich gewann,
Ward alles, was verschlossen war, ihm kund.
Als er die Weisheit dieser Welt begreift,
Der Welt und Menschen Kenntnis klug erringend,
Wird Çîmurg er, zum Sonnenglanz sich schwingend,
Ein Vogel, der von Berg zu Berge schweift.

Nachdem der Jüngling die Magie erlernt, löst er die drei ersten Bedingungen und dringt bis an das Thor der Burg. Die Prinzessin sendet ihm einen Boten entgegen, läßt ihn beglückwünschen und ihn auffordern, ihr innerhalb zwei Tagen zur Hauptstadt zu folgen und dort die letzte Aufgabe, vier Rätsel, zu lösen. Der Prinz ist damit einverstanden und zieht im Triumph in die Hauptstadt ein. Indessen begiebt sich die Fürstin zu dem Vater und teilt ihm den glücklichen Erfolg des Prinzen mit, verlangt aber nunmehr die Erfüllung der vierten Bedingung.

»Was ist die vierte? – rief der Schâh darauf –
Nicht zwanzig, eine stell' die Schöne auf!«
»Vier schwere Rätsel« – sprach ihr Honigmund –
»Thu' ich, damit er sie nur löse, kund;
Und hat er sie erraten, sei zum Lohne,
Ihm alsobald aufs Haupt gesetzt die Krone.
Doch wird sein Maultier auf dem Pfad ermatten,
Wer weiß, ob es sich rührt vom Platz sodann;
Drum setze, bricht die Morgenröte an,
Der Schâh sich unter seines Throndachs Schatten.« –
Da sprach der Schâh: »Stets thu' das Bill'ge ich,
Was du beschließen magst, bewill'ge ich!« – –
Sie setzten das Gespräch nicht weiter fort,
Und suchten Rast und Schlaf am Ruheort.
Kaum glänzt' am Himmelsblau das Morgenrot,
Wie aus den Felsen schimmern die Rubinen,
Als schon der Schâh den Fürstenrat entbot,
Des Amtes Last zu tragen, dort erschienen.
Er lud nun hochberühmte Männer ein,
Das Recht zu sprechen, und zu thun nicht scheuend,
Und auch den Prinzen bat, sein Gast zu sein,
Der Schâh, mit Perlen ihm das Haupt bestreuend.
Im Kiosk die Tafeln rings, die goldnen, gleißen,
Von reicher Überfülle Last gebeugt,
Und ob der Gier, die fast beim Mahl sich zeigt,
War's »Festmahl« nicht – nein »freßt mal!« mußt es heißen.
Ein jeder wählte sich, nach Herzenslust,
Die Speisen rechts und links, die er begehret,
Und als die Gäste alles nun verzehret,
Da preisen sie den Wirt aus voller Brust.
Der Schâh befiehlt die innern Säle dann
Zu reiben mit des feinsten Goldes Proben.
Er selbst setzt sich an seinen Platz ganz oben,
Und weist den Gästen ihre Sitze an.
Ihm gegenüber seine Tochter sitzt;
Und daß – gewandt in Tändelein der Minne –
Für jenen neue List sie schlau ersinne,
Beginnt das Spiel sie hinterm Vorhang ißt.
Zwei Perlen nahm sie aus der Ohre Ringen,
Und gab sie einem Diener, um in Hast
Zu reichen sie dem schlangenklugen Gast,
Und dann ihr seine Antwort gleich zu bringen.
Der Jüngling nimmt sie, und im Geist erwägt er,
Und rät, was jene wohl gewollt, im Nu;
Hierauf zu diesen beiden Perlen legt er
Drei andre, als Genossen, noch hinzu.
Er giebt sie dann dem wackren Boten hin,
Den er damit der hohen Fürstin schicket.
Als nun die Felsenherzige erblicket
Die Perlen-Fünf, erweicht sie ihren Sinn.
Da seine Antwort selbst ein Rätsel schien,
Ersann sie eines drauf, wie Staub am Grund;
Sie bröckelt Zucker mit den Fingern, und
Der Diener einem überreichte sie ihn.
Daß er zum Fremden schnell zurücke kehret;
Der, gleich entdeckend den verborgnen Sinn,
Vom Diener einen Becher Milch begehret,
Und streut den Zucker d'rein, und spricht: Nimm hin! –
Der Bote kehrt zu seiner Herrin wieder,
Und legt des Werks Ergebnis vor ihr nieder;
Da, von der Hand streift einen ihrer Ringe
Sie, daß man jenem alsobald ihn bringe.
Der Jüngling nahm ihn aus der Jungfrau Hand,
Der durch den Ring von Kraft und Mut umflossne;
Dann gab die Maid, die Huristamm entsprossne,
Ihm eine Perl', dran ein Rubin sich fand.
Der Schönheit Mond birgt wohl zwei Rätsel drunter,
Doch ist die Lösung beider ihm beschieden;
Ziert jed' Juwel ein andrer Schein, ein bunter,
An Wert und Reinheit sind sie nicht verschieden.
Und eine Perle läßt, lichtblau vom Scheine,
Daß keine dritte, so wie diese reich,
Er von den Dienern bringen, fügt dann kleine
Korallen zu, und schickt sie jener gleich.
Als sie Koralle nun und Perl' erblickt,
Löst lächelnd sich der Lippen Siegelband,
Sie nimmt die Perle, die das Ohr ihr schmückt,
Und die Korallen wählt sie für die Hand!
Zum Vater sprach sie: »Auf, ans Werk denn, eilig.
Ich fleh dich an, ist dir mein Glück noch heilig;
Wo wäre Glück mir ohne ihn gewesen?
Er sei mein Gatte, ihn hab' ich erlesen!
Genossenschaft find' ich beim Gatten ja,
Dem hier nicht oder sonstwo jemand gleich;
Sei ich auch klug, so wie der Teure da,
Bin ich doch nicht, wie er, an Wissen reich.« –
Der Vater, froh bei diesem lieben Wort,
Sprach zur Perî: »Die Eh' ist mir willkommen,
Doch was an Frag' und Antwort ich vernommen,
Verhüllet mir ein Schleier fort und fort;
Da, was geschah, ich nicht enträtseln kann,
Sollst du genau von allem Kunde geben.« –
In tausend Listen, wohlgewandt, begann
Den Schleier vom Geheimnis sie zu heben.
Sie sprach: »Als ich den Plan ersann,
Vom Ohr zu nehmen mir die Perlenschnur,
Zeigt' ich durch die zwei reinen Perlen an,
Daß mir das Leben wert zwei Tage nur.
Doch als den Zucker ich hinzugebracht,
Zusammen mit den Perlen ihn gerieben,
So hieß dies: Leben ist mit süßen Trieben
Gemischt, wie mit dem Zucker Perlenpracht.
Da nun aus Zauber und Chemie entsproß
Die Lehre, wie Substanzen sind zu scheiden,
So sagt, wer Milch geschüttet zu den beiden,
Daß diese blieb, der andere zerfloß –
Der Zucker, wenn auf Perlen auch gestreut,
Von
einem Tropfen Milch zu schmelzen dräut; –
Da ich aus seiner Schale Zucker aß,
Milchtrinkend, ich im Kampf mich mit ihm maß;
Und ich gestand durch jenen Ring es ein,
Ich achte mich als Gattin, ihm verbündet –
»Wie das Geschmeid' ihr Haupt umflicht (so kündet
Er durch die Perl') will ich ihr eigen sein.«
Ich legte die Juwelen an sogleich,
Ein Zeichen, daß ich ihm als Gattin eigen,
Ihm, beide Perlen prüfend, mußt' sich's zeigen,
Daß keine dritte in der Welt so reich.
Die blaue Perle nahm er in die Hände,
Da war sein Blick von Himmelsrausch entrückt;
Ich hatte mit dem Geschmeide mich geschmückt,
Daß ich als Gattin fest an ihn mich bände.
Ja, seiner Perlen-Morgengabe Platz
Sei mir am Busen, ein Schatzkammer-Schatz,
Und ob der fünf verborgnen Rätselfragen
Hab' ich fünf Königspauken nun geschlagen!«

Der Schah, gezähmt es sehend, löst die Knoten
Der Geisel seinem Füllen; wie's geboten
In den Gesetzen, ordnet er zum Feste,
Zum bräutlichen, nun alles an aufs beste,
Und Zuckerkrümchen streut er auf die Matten,
Indem er Suhreh Çoheils Werk befahl;
Mit schönen Teppichen schmückt er den Saal,
Wo Moschusduft und Aloë sich gatten.
Mit ihrem Brautschmuck schmücket er die Braut,
Cypress' und Rose aneinander fügend;
Sich an der Heiden frohen Glück vergnügend,
Hat er, sein selbst nicht denkend, sie getraut. –
Als der Minierer in den Schacht jetzt steigt
Der Seele, hilfreich nehmend jedes Bangen,
Küßt er die Lippen bald und bald die Wangen,
Brandschatzt Granat' und Dattel, die sie zeigt
Dann spielt mit dem Demant an ihrer Hand er,
Ruht am Fasanenbusen, weich und mild,
Und seine Perl' an ihrem Finger fand er,
Im trunkenen Narzissenaug' sein Bild.
Erholung schenkt sie seinem Sehnsuchtsbrand;
Und Wange färbt er rot ihr und Gewand,
Sodaß am ersten Tage schon es offenbar,
Daß ihres Kleides Rot ein Odem war.
Dem Schwarzen sieht das Rote man entsteigen,
Drum wird ihr roter Schmuck als Lohn zu eigen;
Weil sie durch Rot den finstern Ernst verbannt,
Wird sie des roten Kleides Engel auch genannt.
Und rot benennet man das lautre Gold;
Dem Schönsten wird der Titel »rot« gegeben,
Und weil sie Blut durchströmt mit warmem Leben
Wird's rot, ob ihrer Seele, gut und hold.
Bei denen, die ein edler Sinn beglückt,
Sind rote Wangen Zeichen ihrer Güte;
Im Garten ist des Schahs die Rosenblüte
Nicht rot, wenn ihn nicht selbst die Röte schmückt.
Doch als das Märchen nun ein Ende fand,
Da wallet Rosenröte in den Lüften,
Es glühen Behrams Wangen wie von Düften
Des reinsten Weins, er liebkost mit der Hand
Der roten Rosen, die sich ganz ihm weihte,
Drückt sie ans Herz und schläft an ihrer Seite.

Wollheim.

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