Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Hussein Uli Mirza.

Aus »Alkoran der Liebe.«

Buch der Prüfung

23.

Es sprach mit sanftem Triebe
Am stillverschwiegnen Orte,
Im Vollgefühl der Liebe
Fatme die süßen Worte:

Die Liebe schafft nicht Leiden,
Die Liebe schafft nur Wonne,
Selbst müßtest du mich meiden,
Ertrag' es, meine Sonne!

Ein Jahr hat ja nur Tage,
Ein Tag nur wenig Stunden,
Und schwinden Stunden, Tage,
So ist das Jahr entschwunden;

So ist die Frist vergangen,
Wo wir getrennt gewesen;
Uns wieder zu umfangen
Sind wir dann auserlesen.

Dann ruf ich: Allah, diesen
Hab' ich geliebt auf Erden,
In deinen Paradiesen
Laß wieder mein ihn werden.

24.

Sie sprach: pflanz' einen Zweig Cypressen
Einst, wenn ich sterbe, mir aufs Grab,
Damit du mögest nie vergessen
Der Liebe, die mein Herz dir gab.
Trittst du dann still an Fatmes Hügel,
Drauf eine Nachtigall wohl schlägt,
Dann sei dir dieser Zweig ein Flügel,
Der dich zurück ans Herz ihr trägt!

Ich sprach: o wolle nicht mich kränken
Durch Worte, die so traurig trüb.
Wie bist du stets mein Angedenken!
Wie hat dich meine Seele lieb!
Kann einer wohl des Lichts vergessen
Nachts, wenn die Sonn' ihm auch erblich?
Meinst du, ein Zweig nur der Cypressen
Erweckt' Erinnerung mir an dich?

25.

Ernst sprach der Arzt und feierlich:
Die Stunde naht, bereite dich!
Des Himmels Herz am Wunsche hängt,
Daß eine Peri es umfängt.

Ich neigte in den Staub das Haupt,
Und betete: Herr, unerlaubt
Ist Murren wider dein Gebot –
Doch, willst du es, fern' ihr den Tod!

Und hat dein Bote nicht Geduld,
So sei voll Himmelsgnad' und Huld:
Nicht dulde, daß der Ros' er winkt,
Die morsche Palme sei's, die sinkt.

26.

O bleibe! – Sanft zu ihr gewandt
Rief ich's, mein Herz war kummerschwer.
Da hob sie matt die Lilienhand,
Winkt himmelan – und war nicht mehr.

27.

Ein Derwisch fragt' nach meiner Habe.
Ich rief: da lieget sie im Grabe.
Er sprach: des Heiles Thor steht offen.
Ich rief: Für mich giebt es kein Hoffen.

28.

Ich lehn' am Hügel und schaue
In die Flamme, die sanft verschwebt
An des Horizontes Aue.
Das Herz fühlt Todeswunden:
Trüb' denk' ich jener Stunden,
Wo mir auf immer verschwunden
Die Sonne, die nie sich hebt.

29.

Nichts bin ich hier mehr nütze,
Komm, Tod, ich bin bereit;
Zerbrochen ist die Spitze
Von meiner Seligkeit.

Nicht mehr eine schneidige Lanze,
Ich bin ein dürrer Schaft;
Selbst meinem Lied an Glanze
Gebricht es und an Kraft.

Aufblitzten mir Reim' im Herzen,
Einst, ehe Fatme schied –
Es loschen des Sanges Kerzen,
Seit sie nicht mehr mein Lied.

30.

Ich reite durch die Wüste hin,
Schwer ist mein Herz, trüb' ist mein Sinn,
Das Haupt hangt nieder dem Kamele,
Als wär' beschwert auch dessen Seele.

Vielleicht ist darum bang sein Sinn:
Weil fern die holde Reiterin,
Weil Fatme (ach mir bricht das Herz!)
Ritt auf der Wolke himmelwärts.

Julius Altmann.

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