Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Aus dem Mysterium: Ali's Tod.

Ali (im Gebet).

Gott des Erbarmens, Herr der Ewigkeit,
Auf meiner Seele lastet dumpfes Leid,
Seitdem Du von uns nahmst den Heiligen dieser Welt,
Leer ist die Welt, seit von uns schied der Held,
Ruhlos hinleb' ich, doch der Schmerzen lacht
Die Zeit und düster kommt der Zukunft Nacht,
Da uns der Menschheit Hort verließ. In bald'ger Stunde,
So ward gesagt, trifft mich die Todeswunde!
Dein Wille, Herr, gescheh! Mit Blut netzt mein Gesicht
In dieser Nacht ein falscher Bösewicht.
Zu Waisen werden meine Kinder rein und hehr,
Kein Freund und kein Beschützer schützt sie mehr.
Grausam Gewölb' des Himmels, ewig wandeln
An dir die Sterne hin und lenken unser Handeln
In Lust und Schmerz, was that ich dir?
Warum entrißt du mir der Frauen schönste Zier
Und des Propheten Kind? Noch hab' ich nicht
Der Gattin und des Heiligen Tod beweint nach Pflicht.
Die Augenlider brennen rot wie ein Rubin,
Noch fließen meine Thränen um die Liebsten hin.
Weh, arme Mutter! Tot auch du! Um dich
Weint noch die Trauer und schon deckt auch mich,
Mein Haupt Bußasche! Nun, so mag's denn sein!
Doch nicht denk' ich an meinen Tod allein,
Mein Gott, sei gnädig meinen Kindern du;
Hab' Mitleid nur mit ihnen, denn in Ruh
Kann ich nicht sterben, und es bebt mein Geist,
Ließ ich zurück sie jeden Freunds verwaist. (Ab.)

Külsum, Seineb, die Töchter Alis.

Külsum:

Arabiens Herrin, traute Schwester du,
Schon ist es Mitternacht, doch ohne Ruh
Liegst du noch immer auf des Lagers Kissen,
Quält dich ein Leid, laß es die Schwester wissen.
Sag, Gute, mir, was macht dein Herz so wund?

Seineb.

Dank, gute Schwester, doch nicht ohne Grund
Seufz' ich so schwer, denn dunkle Träume lagen
Auf mir, entsetzt nun grübl' ich, was sie sagen
Vorkündend uns. Es trat im Traum der Schatten
Der toten Mutter vor mich hin, mit matten
Verweinten Augen, blaß, zerrissenem Gewand,
Nach meinem Hemde faßte ihre Hand,
Und riß es durch: »Zur Eh' wird dir gegeben,«
Sprach sie, »der Kummer, Gram ist all dein Leben,
Und Schmerz geleitet dich bei nacht und tag.

Külsum.

O seltsam Ding,: auch mir, da schlafend lag
Mein Leib, erschien ein gleicher Traum,
In Trauer sah ich dich, bis zu des Kleides Saum
Reich strömten deine Thränen; ringsum lagen
Viel weinende Frauen, die mit lauten Klagen
Die Luft erfüllten, Brust und Haupt und Wangen
Sich schlugen und wie Klageweiber sangen,
O, meine Schwester, heiß vom Schreck erfaßt,
Fuhr ich vom Schlafe da in jäher Hast.

Vorige, Ali.

Ali.

Was hör' ich euch, ihr Töchter da erzählen,
Ihr armen Kinder, was thut ihr euch quälen?
Die Nacht ist spät schon, warum flieht der Schlummer
Von euren Augen fort; all' Weinen, aller Kummer
Langweilt das Schicksal nur, das mitleidbare.

Seineb.

O fiel' ich doch, mein Vater, am Altare
Für dich als Opfer hin! O sprich uns nicht
Von Schlaf und Ruhe. Unser Angesicht
Erglüht im Fieber. Unruh ward zuteile
Statt Ruhe uns. Ich sah in nächt'ger Weile.
Wie du jetzt vor mir stehst, voll warmem Leben
Fatimah, unsre Mutter, rings umgeben
Von einer Frauenschar; ein düstres Klagen schwoll
Wohl tausendfach empor; und thränenvoll
Das Aug', stand unsere Mutter aschebestaubt.
Den Schleier nahm sie ab von meinem Haupt
Zerriß mein Kleid, und zog mit eigner Hand
Mir an ein dunkeles Gewand,
Ein Trauerkleid um eines Liebsten Tod.
Was ist's, womit dies Traumgesicht mir droht?

Ali.

Mein gutes Kind, du Tochter tugendrein,
Wahrheit verkündet dir dein Traum allein.
Gastmähler bietet uns das Leben, meine Zeit
Kam nun, den letzten Becher hält bereit
Der Mundschenk Schicksal und ich leer' davon
Die Neige bald. Nah ist die Stunde schon,
Daß du um mich anlegst dein Trauerkleid.
Ihr armen Waisen, haltet euch bereit
In Schwarz zu gehn, bald wird die Stunde schlagen,
Licht meiner Augen, aus der Welt der Klagen,
Der Ungerechtigkeit, des Jammers geh' ich fort,
Zu dir setzt man sich hin, und meinen Mord
Beweint man laut. Und euer teures Haupt
Seh' ich mit Trauerasche schon bestaubt.
Das Schicksal streut sie über euch, in Leid
Und wildem Schmerz zerreißt ihr euer Kleid.

Der vierte und fünfte Auftritt wiederholen den zweiten und dritten, nur treten anstelle der Töchter die Löhne Alis, Hassan und Hussein. Es folgen dann Scenen zwischen Seineb und Ali und zwischen Hassan und Ali, Welche auch wiederum das angeschlagene Thema variieren. Inzwischen wird es Tag:

Der Muëzzin

Gott ist groß! Gott ist groß! Gott ist groß! Gott ist groß!
Ich bekenne, daß es keinen Gott giebt außer Allah! Ich bekenne,
daß Mohammed der Gesandte Gottes ist.

Ali (im Innern der Moschee.)

Volk von Medina, Fremde, Freunde steht
Auf von dem Lager, auf zum Frühgebet!
Volk des hochmächt'gen Mohammed, empor
Ihr Knechte und Diener all, ein heiliger Chor
Steig auf zu Gott. Am Horizont herauf
Schon dämmert der Tag! Auch du, Feind Gottes, auf,
Die Stunde kam des Frühgebets, beeile dich,
Mann des Verderbens! Treu nun trage ich
Die Kette des Gehorsams, die du legst
Auf meine Schulter, Gott, du, der du hegst
Und schufst, was da ist. Gott, des Mitleids du,
Gott des Erbarmens, sei ein Zeuge du,
Daß ich, Imam der Menschheit, dem Gebot
Und deinen Diensten treu war bis zum Tod.
Wohn' auf den Lippen mir, bis jener erscheint,
O Seele, der dich dem Propheten eint.
Nur Allahs Namen ruf ich, tief im Staub gebeugt
Vor deiner Allmacht, die die Welt bezeugt.

(Während sich Ali zum Gebet niederwirft, sieht man den Mörder aus der Menge hervortreten und ihm den Dolch ins Genick stoßen.)

O süßes Glück! o Dank! Endlich! Geweiht
Bin ich, den Freund zu sehn. Ich bin befreit!
O Dank mein Schöpfer, Gott des Heiligtums,
Rot ward der Turban heiligen Märtyrertums
Von meinem Blut. Es salbte Märtyrerblut
Mir Stirn und Wange mit der reinsten Flut.
Nun glüht der Wunsch in meiner Seele Grund,
Daß bald ich ruh' in des Propheten Bund,
Dank, tausendfacher Dank, für deine Huld,
Daß du entgegennahmest des Gehorsams Schuld,
Des Erdenkleides Fesseln bin ich los,
Dich preis ich Gott, so gütig und so groß,
Bald werd' ich in des Paradieses Hainen
Vor des Propheten Antlitz froh erscheinen.

(Es folgt eine längere Reihe von Scenen, die wesentlich nichts anderes als Totenklagen und ähnliches um den Ermordeten enthalten.)

J. H.

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