Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Hafis

Zweizeilig gereimte Gedichte. (Mesnewiat.)

1. (4.)

Ein Hund ist höher als ein Mensch zu schätzen,
Der seiner Freunde Herzen kann verletzen.
Dies Wort verdient, daß man ihm Glauben schenke,
Auf daß sein Sinn sich in die Herzen senke.
Wenn du und andre sich gemütlich nähren,
Muß an der Schwelle nur der Hund entbehren.
Treu ist, o Jammer! nur der Hund zu nennen,
Indeß die Menschen nichts als Feindschaft kennen.

2. (6.)

Wer in die Welt, die wirre, hat seinen Fuß gesetzt,
Hinab in eine Grube muß steigen er zuletzt.
Die Welt ist eine Brücke, ins Jenseits läuft sie aus,
Ein Ort des Unbestandes, ein ödes, wüstes Haus.
Mißtraue dieser Brücke voll Schrecken und voll Graun;
Bereite dich zur Reise, hier ist kein Haus zu baun.
Dies Köschk von kurzer Dauer ist – wie der Weise spricht –
Ganz einer Wüste ähnlich, nur Schätze birgt es nicht.
Der Wahrheit Perle bohrten die Männer von Verstand,
Die dieses Wohngebäude ein Gasthaus nur genannt.
Zieh' weiter, denn man siedelt sich nicht im Gasthaus an;
Zieh' weiter, denn man weilet nicht auf der Erdenbahn.
Verlange nicht nach Gelde und Würden dieser Welt:
Die Würde ist ein Brunnen und Schlangen gleicht das Geld.
Ich nehme an, du stündest so hoch wie Behramgjur,
So fällst du doch am Ende ins Netz der Grube nur.
Bist du kein Blinder – sagt' ich – sieh auf die Grube hin,
Und handle immer – sagt' ich – mit vorsichtsvollem Sinn!
Entgehen konnte keiner noch diesem Aufenthalt,
War Bettler oder König, war jung er oder alt.
Der du vorbei einst wandelst an mir mit stolzem Sinn,
Hafis wünscht ein Gebetlein: so bete denn für ihn!

Rosenzweig.

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