Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Hafis

Ghasele - Buchstabe Sin 1.

O Morgenwind, wehst du von hinnen,
Verweile beim Araxesbord,
Und küß' den Staub der Thalessohle
Und atme Muschusdüfte dort!

Denn dort wohnt Selma, meine Liebe,
Die ganze Sehnsucht meiner Seele,
Umlärmt von Karawanenglocken
Und von den Treibern der Kamele.

Erst küsse grüßend ihre Sänfte,
Dann zärtlich bring' ihr diese Botschaft:
Mein Herz, vor Trennungsweh verglühend,
Fleht, daß sie Hülfe meiner Not schafft.

Mich, dem sonst Worte der Ermahnung
Stets nur wie Zitherklänge schwanden,
Zaust nun die Trennung bei den Ohren,
Und die Geduld kommt mir abhanden.

Durchschwärme furchtlos deine Nächte,
Denn in der Stadt der Liebe macht
Sich leicht Bekanntschaft mit den Wächtern
Der Liebe, wo sie selber wacht.

Die Liebe ist kein eitles Spielen,
Denn Herz und Kopf steht auf dem Spiele,
Und nicht allein mit heißem Drange
Gelangt das glüh'nde Herz zum Ziele.

Doch glüht ein Herz von wahrer Liebe,
Bringt selbst es sich zum Opfer gern,
Und nur ein Herz, das kalt und nüchtern,
Hält sich von jedem Opfer fern.

Sieh, während auf dem Zuckerrohre
Die Papageien sich fröhlich wiegen,
Wie schlagen hoffnungslos die Pfötchen
Sich übers Haupt die armen Fliegen!

O ließ an Hafis seine Liebe
Bald einen Liebesgruß ergehn,
Er könnte selbst von seinem König
Sich keine größre Gunst erflehn.

Bodenstedt.

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