Divan der persischen Poesie
Divan der persischen Poesie

Blütenlese aus der persischen Poesie, mit einer litterarhistorischen Einleitung, biographischen Notizen und erläuternden Anmerkungen.

Herausgegeben von Julius Hart.

1887 n.Chr.

Inhaltsverzeichnis

Divan der persischen Poesie

Enweri

Ewhadeddin Enweri, das Haupt der persischen Panegyriker, als Dichter ausgezeichnet durch den Glanz seiner Phantasie, die Pracht der Bilder und den Wohllaut der Sprache, wurde in dem Dorfe Bedna nahe bei Mehna (Distrikt Abjurd) geboren. Zu Tus am Kollegium Manssurs hatte er seinen Studien obgelegen und ward dann Hofdichter Sultan Sandschars, Nachfolgers Malikschahs in Chorassan, den er in mehreren seiner besten Kassiden überschwänglich besungen hat. Auch der Astrologie widmete er sich, aber mit weniger Glück. Als einige seiner Vorhersagungen nicht eintrafen, verfiel er dem Spotte und ging deshalb nach Balch, wo er im Jahre 1152 starb und begraben liegt. Ebenso ausschweifend wie im Lob, ist er auch im Tadel, ein beißender, galliger Satiriker alsdann. Die Triebfedern seiner poetischen Thätigkeit, seinen Charakter hat er mit einem gewissen Cynismus in dem untenfolgenden Gedichte »Ein Dichterlein frug gestern mich...« aufgedeckt.

Das Lob Malikschahs und Bagdads

1.

Wie herrlich, Bagdad, bist du anzuschauen,
Du Sitz der Tugend, Städtekönigin!
Wie selig wogt auf deinen Blumenauen
Im Farbenstrom der trunkne Blick dahin!
Da schlüpfen in der Blüte Schoß die schlauen
Zephyre frisch und suchen Düfte drin
Und streu'n sie aus mit lindem Frühlingshauche,
Das sich in Lust die Seele schmelzend tauche.

2.

Es weht und quillt aus Furchen tiefgezogen
Hin aufs Gefild ein sel'ger Ambraduft,
Und Segen strömt in milden kühlen Wogen
Aus reinem Hauch der süßen Himmelsluft,
Die wird vom Strome lüstern eingesogen
Und würzet ihn mit Kewsers Balsamduft;
Auch muß sie liebend in den Boden dringen,
Daß er wie Thuba süße Frucht mag bringen.

3.

Dort an des Tigris kühlem Blumenrande,
Scherzt frohen Spiels der schönen Knaben Schar;
Im Thale schwebt, aus rosigem Gewande
Der Jungfrau Reigen, schlank mit seidnem Haar;
Und tausend blanke Kähne längs dem Strande
Ziehn goldne Furchen im Gewässer klar:
Daß seine blaue Fläche, schön bekränzet,
Ein zweiter Himmel voller Sonnen glänzet.

4.

Und wenn im Mai beim ersten Morgenscheine
Der Weste bunt Geleit hervorgegangen,
Und munter schwärmt durch Anger, Feld und Haine:
Dann träufelt von des Himmels lichten Wangen
Ein Regen mild, von Perlen zart und reine,
Vom goldnen Kelch der Tulpe aufgefangen;
Und aus der grünen Waldung tiefstem Schoß
Macht sich ein Strom von würz'gen Düften los.

5.

Beim Sonnenuntergang, im Widerscheine
Von Millionen Rosen holderglühend,
Erscheint der Himmel, gleich dem Blumenhaine,
In voller Pracht des jungen Frühlings blühend!
Und wenn Aurora kommt mit Purpurscheine
Den Blumenschmelz der Fluren überglühend,
Dann strahlt die Wiese herrlich wohl von ferne,
Als schmückten sie des Himmels schönste Sterne.

6.

Dort glüht die Rose, frisch wie Mädchenwangen,
Im Perlentau, vom Laube halb verhüllet;
Am zarten Stiel Narzissen duftend hangen,
Gleich Silberkelchen, goldnen Weins erfüllet;
Und Tulpen stolz, gleich Räucherbecken, prangen,
Wo Aloe und Moschus dampfend quillet,
Indes die Lerche hoch in Lüften schwebet,
Des Äthers stilles Reich mit Klang belebet.

7.

Dir, Bagdad, mußte solche Schönheit werden.
Wie trieb mich hin der Wünsche süß Geheiß!
Wie willig tauscht ich mit der Fahrt Beschwerden
Der Heimat Ruh, der Lieben trauten Kreis;
Schon senkt die Sonne sich zum Rand der Erden,
Wo einsam schwebend sie am Himmelsgleis
Ein golden Schiff erschien, der Masten bloß,
Das schwankend sich verliert im Wellenschos.

8.

Dann ward im West von goldnem Purpurflor
Die blaue Himmelswölbung schön umwunden;
Wie lichte Peris kommen Stern' empor,
Im Schleier, trauernd, daß die Sonn' entschwunden.
Und Noahs Töchter schöngereihter Chor,
Da er im Tanz sich um den Pol gewunden,
Ließ hold zurück auf blauen Äthers Fluren
Der leichten Tritte demanthelle Spuren.

9.

Ein Veilchenfeld durchsäet mit Narzissen,
Erscheint der Milchweg, und zur zwölften Stunde
Strahlt der Plejaden Reih' aus Finsternissen,
Gleich sieben Perlen hell auf blauem Grunde,
Und wie die schönverschlungenen, ungewissen
Lichtkreise, wandeln um des Himmels Runde,
Scheint sich in tausend wechselnden Gestalten
Des Mondes Wunderteppich zu entfalten.

10.

Saturnus strahlt dort in des Steinbocks Bilde,
Gleich einer Lampe, hoch in stillen Hallen;
Es leuchtet Jupiter, ein Auge milde,
Das duft'ge Silberflore leicht umwallen;
Mars funkelt in der Wage Lichtgebilde,
Wie Purpurwein in glänzenden Krystallen,
Da in des Schützen Zeichen, hold vereint,
Ein Liebespaar, Merkur und Venus, scheint.

11.

Indes das Firmament die Lichtgestalten
Im Spiele, wie ein Zaubrer, leicht und schnelle
In Herrlichkeit sich wechselnd heißt entfalten,
Schickt ich mich an, mit erster Morgenhelle
Zur Fahrt nach Bagdad mich bereit zu halten:
Da plötzlich rauscht es leis' auf meiner Schwelle;
Ich sah mein Mädchen, wie Aurora schön,
Wenn sie erwachend grüßt die stillen Höh'n.

12.

Doch läßt sie, ach! verstört mit düstern Blicken
Die Rosenfinger grausam schmähend wüten
Auf zarter Wang', und ohne Rast zerpflücken
Der Hyazinthen-Locken duft'ge Blüten.
Der Perlenzähne blaue Spuren drücken
Auf frischer Lippe süße Purpurblüten,
Da von Narzissen-Augen Thränen sinken,
Die auf dem Haar wie Tau an Gräsern blinken.

13.

So kannst du, ruft sie, grausam mich verlassen!
Dich fühllos gar der Liebe Arm entreißen!
So könnte ja mich selbst mein Feind nicht hassen.
Ist das die Treu', die du so hoch verheißen?
Mich willst du ganz den Qualen überlassen,
Des Glückes duft'gen Blütenkranz zerreißen?
O, bleib zurück! Sieh meine heißen Zähren,
Laß mich die süßen Blicke nicht entbehren!

14.

Wie magst du dieses Zeltes schützend Dach
Vertauschen mit dem Wald in Sturm und Nacht?
Dies Wonnebett im traulichen Gemach,
Der Purpurkissen schwellend üpp'ge Pracht,
Du wolltest sie verlassen, Trauter, ach!
Um Wüsten, wo der Tiger lauernd wacht?
O wag' es nicht, durch Flehn laß dich erweichen,
In Angst und Sehnsucht muß ich sonst erbleichen!

15.

Sprach Allah doch die Worte hoch und weise:
»In Freundes Nähe sind des Himmels Wonnen,«
»Das Ebenbild der Hölle ist die Reise,«
Sagt der Prophet, der Wahrheit lautrer Bronnen!
Wo willst du hin aus meinem Zauberkreise?
Wie hast du kühn solch thöricht Werk begonnen,
Du, dessen Nacht mein schwarz geringelt Haar,
Des Morgenstern mein strahlend Auge war!

16.

Und wie mag man nach Würden dort dich ehren,
Wo dir an Weisheit keiner zu vergleichen?
Selbst Plato müßte horchen deinen Lehren;
Und wessen Geist in Ostens weiten Reichen
Ergründet so wie du den Lauf der Sphären?
Selbst Ptolemäus Reihen deinem weichen;
Ist doch kein Weiser hier im Orient,
Der deiner Füße Staub nicht köstlich nennt.

17.

Schweig, Holde, sprach ich, hemme deine Klagen,
Sei ruhig, pflege treu mein Bild in Liebe;
Es müssen dir die heißen Küsse sagen,
Wie gern ich hier an deinem Busen bliebe!
Doch lacht das Glück hier nimmer meinen Tagen,
Fern locken mich der Ehrsucht stolze Triebe;
Drum lebe wohl in stiller Einsamkeit,
Bis selig uns das Wiedersehn erfreut.

18.

So mußte sie gerührt, besänftigt scheiden,
Doch schon erblich der Sonne zitternd Licht;
Den Himmel kam im fernen Ost bekleiden
Ein Silberstreif, der zart durch Wolken bricht,
Aurora ging dann auf, verhüllt bescheiden,
Im Rosenflor, ihr strahlend Angesicht.
Dem Sklaven gleich, des Winkes schnell gewärtig,
Macht ich mich nun sogleich zum Aufbruch fertig.

19.

Schlug ein den Pfad, vom jungen Roß getragen,
So herrlich ohne Fehl in allen Stücken;
Schlank ist das kräftige Bein und hoch der Kragen,
Die breite Brust gewölbt, voll Zier der Rücken,
Die Hufen schmal den Boden klingend schlagen,
Schnell folgt es des Gebisses leisen Drücken,
Lauscht auf den Wink, versteht des Reiters Wort,
Und schneller trüge mich der Wind nicht fort.

20.

Schmeidig gleich Tigern, Adlern gleich verwegen,
Im Schlachtgetümmel, bei des Angriffs Zeichen,
Rasch wie der Sturm dem Feind beherzt entgegen,
Doch listig, wie die Kräh' im Flug, beim Weichen;
Will es sich frei im regen Gang bewegen,
Ist's dem Fasan an Zierde zu vergleichen,
Sein fein Gehör kennt auch den zartsten Laut,
Und meilenweit sein zartes Auge schaut.

21.

Nach Bagdad trug mich solch ein herrlich Roß;
Da meiner Ankunft Ruf zum Thron gedrungen,
Beschied mich bald der König auf sein Schloß
Mit Ehr, und hoher Huld Versicherungen.
Am Hof ich köstlichen Empfangs genoß,
Da ward mein Herz von Hoffnung süß durchdrungen.
Ein Lied ersann ich zu des Königs Lob,
Das seinen Ruhm bis zu den Sternen hob.

22.

Zwei Monden g'nügten mir, es zu vollenden,
Rein war sein Maß und voller Zier sein Gang,
Der Bilder Fülle drin verschwenden,
Der reinsten, zartsten Perlen Überschwang,
Dem Ocean die Phantasie entwenden
Mocht' ich mit Lust im regen Geistesdrang;
Auf daß in solchem Lied in ew'ger Schöne
Unsterblichkeit des Königs Namen kröne.

23.

Und dennoch wurde gar mir meine Kunst
Ganz abgeleugnet, nirgend Ruhm ich fand;
Gewöhnt an loser Bilder eitlen Dunst,
Verhöhnte mancher, der sie nicht verstand,
Die reinen Verse voller Sinn und Kunst;
So wurd' ich bald von heißem Zorn entbrannt.
Doch soll ich mich drum arm und elend nennen,
Weil keiner mag so edeln Schatz erkennen?

24.

Ich schwör's bei meiner Dichtung Kern und Saft,
Bei ihrer süßen, goldnen Harmonie;
Bei der Beredsamkeit Gigant'nen Kraft,
Beim Feuerschwung der hohen Poesie;
Bei Persiens Heldenruhm und Tugendkraft,
Bei jenen Namen, die vergehen nie,
Bei Chosrus und bei Rustems Tapferkeit,
Bei Nuschirwanens Allgerechtigkeit.

25.

Beschwör' ich's hoch, es lebt in diesem Lande,
Kein Redner, der den Preis mir abgewinne;
Kein Dichter, der mit Anmut und Verstande
Solch Spottgedicht, voll Witz, wie ich ersinne.
Noch je erschien im glänzenden Gewande
Ein Lied so voll Natur und süßer Minne;
Und zweifelt einer, ob ich Wahrheit sprach,
So richt' es Gott, wenn alles kommt an Tag.

26.

So klagt' ich unmutsvoll, dem Spott ein Ziel,
Einsam durchwachend manche stille Nacht,
Als eines Morgens, da der Weste Spiel
Mit Balsamduft die Sinne trunken macht',
Und sanfter Schlummer tauend auf mich fiel,
Von zärtlicher Berührung ich erwacht',
Die Augen öffnend, noch von Schlaf befangen,
Sah ich mein Mädchen mit den Rosenwangen.

27.

Und sie begann mit schalkhaft holdem Wesen:
Wie lebst du hier, in hohen Glückes Tagen?
Bereust du nun, wie störrig du gewesen?
Du konntest dich dem guten Rat versagen;
Und bist gar bald von deinem Rausch genesen,
Da ungerührt du bliebst bei meinen Klagen!
So fällt mit Recht das Unheil, böser Mann,
Auf den zurück, der treulos es begann.

28.

So willst du noch den Vorwurf auf mich laden,
Geliebte, da mich Gram ganz hingenommen?
Ich wurde ja berufen voller Gnaden
Vom König selbst und huldreich aufgenommen;
Doch jetzt schweift er umher auf steilen Pfaden
Des Ruhmes, dessen Höh' er bald erklommen;
Und ganz versenkt in hoher Taten Sinnen,
Mag ich nicht einen Blick ihm abgewinnen.

29.

Sie sprach: Will dir der Mut nun schon vergehen?
Auf! stimme neu die liederreiche Leier,
Sieh frische Palmen seine Stirn umwehen,
Es sei dein Lied der hohen Taten Feier;
So mag der König huldreich auf dich sehen,
Und schwinden des Vergessens trüber Schleier.
Denn ob der Held auch hohen Ruhm errang,
Doch spiegelt schön die Tat' sich im Gesang!

30.

Wie kann ich mich zu solcher Höhe schwingen,
Da ganz gebeugt die dunkle bange Seele?
Darfst du jedoch nach solchem Preise ringen,
Den edlen Trieb im Busen nicht verhehle.
Laß unsers Herrschers Ruhm ein Lied erklingen,
Das sanft sein Herz mit goldnem Wohlklang stehle!
Kaum sagt' ich dies, so that der holde Mund
In Engeltönen solches Loblied kund:

31.

Begeistre mich zu herrlichem Gesange,
Du Siegesheld, von Strahlen ganz umgeben!
Sich auszusprechen strebt mit kühnem Drange,
Mein Herz durchzuckt von ungewohntem Leben,
Doch beb' ich noch vor deiner Größe bange,
Wie mag mein Geist mit solchem Schwung sich heben.
Ich, schwache Beute der Vergessenheit,
Du, der erkämpft sich die Unsterblichkeit!

32.

Mit ew'gem Glanze schmückst du Persiens Thron,
Durch Tapferkeit, sowie durch Weisheit groß.
Fest wurzelt Billigkeit, dem Thron zum Hohn.
Kühn warfst du der Gefahr dich in den Schoß.
Welch feindlich Haupt ist deinem Schwert entflohn?
Welch treulos Herz entwich dem Todesstoß?
Wenn selbst den Leu dein Schwert mit Blitzen scheucht,
Betäubt der Tiger deinem Dolch entweicht.

33.

Des Wohltuns Säulen, die du neu erbaut
Aus Trümmern hold in heil'gem Glanz erstanden;
Dein Auge Segen auf die Niedern tau't,
Wie Sonne strahlt dein Ruhm in deinen Landen.
Mit Zuversicht das Leiden auf dich schaut,
Zwietracht und Laster legtest du in Banden.
Der hagre Geiz verscheucht zum tiefsten Grunde
Haust ewig nun in schwarzer Klüfte Schlunde.

34.

Und ihr, des hohen Stammes stolze Sprossen,
Wie sing' ich euch, geliebte Königssöhne?
Daß Heldenblut sich in eu'r Herz ergossen,
Zeugt die Gestalt voll Kraft und Himmelsschöne;
Und schon des Vaters rühmliche Genossen
Sagt ihr, daß Glanz die zarte Jugend kröne,
Verherrlicht beide schon der Perser Land
Durch hohen Mut, durch Tugend und Verstand.

35.

Gerecht und edel ist dir Seifed-din
Der weltberühmte Sandschar zu vergleichen;
An Großmut muß dir, junger Azed-din,
Der vielgeliebte Seldschuk selber weichen.
Blüht, Enkel denn des großen Kothbed-din,
Sein würdig stets, zur Lust von Orients Reichen!
Daß jedes Herz in Treue für euch brenne,
Der edeln Ahnen Blut in euch erkenne.

36.

Nimm, Mahmud ben Zangy, den Lobgesang
Mit Milde auf, dein Ruhm muß ihn verdunkeln!
Doch wohl mir, wenn es dennoch mir gelang,
Daß hold nun wieder deine Blicke funkeln
Dem treu'sten deiner Sklaven; mondenlang
Verschmachtet er nun hilflos hier im Dunkeln.
O richt' ihn auf, daß er, von Dank durchglüht,
Dich preis', im Liede, das unsterblich blüht.

Helmine Chézy

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