Divan der persischen Poesie
Enweri
Auf den Dichter Schedschaai
I.
Dem Vernünftigen sind Lockspeisen Schedschaais
Gedichte,
Hundert Vögel wie ich fliegen begierig darauf.
Geh' mein Gedicht und küß vor dem Herrn die Erde und sag' ihm:
Du, die Tugend der Zeit, Tugendepoche bist du!
Hundert Jahrhundert gehn vorbei, ehe einmal das Weltall
Einen Liebling gebiert, einzig geliebet wie du!
Seinem Saume naht sich jetzo die Erd' als ein Weibchen,
Wie ein Härchen dem Kamm jählings entführet vom Wind,
Wenn ich gezwungenerweise die Schultern zum Dienste belastet,
Ist's für deinen Dienst, daß ich dem Hause entfloh.
Als Simurg hast über die Zeiten den Fittig verspreitet,
Fliegen ziemt dein Nest nicht zur Behausung des Schlafs.
Deiner Würden Gewicht giebt Sternen beständige Schwerkraft,
Und im Gleichgewicht hält es den Himmel empor.
Deine Würde hält mich von deinem Dienste zurücke,
Mir genügt dein Brunn, nimmer ergründlich dem Aug'.
Aber dem Manne des Auges, ihm wirst du's, hoff' ich, gewähren,
Daß er vor deiner Thür sitze gebeuget zum Dienst.
J. v. Hammer
II.
Zauber strömt aus deinen Worten,
Hoch empor steigt deine Seele,
Kühner! in die Himmel dringst du,
Schaust entrollt der Welten Plan.
Was dein stolzer Geist begonnen,
In der Zeit wird sich's vollenden,
Die aus armen Maulbeerblättern
Spinnt ein schimmernd Seidenkleid.
Ich bin nur ein Kupferpfennig,
Und ein armer Fisch im Teiche,
Du die goldne Sonnenscheibe,
Bist am Himmelszelt der Fisch.
Ich ein Spatz, du, dessen Flügel
Über alle Welten schatten –
Bist Simurg; mein Verschen klappert
Wie ein Mühlenrad; doch deins
Rauscht erhaben gleich dem Weltrad;
Dein Gedicht gleicht einem seidnen
Goldgewirkten Prachtgewebe,
Meins ist nur ein Spinngeweb'.
Gieb nicht Antwort diesen Zeilen,
Stolzes Schweigen ziemt den Großen;
Dich schützt Gott, der nimmer schlummert,
Uns schützt Gott, der nimmer stirbt.
Julius Hart.