Der Tod des Husein ...

Der Tod des Husein ben Ali und die Rache

Ein historischer Roman aus dem Arabischen

Ferdinand Wüstenfeld

zum Inhaltsverzeichnis

Jazid übernimmt Kalifat

Als er sich von seiner Ohnmacht erholte, ging er hinaus von der Menge umgeben, bis er in die Moschee kam; er bestieg die Kanzel, (es war dies das erste Mal nach dem Tode seines Vaters,) er begann mit dem Lobe und Preise Gottes, gedachte des Propheten und fuhr dann fort: Lieben Leute! Mu'âwîja war einer von den Verehrern Gottes und Gott hat ihn mit Ehren ausgezeichnet und zu seinem Stellvertreter auf Erden gemacht; er hat ein tätiges Leben geführt und ist zu der ihm stimmten Zeit gestorben; im Leben hat man ihn gelobt, nach seinem Tode wird man ihn vermissen; jetzt ist er zu seinem Herrn gegangen und wenn er ihn straft, so geschieht es für seine Sünden, und wenn er ihm vergibt, so geschieht es durch seine grosse Barmherzigkeit. Nun habe ich nach ihm die Regierung übernommen und er hat mich durch ein Testament verpflichtet, dass ich denjenigen von euch, die sich wohl verhalten, Wohltaten erweise, und denen, die übel wollen, verzeihe; bei Gott! ich brauche mich vor euch nicht zu entschuldigen. Hierauf stieg er von der Kanzel herab und schrieb an el-Walid ben 'Otba ben Abu Sufjân, den Statthalter von Medina, einen Brief und befahl ihm, den Einwohnern den Huldigungseid abzunehmen. Denselben Befehl erhielten die neu ernannten Statthalter Sa'd ben Abu Wakkâç für Mekka, Omar ben Sa'd für el-Reij, [L. el-Nu'mân ben Baschir für Kufa, Obeidallah ben Zijâd für Baçra,] und er schrieb an die übrigen größeren Städte, dass sie ihm huldigen sollten. Alle folgten dieser Aufforderung ausgenommen Kufa und Medina, denn die Einwohner dieser beiden Städte huldigten ihm nicht. Da schrieb Jazid einen Brief an el-Walid ben 'Otba, worin er sagte: О Abu Muhammed! wenn du diesen Brief gelesen hast, so nimm die Huldigung für mich dem vor dir versammelten Volke im Allgemeinen ab und diesen vier Männern persönlich: Abd el-rahman ben Abu Bekr, Abdallah ben Omar ben el- Chattâb, Abdallah ben el-Zubeir und Husein ben 'Ali ben Abu Tâlib, und wer von ihnen nicht huldigen will, dessen Kopf schicke mir zugleich mit der Antwort auf diesen meinen Brief. Lebe wohl! — Diesen Brief sandte er an el-Walid ben 'Otba durch zwei seiner Vertrauten, welche am 10. Scha'bân in Medina ankamen. Als el-Walid den Brief gelesen hatte, schickte er zu Marwân ben el-Hakam und liess ihn zu sich rufen; diesem war in Bezug auf das Emirat Unrecht geschehen, weil er vor el-Walid Emir von Medina gewesen und abgesetzt war. Als er bei ihm eintrat, liess er ihn näher zu kommen und las ihm den Brief vor, da sagte Marwân zu ihm: Meine Ansicht ist, dass du zu diesen vieren schickst und sie aufforderst zu huldigen und Gehorsam zu geloben; wenn sie es tun, so ist es gut, wo nicht, so lässt du ihnen die Köpfe abschlagen, wie dir befohlen ist; denn wenn sie erfahren, dass Mu'âwîja gestorben ist, so wird ein jeder von ihnen suchen die Herrschaft für sich selber zu erlangen.

Abu Michnaf sagt: el - Walid schickte also hin um sie aufsuchen zu lassen, und der Bote erfuhr, dass sie bei dem Grabe des sandten versammelt seien; er begab sich zu ihnen, (es war zu einer Zeit, wo el-Walîd keine öffentlichen Sitzungen zu halten pflegte, und sagte ihnen: der Emir lässt euch suchen, denn er wünscht, dass ihr zu ihm kommt. Sie antworteten: Kehre zurück und wir würden kommen. Als er sich entfernt hatte, wandte sich Abdallah ben el-Zubeir an sein und fragte: о Sohn des Gottgesandten, weist du, was el-Walid von uns will? Er antwortete: Ja, Mu'âwîja ist gestorben und sein Sohn Jazid hat die Regierung übernommen, nun hat el-Walid ausgeschickt und lässt euch suchen, um euch den Huldigungseid für Jazid nehmen; was sagt ihr dazu? Abd el-rahman ben Abu Bekr sprach: was mich betrifft, so gehe ich nach Hause, schließe die Tür zu und werde nicht huldigen. Abdallah ben Omar ben el-Chattâb äußerte sich: ich meinerseits habe es mir zur Pflicht gemacht den Coran zu lesen, die Kanzel zu betreten und den Wissenschaften obzuliegen. Abdallah ben el-Zubeir meinte: ich bin nicht der Mann dazu, dass ich Jazid huldigen und ihm folgen sollte. Husein sagte: ich meinesteils werde meine jungen Leute sammeln, sie in dem Vorhofe des Hauses zurücklassen und zu el-Walid hineingehen, dann werde ich ihn zur Rede setzen, er wird sich verantworten, und ich werde mein Recht verlangen. Abdallah ben el-Zubeir entgegnete ihm: ich bin für dich besorgt von seiner Seite. Er erwiderte: ich werde nicht zu ihm gehen ohne im Stande zu sein, mich gegen ihn wehren zu können, so Gott will. Husein erhob sich dann, ging in seine Wohnung, schickte nach seinen Hausgenossen und Sklaven, sie eilten zu ihm von allen Seiten herbei und er zog mit ihnen aus, bis er an Walid's Haus kam; hier sprach er zu ihnen: Ich werde jetzt zu diesem Manne hineingehen und wenn ihr hört, dass meine Stimme laut wird, so tretet rasch zu mir hinein, wenn nicht, so entfernt euch nicht, bis ich wieder zu euch hinauskomme. Er trat nun zu el-Walid ein, grüsste ihn als Emir und er erwiderte seinen Gruß; Marwân ben el-Hakam saß an seiner Seite. Dann sprach Husein und that, als wenn er noch nichts von dem Tode des Mu'awija wüsste: »das ist ja schön, dass ihr zusammen seid, Gott erhalte den Frieden zwischen euch« ! Sie antworteten ihm hierauf gar nichts, sondern nachdem er einige Zeit auf seinem Platze gesessen hatte, ließ ihn el-Walid den Brief des Jazid lesen, teilte ihm mit, dass Mu'awija gestorben sei und forderte ihn auf, dem Jazid zu huldigen. Husein entgegnete: Wir sind Gottes und werden zu ihm zurückkehren, Gott gebe dir einen großen Lohn! Dies ist ein großes Unglück und meine Gedanken sind damit so beschäftigt, dass ich an die Huldigung für Jazid nicht denken kann. — el-Walid: da kommst du nicht um weg, о Abu Abdallah ! — Husein : Unser einer huldigt nicht heimlich und ich glaube nicht, dass euch von meiner Seite Heimlichkeit lieber ist als Öffentlichkeit, und Verborgenheit lieber als Offenheit; vielmehr wenn du, о Emir, zu den Leuten hinausgehst, und sie zur Huldigung aufforderst, da werde ich der erste sein, welcher huldigt, dann ist die Sache mit einem Male abgemacht. — Abu Michnaf sagt: el-Walid war ein Mann, der es liebte, Geschäftssachen in Frieden und Eintracht zu erledigen. Er erwiderte: Gehe hin, о Abu Abdallah, und komme zu uns mit dem Volke, so Gott will. ~ Dagegen bemerkte Marwân ben el-Hakam: Wenn dir der Löwe [B der Fuchs] entgeht, wirst du nur noch seinen Staub sehen; darum hüte dich, dass er fortgeht ohne dir gehuldigt zu haben, oder schlag ihm den Kopf ab. Als Husein diese Worte hörte, sprang er senkrecht in die Höhe und sprach: [B bist du auch hier?] du Sohn der blauäugigen Sklavin, willst du mich umbringen oder er? du lügst, Sohn der unbeschnittenen! beim Hause Gottes! ich komme über dich und deine Genossen mit einem langen Kriege. Damit ging er hinaus, wo seine Leute in Waffen [L friedlich] bereit standen, und kehrte in seine Wohnung zurück.

[In L werden die Auftritte noch etwas ernster dargestellt und die Verwandten Huseins, welche ihn damals begleiteten, mit Namen genannt: Als Husein den Brief Jazid's zu Ende gelesen hatte, warf er ihn auf die Erde und sagte: Ich werde Jazîd niemals huldigen und ihm nicht gehorchen. Marwân entgegnete: Du wirst dem Fürsten der Gläubigen huldigen. — Husein: das lügst du, wehe dir, du Sohn der blauäugigen Sklavin, du von dem Gottgesandten Verstoßener! du weist recht gut, dass du lügst, wenn du sagst: »wir sind die Gläubigen«; wer kann uns befehlen? — Bei diesen Worten sprang Majwan auf, zog sein Schwert und reichte es el-Walid, und als dieser fragte : was soll ich damit machen ? sagte Marwân : du sollst es deinem Scharfrichter übergeben und ihm befehlen dem Husein Sohn der Fâtima den Kopf abzuschlagen und so den Befehl deines Herrn ausführen. el-Walid bemerkte: dann werden sein Großvater und sein Vater am Tage der Auferstehung meine Gegner sein ; und Husein setzte hinzu, indem er sich gegen Marwân wandte : mein Fluch über dich, du Sohn der blauäugigen Sklavin ! bei Gott ! es wird nicht geschehen, bis alles Unglück kommt und Leben aushauchen und Köpfe fliegen. — Als dieser - ihr Wortwechsel laut wurde und die Männer draußen den Lärm hörten, war der erste, welcher plötzlich in das Haus eindrang, der ältere 'Ali ben Husein, dann die übrigen Söhne des Husein: Ali der jüngere, 'Abbas, Jahja, Abu Bekr, Ibrahim, Hamza, 'Ga'far, Omar der jüngere und Mudhaffir, ferner el-Câsim ben Hasan ben AK, Muhammed ben Abdallah und 'Aun ben Abdallah die beiden Enkel des beflügelten Ga'far, Muhammed ben Hasan und Abdallah ben Hasan, Muslim, Abdallah, Abd el-rahman und Muhammed die vier Söhne des 'AMI ben Abu Tâlib ; sie drangen ein und dachten von ihren Schwerdtern Gebrauch zu machen, indes Husein beruhigte sie, hielt sie von ihrem Vorhaben ab und sagte ihnen : gemach ! wir sind die Familie des Gotteshauses, wir tun denen wohl, die uns böses tun. Da verließen sie das Haus u. s. w.]

Marwân sprach nun zu el-Walid: du bist mir nicht gefolgt und mir entgegen gewesen, bei Gott ! du wirst ihn nie wieder auf ähnliche "Weise in deine Gewalt bekommen. — el-Walid antwortete: Du befahlst mir etwas, was mir und meinen Nachkommen zum Verderben gereichen würde ; ich wünsche nicht die Herrschaft der Welt zu haben, wenn ich sie durch das Blut des Husein ben 'Ali ben Abu Tâlib langen müsste; der Mann, der nach dem Blute Huseins trachtet, wird am Tage der Auferstehung zu leicht auf der Waage befunden werden. Worauf Marwân erwiderte: wenn das deine Ansicht ist, so hast du recht gehandelt und bist ein vortrefflicher Emir, ein Mann wie du wünscht ein frommer Einsiedler in den Bergen und Wüsten zu werden, wenn du aber als Statthalter des Chalifen dein Amt verwalten sollst, dann nicht. Damit erhob sich Marwân, erzürnt über el-Walid, dass er sich seiner Ansicht widersetzt hatte.

el-Walid schickte nun einen Boten zu Abdallah ben el-Zubeir, der fand ihn im Verteidigungszustande unter seinen Anhängern, um so mehr drängte Walid ihn und Husein zu einer Erklärung; letzterer ließ ihm widersagen: eile nicht so sehr und warte es ab, bis du und wir uns besonnen haben. Abdallah ben el-Zubeir dagegen ließ ihm durch einen Boten sagen: was hast du für Eile? wenn du mir Zeit lassest, komme ich zu dir, und wenn du mich zur Eile nötigst, werde ich dir unfolgsam sein. Er ließ aber nicht ab, ihn und Husein zu drängen, besonders den letzteren; zu Abdallah ben el-Zubeir schickte er noch seine Sklaven, die riefen ihm zu: wenn du nicht sofort zu dem Emir kommst, so werden wir dich umbringen. Er entgegnete ihnen: was wollt ihr von mir? wehe euch! geht hin, ich werde schon zu ihm kommen; und sie kehrten um. Er wartete den ganzen Tag und als die Nacht ihn deckte, verließ er mit seinem Bruder Ga'far die Stadt, sie nahmen aber einen anderen Weg als die Hauptstrasse aus Furcht vor der Verfolgung. Am anderen Morgen schickte Walid aus, um beide zu suchen, es war aber nichts über sie zu erfahren; da sagte er: bei Gott! sie haben ihre Schritte nach Mekka gelenkt; und er sandte einige von den Freigelassenen der Omeijaden aus, welche die Hauptstrasse verfolgten, aber keine Spur von ihnen auffinden konnten und deshalb umkehrten.

Wegen der Verfolgung des Ibn el-Zubeir hatte man sich an dem Tage nicht mit Husein beschäftigt, bis Walid am Abend zu dessen Habhaftwerdung Boten für die Nacht aussandte mit dem Befehle, nicht nachzulassen und nicht anders als mit ihm zurückzukehren. Sie steten sich also zum Kampfe und zum Überfall und gingen fort, allein er war bereits beim Beginn der Nacht [B Sonntags den 29. Ra'gab] gebrochen, um sich nach Mekka zu begeben, in Begleitung seines Bruders, seiner Neffen und aller seiner Hausgenossen und Sklaven, mit Ausnahme von Muhammed Ibn el-Hanefija, welcher ihn beim Abschiede noch also anredete : Lieber Bruder ! du bist mir unter allen Menschen der geachtetste, liebste und ehrenwerteste, ich ermahne keinen lieber als dich und keiner ist der Ermahnung werter; darum, bei meinem Recht, welches ich gegen dich zu haben glaube, trenne dich selbst nicht von Jazid ben Mu'âwîja und widersetze dich ihm nicht, ohne vorher deine Boten und Sendlinge nach allen großen Städten ausgeschickt zu haben, welche die Leute auffordern dir zu huldigen; wenn sie dies tun, will ich Gott dafür loben, wenn sie sich aber um einen anderen einigen, wird Gott dadurch deinen Glauben nicht mindern ; ich fürchte für dich, wenn du in eine von diesen großen Städten kommst, wo sich eine große Anzahl von Heuchlern befindet, die dir entgegen sind, so wirst du der erste sein, der hingestreckt wird, dein Blut wird nutzlos vergossen , deine Frauen geschändet werden. — Er erwiderte : Ich werde nach Mekka gehen. — Da sprach Muhammed Ihn el-Hanefija: Wenn du in Mekka sicher bist, so mag es sein, wo nicht, so ziehe dich in die Sandwüsten, Täler und Berge zurück , gehe von einer Stadt zur anderen, bis du siehst, wie sich die Dinge gestalten und du einen guten Erfolg erwarten kannst, damit du nicht erst hinterher zu der richtigen Erkenntnis kommst. — Gott lohne es dir aufs beste, о mein Bruder, sagte Husein, du hast einen guten Rath gegeben und das Richtige troffen.

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de