Jazid übernimmt Kalifat
Als er sich von seiner Ohnmacht erholte, ging er hinaus von
der Menge umgeben, bis er in die Moschee kam; er bestieg die
Kanzel, (es war dies das erste Mal nach dem Tode seines
Vaters,) er begann mit dem Lobe und Preise Gottes, gedachte
des Propheten und fuhr dann fort: Lieben Leute! Mu'âwîja war
einer von den Verehrern Gottes und Gott hat ihn mit Ehren
ausgezeichnet und zu seinem Stellvertreter auf Erden gemacht;
er hat ein tätiges Leben geführt und ist zu der ihm stimmten
Zeit gestorben; im Leben hat man ihn gelobt, nach seinem Tode
wird man ihn vermissen; jetzt ist er zu seinem Herrn gegangen
und wenn er ihn straft, so geschieht es für seine Sünden, und
wenn er ihm vergibt, so geschieht es durch seine grosse
Barmherzigkeit. Nun habe ich nach ihm die Regierung übernommen
und er hat mich durch ein Testament verpflichtet, dass ich
denjenigen von euch, die sich wohl verhalten, Wohltaten
erweise, und denen, die übel wollen, verzeihe; bei Gott! ich
brauche mich vor euch nicht zu entschuldigen. Hierauf stieg er
von der Kanzel herab und schrieb an el-Walid ben 'Otba ben Abu
Sufjân, den Statthalter von Medina, einen Brief und befahl
ihm, den Einwohnern den Huldigungseid abzunehmen. Denselben
Befehl erhielten die neu ernannten Statthalter Sa'd ben Abu
Wakkâç für Mekka, Omar ben Sa'd für el-Reij, [L. el-Nu'mân ben
Baschir für Kufa, Obeidallah ben Zijâd für Baçra,] und er
schrieb an die übrigen größeren Städte, dass sie ihm huldigen
sollten. Alle folgten dieser Aufforderung ausgenommen Kufa und
Medina, denn die Einwohner dieser beiden Städte huldigten ihm
nicht. Da schrieb Jazid einen Brief an el-Walid ben 'Otba,
worin er sagte: О Abu Muhammed! wenn du diesen Brief gelesen
hast, so nimm die Huldigung für mich dem vor dir versammelten
Volke im Allgemeinen ab und diesen vier Männern persönlich:
Abd el-rahman ben Abu Bekr, Abdallah ben Omar ben el- Chattâb,
Abdallah ben el-Zubeir und Husein ben 'Ali ben Abu Tâlib, und
wer von ihnen nicht huldigen will, dessen Kopf schicke mir
zugleich mit der Antwort auf diesen meinen Brief. Lebe wohl! —
Diesen Brief sandte er an el-Walid ben 'Otba durch zwei seiner
Vertrauten, welche am 10. Scha'bân in Medina ankamen. Als
el-Walid den Brief gelesen hatte, schickte er zu Marwân ben
el-Hakam und liess ihn zu sich rufen; diesem war in Bezug auf
das Emirat Unrecht geschehen, weil er vor el-Walid Emir von
Medina gewesen und abgesetzt war. Als er bei ihm eintrat,
liess er ihn näher zu kommen und las ihm den Brief vor, da
sagte Marwân zu ihm: Meine Ansicht ist, dass du zu diesen
vieren schickst und sie aufforderst zu huldigen und Gehorsam
zu geloben; wenn sie es tun, so ist es gut, wo nicht, so
lässt du ihnen die Köpfe abschlagen, wie dir befohlen ist;
denn wenn sie erfahren, dass Mu'âwîja gestorben ist, so wird
ein jeder von ihnen suchen die Herrschaft für sich selber zu
erlangen.
Abu Michnaf sagt: el - Walid schickte also hin um sie
aufsuchen zu lassen, und der Bote erfuhr, dass sie bei dem
Grabe des sandten versammelt seien; er begab sich zu ihnen,
(es war zu einer Zeit, wo el-Walîd keine öffentlichen
Sitzungen zu halten pflegte, und sagte ihnen: der Emir lässt
euch suchen, denn er wünscht, dass ihr zu ihm kommt. Sie
antworteten: Kehre zurück und wir würden kommen. Als er sich
entfernt hatte, wandte sich Abdallah ben el-Zubeir an sein und
fragte: о Sohn des Gottgesandten, weist du, was el-Walid von
uns will? Er antwortete: Ja, Mu'âwîja ist gestorben und sein
Sohn Jazid hat die Regierung übernommen, nun hat el-Walid
ausgeschickt und lässt euch suchen, um euch den Huldigungseid
für Jazid nehmen; was sagt ihr dazu? Abd el-rahman ben Abu
Bekr sprach: was mich betrifft, so gehe ich nach Hause,
schließe die Tür zu und werde nicht huldigen. Abdallah ben
Omar ben el-Chattâb äußerte sich: ich meinerseits habe es mir
zur Pflicht gemacht den Coran zu lesen, die Kanzel zu betreten
und den Wissenschaften obzuliegen. Abdallah ben el-Zubeir
meinte: ich bin nicht der Mann dazu, dass ich Jazid huldigen
und ihm folgen sollte. Husein sagte: ich meinesteils werde
meine jungen Leute sammeln, sie in dem Vorhofe des Hauses
zurücklassen und zu el-Walid hineingehen, dann werde ich ihn
zur Rede setzen, er wird sich verantworten, und ich werde mein
Recht verlangen. Abdallah ben el-Zubeir entgegnete ihm: ich
bin für dich besorgt von seiner Seite. Er erwiderte: ich
werde nicht zu ihm gehen ohne im Stande zu sein, mich gegen
ihn wehren zu können, so Gott will. Husein erhob sich dann,
ging in seine Wohnung, schickte nach seinen Hausgenossen und
Sklaven, sie eilten zu ihm von allen Seiten herbei und er zog
mit ihnen aus, bis er an Walid's Haus kam; hier sprach er zu
ihnen: Ich werde jetzt zu diesem Manne hineingehen und wenn
ihr hört, dass meine Stimme laut wird, so tretet rasch zu mir
hinein, wenn nicht, so entfernt euch nicht, bis ich wieder zu
euch hinauskomme. Er trat nun zu el-Walid ein, grüsste ihn als
Emir und er erwiderte seinen Gruß; Marwân ben el-Hakam saß
an seiner Seite. Dann sprach Husein und that, als wenn er noch
nichts von dem Tode des Mu'awija wüsste: »das ist ja schön,
dass ihr zusammen seid, Gott erhalte den Frieden zwischen
euch« ! Sie antworteten ihm hierauf gar nichts, sondern
nachdem er einige Zeit auf seinem Platze gesessen hatte, ließ
ihn el-Walid den Brief des Jazid lesen, teilte ihm mit, dass
Mu'awija gestorben sei und forderte ihn auf, dem Jazid zu
huldigen. Husein entgegnete: Wir sind Gottes und werden zu ihm
zurückkehren, Gott gebe dir einen großen Lohn! Dies ist ein
großes Unglück und meine Gedanken sind damit so beschäftigt,
dass ich an die Huldigung für Jazid nicht denken kann. —
el-Walid: da kommst du nicht um weg, о Abu Abdallah ! — Husein
: Unser einer huldigt nicht heimlich und ich glaube nicht,
dass euch von meiner Seite Heimlichkeit lieber ist als
Öffentlichkeit, und Verborgenheit lieber als Offenheit;
vielmehr wenn du, о Emir, zu den Leuten hinausgehst, und sie
zur Huldigung aufforderst, da werde ich der erste sein,
welcher huldigt, dann ist die Sache mit einem Male abgemacht.
— Abu Michnaf sagt: el-Walid war ein Mann, der es liebte,
Geschäftssachen in Frieden und Eintracht zu erledigen. Er
erwiderte: Gehe hin, о Abu Abdallah, und komme zu uns mit dem
Volke, so Gott will. ~ Dagegen bemerkte Marwân ben el-Hakam:
Wenn dir der Löwe [B der Fuchs] entgeht, wirst du nur noch
seinen Staub sehen; darum hüte dich, dass er fortgeht ohne dir
gehuldigt zu haben, oder schlag ihm den Kopf ab. Als Husein
diese Worte hörte, sprang er senkrecht in die Höhe und sprach:
[B bist du auch hier?] du Sohn der blauäugigen Sklavin, willst
du mich umbringen oder er? du lügst, Sohn der unbeschnittenen!
beim Hause Gottes! ich komme über dich und deine Genossen mit
einem langen Kriege. Damit ging er hinaus, wo seine Leute in
Waffen [L friedlich] bereit standen, und kehrte in seine
Wohnung zurück.
[In L werden die Auftritte noch etwas ernster dargestellt
und die Verwandten Huseins, welche ihn damals begleiteten, mit
Namen genannt: Als Husein den Brief Jazid's zu Ende gelesen
hatte, warf er ihn auf die Erde und sagte: Ich werde Jazîd
niemals huldigen und ihm nicht gehorchen. Marwân entgegnete:
Du wirst dem Fürsten der Gläubigen huldigen. — Husein: das
lügst du, wehe dir, du Sohn der blauäugigen Sklavin, du von
dem Gottgesandten Verstoßener! du weist recht gut, dass du
lügst, wenn du sagst: »wir sind die Gläubigen«; wer kann uns
befehlen? — Bei diesen Worten sprang Majwan auf, zog sein
Schwert und reichte es el-Walid, und als dieser fragte : was
soll ich damit machen ? sagte Marwân : du sollst es deinem
Scharfrichter übergeben und ihm befehlen dem Husein Sohn der
Fâtima den Kopf abzuschlagen und so den Befehl deines Herrn
ausführen. el-Walid bemerkte: dann werden sein Großvater und
sein Vater am Tage der Auferstehung meine Gegner sein ; und
Husein setzte hinzu, indem er sich gegen Marwân wandte : mein
Fluch über dich, du Sohn der blauäugigen Sklavin ! bei Gott !
es wird nicht geschehen, bis alles Unglück kommt und Leben
aushauchen und Köpfe fliegen. — Als dieser - ihr Wortwechsel
laut wurde und die Männer draußen den Lärm hörten, war der
erste, welcher plötzlich in das Haus eindrang, der ältere 'Ali
ben Husein, dann die übrigen Söhne des Husein: Ali der
jüngere, 'Abbas, Jahja, Abu Bekr, Ibrahim, Hamza, 'Ga'far,
Omar der jüngere und Mudhaffir, ferner el-Câsim ben Hasan ben
AK, Muhammed ben Abdallah und 'Aun ben Abdallah die beiden
Enkel des beflügelten Ga'far, Muhammed ben Hasan und Abdallah
ben Hasan, Muslim, Abdallah, Abd el-rahman und Muhammed die
vier Söhne des 'AMI ben Abu Tâlib ; sie drangen ein und
dachten von ihren Schwerdtern Gebrauch zu machen, indes
Husein beruhigte sie, hielt sie von ihrem Vorhaben ab und
sagte ihnen : gemach ! wir sind die Familie des Gotteshauses,
wir tun denen wohl, die uns böses tun. Da verließen sie
das Haus u. s. w.]
Marwân sprach nun zu el-Walid: du bist mir nicht gefolgt
und mir entgegen gewesen, bei Gott ! du wirst ihn nie wieder
auf ähnliche "Weise in deine Gewalt bekommen. — el-Walid
antwortete: Du befahlst mir etwas, was mir und meinen
Nachkommen zum Verderben gereichen würde ; ich wünsche nicht
die Herrschaft der Welt zu haben, wenn ich sie durch das Blut
des Husein ben 'Ali ben Abu Tâlib langen müsste; der Mann, der
nach dem Blute Huseins trachtet, wird am Tage der Auferstehung
zu leicht auf der Waage befunden werden. Worauf Marwân
erwiderte: wenn das deine Ansicht ist, so hast du recht
gehandelt und bist ein vortrefflicher Emir, ein Mann wie du
wünscht ein frommer Einsiedler in den Bergen und Wüsten zu
werden, wenn du aber als Statthalter des Chalifen dein Amt
verwalten sollst, dann nicht. Damit erhob sich Marwân, erzürnt
über el-Walid, dass er sich seiner Ansicht widersetzt hatte.
el-Walid schickte nun einen Boten zu Abdallah ben el-Zubeir,
der fand ihn im Verteidigungszustande unter seinen Anhängern,
um so mehr drängte Walid ihn und Husein zu einer Erklärung;
letzterer ließ ihm widersagen: eile nicht so sehr und warte
es ab, bis du und wir uns besonnen haben. Abdallah ben
el-Zubeir dagegen ließ ihm durch einen Boten sagen: was hast
du für Eile? wenn du mir Zeit lassest, komme ich zu dir, und
wenn du mich zur Eile nötigst, werde ich dir unfolgsam sein.
Er ließ aber nicht ab, ihn und Husein zu drängen, besonders
den letzteren; zu Abdallah ben el-Zubeir schickte er noch
seine Sklaven, die riefen ihm zu: wenn du nicht sofort zu dem
Emir kommst, so werden wir dich umbringen. Er entgegnete
ihnen: was wollt ihr von mir? wehe euch! geht hin, ich werde
schon zu ihm kommen; und sie kehrten um. Er wartete den ganzen
Tag und als die Nacht ihn deckte, verließ er mit seinem
Bruder Ga'far die Stadt, sie nahmen aber einen anderen Weg als
die Hauptstrasse aus Furcht vor der Verfolgung. Am anderen
Morgen schickte Walid aus, um beide zu suchen, es war aber
nichts über sie zu erfahren; da sagte er: bei Gott! sie haben
ihre Schritte nach Mekka gelenkt; und er sandte einige von den
Freigelassenen der Omeijaden aus, welche die Hauptstrasse
verfolgten, aber keine Spur von ihnen auffinden konnten und
deshalb umkehrten.
Wegen der Verfolgung des Ibn el-Zubeir hatte man sich an
dem Tage nicht mit Husein beschäftigt, bis Walid am Abend zu
dessen Habhaftwerdung Boten für die Nacht aussandte mit dem
Befehle, nicht nachzulassen und nicht anders als mit ihm
zurückzukehren. Sie steten sich also zum Kampfe und zum
Überfall und gingen fort, allein er war bereits beim Beginn
der Nacht [B Sonntags den 29. Ra'gab] gebrochen, um sich nach
Mekka zu begeben, in Begleitung seines Bruders, seiner Neffen
und aller seiner Hausgenossen und Sklaven, mit Ausnahme von
Muhammed Ibn el-Hanefija, welcher ihn beim Abschiede noch also
anredete : Lieber Bruder ! du bist mir unter allen Menschen
der geachtetste, liebste und ehrenwerteste, ich ermahne
keinen lieber als dich und keiner ist der Ermahnung werter;
darum, bei meinem Recht, welches ich gegen dich zu haben
glaube, trenne dich selbst nicht von Jazid ben Mu'âwîja und
widersetze dich ihm nicht, ohne vorher deine Boten und
Sendlinge nach allen großen Städten ausgeschickt zu haben,
welche die Leute auffordern dir zu huldigen; wenn sie dies
tun, will ich Gott dafür loben, wenn sie sich aber um einen
anderen einigen, wird Gott dadurch deinen Glauben nicht
mindern ; ich fürchte für dich, wenn du in eine von diesen
großen Städten kommst, wo sich eine große Anzahl von
Heuchlern befindet, die dir entgegen sind, so wirst du der
erste sein, der hingestreckt wird, dein Blut wird nutzlos
vergossen , deine Frauen geschändet werden. — Er erwiderte :
Ich werde nach Mekka gehen. — Da sprach Muhammed Ihn
el-Hanefija: Wenn du in Mekka sicher bist, so mag es sein, wo
nicht, so ziehe dich in die Sandwüsten, Täler und Berge
zurück , gehe von einer Stadt zur anderen, bis du siehst, wie
sich die Dinge gestalten und du einen guten Erfolg erwarten
kannst, damit du nicht erst hinterher zu der richtigen
Erkenntnis kommst. — Gott lohne es dir aufs beste, о mein
Bruder, sagte Husein, du hast einen guten Rath gegeben und das
Richtige troffen.