Der Sieg des Islam

Der Sieg des Islam

von Edward Gibbon

 
bullet Inhaltsverzeichnis

Achtes Kapitel - Innerer Zustand des morgenländischen Reiches

(Anmerkung der Enzyklopädie des Islam: Die hier erfolgenden Schilderungen sind in keinster weise authentisch und können daher nicht als Quelle für die Geschichte des Islam angesehen werden. Die Wiedergabe dient nur dazu, um darzulegen, wie in der Westlichen Welt auf den Islam geblickt worden ist.)

Zustand des morgenländischen Reiches im zehnten Jahrhundert. – Ausdehnung und Einteilung. – Reichtum und Finanzen. – Der Palast von Konstantinopel. – Titel und Ämter. – Stolz und Macht der Kaiser. – Taktik der Griechen, Araber und Franken. – Aufhören der lateinischen Sprache. – Studien und Isolierung der Griechen

Ein Schein historischen Lichtes scheint sich aus dem dunklen zehnten Jahrhundert zu erheben. Wir öffnen mit Neugierde und Ehrfurcht die kaiserlichen Schriften des Konstantin Porphyrogenitus, die er in reifem Alter zur Belehrung seines Sohnes verfaßte und in denen er verspricht, das morgenländische Reich im Frieden und Kriege, im Innern und Äußern zu beschreiben. Im ersten dieser Werke gibt er eine umständliche Beschreibung der üblichen Zeremonien in Kirche und Palast. Im zweiten versucht er eine genaue Schilderung der Provinzen oder Themen, wie sie genannt wurden, sowohl von Europa als auch von Asien. Das System der römischen Taktik, die Heereszucht und Ordnung der Truppen und ihre kriegerischen Bewegungen zu Lande und zu Wasser sind in der dritten dieser didaktischen Sammlungen erläutert, die Konstantin oder seinem Vater Leo zugeschrieben werden können. In dem vierten Werke, von der Verwaltung des Reiches, enthüllt er die Geheimnisse der byzantinischen Politik, den freundlichen und feindlichen Verkehr mit den Nationen der Erde. Die literarischen Bestrebungen des Zeitalters, die Rechtssysteme, der Ackerbau und die Geschichtsforschung kamen den Untertanen und den makedonischen Fürsten zugute. Die sechzig Bücher der Basiliken, der Kodex und die Pandekten der Ziviljurisprudenz wurden nach und nach unter den drei ersten Regierungen dieser Dynastie verfaßt. In die Kunst des Ackerbaues hatten sich die besten und weisesten der Alten vertieft und über sie geschrieben. Die diesbezüglichen Vorschriften sind in den zwanzig Büchern der Geoponiken Konstantins zusammengefaßt. Auf seinen Befehl wurden die historischen Beispiele für Laster und Tugend in dreiundfünfzig Büchern methodisch geordnet angeführt, und jeder Bürger konnte sich die Erfahrungen der vergangenen Geschlechter zunutze machen. Der Souverän des Ostens, zuerst erhabener Gesetzgeber, war ebenso der demütige Lehrer seiner Untertanen, wie bescheidener Schriftsteller, und wenn seine Nachfolger und Untertanen sich um seine väterliche Fürsorge nicht kümmerten, können wir doch das ewige Vermächtnis genießen.

Bei näherer Prüfung vermindert sich aber der Wert des Geschenkes und die Dankbarkeit der Nachwelt. Im Besitze dieser kaiserlichen Schätze müssen wir fortwährend unsere Armut und Unwissenheit beklagen, und der schwindende Ruhm ihrer Verfasser wird aus Gleichgültigkeit oder Verachtung gänzlich erblassen. Die Basiliken werden zu einer unvollständigen Abschrift, zu einer parteiischen und verstümmelten Übersetzung der Gesetze Justinians in das Griechische. Die vernünftigen Gesetze der alten Zivilrechtsgelehrten werden aus Dummheit und Frömmigkeit verstümmelt und ein unbedingtes Verbot der Ehetrennung, des Konkubinates und der Geldverzinsung erlassen und so die Freiheit und das Glück des Privatlebens unterbunden, In dem historischen Werke hätte ein Untertan Konstantins die unnachahmlichen Tugenden der Griechen und Römer bewundern können, hätte lernen können, wie hoch der menschliche Geist einst strebte. Dem Kanzler oder Großlogotheten wurde aufgetragen, eine Schrift über das Leben der Heiligen herauszugeben, und der Aberglaube erhielt durch die fabelhaften und blumenreichen Legenden des Simon Metaphrastes neue Nahrung. In den Augen des Weisen sind die Arbeiten des Landwirtes, der die Gaben des Schöpfers vervielfältigt und für die Nahrung seiner Brüder sorgt, wichtiger als astronomische Studien. Die kaiserlichen Verfasser der Geoponiken waren jedoch ernstlicher mit der Vernichtungskunst beschäftigt, die seit Xenophons Tagen als die Kunst der Helden und Könige gelehrt worden ist, als mit etwas anderem. Die Taktik Leos und Konstantins ist mit unedlen Zutaten ihres Zeitalters vermengt. Es mangelt dem Werke an schöpferischem Geiste, sie halten unbedingt an den Maximen fest, die durch Siege bestätigt worden sind. Weder der Stil noch die Methode ist richtig; sie verwechseln zeitlich und räumlich unvereinbare Dinge, die spartanische und makedonische Phalanx, die Legionen des Cato und Trajan, des Augustus und Theodosius. Selbst die Nützlichkeit und Wichtigkeit dieser militärischen Grundbegriffe kann in Zweifel gezogen werden: die allgemeine Theorie wird jedoch von der Vernunft eingegeben, aber die Schwierigkeiten und der Verdienst bestehen in der Ausführung. Ein Soldat wird mehr durch Übung als Studium ausgebildet, und ein Feldherr muß von Natur aus zur Ruhe und zum schnellen Entschluß Veranlagung haben, um das Schicksal von Heeren und Völkern zu entscheiden. Die Siege, die durch das Studium der Taktik gewonnen worden sind, sind so viel wert, wie die nach den Regeln der Kritik geschaffenen epischen Gedichte. Das Buch der Zeremonien schildert langweilig den verächtlichen Prunk, der in Kirche und Staat seit dem Verfalle des Reiches für notwendig befunden wurde. Eine Übersicht der Themen oder Provinzen wäre statt der Sagen über den Ursprung der Städte und der boshaften Epigramme auf die Sitten ihrer Bewohner von Nutzen gewesen. Mit Freuden würde der Geschichtschreiber diese Dinge mitteilen, aber sein Stillschweigen kann nicht getadelt werden, da die Bevölkerungszahl der Hauptstadt und Provinzen, die Höhe der Abgaben und Einkünfte, die Zahl der Untertanen und Fremden, die unter der kaiserlichen Fahne dienten, von Leo dem Philosophen und seinem Sohne Konstantin nicht mitgeteilt werden. Seine Abhandlung über die öffentliche Verwaltung ist mit denselben Fehlern behaftet, zeichnet sich aber doch durch einen Vorzug aus: die Geographie und die Sitten der barbarischen Welt sind genau und interessant gezeichnet. Von diesen Nationen waren die Franken allein imstande, ihrerseits die Hauptstadt des Ostens zu beobachten und zu schildern. Der Gesandte Ottos des Großen, ein Bischof von Cremona, hat den Zustand Konstantinopels um die Mitte des zehnten Jahrhunderts beschrieben. Sein Stil ist feurig, die Darstellung lebendig, seine Beobachtung scharf, ja selbst die Vorurteile und Leidenschaften Luitprands werden originell und genial dargestellt. Mit Hilfe dieses spärlichen Vorrats einheimischen und ausländischen Materials werde ich versuchen, die Form und das Wesen des byzantinischen Reiches zu beleuchten, die Provinzen und den Reichtum zu beschreiben, die Zivilregierung und Streitmacht, den Charakter und die Literatur der Griechen in einem Zeiträume von sechshundert Jahren, von der Regierung des Heraklius bis zum sieggekrönten Einbrüche der Franken oder Lateiner.

Nach der endlichen Teilung zwischen den Söhnen des Theodosius breiteten sich Barbarenschwärme von Skythien und Deutschland über die Provinzen aus und vernichteten die Herrschaft Roms. Die Schwäche der Herrscher von Konstantinopel war bei der Größe des Reiches nicht ohne weiteres zu sehen, die Grenzen blieben unverletzt oder wenigstens erhalten, und Justinians Reich wurde das eroberte Afrika und Italien angegliedert. Diese Provinzen waren jedoch nur kurz in seinem Besitz, und die Sarazenen eroberten fast die Hälfte des morgenländischen Reiches. Syrien und Ägypten wurde durch die arabischen Kalifen unterdrückt, und nach der Bezwingung von Afrika drangen die Sarazenen in Spanien ein und eroberten es. Die Inseln des Mittelmeeres blieben ihrer Flotte nicht unzugänglich. Die treuen und aufrührerischen Emire mißhandelten von Kreta und den Festungen von Kilikien aus die Hauptstadt und die Provinzen. Die übrigen, unter der Botmäßigkeit der Kaiser gebliebenen Provinzen, erhielten eine neue Verwaltung, an Stelle der Präsidenten, Konsuln und Grafen wurden Themen oder militärische Statthalterschaften eingerichtet, die unter den Nachfolgern des Heraklius vorherrschten und von dem kaiserlichen Schriftsteller beschrieben worden sind. Der Ursprung dieser neunundzwanzig Themen, zwölf in Europa, siebzehn in Asien, ist dunkel, die Etymologie zweifelhaft, die Grenzen waren willkürlich und änderten sich. Einige besondere Namen, die unserem Ohr höchst fremd klingen, waren der Sprache der Truppen entlehnt, die auf Kosten und zum Schutze dieser Themen erhalten wurden. Die eitlen griechischen Kaiser griffen nach allem, was einer Eroberung ähnlich sah und das Ansehen ihres Reiches in Erinnerung der verlorengegangenen Herrschaft hob. Auf dem westlichen Ufer des Euphrat wurde ein neues Mesopotamien geschaffen, der Name der früheren Prätur Sizilien auf einen schmalen Landstrich in Kalabrien übertragen und ein Bruchteil des Herzogtums Benevent wurde die Theme Lombardei. Zur Zeit des Verfalls des arabischen Reiches konnten die Nachfolger Konstantins ihren Stolz mit tatsächlichen Eroberungen befriedigen. Die Siege des Nikephorus, Johann Zimisces und Basilius des Zweiten ließen den Ruhm des römischen Namens wieder aufleben; die Grenzen wurden erweitert, die Provinzen Kilikiens, die Hauptstadt Antiochia, die Inseln Kreta und Cypern wurden wieder unterworfen und ein Drittel von Italien mit Konstantinopel wieder vereinigt. Das Königreich Bulgarien wurde zerstört, und die letzten Souveräne der makedonischen Dynastie dehnten ihre Herrschaft von den Quellen des Tigris bis in die Nähe Roms aus. Im elften Jahrhundert erschienen neue Feinde, und neue Unglücksfälle brachen herein. Italien wurde von den Normannen überschwemmt, and die Türken eroberten fast sämtliche asiatische Gebiete des Reiches. Nach diesen Verlusten herrschten die Kaiser aus dem Hause der Komnenen noch immer von der Donau bis zum Peloponnes, von Belgrad bis Nicäa, Trapezunt und dem sich windenden Mäander. Die großen Provinzen Thrakien, Makedonien und Griechenland waren ihnen unterworfen, sie besaßen außer Cypern, Rhodus und Kreta fünfzig Inseln des Ägäischen oder Heiligen Meeres, und der Rest ihres Reiches übertraf das größte der europäischen Königreiche an Ausdehnung.

Diese Fürsten konnten in Wahrheit behaupten, daß sie von allen christlichen Monarchen das größte Einkommen, die größte Stadt, den blühendsten und dichtbevölkertsten Staat besaßen. Mit dem Verfalle des Reiches waren auch die Städte verfallen; die Ruinen Roms, die Lehmmauern, hölzernen Schuppen und engen Grenzen von Paris und London konnten sich nicht mit Konstantinopel, den prächtigen Palästen und Kirchen vergleichen. Die reiche Stadt lockte die Perser und Bulgaren, die Araber und Russen zu kühnen Angriffen, hatte diese aber bisher abgeschlagen und hoffte dies auch für die Zukunft zu tun. Minder glücklich und uneinnehmbar waren die Provinzen, und man konnte nur wenige Bezirke, wenige Städte auffinden, die nicht von irgendeinem grimmigen Barbaren verheert worden waren. Nach Justinian verengerte das Reich seine Grenzen; Kriege wüteten und profane und kirchliche Tyrannen bedrängten das Volk. Der Gefangene, der den Barbaren entflohen war, wurde häufig von den Dienern seines Souveräns gegeißelt und eingekerkert. Allzuviele Fasten und Gebete waren vorgeschrieben, viele Klöster vorhanden, und eine große Anzahl Feste lenkte die Menschen von ihrer Tätigkeit ab. Aber die Untertanen des byzantinischen Reiches blieben immer die geschicktesten und fleißigsten der Nationen; ihr Vaterland war mit allen Vorteilen des Bodens, Klimas und der Lage gesegnet. Ihr geduldiger und friedlicher Sinn trug zur Erhaltung und Wiederherstellung der Künste mehr bei, als der kriegerische Geist und die Feudalanarchie von Europa. Die mit dem Reiche noch verbundenen Provinzen wurden durch Unglücksfälle verloren, wieder bevölkert und bereichert. Die Katholiken von Syrien, Ägypten und Afrika entzogen sich dem Joche des Kalifen, begaben sich in den Schutz ihres Fürsten, vereinigten sich mit der Gemeinde ihrer Brüder. Die bewegliche Habe, die den Nachforschungen des Unterdrückers entzogen werden kann, wurde in die Verbannung mitgenommen und erleichterte diese. Konstantinopel nahm die fliehenden, gewerbefleißigen Familien aus Alexandria und Tyrus auf. Die Häuptlinge von Armenien und Skythien, die vor Feinden oder Religionsfanatikern flohen, wurden ebenfalls gastfreundlich aufgenommen, ihre Anhänger ermuntert, neue Städte zu bauen und öde Ländereien urbar zu machen. Viele Plätze in Europa tragen noch heute die Namen, die ihnen von den Einwanderern damals gegeben wurden, bewahren deren Sitten oder wenigstens ihr Andenken. Selbst die Barbarenstämme, die sich gewaltsam auf dem Boden des Reiches niedergelassen hatten, wurden allmählich dem Reiche einverleibt, unterwarfen sich der Kirche und dem Staat. Solange sie sich nicht mit den Griechen vermischten, stellten ihre Nachkommen treue und gehorsame Soldaten. Wenn wir hinreichend Material besäßen, um die neunundzwanzig Themen der byzantinischen Monarchie genau zu kennen, könnten wir unsere Wißbegier befriedigen, indem wir eine beliebige Provinz zur Betrachtung aussuchten. Dies ist leider nicht der Fall; wir verdanken es jedoch einem glücklichen Umstand, daß uns der Zustand der interessantesten Provinz am genauesten bekannt wurde. Dies ist die Provinz Peloponnes.

Schon im achten Jahrhundert, während der Herrschaft der Bilderstürmer, hatten sich über Griechenland, ja sogar über den Peloponnes Sklavenscharen ergossen, die dem Heere der Bulgaren vorausgeeilt waren. Die Einwanderer alter Zeit, Cadmus, Danaus und Pelops hatten in diesem fruchtbaren Land Staatskunst und Wissenschaft begründet, die Wilden des Nordens aber rotteten die noch erhaltenen spärlichen Reste aus. Durch diesen Einbruch wurde das Land und die Bewohner umgestaltet, das griechische Blut geschändet und die stolzen Edlen des Peloponnes wurden als Fremdlinge und Sklaven bezeichnet. Spätere Fürsten reinigten das Land einigermaßen von den Barbaren, die spärlichen Reste wurden durch einen Eid, durch den sie Gehorsam, Tributzahlung und Stellung von Soldaten versprachen und den sie oft brachen, gebunden. Die Belagerung von Patras wurde, durch ein seltsames Zusammentreffen, gemeinsam von den Sklaven des Peloponnes und den Sarazenen aus Afrika vorgenommen. Der Mut der Bürger wurde durch die erdichtete Botschaft, daß der Prätor von Korinth zum Ersatz heranrücke, gestärkt. Sie machten einen kühnen und glücklichen Ausfall. Die Fremden schifften sich wieder ein, die Rebellen unterwarfen sich. Den Erfolg des Tages verdankten die Bürger angeblich einem Unbekannten, der in den vordersten Reihen mit den Abzeichen des Apostels Andreas gefochten hatte. Das Heiligtum, das seine Reliquien enthielt, ward mit den errungenen Siegeszeichen geschmückt, und der unterworfene Volksstamm wurde für immer zum Dienste der Metropolitankirche von Patras und zu deren Vasallenschaft bestimmt. Der Friede der Halbinsel wurde durch zwei slawische Stämme in der Nähe von Helos und Lakedämon häufig gestört. Sie verhöhnten die schwachen Unterdrücker und widerstanden ihnen oft, bis endlich der feindliche Einbruch ihrer Brüder die Unterzeichnung einer goldenen Bulle veranlaßte, welche die Rechte und Pflichten der Ezzeriten und Milenger festsetzte und durch die ihnen ein jährlicher Tribut von zwölfhundert Goldstücken auferlegt wurde. Der kaiserliche Geograph macht einen genauen Unterschied zwischen diesen Fremdlingen und einem ursprünglich heimischen Stamm, der vielleicht von den früheren Heloten abstammte. Die großmütigen Römer, insbesondere Augustus, hatten die Seestädte von der spartanischen Herrschaft befreit, und da diese dauernd im Besitze der Freiheit blieben, wurden sie Eleutherer oder freie Lakonier genannt. Zur Zeit Konstantins Porphyrogenitus hatten sie den Namen Mainoten erworben, unter welchem Namen sie ihre Ansprüche auf die Plünderung derjenigen, die an ihrem felsigen Gestade Schiffbruch erleiden, entehrten. Ihr Land, das kein Korn, aber Ölbäume hervorbringt, dehnte sich bis zum Vorgebirge Malea aus. Ihr Häuptling oder Fürst wurde von dem byzantinischen Prätor ernannt, und sie hatten nur einen geringen Tribut von vierhundert Goldstücken zu zahlen, der mehr ihre Steuerfreiheit als ihre Abhängigkeit bewies. Die freien Lakonier gebärdeten sich wie Römer und bekannten lange die Religion der Griechen. Unter Kaiser Basilius wurden sie getauft, verehrten jedoch in ihrer Einfalt Venus und Neptun weiter, deren Altäre sie noch fünfhundert Jahre nach deren Ächtung durch die römische Welt bekränzten. In der Theme des Peloponnes zählte man noch vierzig Städte, Argos und Korinth mögen trotz ihres Verfalles im zehnten Jahrhundert, weit entfernt von ihrem alten Glanze, ebenfalls weit entfernt von ihrem jetzigen Zustand gewesen sein. Die Besitzer oder Lehensinhaber der Ländereien waren verpflichtet, in Person oder durch einen Stellvertreter Kriegsdienste zu leisten, jeder größere Grundbesitzer mußte fünf Goldstücke zahlen, und die gleiche Summe mußte von mehreren geringeren Sassen, die zusammen einen Steuerkopf bildeten, aufgebracht werden. Als ein italienischer Krieg vorbereitet wurde, befreiten sich die Peloponnesier von persönlicher Dienstleistung durch die Zahlung von hundert Pfund Goldes (viertausend Pfund Sterling) und tausend Pferden mit den dazu gehörigen Waffen und Geschirren. Die Kirchen und Klöster lieferten ihren Beitrag; ein schwunghafter Handel wurde mit geistlichen Würden betrieben, und der arme Bischof von Leukadia zum Beispiel mußte hundert Goldstücke jährlich zahlen.

Der Reichtum der Provinz war auf den großen Ertrag aus dem Handel gegründet. Von einem weisen Politiker war das Gesetz gegeben worden, das alle Seeleute des Peloponnes sowie die mit Pergament und Purpur beschäftigten Arbeiter von allen persönlichen Abgaben freisprach. Dies kann mit Recht auch von den Leinwand-, Woll- und Seidenmanufakturen angenommen werden, wovon die ersteren seit den Tagen Homers in Griechenland geblüht hatten und die letzteren wahrscheinlich schon unter der Regierung Justinians errichtet worden waren. Diese Gewerbe, die in Korinth, Theben und Argos ausgeübt wurden, gaben zahlreichen Menschen Arbeit und Nahrung. Männer, Frauen und Kinder erhielten je nach Alter und Stärke Arbeit zugewiesen, und wenn auch viele derselben häusliche Sklaven waren, gehörten doch ihre Gebieter, die das Werk leiteten und den Gewinn daraus zogen, einem freien und ehrenvollen Stande an. Die Geschenke, die eine reiche und edelmütige Matrone dem Kaiser Basilius, ihrem Adoptivsöhne, machte, waren ohne Zweifel auf griechischen Webstühlen verfertigt worden. Danielis schenkte einen Teppich aus feiner Wolle, mit einem Muster, das ein Pfauenrad zeigte und von einer Größe, daß damit der Fußboden einer neuen, Christus, dem Erzengel Michael und dem Propheten Elias geweihten Kirche bedeckt werden konnte. Sie gab sechshundert Stück Leinwand und Seide, zu mannigfaltigem Gebrauche geeignet. Die Seide war purpurn gefärbt und gestickt, die Leinwand so außerordentlich fein, daß ein ganzes Stück zusammengerollt in ein hohles Rohr ging. Ein sizilianischer Geschichtschreiber unterscheidet bei der Beschreibung die griechischen Fabrikate je nach ihrem Preis, der sich nach Schwere und Beschaffenheit der Seide, Dichtheit des Gewebes, Schönheit der Farbe und Art der Stickerei richtet. Ein einfacher, doppelter oder dreifacher Faden wurde für gewöhnliche Arbeit verwendet, das kostbarere Gewebe bestand aus einem sechsfachen Faden. Von den Farben preist er besonders Scharlach und Grün. Die Stickerei war entweder aus Seide oder Gold und erhaben gearbeitet, einfache Streifen oder Kreise wurden ausgeführt, aber auch Blumen gestickt. Die Gewänder, die man für den Altar oder Palast anfertigte, waren häufig mit Edelsteinen und Figuren aus orientalischen Perlen geschmückt. Bis zum zwölften Jahrhundert züchtete man in Griechenland allein von allen christlichen Ländern die Seidenraupe und verstand allein die Kunst der Seidenherstellung. Aber die tätigen und gewandten Araber hatten das Geheimnis gestohlen. Die Kalifen des Ostens verschmähten es, von den Ungläubigen Gewänder und Hausschmuck zu beziehen. Die beiden spanischen Städte Almeria und Lissabon waren wegen der Erzeugung, Verarbeitung und vielleicht wegen der Ausfuhr von Seide berühmt. Diese wurde zuerst von den Normannen in Sizilien eingeführt und der Sieg Rogers unterscheidet sich durch diese Handlung von den anderen unfruchtbaren Siegen seiner Zeit. Nach der Plünderung von Korinth, Athen und Theben schiffte sich sein Unterbefehlshaber mit einer Anzahl gefangener Weber und Seidenarbeiter beiderlei Geschlechts ein. Diese bildeten für seinen Gebieter eine glorreiche, für den griechischen Kaiser aber eine schimpfliche Trophäe. Der König von Sizilien war über das Geschenk erfreut, und als er die Gefangenen zurückgab, behielt er die Arbeiter und Arbeiterinnen von Theben und Korinth zurück, die, wie der byzantinische Geschichtschreiber sagt, unter einem barbarischen Gebieter arbeiteten, wie die alten Eretrier im Dienste des Darius. Ein stattliches Gebäude im Palastbezirk von Palermo wurde dieser arbeitsamen Kolonie eingeräumt, die ihre Fertigkeit ihren Kindern und Schülern vererbte, um die wachsende Nachfrage der westlichen Welt zu befriedigen. Der Verfall der Seidenweberei von Sizilien muß den Unruhen auf der Insel und der Nebenbuhlerschaft der italienischen Städte zugeschrieben werden. Im Jahre 1314 hatte nur Lucca unter allen Schwesterrepubliken noch das einträgliche Monopol. Ein Bürgerkrieg zerstreute die Arbeiter nach Florenz, Bologna, Venedig, Mailand, ja selbst in die Länder jenseits der Alpen. Dreizehn Jahre nach diesem Ereignis gebieten die Verordnungen Modenas die Anpflanzung von Maulbeerbäumen und bestimmen die Abgaben an roher Seide. Nördlichere Gegenden sind der Zucht von Seidenwürmern minder günstig, die gewerbefleißigen Länder Frankreich und England erhalten aber für andere Waren die Erzeugnisse Italiens und Chinas.

Ich muß die Klage wiederholen, daß die beiläufigen und kärglich vorhandenen Schriften jener Zeiten eine richtige Schätzung der Steuern, des Einkommens und der Hilfsquellen des griechischen Reiches nicht erlauben. Aus jeder Provinz von Europa und Asien flössen ununterbrochen Gold- und Silberströme in die kaiserlichen Kassen. Die Ausbreitung der verschiedenen Stämme vergrößerte auch das Reich, und nach den Maximen eines Despoten verkörperte sich der Staat in der Hauptstadt, diese im Palaste und der Palast in der Person des Kaisers. Ein jüdischer Reisender, der den Orient im zwölften Jahrhundert besuchte, bewundert die byzantinischen Reichtümer. »Hier, bei der Königin der Städte, fließen die Abgaben des Reiches zusammen«, sagt Benjamin von Tudela; »die hohen Türme sind mit kostbaren Vorräten an Seide, Purpur und Gold angefüllt. Man sagt, Konstantinopel zahle seinem Souverän jeden Tag zwanzigtausend Goldstücke, die von den Buden, Schenken und Märkten, von den Kaufleuten Persiens, Ägyptens, Rußlands und Ungarns, von den Spaniern und Italienern, die die Hauptstadt besuchen, erhoben werden.« In allen Geldangelegenheiten ist die Meinung eines Juden zweifellos von Gewicht. Da obgenannter Betrag aber ein Einkommen von mehr als sieben Millionen Pfund Sterling im Jahr bedeuten würde, nehme ich an, daß die zahlreichen Festtage des griechischen Kalenders nicht inbegriffen sind. Die Größe des Schatzes, den Theodors und Basilius II. sammelten, wird ein Bild von ihren Einkünften und Hilfsquellen geben. Bevor die Mutter Michaels sich in ein Kloster zurückzog, suchte sie die Verschwendungssucht ihres Sohnes zu zügeln oder ihn bloßzustellen, indem sie freimütig die Reichtümer, die er erbte, aufzählte: einhunderttausend Pfund Gold, dreihunderttausend Pfund Silber, die von ihrem Gemahl und ihr selbst gespart worden waren. Die Habsucht des Basilius ist nicht geringer als seine Tapferkeit und sein Glück; seine siegreichen Heere wurden bezahlt und belohnt, ohne daß der Schatz von zweihunderttausend Pfund Gold (gegen acht Millionen Pfund Sterling), den er in den unterirdischen Gewölben des Palastes verborgen hatte, angegriffen wurde.

Wie groß der Geldbedarf des Staates immer war und wieviel Geld für zukünftige Zwecke beiseite gelegt wurde, immer standen die Bedürfnisse und das Vergnügen des Kaisers an der ersten Stelle, und sein Verbrauch wurde nach seinem eigenen Ermessen bestimmt. Die Fürsten von Konstantinopel waren anspruchsvoll; je nach der Jahreszeit beteiligten sie sich an; den Vergnügungen der Hauptstadt, machten jede Mode mit oder zogen sich auf das Land zurück. Sie feierten das Fest der Weinlese, vertrieben sich die Zeit mit Jagd oder Fischen und suchten in heißen Sommern die kühle, erfrischende Seeküste auf. Auf zahlreichen Inseln und an den Küsten von Asien und Europa besaßen sie prächtige Villen, die auf das prunkvollste ausgestattet und in überladenem Stil gebaut waren. Durch Erbschaft und Konfiskation waren die Kaiser Eigentümer vieler schöner Häuser in der Stadt und den Vorstädten geworden, wovon zwölf den Ministern des Staates angewiesen wurden. Der große Palast, der Mittelpunkt der kaiserlichen Residenz, stand elf Jahrhunderte auf demselben Platze zwischen dem Hippodrome, der Kathedrale der heiligen Sophie und den Gärten, die sich über manche Terrasse zum Gestade der Propontis senkten. Der ursprüngliche Palast des ersten Konstantins war eine Nachbildung desjenigen des alten Roms. Seine Nachfolger erweiterten denselben und waren bestrebt, mit den Wunderbauten der Alten Welt zu wetteifern. Im zehnten Jahrhundert erregte der byzantinische Palast die Bewunderung wenigstens der Lateiner, durch seine Festigkeit, Größe und Pracht. Aber die mit viel Mühe und unter großem Aufwand durch Jahrhunderte fortgesetzten Zubauten, hatten einen ungeheuren und unregelmäßigen Komplex geschaffen. Jedes einzelne Gebäude trug den Stempel der Zeiten, in denen es gebaut wurde und seines Stifters, und der Mangel an Raum macht es verständlich, daß der regierende Monarch, vielleicht mit geheimer Freude, die Werke seines Vorgängers einreißen ließ. Die sonstige Sparsamkeit des Kaisers Theophilus gestattete ihm, großen häuslichen Aufwand zu treiben. Ein begünstigter Gesandter, der selbst die Abbassiden durch seinen Stolz und seine Freigebigkeit in Erstaunen gesetzt hatte, überreichte bei seiner Rückkehr das Modell eines von dem Kalifen von Bagdad erst kürzlich an den Ufern des Tigris erbauten Palastes. Das Muster wurde unverzüglich nachgebaut und an Pracht übertroffen. Der neue Palast des Theophilus war mit Gärten und fünf Kirchen, von denen sich eine durch besondere Größe und Schönheit auszeichnete, geschmückt und mit drei Domen gekrönt. Das Dach aus vergoldetem Erz ruhte auf Säulen aus italienischem Marmor, und die Wände waren mit buntem Marmor ausgekleidet. An der Vorderseite der Kirche wurde ein halbrunder Portikus nach dem griechischen Sigma gestaltet, von fünfzehn Säulen aus phrygischem Marmor getragen. Eine ähnliche Anordnung zeigten die unterirdischen Grüfte. Der Platz vor dem Sigma war mit einem Springbrunnen geschmückt und der Rand des Beckens mit Silberplatten ausgelegt und umgeben. Am Beginn jeder Jahreszeit wurde das Becken statt mit Wasser mit köstlichen Früchten angefüllt, die von der Menge an Ort und Stelle verzehrt wurden. Der Fürst genoß dieses lärmende Schauspiel von einem von Gold und Edelsteinen schimmernden Thron, der auf einer hohen Terrasse, zu der Marmorstufen führten, stand. Unterhalb des Thrones saßen die Hauptleute seiner Leibwache, die Obrigkeiten, die Häupter der Parteien des Zirkus. Die unteren Stufen nahm das Volk ein. Ganze Banden von Tänzern, Sängern und Gebärdenspielern trieben ihr Wesen. Der Platz war von der Justizhalle, dem Arsenale und verschiedenen Amts- und Luxusgebäuden umgeben; der Purpursaal führte diesen Namen, weil darin alljährlich von der Kaiserin selbst Scharlach- und Purpurgewänder verteilt wurden. Die vielen Gemächer waren den Jahreszeiten angepaßt und mit Marmor, Porphyr, mit Malerei, Bildhauerarbeit und Mosaik, mit Gold, Silber und Edelsteinen geschmückt. Die geschicktesten und ausdauerndsten Künstler des Zeitalters wurden zu den Arbeiten verwendet. Die geschmackvollen Athener jedoch würden ihre läppischen und kostspieligen Arbeiten verachtet haben: ein goldener Baum mit Blättern und Zweigen, auf denen Vögel saßen, die man Lieder singen lassen konnte, ferner zwei Löwen aus massivem Gold in Lebensgröße, die ein Gebrüll ausstoßen konnten. Die Nachfolger des Theophilus aus der basilischen und komnenischen Dynastie geizten nicht minder darnach, ein Denkmal ihres Daseins zu hinterlassen, und der prachtvollste und edelste Teil des Palastes erhielt den würdevollen Namen des goldenen Trikliniums. Mit geziemendem Anstand strebten die reichen griechischen Großen ihren Souverän nachzuahmen, und wenn sie in ihren gestickten Seidengewändern durch die Straßen zogen, wurden sie von den Kindern für Könige gehalten. Eine Matrone vom Peloponnes, Danielis, die Basilius den Makedonier gepflegt hatte, ließ sich aus Zuneigung oder Eitelkeit verlocken, ihren Adoptivsohn, der nun Kaiser war, zu besuchen. Wegen ihres Alters oder wegen der damit verbundenen Unannehmlichkeiten lehnte sie Reiten oder Fahren ab. Sie wurde über fünfhundert Meilen in einer reichgeschmückten Sänfte von zehn starken Sklaven auf den Schultern getragen. Da diese in kurzen Zwischenräumen einander ablösten, waren dreihundert zu diesem Dienste erforderlich. Sie wurde im byzantinischen Palaste mit kindlicher Ehrerbietung und mit den Ehren einer Königin empfangen. Woher immer ihr Reichtum stammte, so waren doch ihre Geschenke des Königs würdig. Ich habe bereits die Erzeugnisse des Peloponnes an Leinwand, Seide und Wolle beschrieben, die sie als Geschenk darbrachte; aber das vollkommenste ihrer Geschenke bestand in dreihundert schönen Jünglingen, worunter sich hundert Verschnittene befanden; »denn es war nicht unbekannt«, sagt der Geschichtschreiber, »daß die Luft des Palastes für solche gedeihlicher ist, als die Milchkammer eines Hirten für Sommerfliegen.« Schon zu ihren Lebzeiten verfügte sie über den größten Teil ihrer Besitzungen am Peloponnes und ernannte in ihrem Testamente Leo, den Sohn des Basilius, zu ihrem Universalerben. Nach der Auszahlung der Vermächtnisse kamen dadurch achtzig Villen zur kaiserlichen Domäne. Dreitausend Sklaven der Danielis wurden von ihrem neuen Gebieter freigelassen und an der italienischen Küste angesiedelt. An diesem Beispiel einer Frau im Privatstande können wir den Reichtum der Kaiser ermessen. Wir sind aber nur in der Lage, ein gewisses Maß an Vergnügen genießen zu können, und welchen Wert auch der Luxus im Leben haben mag, erfreut sich ein Privatmann mehr an seinem eigenen Vermögen, als der Verwalter eines öffentlichen an diesem.

Bei einer unumschränkten Regierung, unter der der Unterschied zwischen edler und plebejischer Abstammung aufgehoben ist, vergibt der Souverän allein die Würden, und der Rang im Palaste und im Reiche hängt von den Titeln und Ämtern ab, die von ihm willkürlich verliehen und aberkannt werden. Über tausend Jahre, von Vespasian bis zu Alexius Komnenus, war Cäsar der zweithöchste Titel, da der höchste Titel Augustus den Söhnen und Brüdern des regierenden Monarchen häufiger erteilt wurde. Um sein Versprechen gegen einen mächtigen Bundesgenossen, den Gemahl seiner Schwester, zu umgehen, ohne es zu brechen und um die Liebe seines Bruders Isaak zu belohnen, ohne ihn sich gleichzustellen, erfand der schlaue Alexius eine neue Würde. Die biegsame griechische Sprache erlaubte es ihm, die Titel Augustus und Kaiser (Sebastos und Autokrator) zu vereinigen, was den stolzklingenden Titel Sebastokrator ergab. Der Träger dieses Titels stand über dem Cäsar auf der ersten Stufe des Thrones. Er wurde durch öffentlichen Zuruf gefeiert und unterschied sich von dem Souverän nur durch einen besonderen Schmuck des Hauptes und der Füße. Nur der Kaiser durfte die purpurnen oder roten Halbstiefel tragen, und sein geschlossenes Diadem oder seine Tiara war nach Art jener der persischen Könige geformt. Sie bestand aus einer hohen pyramidenförmigen Kappe aus Tuch oder Seide, mit Perlen und Juwelen verschwenderisch besetzt. Die Krone wurde aus einem waagrechten Reif und zwei Bogen aus Gold gebildet. Oben am Kreuzungspunkte war eine Kugel oder ein Kreuz angebracht, und zwei Schnüre Perlen hingen über jede Wange. Die Halbstiefel des Sebastokrators und Cäsars waren statt rot grün, und ihre offenen Kronen waren mit weniger Juwelen besetzt. Alexius schuf noch die Titel Panhypersebastos und Protosebastos, deren Klang und Bedeutung den Kenner der griechischen Sprache befriedigen wird. Diese Benennungen bedeuteten einen Vorzug vor dem einfachen Augustus, und dieser ehemals heilige Titel der römischen Fürsten wurde auf Verwandte und Diener des byzantinischen Hofes angewendet. Die Tochter des Alexius preist die verschiedenen Abstufungen der Titel, die ihr Vater geschaffen hat, es ist aber auch für geringe Geister möglich, weitere Titel zu erfinden. Das Titelwörterbuch wurde bald durch seine Nachfolger weiter bereichert. Den bevorzugten Söhnen oder Brüdern gaben sie den höheren Titel Herr oder Despot. Die Inhaber dieser Titel erhielten neue Vorrechte und kamen in der Rangliste sogleich nach dem Kaiser. Die fünf Titel: 1. Despot, 2. Sebastokrator, 3. Cäsar, 4. Panhypersebastos und 5. Protosebastos waren gewöhnlich auf die Prinzen von Geblüt beschränkt. Mit ihnen verband sich jedoch keinerlei Amt, sie waren daher unnütz und nicht sehr eindrucksvoll.

In jeder Monarchie muß die effektive Regierungsgewalt von den Ministern des Palastes und Schatzes, der Flotte und des Heeres ausgeübt werden. Die Titel allein können verschieden sein, und in einer Jahrhunderte dauernden Umwälzung stiegen die Grafen, Präfekten, Prätoren und Quästoren allmählich herab, und ihre Untergebenen erhoben sich zu den ersten Würden des Staates. 1. In einer Monarchie, in der alles nur in bezug auf den Fürsten von Wichtigkeit ist, ist das wichtigste Amt die Sorge für den Palast und die Zeremonien. Der zu Justinians Zeiten hochgestellte Curapalata wurde durch den Protovestiarius, der ursprünglich nur die Kleiderkammer zu beaufsichtigen hatte, verdrängt. Er dehnte seine Macht über zahlreiche Diener immer mehr aus und stand mit seinem silbernen Stabe bei öffentlichen oder Privataudienzen an ihrer Spitze. 2. Im alten System Konstantins führten die Finanzeinnehmer den Titel Logothet oder Rechnungsführer. Die vornehmsten Beamten wurden als die Logotheten der Domänen, der Stellen, des Heeres, des Privatschatzes, des öffentlichen Schatzes bezeichnet, und der Großlogothet, der oberste Hüter der Gesetze und Finanzen, kann mit dem Kanzler der lateinischen Monarchien verglichen werden. Er wachte über die Zivilverwaltung und hatte als helfende Untergebene: den Eparch oder Präfekten der Stadt, den ersten Geheimschreiber und die Bewahrer des geheimen Siegels, den Archivar, der für die allein dem Kaiser zu Unterschriften vorbehaltene rote oder Purpurtinte zu sorgen hatte. Einführer und Dolmetscher der fremden Botschafter waren der Großtschausch und der Dragoman, zwei Worte türkischen Ursprungs, die noch später bei der hohen Pforte gebräuchlich waren. 3. Die Domestici wurden aus Leibwachen allmählich zu Heerführern. Die militärischen Themen im Osten und Westen waren oft unterteilt, bis der Großdomestikus den allgemeinen und unumschränkten Befehl über die Landmacht erhielt. Der Protostrator, ursprünglich der Beamte, der dem Kaiser half zu Pferde zu steigen, wurde allmählich der Stellvertreter des Domestikus im Felde. Seine Amtsgewalt erstreckte sich über die Ställe, die Reiterei, die Jäger und Falkner des Kaisers. Der Stratopedarch war der Großrichter des Lagers, der Protospathar befehligte die Leibwache, der Connetable, der Großäteriar und Acolyth waren die Anführer der Franken, Barbaren und der Waräger oder Engländer, der fremden Miettruppen, die bei abnehmendem Nationalgeist den Kern der byzantinischen Truppen bildeten. 4. Die Seemacht stand unter dem Befehle des Großherzogs, dessen Vertreter der Großdrungär war, der seinerseits vom Emir oder Admiral, ein Titel sarazenischer Herkunft, der sich in allen Sprachen Europas eingebürgert hat, vertreten wurde. Aus diesen Beamten und vielen anderen, die aufzuzählen überflüssig ist, bestand die Zivil- und Militärhierarchie. Ihre Würden und Gehalte, Tracht und Titel, ihre wechselseitigen Begrüßungen und ihre Rangordnung waren genau bestimmt. Der Codex war fast vollendet, als dieser auf Sand errichtete Bau, das Denkmal des Stolzes und der Knechtschaft, für immer unter dem Schutt des Reiches begraben wurde.

Die erhabensten Titel, die auf das höchste Wesen angewendet wurden, sind aus Schmeichelei und Furcht menschlichen Geschöpfen gegeben worden, die auch in anbetender Stellung verehrt werden. Diese Sitte, flach niederzufallen und die Erde zu Füßen des Kaisers zu küssen, hatte Diokletian von den knechtischen Persern entlehnt. Sie dauerte bis zum Ende der Monarchie, ja wurde noch verschärft. Ausgenommen am Sonntag, an dem man aus religiösem Stolze darauf verzichtete, wurde sie von allen, die sich dem Kaiser näherten, auch von den Prinzen, die mit Diadem und Purpur bekleidet waren, wie von den Gesandten, die ihre unabhängigen Souveräne, die Kalifen von Asien, Ägypten oder Spanien, die Könige von Frankreich und Italien und die lateinischen Kaiser des alten Rom vertraten, an allen Tagen gefordert. Bei den Geschäftsverhandlungen behauptete der Bischof Luitprand von Cremona die Würde seine Gebieters Otto und eines Franken. Er kann aber seine Erniedrigung bei der ersten Audienz nicht verbergen. Als er sich dem Throne näherte, fingen die Vögel des goldenen Baumes an, ihre Lieder zu gurgeln und die beiden Löwen brüllten. Luitprand wurde mit seinen zwei Gefährten gezwungen, sich zu verneigen und niederzufallen, und dreimal berührte er mit seiner Stirne den Boden. Als er sich erhob, war der Thron durch eine Vorrichtung zur Decke hochgehoben worden, und der Kaiser erschien in anderem, schönerem Schmucke. Die Zusammenkunft schloß in stolzem und majestätischem Schweigen. Der Bischof von Cremona schildert in seiner interessanten Erzählung ehrlich die Zeremonien des byzantinischen Hofes, die noch bei der hohen Pforte beachtet wurden und bis ins siebzehnte Jahrhundert an den Höfen der Großfürsten von Moskau oder Rußland üblich waren. Nach einer langen Reise zu Lande oder Wasser machte der Gesandte am goldenen Hofe Halt, bis er von den hiefür bestimmten Beamten in den zu seiner Aufnahme vorbereiteten Palast geführt wurde. Aber dieser Palast war ein Kerker, und seine Wächter hinderten jeden geselligen Verkehr mit Eingeborenen und Fremden. Bei seiner ersten Audienz überreichte er die Geschenke seines Gebieters, Sklaven, goldene Gefäße und kostbare Rüstungen. Vor seinen Augen wurden, um zu prunken, die Beamten und Soldaten des Reiches bezahlt, er wurde bei einem kaiserlichen Bankett bewirtet, wobei Gesandte anderer Nationen, je nachdem die Griechen sie achteten oder verachteten, anwesend waren. Als besondere Gunst sandte der Kaiser von seiner Tafel die Schüsseln, von denen er gekostet hatte, und seine Lieblinge wurden mit Ehrengewändern entlassen. Des Morgens und Abends fanden sich seine Zivil- und Militärbeamten zur Begrüßung im Palaste ein. Sie wurden dadurch belohnt, daß sie den Kaiser sehen durften, erhielten vielleicht ein Lächeln von ihm. Er deutete seine Befehle durch Winke oder Zeichen an, und jedermann stand in seiner Anwesenheit schweigend und unterwürfig da. Bei seinen regelmäßigen oder außergewöhnlichen Zügen durch die Hauptstadt entschleierte er sein Antlitz, damit alle es sehen konnten. Die politischen Zeremonien hingen mit den religiösen zusammen, und seine Besuche in den Hauptkirchen richteten sich nach den Feiertagen. Am Vorabend solcher Umzüge wurde die Absicht des Monarchen durch Herolde verkündet. Die Straßen wurden geräumt und gereinigt, mit Blumen bestreut und der kostbarste Hausrat, Gefäße aus Gold und Silber, seidene Teppiche in den Fenstern und auf den Baikonen zur Schau gestellt. Lärmen wurde dem Volke auf das strengste verboten und für Zucht und Sitte Sorge getragen. Den Zug eröffneten die Anführer an der Spitze ihrer Truppen, der Kaiser wurde von den Eunuchen und der Leibgarde beschützt und an der Kirchentüre von dem Patriarchen und seiner Geistlichkeit feierlich empfangen. Die Freudenzurufe wurden im vorhinein geregelt und keineswegs dem Zufall und dem Volke überlassen. Die besten Plätze waren von der blauen und grünen Partei des Zirkus eingenommen. Ihre wütenden Kämpfe, die die Hauptstadt erschüttert hatten, waren allmählich zum Kampfe um die Gunst des Souveräns geworden. Von allen Seiten ertönte das Lob des Kaisers; die Dichter und Musiker leiteten den Chor, und den Schluß jedes Gesanges bildete der Wunsch, daß der Kaiser ein langes Leben haben und viele Siege feiern möge. Ähnliche Rufe erschollen bei den Audienzen, bei der Tafel und in der Kirche. Als Beweis seiner grenzenlosem Herrschaft wurde der Zuruf in lateinischer, gotischer, persischer, französischer, ja selbst in englischer Sprache von den Söldnern wiederholt, die diesen Nationen wirklich oder angeblich angehörten. Diese Wissenschaft der Formen und Schmeichelei ist durch Konstantin Porphyrogenitus zu Papier gebracht worden, die durch die Eitelkeit der folgenden Fürsten mächtig hätte ergänzt werden können. Bei ruhiger Überlegung mußte der Fürst gewiß bedenken, daß derselbe Beifallsruf jedem Herrscher dargebracht wurde. Wenn sich dieser vielleicht aus dem Privatstande emporgeschwungen hatte, erinnerte er sich wohl, daß seine Stimme in dem Augenblicke, in dem er seinem Vorgänger beneidete oder sich gegen sein Leben verschwor, die lauteste gewesen sei. Die Fürsten des Nordens, die Völker ohne Glauben oder Ruhm, sagt Konstantin, strebten darnach, ihr Blut mit dem Blute der Kaiser zu mengen, indem sie eine kaiserliche Jungfrau heirateten oder ihre Töchter römischen Fürsten zur Ehe gaben. Der greise Monarch offenbart in seinen Lehren, die für seinen Sohn bestimmt sind, die Maximen der Politik und des Stolzes und führt Gründe an, warum diese Forderungen verweigert werden sollen. Jedem Tiere, sagt der kluge Kaiser, ist es bestimmt, sich eine Gefährtin unter den Tieren seiner eigenen Art zu suchen; auch das Menschengeschlecht ist durch Sprache, Sitten und Religion in mehrere Stämme geteilt. Rücksicht auf die Reinheit der Abstammung bewahrt die Harmonie des öffentlichen und Privatlebens, und fremdes Blut ist die Quelle der Unordnung und Zwietracht. Das war von jeher die Ansicht der weisen Römer gewesen; ihre Gesetze verboten die Vermählung ihrer Bürger mit Fremden. In den fernen Tagen der Größe Roms hätte ein Senator die Werbung eines Königs um seine Tochter voll Verachtung zurückgewiesen, und Marcus Antonius befleckte sich durch seine Verheiratung mit einer Ägypterin. Der Kaiser Tacitus wurde durch das Volk gezwungen, Berenice zu verlassen. Dieses Verbot wurde durch den großen Konstantin in ein heiliges Gesetz umgewandelt. Die Gesandten der Nation wurden feierlichst aufmerksam gemacht, daß Fremdehen vom Stifter der Kirche und Stadt verdammt worden wären. Das Gesetz war über dem Altar der Sophienkirche eingemeißelt, und der ruchlose Fürst, der es verletzt hätte, wäre von der bürgerlichen und kirchlichen Gemeinschaft der Römer ausgeschlossen worden. Wenn die Gesandten über die byzantinische Geschichte informiert gewesen wären, hätten sie drei Beispiele anführen können, daß dieses Gesetz verletzt worden war: die Vermählung Konstantins des Vierten, Vater Leos, mit einer Tochter des Königs der Chozaren; die Verheiratung der Enkelin des Romanus mit einem Bulgarenfürsten; und die Verlobung Bertas von Frankreich und Italien mit dem jungen Romanus, dem Sohne Konstantin Porphyrogenitus' selbst. Auf diese Entgegnungen hatte man drei Antworten in Bereitschaft, die die Schwierigkeit lösten und das Gesetz bestätigten. I. Die Tat und Schuld Konstantin Copronymus' wurden anerkannt. Der isaurische Ketzer, von dem der Taufbrunnen beschmutzt und den heiligen Bildern Krieg erklärt worden war, hatte in der Tat eine Barbarin zur Gattin gehabt. Das Maß seiner Verbrechen war dadurch voll geworden, und er verfiel der gerechten Strafe der Kirche und Ächtung durch die Nachwelt. II. Romanus war kein rechtmäßiger Kaiser. Er war plebejischer Usurpator, der die Gesetze der Monarchie nicht kannte und ihre Ehre nicht achtete. Sein Sohn Christoph bekleidete im Kollegium der Fürsten den dritten Rang und war zugleich Untertan und Mitschuldiger eines rebellischen Vaters. Die Bulgaren waren aufrichtige und fromme Christen, und die Sicherheit des Reiches und die Freiheit vieler tausend Gefangener hing von dieser tadelnswerten Heirat ab. Es gab jedoch keinen Grund, der es ermöglichte, das Gesetz Konstantins unwirksam zu machen. Geistlichkeit und Senat mißbilligten die Handlung des Romanus, und er wurde deswegen zu seinen Lebzeiten und nach seinem Tode mit Vorwürfen beladen. III. Was die Vermählung seines eigenen Sohnes mit der Tochter des Königs Hugo von Italien betrifft, so hat der weise Porphyrogenitus dafür eine bessere Verteidigung ersonnen. Konstantin der Große und Heilige achtete die Treue und Tapferkeit der Franken. In seinem prophetischen Geist sah er ihre künftige Größe voraus. Sie allein waren von dem allgemeinen Verbote ausgenommen. König Hugo von Frankreich war in gerader Linie ein Abkömmling Karls des Großen, und seine Tochter Berta erbte alle Vorrechte ihrer Familie und der Nation. Aus Wahrheitsliebe oder Bosheit wurde aber der Betrug oder Irrtum des kaiserlichen Hofes verraten. Das angebliche Erbe Hugos, die Monarchie, war jedoch die Grafschaft Arles, obwohl man nicht leugnete, daß er sich in Zeiten der Verwirrung die Provence angemaßt hatte und in Italien eingefallen war. Sein Vater war ein einfacher Edelmann, und wenn Berta in weiblicher Linie von den Karolingern abstammte, waren die Verwandtschaftsverhältnisse verworren und oft unlegal. Die Großmutter Hugos war die berüchtigte Waldrada, mehr die Konkubine als die Gattin Lothars des Zweiten, dessen Ehebruch, Scheidung und zweite Vermählung die Bannstrahlen des Vatikans gegen ihn veranlaßt haben. Seine Mutter oder die große Berta, wie sie genannt wurde, war zuerst die Gattin des Grafen von Arles und dann des Markgrafen von Toscana gewesen. Frankreich und Italien nahmen an ihren Ausschweifungen Anstoß, und bis in ihr sechzigstes Jahr hatte sie Liebhaber jedes Standes, die ihr eifrigst dienten. Das Beispiel mütterlicher Unkeuschheit wurde von dem König von Italien nachgeahmt. Seine drei Lieblingsgeliebten wurden mit den klassischen Namen Venus, Juno und Semele geschmückt. Die Tochter der Venus vermählte oder verlobte sich vielmehr mit dem jungen Romanus, dem künftigen Erben des morgenländischen Reiches, und ihr Name Berta wurde in Eudoxia umgewandelt. Die Vollziehung der Ehe wurde wegen des zarten Alters beider aufgeschoben und die Verlobung nach fünf Jahren durch den Tod der Braut gelöst. Die zweite Braut des Kaisers Romanus war eine Plebejerin, jedoch von römischer Herkunft. Ihre beiden Töchter Theophania und Anna wurden Fürsten zur Ehe gegeben. Die Ältere heiratete als Friedenspfand den ältesten Sohn Ottos des Großen, der sich um sie durch Gesandtschaften und mit den Waffen in der Hand beworben hatte. Man konnte fragen, wie ein Sachse zu einem Vorrechte kam, das den Franken vorbehalten blieb. Aber jede Frage wurde durch den Ruhm und die Frömmigkeit eines Helden, der das abendländische Kaisertum wiederhergestellt hatte, zum Schweigen gebracht. Nach dem Tode ihres Schwiegervaters und Gemahls regierte Theophania während der Minderjährigkeit ihres Sohnes Otto des Dritten, Rom, Italien und Deutschland, und die Lateiner haben die Tugenden einer Kaiserin gepriesen, die einer höheren Pflicht das Andenken an ihr Vaterland zum Opfer brachte. Bei der Vermählung ihrer Schwester Anna wurde jedes Vorurteil, jede Rücksicht auf Würde aus Furcht und Notwendigkeit beiseite geschoben. Ein Heide des Nordens, Wladimir, Großfürst von Rußland, freite um eine Tochter des byzantinischen Hofes. Er drohte mit Krieg, falls seine Werbung nicht angenommen würde, andernfalls wollte er sich bekehren und gegen die einheimischen Rebellen tatkräftigst Hilfe leisten. Ein Opfer ihrer Religion und ihres Vaterlandes wurde die griechische Fürstin aus dem Palaste ihrer Väter gerissen und wurde zur Herrscherin der Barbaren und eine ewig Verbannte an den Ufern des Borysthenes oder in der Nähe des Polarkreises. Dennoch war Annas Ehe glücklich und fruchtbar. Die Tochter ihres Enkels Jeroslaus, die auf ihre kaiserliche Abstammung hinweisen konnte, wurde die Gemahlin Heinrichs I. von Frankreich.

Im byzantinischen Palaste war der Kaiser der erste Sklave der Zeremonien, die er wünschte, der starren Formen, die jedes Wort, jede Gebärde regelten, ihn im Palaste festhielten und ihn in ländlicher Einsamkeit störten. Er war jedoch unumschränkter Herrscher über das Leben und Schicksal von Millionen, und die festesten, über die Verlockungen des Reichtums erhabensten Menschen, wären vielleicht von der Macht, über ihresgleichen zu herrschen, verführt worden. Er hatte die gesetzgebende und vollziehende Gewalt in Händen, und Leo, der Philosoph, entzog dem Senat den letzten Rest der Machtbefugnisse. Die Griechen waren in Knechtschaft gefangen; in den wildesten Stürmen kam ihnen nicht einmal der Gedanke an Freiheit. Der Fürst war der einzige Maßstab, die einzige Quelle ihres Glückes. Aberglaube schmiedete ihre Ketten fester. Der Kaiser wurde in der St. Sophienkirche feierlich gekrönt; am Fuße des Altars schwuren sie ihm und seiner Familie unbedingten Gehorsam. Er seinerseits versprach, die Todesstrafe und Verstümmelungen so wenig als möglich zu verhängen; das orthodoxe Glaubensbekenntnis wurde von ihm unterzeichnet, und er gelobte den Beschlüssen der sieben Synoden und den Kanons der heiligen Kirche zu gehorchen. Aber die Worte, mit denen er Barmherzigkeit zusicherte, waren allgemein gehalten, er schwur nicht dem Volke, sondern seinem unsichtbaren Richter, und mit Ausnahme der unsühnbaren Schuld der Ketzerei war die Geistlichkeit stets bereit, ihren Souverän von eventuellen Sünden freizusprechen und sein Recht zu predigen. Die griechischen Geistlichen waren selbst der weltlichen Obrigkeit Untertan: der Tyrann bestimmte, welche Bischöfe ernannt, versetzt oder abgesetzt und mit dem Tode bestraft werden sollten. Es glückte ihnen nie, so wie der lateinischen Geistlichkeit, eine unabhängige Republik zu bilden, und der Patriarch von Konstantinopel verurteilte die zeitliche Größe seines römischen Bruders, um die er ihn insgeheim beneidete. Unbegrenzter Despotismus wird glücklicherweise durch die Natur und Notwendigkeit begrenzt. Der Gebieter eines Reiches muß nach Maßgabe seiner Tugend und Weisheit seine heiligen und schwierigen Pflichten erfüllen. Ist er zu lasterhaft und zu wenig weise, wird er zu einem Scheinbilde und sein Zepter in Wirklichkeit von irgendeinem Minister oder Günstling gehandhabt, der für sein Privatinteresse arbeitet und das Volk unterdrückt. Jeder, selbst der unumschränkteste Monarch, muß in irgendeinem verhängnisvollen Augenblick die Einsicht und Launen einer Nation von Sklaven fürchten, und die Erfahrung hat bewiesen, daß, was an Ausdehnung der königlichen Macht gewonnen wird, an Sicherheit und Festigkeit verlorengeht.

Welche Titel ein Despot auch führt, welche Rechte er in Anspruch nimmt, ist es doch zuletzt das Heer, das ihn gegen innere und äußere Feinde schirmt. Vom Zeitalter Karls des Großen bis zu jenem der Kreuzzüge beherrschten oder machten sich die Welt (ich sehe von dem fernen chinesischen Reiche ab) drei Reiche oder Völker streitig: die Griechen, Sarazenen und Franken. Ihre kriegerische Macht läßt sich ermitteln, indem man ihren Mut, ihre Künste und Reichtümer und ihren Gehorsam gegen ihre Herrscher vergleicht. Die Griechen waren weit weniger mutig als ihre Nebenbuhler, gehorchten jedoch ihrem Souverän besser und hatten größere Reichtümer als die Franken, und waren darin den Sarazenen mindestens ebenbürtig.

Der Reichtum der Griechen setzte sie in den Stand, die Dienste der ärmeren Nationen zu erkaufen und zum Schutze ihrer Küsten eine Seemacht zu unterhalten. Mit dem Golde Konstantinopels wurden Slawen und Türken, Bulgaren und Russen geworben, deren Tapferkeit zu den Siegen des Nikephorus und Zimisces beitrug. Wenn ein friedliches Volk zu sehr die Grenzen bedrängte, wurde ein wohlgeleiteter Angriff eines ferneren Stammes auf dasselbe organisiert und so das angreifende Volk von den Grenzen des byzantinischen Reiches wieder abgelenkt. Die Nachfolger Konstantins beanspruchten stets die Herrschaft über das Mittelländische Meer von der Mündung des Danais bis zu den Säulen des Herkules, und sie besaßen dieselbe auch häufig. Ihre Hauptstadt enthielt große Schiffsvorräte und beherbergte viele geschickte Künstler. Durch die Lage Griechenlands und Asiens, die langen Küsten, tiefen Buchten und zahlreichen Inseln, wurden ihre Untertanen zu guten Schiffern, und der Handel mit Venedig und Amalfi veranlaßte die Ausbildung vorzüglicher Seeleute für die kaiserliche Flotte. Seit dem peloponnesischen und punischen Krieg waren die Handelsbeziehungen nicht erweitert worden, und die Wissenschaft des Schiffbaues scheint geringer geworden zu sein. Die Kunst, jene staunenswerten Schiffe zu bauen, die drei, sechs, ja zehn Reihen von Ruderbänken hatten, die übereinandergelagert waren, scheint den Schiffsbaumeistern von Konstantinopel unbekannt gewesen zu sein. Die Dromonen oder leichten Galeeren des byzantinischen Reiches hatten zwei Reihen Ruderbänke, jede Reihe bestand aus fünfundzwanzig Bänken und auf jeder Bank saßen zwei Ruderer und handhabten ihre Ruder. Eine Galeere hatte außerdem einen Kapitän oder Zenturio, der beim Gefecht mit seinem Waffenträger am Schiffsheck stand, ferner zwei Steurer und zwei Offiziere, die am Vorderteile beschäftigt waren, der eine um den Anker zu betätigen, der zweite um die Röhre, die das griechische Feuer ausspie, zu richten und das Feuer abzuschießen. Die ganze Besatzung war zugleich Soldaten und Matrosen. Sie waren mit Angriffs- und Verteidigungswaffen versehen, mit Bogen und Pfeilen, die sie vom oberen Verdeck aus abschössen und mit Piken, mit denen sie durch die Luken des unteren Verdecks stießen. Zuweilen waren allerdings die Kriegsschiffe größer und fester gebaut und trugen siebzig Soldaten und zweihundert Matrosen. Aber meistens waren sie klein und leicht zu lenken. Da das Vorgebirge des Peloponnes, Malea, noch sehr gefürchtet war, wurde die kaiserliche Flotte fünf Meilen zu Lande über die Meerenge von Korinth geschafft. Die Grundsätze der Taktik bei Seegefechten hatten seit den Zeiten des Thukydides keine Veränderung erfahren. Eine Flotte von Galeeren rückte noch immer im Halbkreis vor, griff den Feind von vorn an, und die Schiffe versuchten ihre scharfen Schnäbel in die Seiten der feindlichen Fahrzeuge zu bohren. Eine aus starkem Holze gebaute Schleudermaschine für Wurfspieße und Steine stand in der Mitte des Verdecks. Das Entern geschah mittels eines Kranes, der Körbe mit Bewaffneten auf das gegnerische Deck hob. Signale waren nur selten üblich und wurden mit Hauptflaggen in verschiedenen Stellungen und Farben gegeben. In der Nacht wurden die Befehle: Verfolgung, Angriff, Halt, Rückzug, Abbruch des Kampfes, Formierung mittels Lichtern von der Anführergaleere aus gegeben. Am Land wurden Feuerzeichen verwendet, die von Berg zu Berg sichtbar waren, und eine Reihe von acht Stationen beherrschte einen Raum von fünfhundert Meilen. Konstantinopel erfuhr durch sie in wenigen Stunden, wenn die Sarazenen von Tarsus feindselige Bewegungen ausführten. Aus der interessanten und ins Detail gehenden Beschreibung einer zur Bezwingung von Kreta ausgerüsteten Armada kann man sich einen Begriff von der Macht der griechischen Kaiser bilden. Eine Flotte von hundertzwölf Galeeren und fünfundsiebzig Schiffen pamphylischer Bauart wurde in der Hauptstadt, auf den Inseln des Ägäischen Meeres und in den Seehäfen Asiens, Makedoniens und Griechenlands ausgerüstet. Sie war mit vierunddreißigtausend Matrosen, siebentausenddreihundertundvierzig Soldaten, siebenhundert Russen und fünftausendsiebenundachtzig Mardaiten, deren Väter vom Libanon verpflanzt worden waren, bemannt. Der Monatssold dieser Truppen betrug vierunddreißig Zentner Gold, ungefähr hundertsechsunddreißigtausend Pfund Sterling. Es folgt eine endlose Aufzählung von Waffen, Maschinen, Kleidern, Leinwand und Brot, die für Menschen und Pferde erforderlich waren, nicht hinreichend zur Eroberung einer kleinen Insel, aber mehr als genügend zur Gründung einer blühenden Kolonie.

Die Erfindung des griechischen Feuers brachte nicht wie jene des Pulvers eine Umwälzung in der Kriegskunst hervor. Diesem flüssigen Brennstoffe verdankte das Reich Konstantins seine Rettung. Er wurde bei Belagerungen und Seegefechten mit furchtbarer Wirkung verwendet. Die Erfindung wurde jedoch nicht vervollkommnet oder war nur geringer Vervollkommnung fähig. Die Maschinen des Altertums, die Katapulte, Ballisten und Stoßwidder waren beim Angriffe und der Verteidigung von Festungen noch immer in Verwendung und sehr erfolgreich. Die Entscheidung bei der Schlacht hing keinesfalls vom schnellen und schweren Feuer des Fußvolkes ab, das man gegen ein ähnliches Feuer von Seiten des Feindes vergeblich mit Rüstungen versehen hatte. Stahl und Eisen wurden zu Angriffs- und Verteidigungswaffen verarbeitet, und die Helme, Schilde und Brustharnische des zehnten Jahrhunderts unterscheiden sich weder in Form noch Stoff wesentlich von denjenigen, welche die Gefährten Achilles oder Alexanders gehabt hatten. Statt aber die neueren Griechen gleich den Legionssoldaten der alten Zeit an das ständige Tragen dieser schweren Waffen zu gewöhnen, wurden die Rüstungen in leichte Wagen gelegt, die ihnen auf ihrem Marsche folgten. Bei Annäherung des Feindes wurden die Harnische mit Eile und Widerwillen angelegt. Die Angriffswaffen bestanden aus Schwertern, Streitäxten und Speeren. Die makedonische Pike war um ein Viertel ihrer Länge gekürzt worden und war auf zwölf Vorderarmslängen oder Fuß gebracht worden. Die scharfen skythischen und arabischen Pfeile hatten immer großes Unheil angerichtet, und die Kaiser beklagten den Verfall der Kunst des Pfeilschießens. Sie geben ihm die Schuld an den öffentlichen Unglücksfällen und raten und befehlen, daß sich die kriegerische Jugend bis zum Alter von vierzig Jahren emsig in dieser Kunst üben solle. Die Rotten oder Regimenter waren gewöhnlich dreihundert Mann stark. Das Fußvolk Leos und Konstantins war in Reihen von acht Gliedern aufgestellt; die Reiterei griff jedoch nur in Gliedern von vier Reihen an, aus der Überlegung heraus, daß der Stoß der vorderen durch einen Druck der hinteren Pferde nicht verstärkt werden könne. Wenn die Reihenanzahl des Fußvolkes und der Reiterei zuweilen verdoppelt wurde, verriet dies Mißtrauen in den Mut der Truppen, deren Zahl diesen ersetzen sollte und von denen es nur eine auserlesene Schar wagte, den Speeren und Schwertern der Barbaren zu begegnen. Die Schlachtordnung mußte sich nach den Bodenverhältnissen und dem Gegner richten. Gewöhnlich wurde aber in zwei Linien mit einer Reserve Aufstellung genommen, die dem Charakter der Griechen am meisten zusagte und genügend Hilfsquellen bei unvorhergesehenen Zwischenfällen bot. Wurde die erste Linie geschlagen, zog sie sich hinter die zweite zurück, und die Reserve schwenkte in zwei Abteilungen um die Flanken, um den Sieg zu vervollständigen oder den Rückzug zu decken. Der Herrscher schärfte, wenigstens in der Theorie, die Kriegskunst ein, indem er Lager- und Marschordnung, Übungen und Schwenkungen durch Edikte beschrieb. Was in Schmieden, am Webstuhl und in Laboratorien nur erzeugt werden konnte, wurde mit Hilfe der Reichtümer der Fürsten von ihren zahlreichen, fleißigen Arbeitern geschaffen. Aber weder Heeresmacht noch Kunst vermochte den wichtigsten Bestandteil der Heere, den Soldaten selbst, zu schaffen. Wenn man bei einem Auszug Konstantins stets dessen glückliche und sieggekrönte Rückkehr voraussetzte, so konnte er mit aller Taktik selten mehr erreichen als einer Niederlage zu entgehen oder den Krieg in die Länge zu ziehen. Trotz einiger vorübergehender Erfolge waren die Griechen in ihrer eigenen wie in der Achtung ihrer Nachbarn gesunken. »Eine träge Hand und eine geschwätzige Zunge« sagte man gewöhnlich von ihnen. Der Verfasser der Taktik wurde in seiner Hauptstadt belagert, und die unzivilisiertesten Barbaren, die bei Nennung der Sarazenen oder Franken zitterten, zeigten stolz die Denkmünzen aus Gold oder Silber, die sie von dem schwachen Souverän von Konstantinopel als Lösegeld erhalten hatten. Der Mut, den die Regierung und der Herrscher nicht einzuflößen verstanden, hätte wenigstens von der Religion angefeuert werden sollen; aber die Religion der Griechen lehrte sie nur zu dulden und nachzugeben. Der Kaiser Nikephorus, der für kurze Zeit die Heereszucht und den Ruhm der Römer wiederhergestellt hatte, wünschte, daß den Christen, die ihr Leben in dem heiligen Krieg gegen die Ungläubigen verloren hatten, das Märtyrertum zuerkannt wurde. Dies scheiterte jedoch an dem Widerstände des Patriarchen, der Bischöfe und der vornehmsten Senatoren, die sich auf die Satzungen des heiligen Basilius beriefen, welche besagen, daß alle, die das blutige Handwerk eines Soldaten ausgeübt haben, drei Jahre aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen sein sollen.

Man vergleiche diese Gewissenszweifel der Griechen mit den Tränen der Muselmanen, die sie vergossen, wenn sie an der Schlacht nicht teilnehmen durften. Dieser Gegensatz macht einem philosophischen Betrachter die Geschichte der beiden sich einander befehdenden Nationen verständlich. Die Untertanen der letzten Kalifen hatten zweifellos nicht mehr den Eifer und den Glauben der Gefährten des Propheten. Aber ihr kriegerischer Glaube stellte immer Gott als den Urheber der Kriege dar. Der Fanatismus glühte, wenn auch verborgen, fort und flammte bei den Sarazenen, die an den christlichen Grenzen wohnten, häufig auf. Ihre ständige Streitmacht bestand aus tapferen Sklaven, die erzogen worden waren, ihren Gebieter zu bewachen und seiner Fahne zu folgen. Ertönte aber die Trompete, die den heiligen Krieg gegen die Ungläubigen verkündete, so scharten sich die Muselmanen von Sykien, Kilikien, Afrika und Spanien zusammen. Reiche und Arme geizten nach Sieg oder Tod in der Sache Gottes, Greise, Gebrechliche und Frauen betätigten sich an dem verdienstlichen Werke, indem sie Stellvertreter gerüstet und beritten ins Feld sandten. Ihre Angriffs- und Verteidigungswaffen kamen an Stärke und Güte jenen der Römer gleich, die sie in der Kunst des Reitens und Bogenschießens weit übertrafen. Das gediegene Silber an ihren Gürteln, Zäumen und Schwertern zeigte ihren Wohlstand. Statt der Wagen folgten ihnen zahlreiche Kamele, Maultiere und Esel. Die Menge dieser Tiere, die sie mit Flaggen und Fahnen zierten, vermehrten ihre Pracht und schien ihre Zahl zu vergrößern, und die Pferde der Feinde wurden oft durch den ihnen widerwärtigen Geruch der Kamele in Unordnung gebracht. Durst und Hitze ertrugen die Sarazenen in besonderem Maße, sie unterlagen aber leicht der Kälte, und ihr großes Schlafbedürfnis erforderte besondere Vorsichtsmaßregeln gegen nächtliche Überfälle. Ihre Schlachtordnung war ein längliches Viereck mit zwei dichten Reihen. Die erste bestand aus Bogenschützen, die zweite aus Reitern. In den Schlachten zu Wasser und Land widerstanden sie geduldig den wütenden Angriffen und griffen selten ihrerseits eher an, als bis sie gewahrten, daß die Feinde ermattet waren und über den Haufen geworfen werden konnten. Wenn sie jedoch zurückgeschlagen und ihre Reihen durchbrochen wurden, verstanden sie es selten, sich wieder zu sammeln oder den Kampf wieder aufzunehmen, und ihr Entsetzen steigerte sich durch das Vorurteil, daß Gott zugunsten des Gegners entschieden habe. Durch den Verfall des Kalifats wurde dieser Glaube gestützt; es fehlte auch weder bei den Christen noch bei den Mohammedanern an dunklen Prophezeiungen, die beider Niederlagen vorhersagten. Die Einheit des arabischen Reiches war zerstört, aber die Bruchstücke waren bevölkerte und mächtige Königreiche, und der Emir von Aleppo oder Tunis zum Beispiel konnte bei seinen Rüstungen zu Wasser und Land über viele geschickte, kunstfleißige Männer und Schätze gebieten. Die Fürsten von Konstantinopel fühlten bei ihren Verhandlungen im Kriege und Frieden mit den Sarazenen nur zu häufig, daß die Disziplin dieser Barbaren nichts barbarisches hatte, und wenn ihnen auch der geniale Geist für Erfindungen mangelte, waren sie doch lebhaft, wißbegierig und besaßen Fertigkeit in der Nachahmung der Dinge. Das Muster war allerdings vollkommener als die Nachbildung; ihre Schiffe, Maschinen und Festungswerke waren nicht so geschickt gebaut, wie die der Griechen. Sie bekannten ohne Scham, daß Gott ihnen die besondere Gabe der Rede verliehen hatte, aber die Chinesen geschickter, die Griechen klüger seien.

Einige deutsche Stämme zwischen Rhein und Weser hatten ihren Einfluß über den größten Teil von Gallien, Deutschland und Italien ausgedehnt. Die Christen der lateinischen Kirche und die Nationen des Westens, die sich bis an das Gestade des Atlantischen Ozeans ausbreiteten, wurden von den Griechen und Arabern gemeinsam als Franken bezeichnet. Sie wurden von Karl dem Großen vereinigt, und sein Geist wurde ihnen eingeflößt. Nach der Teilung unter seine Nachkommen und deren Ausartung ging die kaiserliche Macht, die mit den Cäsaren von Byzanz gewetteifert und die dem christlichen Namen angetane Schmach gerächt hätte, bald verloren. Ihre Feinde fürchteten sie nicht länger, und die Untertanen konnten nicht mehr damit rechnen, daß das öffentliche Einkommen für den Krieg verwendet würde und daß die Heere und Seegeschwader, die von der Mündung der Elbe bis zu jener des Tibers regelmäßig verteilt waren, sich gegenseitig unterstützen würden. Im Anfang des zehnten Jahrhunderts war die Dynastie Karls des Großen fast verschwunden; seine Monarchie war in viele feindliche und unabhängige Staaten zersplittert; die ehrgeizigen Fürsten nahmen den Titel König an; ihr Beispiel wurde durch ihre Untergebenen nachgeahmt: die Edlen jeder Provinz verweigerten ihrem Souverän den Gehorsam, unterdrückten ihre Vasallen und lagen gegen ihre Nachbarfürsten ununterbrochen im Streite. Ihre Privatfehden, die das Regierungsgebäude stürzten, nährten den kriegerischen Geist ihrer Untertanen. Bei den verworrenen Zuständen des zehnten und elften Jahrhunderts war jeder Bauer ein Soldat und jedes Dorf eine Festung; jeder Wald und jedes Tal war der Schauplatz des Mordes oder Raubes, die Herren jedes Schlosses waren genötigt, Fürsten und Krieger zu sein. Sie trauten sich gleich Eroberern größeren Maßstabes kühn zu, ihre Familien, Ländereien und Diener verteidigen, die ihnen zugefügten Gewalttaten rächen zu können, und nicht selten wurde aus einem Verteidigungskampfe ein Angriffskrieg. Die Nähe der Gefahr und die Notwendigkeit schneller Entschlüsse stählte Körper und Geist; sie weigerten sich, einen Freund zu verlassen und einem Feinde zu vertrauen, und statt unter der schützenden Fürsorge der Obrigkeit ruhig zu leben, verachteten sie die Gesetze. In den Tagen der Feudalanarchie verwandelte man die Werkzeuge für den Ackerbau in solche für den Krieg, friedliche Tätigkeit wurde kaum geduldet, und der Bischof, der seine Inful mit dem Helm vertauschte, tat dies mehr aus Vorliebe als aus Lehenspflicht.

Die Franken liebten Freiheit und Krieg, was die Griechen mit Staunen und Schrecken wahrnahmen. »Die Franken«, sagt der Kaiser Konstantin, »sind bis zur Verwegenheit kühn und tapfer, sie sind mutig und verachten Gefahren und Tod. Im Felde und Handgemenge drängen sie vorwärts und stürzen sich blindlings auf den Feind, ohne es der Mühe wert zu erachten, seine oder ihre Zahl zu zählen. In ihren Reihen kämpfen Blutsverwandte und Freunde nebeneinander, und ihre kriegerischen Taten werden von dem Verlangen, ihre treuesten Gefährten zu retten oder zu rächen, hervorgerufen. In ihren Augen ist Rückzug schimpfliche Flucht, Flucht unauslöschliche Schmach.« Eine so mutige und unerschrockene Nation hätte siegen müssen, wenn diese Vorzüge nicht durch viele gewichtige Mängel aufgehoben worden wären. Der Verfall ihrer Seemacht gab den Griechen und Sarazenen die Meere zu jeder beliebigen Unternehmung frei. In dem Jahrhundert, das der Einführung des Rittertums voranging, war die fränkische Reiterei unerfahren und ungeübt. Ihre Krieger waren sich dessen so bewußt, daß sie bei allen gefährlichen Fällen vom Pferde stiegen und lieber zu Fuß kämpften. Ungeübt im Gebrauche der Piken und Wurfwaffen, wurden sie durch ihre langen Schwerter, ihre schwere Rüstung und großen Schilde und, wenn ich die spottenden Griechen zitieren darf, durch ihren großen Leibesumfang behindert. Im Unabhängigkeitsdrang verschmähten sie es, sich unterzuordnen, sie verließen die Fahne ihres Führers, wenn er sie länger als die ausbedungene Zeit im Felde zu halten trachtete. Sie waren überall den Fallstricken eines zwar minder tapferen, aber schlaueren Feindes preisgegeben. Sie konnten bestochen werden, denn die Barbaren waren käuflich; sie konnten überrumpelt werden, denn sie verachteten Vorsichtsmaßregeln und verschmähten es, ihr Lager mit Posten zu umgeben. Ein Sommerfeldzug erschöpfte ihre Kraft und ihren Mut, und sie überließen sich der Verzweiflung, wenn ihr immer großer Hunger und Durst nicht mit Fleisch und Wein gestillt werden konnte. Dies war der allgemeine Charakter der Franken, der hier und dort einige nationale oder örtliche Schattierungen zeigte, die ich mehr dem Zufalle, als dem Klima zuschreiben möchte, die aber sowohl von Einheimischen als von Fremden bemerkt wurden. Ein Gesandter Ottos des Großen erklärte im Palaste von Konstantinopel, daß die Sachsen besser mit dem Schwerte als mit der Feder zu kämpfen wüßten und daß sie den Tod der Schmach vorzögen, einem Feinde den Rücken zu kehren. Die Edlen von Frankreich setzten ihren Ruhm darein, daß ihre einzigen Vergnügungen und Beschäftigungen Krieg und Raub seien. Sie verhöhnten die Paläste, Bankette und Sitten der Italiener, die nach Angabe der Griechen selbst entartete Nachkommen der alten Lombarden waren.

Durch das wohlbekannte Edikt Caracallas erhielten seine Untertanen von Britannien bis Ägypten den Namen und die Vorrechte von Römern; ihr Souverän konnte vorübergehenden oder dauernden Aufenthalt in jeder Provinz ihres gemeinsamen Vaterlandes nehmen. Nach der Teilung des Reiches wurde eine ideelle Einheit gewissenhaft bewahrt, und die Nachfolger des Honorius und Arcadius bezeichnen sich in ihren Gesetzen, Satzungen und ihren Titeln genau so wie die Herrscher des früheren Reiches als die Souveräne der gesamten römischen Welt. Nach dem Sturze des abendländischen Reiches waren bloß die Herrscher von Konstantinopel römische Kaiser, und von diesen war Justinian der erste, der nach einer Trennung von sechzig Jahren die Herrschaft über das alte Rom wieder erlangte und dadurch den Titel Kaiser der Römer wieder wahrmachte. Aus Eitelkeit oder irgendwelchem Mißvergnügen verließ einer seiner Nachfolger, Konstans II., den thrakischen Bosporus und zog wieder in der Tiberstadt ein: ein ausschweifendes Tun (ruft der boshafte Byzantiner aus), als wenn man eine häßliche, alte Matrone einer blühenden und schönen Jungfrau vorziehen wollte. Aber die Langobarden widersetzten sich seiner Niederlassung in Italien; er zog in Rom nicht als Sieger, sondern als Flüchtling ein; und während eines zwölftägigen Aufenthaltes plünderte er die Hauptstadt der Welt und verließ sie dann für immer. Die endgültige Trennung Italiens wurde ungefähr zweihundert Jahre nach der Eroberung Roms durch Justinian vollzogen. Seit seiner Regierung datiert das allmähliche Vergessen der lateinischen Sprache. Dieser Gesetzgeber hatte seine Institutionen, Kodizes und Pandekten in einer Sprache, verfaßt, die er als die geeignete für die römische Regierung preist und als geheiligtes Idiom des Palastes und Senats von Konstantinopel, der Lager und Richterstühle des Ostens hinstellt. Diese fremde Sprache war den Bewohnern und Soldaten der asiatischen Provinzen unbekannt und wurde von dem größeren Teil der Richter und Staatsdiener nur unvollständig verstanden. Nach kurzem Kampfe siegte Natur und Gewohnheit über die menschliche Macht: Justinian erließ seine Novellen zum allgemeinen Besten seiner Untertanen in beiden Sprachen. Die einzelnen Teile seiner Jurisprudenz wurden nach und nach übersetzt; man vergaß das Original, studierte die Übersetzung, und das Griechische, das allerdings den Vorzug verdiente, erlangte in der Monarchie allgemeine und gesetzliche Geltung. Die Abstammung der folgenden Fürsten und ihre Residenz entfremdete sie der römischen Sprache; Tiberius wird von den Arabern, Mauritius von den Italienern als der erste der griechischen Cäsaren, als Stifter einer neuen Dynastie und Monarchie bezeichnet. Die stille Umwälzung war vor dem Tode des Heraklius vollendet, und nur Reste der lateinischen Sprache wurden in der Jurisprudenz und im Palast beibehalten. Nach der Wiederherstellung des abendländischen Reiches durch Karl den Großen und die Ottonen erlangten die Namen Franken und Lateiner gleiche Bedeutung und Ausbreitung. Diese stolzen Barbaren behaupteten mit einigem Recht, daß sie Anspruch auf die Sprache und Herrschaft Roms hätten. Sie schmähten die Fremdlinge des Ostens, die auf Tracht und Sprache der Römer Verzicht geleistet hatten und wendeten auf sie den Namen Griechen ständig an. Aber diese verächtliche Benennung wurde von dem Fürsten und dem Volke, auf die sie angewendet wurden, mit Entrüstung zurückgewiesen. Welche Veränderungen immer im Laufe der Jahrhunderte vorgegangen sein mögen, behaupteten sie in gerader Linie von Augustus und Konstantin abzustammen, und der Name Römer blieb ihnen, bis das konstantinopolitanische Reich in Trümmer zerfallen war.

Während die Regierungssprache des Ostens Latein war, blieb Griechisch die Sprache der Literaten und Philosophen, und die Meister dieses vollkommenen und klangreichen Idioms konnten nicht in Versuchung kommen, ihre römischen Schüler um die scheinbare Gelehrsamkeit und den unselbständigen Geschmack zu beneiden. Nach dem Sturze des Heidentums, dem Verluste von Syrien und Ägypten und dem Ende der Schulen von Alexandria und Athen wurden die Studien der Griechen hauptsächlich in einigen Mönchsklöstern und dem kaiserlichen Kollegium von Konstantinopel fortgesetzt, das unter der Regierung Leos des Isauriers abbrannte. In dem prahlerischen Stil des Zeitalters hieß der Präsident dieser Stiftung die Sonne der Wissenschaft; seine zwölf Genossen, die Professoren der verschiedenen Künste und Fakultäten, waren mit den Namen der zwölf Zeichen des Sternkreises benannt. Eine Bibliothek von sechsunddreißigtausendfünfhundert Bänden stand zu ihrer Verfügung, und sie konnten die Handschrift Homers auf einer hundertzwanzig Fuß langen Pergamentrolle zeigen, die angeblich aus den Eingeweiden einer ungeheuren Schlange hergestellt worden war. Aber das siebente und achte Jahrhundert war eine Zeit der Zwietracht und Finsternis; die Bibliothek war verbrannt, das Kollegium geschlossen. Die Ikonoklasten werden als Feinde des Altertums dargestellt, und barbarische Unwissenheit und Verachtung der Wissenschaften hat die Fürsten der heraklianischen und isaurischen Dynastie geschändet.

Im neunten Jahrhundert belebte sich die Wissenschaft zuerst wieder. Nachdem sich der Fanatismus der Araber gelegt hatte, waren die Kalifen mehr bestrebt, die Künste und Wissenschaften zu beleben, als Eroberungen zu machen. Die Griechen wurden dadurch zum Wetteifer angespornt, der Staub wurde von den alten Büchern geblasen, und die Philosophen wurden geschätzt und belohnt. Der Cäsar Bardas, Michaels III. Oheim, war der hochherzige Beschützer der Wissenschaften, ein Titel, durch den allein er sein Andenken bewahrt hat und sein Ehrgeiz entschuldigt wird. Ein Teil der Schätze seines Neffen wurden zuweilen nicht für Vergnügungen vergeudet, sondern eine Schule im Palaste von Magnaura gegründet, wo die Anwesenheit des Bardas den Wetteifer der Lehrer wie der Lernenden anregte. An ihrer Spitze stand der Philosoph Leo, Erzbischof von Thessalonika. Seine tiefen Kenntnisse in der Astronomie und Mathematik wurden von den Fremdlingen bewundert und die Schwierigkeit dieser geheimen Wissenschaften von der leichtgläubigen Menge vergrößert, die bescheiden voraussetzt, daß jede der ihrigen überlegene Kenntnis entweder die Folge göttlicher Eingebung oder der Magie ist. Auf die dringende Bitte des Cäsars entsagte sein Freund, der berühmte Photius, seinem weltlichen, studienreichen Leben, bestieg den Thron des Patriarchen und wurde von den Synoden des Ostens abwechselnd verdammt und wieder losgesprochen. Selbst die ihn hassenden Priester gaben zu, daß diesem Universalgelehrten keine Kunst und Wissenschaft, mit Ausnahme der Poesie, fremd sei und er Tiefe des Gedankens mit Belesenheit und Beredsamkeit vereine. Während Photius noch die Stelle eines Protospathars oder Hauptmanns der Leibwache bekleidete, war er als Gesandter an den Kalifen von Bagdad geschickt worden. Er vertrieb sich die langsam dahin schleichenden Stunden in dieser Verbannung durch die unbegreiflich schnelle Verfassung seines Hauptwerkes, der Bibliothek, dieses lebendigen Denkmals der Gelehrsamkeit und Kritik. Zweihundertachtzig Schriftsteller, Geschichtschreiber, Redner, Philosophen und Theologen werden ohne regelmäßige Ordnung beurteilt; er gibt eine Übersicht über ihre Werke oder Lehren, würdigt ihren Stil und Charakter und richtet bescheiden, aber freimütig selbst über die Kirchenväter und zeigt häufig den Aberglauben der Zeiten. Der Kaiser Basilius, der seine eigene mangelhafte Erziehung beklagte, vertraute seinen Sohn und Nachfolger, Leo den Philosophen, Photius an, und die Regierung dieses Fürsten und seines Sohnes Konstantin Porphyrogenitus bildet eine der gedeihlichsten Epochen der byzantinischen Literatur. Sie sammelten die Schätze des Altertums und vereinigten sie in der kaiserlichen Bibliothek. Sie oder ihre Gefährten machten Auszüge daraus, so daß das Publikum ohne besondere Anstrengungen seine Wißbegierde befriedigen konnte. Außer den Basiliken und dem Gesetzkodex wurden die Wissenschaften der Landwirtschaft und Kriegskunst, die zur Erhaltung und Vernichtung des Menschen dienen, gleich emsig verbreitet. Die Geschichte Griechenlands und Roms war in dreihundertfünfzig Büchern oder Titeln enthalten, von denen nur zwei (das von den Gesandtschaften und das von den Tugenden und Lastern) erhalten sind. Der Leser jedes Standes konnte die Vergangenheit kennenlernen und daraus Lehren ziehen und konnte die Helden einer glänzenden Zeit bewundern und vielleicht nachzuahmen lernen. Ich werde über die Werke der byzantinischen Griechen nicht ausführlich berichten, die es verdienten, bekannt zu bleiben, da sie die Alten emsig studiert hatten. Die Gelehrten der Gegenwart können sich noch immer an dem philosophischen Kollektaneenbuch des Stobäus, dem grammatischen und historischen Lexikon des Suidas, der Chiliaden des Tzetzes, die sechshundert Erzählungen in zwölftausend Versen enthalten, und der Kommentarien zum Homer von Eustathius, Erzbischof von Thessalonika; erfreuen, der vierhundert Schriftsteller und Autoritäten aufzählt. Aus diesen selbstschaffenden Schriftstellern und aus den zahlreichen Scholiasten und Kritikern läßt sich einigermaßen der literarische Reichtum des zwölften Jahrhunderts ermessen. Die Schriften Homers, Demosthenes', Aristoteles' und Platons waren den Konstantinoplern zugänglich und wir müssen trotz des gegenwärtigen Reichtums ein Geschlecht beneiden, das noch die Geschichte des Theopompus, die Reden des Hyperides, die Lustspiele des Menander und die Oden des Alcäus und der Sappho lesen konnte. Die zahlreichen Erläuterungsschriften zeigen die Beliebtheit der griechischen Klassiker. Man kann aus den Kenntnissen zweier gelehrter Frauen auf die allgemeinen Kenntnisse schließen. Die Kaiserin Eudokia und die Prinzessin Anna von Komnena betrieben Rhetorik und Philosophie. Die gewöhnliche Mundart der Stadt klang grob und barbarisch; in den Reden und Schriften und der Umgangssprache der Kirche und des Palastes zeigt sich ein schönerer Stil, der zuweilen den reinen attischen Mustern nahekommt. Bei unserer jetzigen Bildung ist es mühsam und zeitraubend, zwei Sprachen, die nicht mehr zu den lebenden gehören, zu erlernen. Die Dichter und Redner unserer Vorfahren konnten sich lange nur in ihren barbarischen, Harmonie und Anmut entbehrenden Sprachen ausdrücken. Sie hatten keine Beispiele und Lehrer und konnten sich nur auf ihre Phantasie und ihr Genie verlassen. Wenn aber die Griechen Konstantinopels die Beimengungen, die ihre Sprache hatte, ausmerzten, gelangten sie zu ihrer alten Sprache und konnten die schönsten Schöpfungen menschlicher Kunst, die Erzeugnisse jener erhabenen Meister genießen, die das erste aller Völker belehrt und begeistert hatten. Dieser Vorteil dient jedoch nur dazu, die Schuld und Schmach der entarteten Nation zu vergrößern. Sie hielten den Reichtum ihrer Väter in Händen, ohne deren Geist geerbt zu haben; sie lasen, priesen, sammelten, aber ihre matten Seelen waren gleich unfähig zum Denken, wie zum Handeln. In zehn Jahrhunderten ist nicht eine einzige Entdeckung gemacht worden, durch die die Würde und das Glück des Menschengeschlechtes gefördert worden wäre. Kein einziger Gedanke ist zu den spekulativen Systemen des Altertums hinzugefügt worden, und die geduldigen dogmatischen Schüler wurden die dogmatischen Lehrer des nächstfolgenden Geschlechtes. Kein einziges geschichtliches, philosophisches oder poetisches Werk ist durch besondere Schönheit, Phantasie, Originalität oder auch nur durch geglückte Nachahmung der Vergessenheit entrissen worden. Die am wenigsten anstößigen der prosaischen byzantinischen Schriftsteller haben sich durch ihre Einfachheit dem Tadel entzogen; aber die in ihrem Dünkel so beredten Redner sind am weitesten von den Mustern entfernt, denen sie nachstrebten. Große und obsolete Wörter werden gewählt, der Aufbau verwickelt gemacht, Bilder kindisch geschmückt, um den Leser in Erstaunen zu setzen und die Gewöhnlichkeit zu verbergen. Die Prosa versteigt sich zur Poesie, die Poesie sinkt noch unter die Flachheit und Schalheit der Prosa. Die tragischen, epischen und lyrischen Musen waren verstummt. Die Barden von Konstantinopel boten selten mehr als ein Rätsel oder Epigramm, ein Lobgedicht oder eine Erzählung; sie vergaßen sogar die Regeln der Prosodie und vermengten Füße und Silben in den Weisen, die politische oder Stadtverse genannt wurden. Die Seelen der Griechen waren im Aberglauben befangen, ihr Verstand wurde durch metaphysische Streitigkeiten verwirrt. Im Glauben an Erscheinungen und Wunder hatten sie alle Grundsätze der Moral verloren, und durch die Predigten der Mönche, ein sinnloses Gemisch von deklamierten Bibelstellen, war ihr Geschmack verderbt worden. Die Häupter der griechischen Kirche begnügten sich, die Orakel des Altertums zu bewundern und nachzuahmen, und weder die Schulen noch die Kanzel brachte einen Athanasius oder Chrysostomus hervor.

Der Wetteifer der Staaten und des einzelnen ist immer im Leben die Triebfeder der Anstrengungen und des Fortschrittes des Menschengeschlechts. Die Städte Griechenlands hatten jene glückliche Mischung von Einheit und Unabhängigkeit, die sich in einem größeren Maßstabe, aber lockerer Form bei den Nationen des neueren Europas wieder findet: Einheit der Sprache, Religion und Sitten, die sie gegenseitig zu Zeugen und Richter machte; Unabhängigkeit der Regierung, die ihre Freiheit verteidigt und sie aufstachelt, um Ruhm zu kämpfen. Die Lage der Römer war minder günstig; aber in früher Zeit des römischen Reiches, in welcher der Nationalcharakter gebildet worden war, hatte es einen ähnlichen Wettkampf zwischen den Staaten Latium und Italien gegeben, und die Römer strebten in Künsten und Wissenschaften darnach, ihre griechischen Lehrmeister zu erreichen und zu übertreffen. Das Riesenreich der Cäsaren hemmte ohne Zweifel die Fortschritte des menschlichen Geistes und gewährte dem Wetteifrigen nur innerhalb seiner Grenzen Spielraum. Als sich das Reich aber allmählich auf den Osten und zuletzt auf Griechenland und Konstantinopel verminderte, wurden die Griechen geistig träge, die natürliche Folge ihrer isolierten Lage. Von Norden her wurden sie durch namenlose Barbarenstämme bedrängt, die sie kaum Menschen nannten. Die Sprache und Religion der Araber bildeten für sie eine unübersteigliche Schranke für jeden geselligen Verkehr. Die Eroberer Europas waren wohl gleichen Glaubens wie sie, aber die Sprache der Franken und Lateiner waren ihnen unbekannt, die Sitten derselben waren roh, und sie kamen nur selten in Krieg oder Frieden mit den Nachfolgern des Heraklius in Berührung. Alleinstehend wurden die selbstgenügsamen stolzen Griechen durch keinen Vergleich mit Fremden gestört, und wir dürfen nicht staunen, wenn sie auf der Bahn zurückblieben, da es ihnen an Mitbewerbern, derentwegen sie ihren Lauf beschleunigt hätten, und an Richtern fehlt, die sie im Siegesfalle krönen konnten. Die Nationen von Europa und Asien vermengten sich bei ihren Zügen in das Heilige Land, und erst unter der Dynastie der Komnenen zeigt sich wieder ein schwacher Wetteifer bei Ausübung kriegerischer Tugenden und in den Kenntnissen.

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