Fünftes Kapitel - Mohammed
(Anmerkung der
Enzyklopädie des Islam: Die hier erfolgenden Schilderungen
sind in keinster weise authentisch und können daher nicht als
Quelle für die Geschichte des Islam angesehen werden. Die
Wiedergabe dient nur dazu, um darzulegen, wie in der
Westlichen Welt auf den
Islam geblickt worden ist.)
Beschreibung von Arabien und seiner Bewohner. – Geburt,
Charakter und Lehre Mohammeds. – Er predigt in Mekka. – Flucht
nach Medina. – Verbreitung seiner Religion durch das Schwert.
– Freiwillige oder gezwungene Unterwerfung der Araber. – Sein
Tod und sein Nachfolger. – Die Ansprüche und Schicksale Alis
und seiner Abkömmlinge
Nachdem ich den Schatten der Kaiser von Konstantinopel und
Deutschland sechshundert Jahre hindurch gefolgt bin, wende ich
mich unter der Regierung des Heraklius den östlichen Grenzen
der griechischen Monarchie zu. Während der Staat durch den
persischen Krieg erschöpft und die Kirche durch die
nestorianischen und monophysitischen Sekten zerrüttet wurde,
errichtete Mohammed, das Schwert in der einen, den Koran in
der anderen Hand, seinen Thron über den Trümmern des
Christentums und Roms. Das Genie des arabischen Propheten, die
Sitten seiner Nation und der Geist seiner Religion enthalten
die Ursachen des Falles des morgenländischen Reiches, und
unsere Blicke haften mit Spannung auf einer der merkwürdigsten
Umwälzungen, die den Nationen des Erdballes einen neuen und
dauernden Charakter gegeben haben.
In dem weiten Räume zwischen Persien, Syrien, Ägypten und
Äthiopien kann die arabische Halbinsel als ein Dreieck mit
langen, aber unregelmäßigen Seiten gedacht werden. Vom
nördlichen Punkte, von Beles am Euphrat geht eine Linie von
fünfzehnhundert Meilen bis an die Straße von Babelmandeb und
das Land des Weihrauches. Ungefähr die Hälfte dieser Länge
kann als die mittlere Breite, von Osten nach Westen, von
Bassora bis Suez, vom Persischen Golf bis an das Rote Meer,
angenommen werden. Die Seiten des Dreieckes erweitern sich
allmählich, und die südliche Basis bietet dem Indischen Ozean
eine Front von tausend Meilen. Die ganze Fläche der Halbinsel
übertrifft die Größe Deutschlands oder Frankreichs um das
Vierfache, aber der bei weitem größere Teil ist durch die
Bezeichnung steinig und sandig gekennzeichnet. Selbst die
tartarische Wildnis ist mit hohen Bäumen und üppigen Gräsern
bewachsen, und der einsame Wanderer schöpft aus der
Anwesenheit der Pflanzen einige Annehmlichkeit und Hoffnung.
Aber in der traurigen Einöde Arabiens wird die unendliche
Sandebene nur durch scharfe und nackte Berge unterbrochen und
das Antlitz der Wüste, ohne Schatten oder Obdach, von den
senkrechten und drückenden Strahlen einer tropischen Sonne
verbrannt. Statt erfrischender Luft verbreiten die Winde,
insbesondere aus dem Südwesten, einen schädlichen, sogar
tödlichen Dunst; die Sandberge, die sie wechselnd heben und
vernichten, werden den Wogen des Ozeans verglichen, und ganze
Karawanen, ganze Heere sind umgekommen und von den
Wirbelwinden begraben worden. Es fehlt Arabien an schiffbaren
Flüssen, die den Boden befeuchten und seine Produkte den
anliegenden Gegenden zuführen. Die Gießbäche, die von den
Bergen stürzen, werden von der durstigen Erde aufgesogen; die
seltenen und abgehärteten Pflanzen, die Tamarinde und Akazie,
die ihre Wurzeln in die Felsenspalten schlagen, werden von dem
Nachttau genährt. Die kärglichen Regenmengen werden in den
Zisternen und Wasserleitungen gesammelt; die Brunnen und
Quellen sind der geheime Schatz der Wüste, und den Pilger von
Mekka widert nach manchem durstigen und schwülen Marschtage
der Geschmack des Wassers an, das über ein Lager von Schwefel
oder Salz geflossen ist. Das ist die allgemeine und wahrhafte
Schilderung des Klimas von Arabien. Das Übel erhöht den Wert
jedes lokalen oder partiellen Genusses. Ein schattiger Hain,
eine grüne Weide, ein Strom frischen Wassers reichen hin, um
eine Kolonie festwohnender Araber nach den glücklichen Flecken
zu ziehen, die ihnen selbst und ihren Herden Nahrung und
Erfrischung gewähren und den Anbau des Palmbaumes und
Weinstocks begünstigen. Die Hochländer, die an den indischen
Ozean grenzen, zeichnen sich durch ihren größeren Reichtum an
Holz und Wasser aus; das Klima ist gemäßigter, die Früchte
sind köstlicher, Tiere und Menschen zahlreicher. Der
fruchtbare Boden weckt und belohnt die Mühe des Landwirtes,
und Weihrauch und Kaffee haben zu allen Zeiten die Kaufleute
der Welt angezogen. Wenn diese abgelegene Gegend mit den
übrigen Teilen der Halbinsel verglichen wird, verdient sie in
der Tat den Beinamen die glückliche. Phantasie und Dichtung
haben sie in glänzenden Farben geschildert. Für dieses
irdische Paradies hatte die Natur ihre auserwähltesten Gaben
und ihre interessantesten Schöpfungen vorbehalten. Die
unvereinbaren Segnungen der Üppigkeit und der Unschuld werden
den Bewohnern zugeschrieben. Der Boden war mit Gold und
Edelsteinen durchtränkt, und sowohl Land als Meer hauchten
süße Gerüche aus. Diese den Griechen und Lateinern so
geläufige Einteilung in das sandige, steinige und glückliche
Arabien ist den Arabern selbst unbekannt, und es überrascht,
daß ein Land, dessen Sprache und Einwohner stets dieselben
geblieben sind, kaum eine Spur von seiner alten Geographie
beibehalten hat. Die Seebezirke Bahrein und Oman liegen dem
Königreiche Persien gegenüber. Das Königreich Yemen hat die
Grenzen oder wenigstens die Lage von Arabia Felix; Nedsched
breitet sich über den Binnenraum aus, und die Provinz Hedschas
längs dem Roten Meere ist durch Mohammeds Geburt
ausgezeichnet.
Die Dichte der Bevölkerung richtet sich nach den Mitteln
zum Unterhalt; die Bewohner dieser großen Halbinsel werden an
Zahl leicht von den Untertanen einer reichen Provinz Europas
überboten. Längs dem Gestade des Persischen Meerbusens, des
Ozeans, ja sogar des Roten Meeres, fuhren die Ichthyophagen
oder Fischesser fort, umherirrend ihre unsichere Nahrung zu
suchen. In diesem ursprünglichen und verwerflichen Zustande,
der den Namen Gesellschaft schlecht verdient, zeichnet sich
das Menschtier ohne Künste oder Gesetze, fast ohne Gefühl und
Sprache nur wenig vor der übrigen Tierwelt aus. Geschlechter
und Jahrhunderte rollten über sie in stiller Vergessenheit
hinweg. Der hilflose Wilde wurde durch die Bedürfnisse und
Beschäftigungen, die sein Dasein an dem schmalen Strich des
Strandes fesselten, abgehalten, sein Geschlecht zu vermehren.
Aber schon in einer früheren Periode des Altertums hatte sich
die große Masse der Araber diesem Zustande des Elends
entwunden, und da die nackte Wildnis ein Jägervolk nicht
ernähren konnte, erhob sie sich auf einmal zum Hirtenleben.
Dasselbe Leben wird von den Wanderstämmen der Wüste
gleichförmig geführt. In der Schilderung eines Beduinen des
achtzehnten Jahrhunderts erkennen wir die Züge ihrer
Altvordern, die im Zeitalter des Moses und Mohammed unter
ähnlichen Zelten wohnten und ihre Pferde, Kamele und Schafe zu
denselben Quellen und auf dieselben Weiden führten. Durch
unsere Herrschaft über nützliche Tiere wird unsere Mühe
verringert und unser Reichtum vermehrt; die arabischen Hirten
hatten den unumschränkten Besitz eines treuen Freundes und
eines arbeitsamen Sklaven erworben: das Pferd und das Kamel.
Arabien ist nach der Meinung der Naturforscher das echte und
ursprüngliche Vaterland des Pferdes, und das Klima zwar nicht
der Größe, aber dem Feuer und der Schnelligkeit dieses edlen
Tieres höchst günstig. Die Trefflichkeit des Berberrosses, der
spanischen und englischen Zucht liegt in der Beimischung
arabischen Blutes; die Beduinen legen großen Wert darauf, die
reinste Rasse zu besitzen; die Hengste werden zu einem hohen
Preise, die Stuten höchst selten verkauft, und die Geburt
eines edlen Füllens ist bei den Stämmen ein Tag der Freude und
gegenseitiger Beglückwünschung. Diese Pferde werden unter den
Zelten mit den Kindern der Araber mit zärtlicher
Vertraulichkeit erzogen, die sie früh an Sanftmut und
Anhänglichkeit gewöhnt. Sie gehen nur im Schritt oder
gallopieren; ihr Gefühl wird nicht durch den unaufhörlichen
Mißbrauch des Sporens und der Peitsche abgestumpft; ihre
Kräfte werden zur Flucht oder Verfolgung geschont, kaum fühlen
sie aber den Druck der Hand oder des Steigbügels, so schießen
sie mit der Schnelligkeit des Windes davon, und wenn bei dem
schnellen Jagen ihr Freund entsattelt wird, halten sie
sogleich still, bis er seinen Sitz wieder eingenommen hat. In
den Sandwüsten von Afrika und Arabien ist das Kamel ein
heiliges und unschätzbares Geschenk. Dieses starke und
geduldige Tier kann ohne Futter und Trank eine Reise von
mehreren Tagen aushalten; ein Vorrat frischen Wassers wird in
einem geräumigen Sack, einem fünften Magen des Tieres,
bewahrt, dessen Körper die Zeichen der Knechtschaft trägt; es
vermag eine Last von tausend Pfund fortzuschaffen, aber das
leichter gebaute und gelenkigere Dromedar überbietet an
Schnelligkeit den flüchtigsten Renner. Lebendig oder tot ist
fast jeder Teil des Kamels dem Menschen nützlich; es gibt
nährende Milch in Menge; das jüngere und zartere Fleisch
schmeckt wie Kalbfleisch. Wertvolles Salz wird aus dem Urin
bereitet; der Dünger dient als Brennmaterial, und das lange
Haar, das jedes Jahr ausfällt und nachwächst, wird zu
Gewändern, Hausrat und den Zelten der Beduinen verwendet. In
der Regenzeit verbrauchen die Beduinen das geringe und
unzulängliche Grün der Wüste; während der Hitze des Sommers
und dem Winter verpflanzen sie ihre Lager nach der Seeküste,
den Bergen von Yemen oder in die Nähe des Euphrat und haben
sich oft die gefährliche Erlaubnis erzwungen, die Ufer des Nil
und die Städte von Syrien und Palästina zu besuchen. Das Leben
des arabischen Nomaden ist voll Gefahr und Not, und wenn er
sich auch zuweilen durch Raub und Tausch Industrieprodukte
verschafft, besitzt doch in Europa «in gewöhnlicher Bürger
einen größeren Luxus als der stolzeste Emir, der an der Spitze
von zehntausend Reitern ins Feld zieht.
Inzwischen läßt sich doch ein wesentlicher Unterschied
zwischen den skythischen Horden und den arabischen Stämmen
entdecken, da viele der letzteren in Städten vereinigt waren
und sich mit Handel und Ackerbau beschäftigten. Ein Teil ihrer
Zeit und ihres Fleißes blieb ausschließlich der Sorge für ihre
Herden vorbehalten; sie mengten sich in Frieden und Krieg
unter ihre Wüstenbrüder, und die Beduinen verdankten diesem
nützlichen Verkehr eine gewisse Erfüllung ihrer Bedürfnisse
und die Lehren einiger Anfangsgründe der Künste und
Wissenschaften. Von den zweiundvierzig von Abulfeda
angeführten Städten Arabiens lagen die ältesten und
volkreichsten in dem glücklichen Yemen. Die Türme von Saana
und der bewunderungswürdige Wasserbehälter von Merab wurden
von den Königen der Homeriten gebaut; aber ihr irdischer Glanz
wurde durch den Prophetenruhm von Medina und Mekka am Roten
Meer verdunkelt. Die letztere dieser heiligen Städte war den
Griechen unter dem Namen Makoraba bekannt. Die Endung des
Wortes ist für ihre Größe bezeichnend, die jedoch selbst in
der blühendsten Periode den Umfang und die Bevölkerung von
Marseille niemals übertroffen hat. Irgendein geheimer
Beweggrund, vielleicht Aberglaube, muß die Gründer in der Wahl
einer höchst unvorteilhaften Lage geleitet haben. Sie bauten
ihre Wohnungen aus Lehm oder Stein in einer gegen zwei Meilen
langen und eine Meile breiten Ebene am Fuße von drei kahlen
Bergen; der Boden ist Stein, selbst das Wasser des heiligen
Brunnens Zemzem ist bitter und salzig; die Weiden sind von der
Stadt entfernt, und Trauben werden aus den Gärten von Tayef
über siebzig Meilen weit hergebracht. Der Ruf und Mut der
Koreischiten, die in Mekka herrschten, leuchtete unter den
arabischen Stämmen hervor; aber ihr undankbarer Boden lohnte
die Mühen des Ackerbaues nicht. Ihre Lage hingegen begünstigte
die Handelsunternehmungen. Mittels des nur vierzig Meilen
entfernten Seehafens Gedda unterhielten sie leichte
Verbindungen mit Abessinien, und dieses christliche Königreich
gewährte den Jüngern Mohammeds die erste Zuflucht. Die Schätze
von Afrika wurden über die Halbinsel nach Gerrha oder Katif in
der Provinz Bahrein, einer der Sage nach von chaldäischen
Verbannten aus Steinsalz erbauten Stadt, gebracht und von da
mit den einheimischen Perlen des Persischen Meerbusens auf
Flößen nach der Mündung des Euphrat geschafft. Mekka liegt
fast in gleicher Entfernung von einer Monatsreise zwischen
Yemen und Syrien. Jenes war die Station seiner Karawanen im
Winter, dieses im Sommer und ihre rechtzeitige Ankunft erlöste
die indischen Schiffe von der langwierigen und beschwerlichen
Fahrt auf dem Roten Meer. Auf den Märkten von Saana und Merab,
in den Häfen von Oman und Aden wurden die Kamele der
Koreischiten mit einer köstlichen Ladung von Wohlgerüchen und
Gewürzen beladen. Vorräte von Getreide und Manufakturwaren
wurden auf den Märkten von Bostra und Damaskus eingekauft; der
gewinnbringende Tausch verbreitete Wohlhabenheit und
Reichtümer in Mekka, dessen edelste Söhne Liebe zu den Waffen
mit dem Berufe des Kaufmanns vereinten.
Die dauernde Unabhängigkeit der Araber ist von Fremden und
Eingeborenen stets gelobt worden. Die Theologen haben diese
merkwürdige Tatsache in eine Prophezeiung und ein Wunder zu
Gunsten der Nachkommenschaft Ismaels umgewandelt. Einige
Ausnahmen, die weder abgeleugnet, noch umgangen werden können,
machen diese Art der Beweisführung ebenso unklug als
überflüssig. Das Königreich Yemen ist nacheinander durch die
Abessinier, die Perser, die ägyptischen Sultane und die Türken
unterworfen worden. Die heiligen Städte Mekka und Medina haben
sich wiederholt dem Joche eines skythischen Tyrannen gebeugt,
und die römische Provinz Arabien umfaßte insbesondere jenen
Wüstenstrich, wo Ismael und seine Söhne ihre Zelte im
Angesichte ihrer Brüder aufgeschlagen haben müssen. Aber diese
Ausnahmen sind vorübergehend und beschränkt, die Masse des
Volkes ist dem Joche der mächtigsten Monarchien entgangen; die
Heere des Sesostris und Cyrus, des Pompejus und Trajan konnten
die Eroberung Arabiens niemals vollenden. Die späteren
türkischen Herrscher haben zwar die Herrschaft über die Araber
gehabt, aber sie mußten fast um die Freundschaft eines Volkes
werben, das zu reizen gefährlich, anzugreifen fruchtlos ist.
Die augenfälligen Ursachen für ihre Freiheit findet man im
Charakter und Lande der Araber. Viele Jahrhunderte vor
Mohammed hatten ihre Nachbarn im Angriffs- wie im
Verteidigungskriege ihre Unerschrockenheit und Tapferkeit
schwer gefühlt. Die Eigenschaften eines Kriegers werden durch
die Art und Gewohnheit des Hirtenlebens von selbst
ausgebildet. Das Hüten der Schafe und Kamele wird Weibern des
Stammes überlassen. Die kriegerische Jugend ist unter dem
Banner des Emirs stets zu Pferde und im Felde, um sich in der
Handhabung des Bogens, Wurfspießes und Säbels zu üben. Ihre
lange Unabhängigkeit ist das sicherste Pfand für deren
Fortdauer, und die nachfolgenden Geschlechter werden angeregt,
ihre Abstammung hochzuhalten und ihre Erbschaft zu behaupten.
Beim Anzüge eines gemeinsamen Feindes stellen sie ihre
einheimischen Fehden ein. In einem ihrer Kriege gegen die
Türken wurde die Karawane von Mekka von achtzigtausend
Verbündeten angegriffen und geplündert. Wenn sie zur Schlacht
vorrücken, haben sie Hoffnung auf den Sieg und die Gewißheit
einer sicheren Rückendeckung. Ihre Pferde und Kamele, die In
acht bis zehn Tagen einen Weg von vier- bis fünfhundert Meilen
zurücklegen, verschwinden fast den Augen des Siegers; die
geheimen Brunnen der Wüste entgehen seiner Nachforschung und
seine siegreichen Truppen werden bei der Verfolgung eines
unsichtbaren Feindes, der ihre Anstrengungen verlacht und
sicher im Herzen der brennenden Wüste ruht, durch Hunger,
Durst und Ermattung aufgerieben. Die Waffen und Einöden der
Beduinen sind nicht nur die einzige Schutzwehr ihrer Freiheit,
sondern auch die Bollwerke des glücklichen Arabiens, dessen
Bewohner fern vom Kriege durch die Üppigkeit des Bodens und
Klimas entnervt sind. Die Legionen des Augustus schmolzen
durch Krankheit und Ermüdung zusammen, nur mit Schiffen ist
die Unterwerfung von Yemen mit Erfolg versucht worden. Als
Mohammed seine heilige Fahne aufpflanzte, war dieses
Königreich eine Provinz des persischen Reiches; dennoch
herrschten noch immer sieben Fürsten der Homeriten in den
Gebirgen, und der Statthalter des Chosroes wurde in Versuchung
geführt, sein fernes Vaterland und seinen unglücklichen
Gebieter zu vergessen. Die Geschichtschreiber des
justinianischen Zeitalters schildern die unabhängigen Araber,
die bei dem langen Kampf im Orient sich aus Eigennutz oder
Anhänglichkeit geteilt hatten. Der Stamm Gassan durfte auf
syrischem Gebiete lagern. Den Fürsten von Hira war gestattet,
eine Stadt ungefähr vierzig Meilen im Süden der Ruinen von
Babylon zu gründen. Sie leisteten im Felde schnelle und
kraftvolle Dienste, aber ihre Freundschaft war käuflich, ihre
Treue wandelbar und sie waren in ihrer Feindschaft launenhaft;
es war leichter, diese wandernden Barbaren zu reizen als zu
entwaffnen, und im Kriege lernten sie die Schwäche sowohl Roms
als auch Persiens kennen und verachten. Die arabischen Stämme
von Mekka bis zum Euphrat wurden von den Griechen wie von den
Lateinern unter der allgemeinen Benennung Sarazenen
zusammengefaßt, ein Name, den jeder Christenmund nur mit
Schrecken und Abscheu auszusprechen gewohnt war.
Die Sklaven heimischer Tyrannei rühmen sich umsonst ihrer
Nationalunabhängigkeit; der Araber jedoch ist persönlich frei
und genießt bis zu einem gewissen Grade die Wohltaten der
Gesellschaft ohne die Rechte der Natur zu verwirken. In jedem
Stamm hat Aberglaube, Dankbarkeit oder Glück eine besondere
Familie über die Häupter ihresgleichen erhoben. Die Würden
Scheik und Emir bleiben unwandelbar bei dieser auserwählten
Familie; aber die Ordnung der Nachfolge ist locker und
wandelbar, und die würdigsten oder ältesten der edlen Vettern
werden für das einfache aber wichtige Amt gewählt,
Streitigkeiten durch ihren Rat beizulegen und die Krieger
durch ihr Beispiel zu leiten. Selbst einer klugen mutigen Frau
ist einstmals gestattet worden, den Vaterlandsgenossen der
Zenobia zu befehlen. Durch vorübergehenden Zusammenschluß der
verschiedenen Stämme wird ein Heer gebildet, ihre dauernde
Vereinigung bildet eine Nation, und der oberste Häuptling, der
Emir der Emire, dessen Fahne an ihrer Spitze entfaltet wird,
verdient bei den Fremden den Namen König. Wenn die arabischen
Fürsten ihre Macht mißbrauchen, werden sie schnell durch den
Abfall ihrer an milde und väterliche Gewalt gewohnten
Untertanen bestraft. Ihr Herz ist frei, ihre Schritte sind
ungehemmt, die Wüste steht ihnen offen, und die Stämme und
Familien sind durch einen gegenseitigen und freiwilligen
Vertrag aneinander gekettet. Die sanfteren Bewohner von Yemen
ertrugen den Pomp und die Majestät eines Monarchen; wenn er
aber seinen Palast nicht verlassen konnte, ohne sein Leben
aufs Spiel zu setzen, mußte die ausübende Gewalt der Regierung
auf seine Edlen und Obrigkeiten übergehen. Die Städte Mekka
und Medina zeigen mitten in Asien das Wesen einer Republik.
Mohammeds Großvater und seine Ahnen in gerader Linie
erscheinen bei den auswärtigen wie einheimischen Verhandlungen
als die Fürsten ihres Vaterlandes; aber sie herrschten wie
Perikles in Athen oder die Medici in Florenz durch den
öffentlichen Glauben an ihre Weisheit und Redlichkeit; ihr
Einfluß wurde wie ihr Erbe geteilt, und das Zepter ging von
den Oheimen des Propheten auf einen jüngeren Zweig des Hauses
Koreisch über. Bei feierlichen Veranlassungen beriefen sie
eine Volksversammlung, und weil die Menschen zum Gehorsam
entweder beredet oder gezwungen werden müssen, liefert der
Ruhm und die besondere Redekunst bei den alten Arabern den
klarsten Beweis für ihre öffentliche Freiheit. Aber ihre
Freiheit trug ein ganz anderes Gepräge als die feine und
künstliche Maschinerie der griechischen und römischen
Republiken, in denen jedes Mitglied einen vollständigen Anteil
an den bürgerlichen und politischen Rechten der Gemeinde
besaß. In dem einfacheren Zustande, in dem sich die Araber
befanden, ist die Nation frei, weil jeder ihrer Söhne niedrige
Unterwürfigkeit unter den Willen eines Gebieters verschmäht.
Seine Brust ist mit Standhaftigkeit und Nüchternheit erfüllt.
Liebe zur Unabhängigkeit regt ihn an, Selbstbeherrschung zu
üben, und Besorgnis vor Entehrung schützt ihn vor ängstlicher
Sorge, vor Schmerz, Gefahr und Tod. Der Ernst und die
Festigkeit seiner Seele spiegelt sich in seinem Benehmen; er
spricht langsam, gewichtig und kurz, läßt sich selten zum
Lachen verleiten, seine einzige Gebärde besteht darin, daß er
seinen Bart, das Symbol der Manneswürde, streicht, und das
Gefühl seiner eigenen Wichtigkeit lehrt ihn mit seinesgleichen
ohne Leichtfertigkeit, mit höheren ohne Scheu zu verkehren.
Die Freiheit der Sarazenen überlebte ihre Eroberungen. Die
ersten Kalifen duldeten die kühne und vertrauliche Sprache
ihrer Untertanen; sie bestiegen die Kanzel, um die Versammlung
zu überreden und zu erbauen. Erst als der Sitz des Reiches an
den Tigris verlegt wurde, führten die Abassiden das stolze und
prunkvolle Zeremoniell der persischen und byzantinischen Höfe
ein.
Im Studium der Völker und Menschen muß man die Ursachen
erkennen, die sie gegeneinander feindlich oder freundlich
stimmen und ihren sozialen Charakter verengern oder erweitern,
mildern oder erbittern. Die Trennung der Araber von der
übrigen Menschheit hatte sie gewöhnt, die Begriffe Fremder und
Feind zu verwechseln. Die Armut des Landes hat eine Maxime der
Jurisprudenz eingeführt, der sie noch lange anhingen. Sie
behaupten, daß bei der Teilung der Welt die reichen und
fruchtbaren Länder den anderen Zweigen der Menschenfamilie
zugewiesen wurden und daß die Nachkommen des geächteten Ismael
durch Betrug oder Gewalt sich den Teil der Erbschaft
wiederverschaffen dürften, dessen sie ungerechterweise beraubt
worden wären. Nach der Bemerkung des Plinius waren die
arabischen Stämme genau so dem Diebstahl wie dem Handel
ergeben, die Karawanen, welche die Wüste durchziehen, mußten
Lösegeld geben oder wurden geplündert, und ihre Nachbarn sind
seit den fernen Zeiten Hiobs und Sesostris' die Opfer ihrer
Raubsucht gewesen. Wenn ein Beduine von fern einen einsamen
Wanderer entdeckt, reitet er wütend auf ihn zu und schreit:
»Zieh dich aus, deine Muhme (mein Weib) hat kein Gewand.«
Willige Unterwerfung gibt ihm Anspruch auf Schonung,
Widerstand erbittert den Angreifer und sein eigenes Blut muß
dann das Blut sühnen, das er in gerechter Verteidigung
vergießen will. Ein einziger Räuber oder wenige Spießgesellen
werden mit ihrem wahren Namen gekennzeichnet, aber die Taten
einer zahlreichen Schar nehmen den Charakter eines
rechtmäßigen und ehrenvollen Krieges an. Die Gemüter eines
dergestalt gegen die Menschheit gehetzten Volkes wurden durch
die heimische Gewohnheit des Raubes, Mordes und der Rache
doppelt entflammt. In der europäischen Verfassung ist das
Recht, über Krieg und Frieden zu entscheiden, auf eine geringe
und die wirkliche Ausübung desselben auf eine noch viel
kleinere Anzahl mächtiger Potentaten beschränkt. Jeder Araber
hingegen kann ungestraft, sogar mit Ruhm seinen Wurfspieß
gegen seinen Landsmann erheben. Die Nation bestand nur in
einer allgemeinen Ähnlichkeit der Sprache und Sitten, und
richterliche Gewalt des Oberhauptes erlosch in jeder Gemeinde.
Aus der Zeit, die Mohammed vorausging, werden durch
Überlieferung siebzehnhundert Schlachten erwähnt; die
Feindschaft wurde durch Parteispaltung hervorgerufen, und die
Erzählung einer alten Fehde in Prosa oder Poesie reichte hin,
gleichen Ingrimm zwischen den Abkömmlingen der feindlichen
Stämme zu erregen. Im Privatleben war jeder Mann oder
wenigstens jede Familie Richter und Rächer in ihrer eigenen
Sache. Die feine Empfindung des Ehrgefühles, die mehr den
Schimpf als das Unrecht abwiegt, gießt tödliches Gift in die
Streitigkeiten der Araber. Die Ehre ihrer Frauen und Bärte ist
leicht zu verletzen, eine unanständige Handlung, eine
verächtliche Rede kann nur durch das Blut des Beleidigers
gesühnt werden, und so tief wurzelt ihre ausharrende
Feindschaft, daß sie ganze Monate, ja Jahre auf die
Gelegenheit der Rache harren. Geldbuße oder Ersatz für Mord
ist bei den Barbaren jedes Zeitalters erlaubt; in Arabien aber
steht es den Verwandten des Ermordeten frei, die Sühne
anzunehmen oder mit eigenen Händen das Recht der
Wiedervergeltung zu üben. In raffinierter Bosheit verschmäht
der Araber sogar das Haupt des Mörders, nimmt an Stelle der
schuldigen die unschuldige Person und überträgt die Strafe auf
den besten und geehrtesten Mann des Stammes, von dessen
Mitglied sie verletzt worden sind. Wenn er durch ihre Hände
fällt, sind sie ihrerseits der Gefahr der Repressalien
ausgesetzt, Zinsen und Kapital der Blutschuld laufen auf, die
Individuen jeder Familie führen ein Leben in Haß und Argwohn,
und fünfzig Jahre vergehen oft, bis die Rechnung der Rache
völlig beglichen ist. Dieser blutdürstige Geist, der von
Mitleid und Verzeihung nichts weiß, wird jedoch einigermaßen
durch einen Grundsatz der Ehre gemildert, der bei jedem
Privatkampf eine angemessene Gleichheit des Alters und der
Stärke, der Zahl und Waffen fordert. Die Araber hielten vor
Mohammed eine jährliche Festzeit von zwei, vielleicht vier
Monaten, während der sie sowohl bei auswärtigen als
einheimischen Feindseligkeiten ihr Schwert gewissenhaft in der
Scheide behielten, und dieser teilweise Waffenstillstand
schildert ihren Zustand der Gesetzlosigkeit und Fehde nur um
so bedeutsamer.
Aber dieser rachsüchtige und räuberische Geist wurde durch
den milden Einfluß im Verkehr mit anderen Völkern und deren
Literatur gemäßigt. Die einsame Halbinsel ist auf allen Seiten
von zivilisierten Völkern der alten Welt umgeben; der Kaufmann
ist der Freund der Menschen, und die jährliche Karawane
brachte den ersten Samen der Wissenschaft und Bildung in die
Städte, ja sogar in die Lager der Wüste. Welches auch immer
der Stammbaum der Araber sein mag, stammt doch ihre Sprache
mit der hebräischen, syrischen und chaldäischen aus einer
Urquelle; die Stämme wurden durch ihre besonderen Mundarten
bezeichnet, aber jeder gab nach seiner eigenen dem reinen und
deutlichen Idiom von Mekka den Vorzug. In Arabien wie in
Griechenland gewann die Vervollkommnung der Sprache der
Verfeinerung der Sitten den Vorsprung ab; sie hatten achtzig
Namen für den Honig, zweihundert für eine Schlange,
fünfhundert für den Löwen und tausend für ein Schwert zu einer
Zeit, in der dieser reichhaltige Wortschatz einem
schriftunkundigen Volk anvertraut war. Die Denkmäler der
Homeriten sind mit alten und geheimnisvollen Zeichen bedeckt;
aber die kufischen Buchstaben, die Grundlagen des jetzigen
Alphabets, wurden an den Ufern des Euphrat erfunden und diese
neue Erfindung in Mekka von einem Fremden gelehrt, der sich in
dieser Stadt nach Mohammeds Geburt niedergelassen hatte. Die
Künste der Grammatik, des Versbaues und der Rhetorik waren den
Arabern mit ihrer angeborenen Beredsamkeit unbekannt, aber ihr
Scharfsinn war durchdringend, ihre Phantasie üppig, ihr Witz
markig und sententiös, und ihre Geisteserzeugnisse sprechen
mit Kraft und Wirksamkeit zu den Hörern. Das Genie und der
Verdienst eines aufstrebenden Dichters wurde durch den Beifall
seines eigenen Stammes und der verwandten Stämme gepriesen.
Ein feierliches Bankett wurde bereitet und Frauen, Cymbeln
schlagend und mit hochzeitlichem Schmucke angetan, besangen in
Anwesenheit ihrer Söhne und Männer das Glück des Stammes, daß
ein Kämpe erschienen sei, um dessen Rechte zu verteidigen, daß
ein Herold seine Stimme erhoben habe, um dessen Ruhm zu
verewigen. Die fernen oder feindlichen Stämme strömten einer
jährlichen Messe, die jedoch durch den Fanatismus der ersten
Muselmanen abgeschafft wurde, einer Nationalzusammenkunft zu,
die zur Eintracht und Verfeinerung der Barbaren hätte
beitragen müssen. Dreißig Tage wurden nicht mit Korn- und
Weinhandel, sondern mit Reden und dem Vortrag von Dichtungen
zugebracht. Die Barden stritten in edlem Wetteifer um den
Preis, das siegreiche Lied wurde in den Archiven der Fürsten
und Emire niedergelegt, und wir können noch in unserer Sprache
die sieben Urgedichte lesen, die in goldenen Buchstaben
geschrieben und im Tempel von Mekka aufgehangen waren. Die
arabischen Dichter waren die Geschichtschreiber und
Sittenlehrer ihres Zeitalters, und wenn sie auch dieselben
Vorurteile hatten wie ihre Landsmänner, so begeisterten und
bekränzten sie doch ihre Tugenden. Die unauflösliche
Vereinigung der Freigebigkeit und Tapferkeit bildete den
Lieblingsgegenstand ihres Gesanges, und wenn sie gegen ein
verächtliches Geschlecht ihre schärfste Satire spritzen
wollten, behaupteten sie mit bitterem Vorwurf, daß die Männer
nicht zu geben, die Weiber nicht zu versagen verständen.
Dieselbe Gastfreiheit, wie sie von Abraham geübt und von Homer
gefeiert worden ist, wird auch heute noch in den Lagern der
Araber aufrecht erhalten. Die grimmigen Beduinen, der
Schrecken der Wüste, umarmten ohne Frage und Zögern den
Fremden, der es wagte, ihnen zu vertrauen und in ihr Zelt zu
treten. Er wurde gütig und achtungsvoll behandelt, teilte den
Reichtum oder die Armut des Wirtes und wurde nach gepflogener
Ruhe auf seinen Weg mit Dank, mit Segnungen, vielleicht sogar
mit Geschenken entlassen. Herz und Hand tun sich weiter den
Bedürfnissen eines Bruders oder Freundes gegenüber auf; aber
die heldenmütigen Taten, die auf öffentlichen Beifall Anspruch
hatten, mußten das gewöhnliche Maß der Klugheit und Erfahrung
überschritten haben. Es war ein Streit entstanden, wer von den
Bürgern von Mekka den Preis der Großmut verdiente, und man
berief sich nacheinander auf drei Personen, die man dessen am
würdigsten hielt. Abdallah, der Sohn des Abbas, hatte eine
weite Reise unternommen: sein Fuß war bereits im Steigbügel,
als er die Stimme eines Flehenden hörte: »O Sohn des Oheims
des Apostels Gottes, ich bin ein Wanderer und in Not.« Er
stieg sogleich ab, um dem Pilger sein Kamel, das reiche
Geschirr und einen Beutel mit viertausend Goldstücken zu
reichen, nur das Schwert behaltend, entweder wegen seines
inneren Wertes oder als Geschenk eines geehrten Freundes. Der
Diener des Kais sagte einem anderen Flehenden, daß sein
Gebieter schliefe, fügte aber sogleich hinzu: »Hier ist ein
Beutel mit siebentausend Goldstücken (es ist alles, was wir im
Hause haben) und hier ist ein Befehl, der dir auf ein Kamel
und einen Sklaven ein Recht geben wird.« Sobald der Herr
erwachte, pries er seinen getreuen Verwalter und schenkte ihm
die Freiheit, jedoch nicht ohne den gelinden Verweis, daß er,
indem er seinen Schlummer ehrte, seine Freigebigkeit gehemmt
hätte. Der dritte dieser Helden, der blinde Arabah, stützte
sich auf die Schultern von zwei Sklaven zur Stunde der Bitte.
»Ach«, versetzte er, »meine Koffer sind leer, aber ihr könnt
diese Sklaven verkaufen; wenn ihr euch weigert, verjage ich
sie.« Bei diesen Worten schob er die Jünglinge von sich und
fühlte seinen Weg längs der Wand mit seinem Stabe. Der
Charakter Hatems ist das beste Beispiel arabischer Tugend. Er
war tapfer und freigebig, ein beredter Dichter und glücklicher
Räuber; vierzig Kamele wurden bei seinem gastlichen Schmause
gebraten, und auf die Bitte eines Feindes gab er ihm sowohl
die Gefangenen als die Beute zurück. Seine freien Landsleute
verschmähten die Gesetze, folgten jedoch stolz dem Antrieb des
Mitleides oder Wohlwollens.
Die Religion der Araber bestand, so wie die der Inder, in
Verehrung der Sonne, des Mondes und der Fixsterne; eine
ursprüngliche und reizende Art des Aberglaubens! Die
strahlenden Lichter des Firmaments leuchten als das sichtbare
Bild der Gottheit; ihre Anzahl und Entfernung erregt in einem
denkenden, ja in einem gewöhnlichen Gemüte die Vorstellung
grenzenlosen Raumes. Der Stempel der Ewigkeit ist diesen
fernen Sonnen aufgedrückt, die der Verwesung und dem Verfall
unzugänglich zu sein scheinen. Die Regelmäßigkeit ihrer
Bewegungen kann einem Prinzip der Vernunft oder des Instinktes
zugeschrieben werden, und ihr wirklicher oder eingebildeter
Einfluß ermuntert zu dem eitlen Glauben, daß die Erde und ihre
Bewohner der Gegenstand ihrer besonderen Fürsorge sind. Die
Wissenschaft der Astronomie wurde in Babylon gepflegt, die
Schule der Araber war ein reiner Himmel und eine glatte Ebene.
Bei ihren nächtlichen Zügen ließen sie sich durch die Sterne
leiten; ihre Namen, Ordnung und täglichen Stellungen waren den
wißbegierigen oder andächtigen Beduinen wohlbekannt und die
Erfahrung hatte sie gelehrt, den Zodiakus des Mondes in
achtundzwanzig Teile zu teilen und die Sternbilder zu segnen,
welche die durstige Wüste durch heilsamen Regen erfrischten.
Die Herrschaft der himmlischen Sonnen konnte nicht über ihren
sichtbaren Kreis ausgedehnt werden, und es war einige
metaphysische Anstrengung erforderlich, um die Seelenwanderung
und die Auferstehung der Körper zu behaupten. Ein Kamel wurde
auf dem Grabe getötet, um seinem Gebieter in einem anderen
Leben zu dienen, und die Anrufung der abgeschiedenen Geister
deutet an, daß diese dauernd mit Bewußtsein und Macht begabt
waren. Ich kenne die blinde Mythologie der Barbaren nicht und
kümmere mich auch nicht um sie, um die Lokalgottheiten, die
Sterne, die Luft, die Erde, ihr Geschlecht, ihre Namen,
Eigenschaften und Ordnung. Jeder Stamm, jede Familie, jeder
unabhängige Krieger schuf und veränderte die Zeremonien und
den Gegenstand seines fanatischen Gottesdienstes; aber die
Nation hat sich in jedem Jahrhundert vor der Religion wie vor
der Sprache Mekkas gebeugt.
Das echte Altertum der Kaaba bestand schon vor der
christlichen Zeitrechnung, der griechische Geschichtsschreiber
Diodor hat bei der Beschreibung des Roten Meeres zwischen den
Thamuditen und Sabäern einen berühmten Tempel erwähnt, der von
allen Arabern verehrt wurde. Der leinene oder seidene Vorhang,
der alle Jahre von dem türkischen Kaiser erneuert wird, wurde
zuerst von einem frommen König der Homeriten, der
siebenhundert Jahre vor Mohammed herrschte, gestiftet. Ein
Zelt oder eine Höhle reichte für den Gottesdienst Wilder hin,
ein Gebäude aus Stein und Ton ist an seiner Stelle erbaut
worden, aber der Kunst und Macht der orientalischen Monarchen
genügte vollauf das einfache ursprüngliche Muster. Ein
geräumiger Portikus schließt das Viereck der Kaaba ein; eine
vierseitige Kapelle, ungefähr zwölf Meter lang, elf Meter
breit und dreizehneinhalb Meter hoch. Eine Tür und ein Fenster
lassen das Licht ein; das Doppeldach wird von drei hölzernen
Pfeilern getragen. Eine Dachrinne (jetzt aus Gold) dient als
Regenwasserabfluß, und der Brunnen Zemzem ist durch einen Dom
vor zufälliger Verunreinigung geschützt. Der Stamm der
Koreischiten hat durch Betrug oder Gewalt die Bewachung der
Kaaba erlangt; der priesterliche Dienst hatte sich durch vier
Geschlechter in gerader Linie bis auf den Großvater Mohammeds
fortgepflanzt, und die Familie der Haschemiten war die
geehrteste und heiligste in den Augen ihres Volkes. Das
Weichbild von Mekka genoß die Rechte eines Heiligtums, und im
letzten Monate jedes Jahres füllten sich Stadt und Tempel mit
langen Zügen von Pilgern, die ihre Gebete und Opfer im Hause
Gottes darbrachten. Dieselben Zeremonien, die jetzt der
gläubige Muselman vollbringt, sind von den Götzendienern
erfunden und beobachtet worden. In einer ehrfurchtsvollen
Entfernung legten sie ihre Gewänder ab. Siebenmal umkreisten
sie die heilige Kaaba und küßten den schwarzen Stein.
Siebenmal besuchten sie die naheliegenden Berge und beteten
sie an; siebenmal warfen sie Steine in das Tal Mina, und die
Wallfahrt wurde wie jetzt durch ein Opfer von Schafen und
Kamelen und durch das Eingraben ihres Haares und ihrer Nägel
in den geweihten Boden vollendet. Jeder Stamm fand in der
Kaaba oder führte in ihr seinen heimischen Gottesdienst ein;
der Tempel war mit dreihundertsechzig Götzen in Gestalt von
Menschen, Adlern, Löwen und Antilopen geschmückt, und vor
allem zeichnete sich das Standbild des Hebais aus rotem Achat
aus, das in seiner rechten Hand sieben Pfeile ohne Federn oder
Spitzen hielt, die Werkzeuge oder Symbole profaner
Wahrsagerei. Aber dieses Standbild war ein Denkmal syrischer
Kunst; die Frommen der früheren Jahrhunderte begnügten sich
mit einer Säule oder Tafel, und die Felsen der Wüste wurden zu
Göttern oder Altären als Nachahmung des schwarzen Steines von
Mekka behauen, der mit dem Vorwurf heidnischen Ursprunges
befleckt ist. Von Japan bis Peru hat der Gebrauch der Opfer
allgemein geherrscht, und der Verehrer der Götter drückte
seine Dankbarkeit und Furcht aus, indem er ihnen zu Ehren die
teuersten und köstlichsten ihrer Gaben vernichtete und
verzehrte. Ein Menschenleben galt als das wertvollste Opfer,
um ein öffentliches Unglück abzuwenden; die Altäre von
Phönizien und Ägypten, von Rom und Karthago sind mit
Menschenblut befleckt worden. Diese grausame Sitte erhielt
sich lange bei den Arabern; der Stamm der Dumatianer opferte
im dritten Jahrhundert alljährlich einen Knaben, und ein
Gefangener königlichen Ranges wurde von einem
Sarazenenfürsten, dem Verbündeten und Krieger des Kaisers
Justinian, in aller Frömmigkeit geschlachtet. Ein Vater, der
seinen Sohn zum Altar schleppt, zeigt den schmerzlichsten und
erhabensten Fanatismus, die Tat oder die Absicht wurde durch
das Beispiel von Frommen und Helden geheiligt. Der Vater
Mohammeds selbst war durch ein Gelübde dem Opfertod geweiht
und konnte nur mit Mühe durch hundert Kamele ausgelöst werden.
Zur Zeit der Unwissenheit aßen die Araber, gleich den Juden
und Ägyptern, kein Schweinefleisch. Sie beschnitten ihre
Kinder im Alter der Mannbarkeit; dieselben Gebräuche haben
sich, ohne vom Koran getadelt oder vorgeschrieben zu werden,
stillschweigend bei ihren Nachkommen und Proselyten erhalten.
Man hat scharfsinnig vermutet, der schlaue Gesetzgeber habe
den halsstarrigen Vorurteilen seiner Landsleute nachgegeben.
Einfacher ist es zu glauben, daß er den Gewohnheiten und
Meinungen seiner Jugend anhing, ohne vorauszusehen, daß ein
Gebrauch, der dem Klima von Mekka angemessen war, an den Ufern
der Donau oder Wolga nutzlos oder lästig werden könnte.
Arabien war frei, die angrenzenden Königreiche wurden von
Eroberern und Tyrannen erschüttert, und die verfolgten Sekten
flohen nach dem glücklichen Lande, wo sie bekennen durften,
was sie dachten und ausüben, was sie bekannten. Die Religionen
der Sabäer und Magier, der Juden und Christen waren vom
Persischen Meerbusen bis ans Rote Meer verbreitet. In einer
fernen Periode des Altertums war der Sabäismus über Asien
durch die Chaldäer mittels Wissen, durch die Assyrer mittels
Waffen ausgebreitet worden. Die Priester und Astronomen von
Babylon folgerten aus zweitausendjährigen Beobachtungen die
ewigen Gesetze der Natur und Vorsehung. Sie beteten die sieben
Götter oder Engel an, die den Lauf der sieben Planeten
regierten und ihren unwiderstehlichen Einfluß über die Erde
geltend machten. Die Eigenschaften der sieben Planeten samt
den zwölf Bildern des Tierkreises und den vierundzwanzig
Sternbildern der nördlichen und südlichen Halbkugel wurden
durch Bilder und Talismane dargestellt; die sieben Tage der
Woche waren jeder einer eigenen Gottheit gewidmet. Die Sabäer
beteten dreimal jeden Tag. Der Tempel des Mondes in Haran war
das Ziel ihrer Wallfahrt. Aber ihr biegsamer Glaube war stets
bereit zu lehren und zu lernen; die Überlieferung von der
Schöpfung, der Sintflut, den Patriarchen stimmte auf eine
merkwürdige Weise mit der ihrer jüdischen Gefangenen überein.
Sie beriefen sich auf die geheimen Bücher Adams, Sets und
Enochs, und eine leichte Beimischung des Evangeliums hat die
letzten Polytheisten in Christen des heiligen Johann im
Gebiete von Bassora verwandelt. Die Altäre von Babylon wurden
von den Magiern gestürzt, dagegen die Unbilden der Sabäer
durch Alexander gerächt. Persien seufzte über fünfhundert
Jahre unter einem fremden Joch, und die reinsten Schüler
Zoroasters entwichen der Versuchung des Götzendienstes und
atmeten mit ihren Gegnern die Freiheit der Wüste.
Siebenhundert Jahre vor dem Tode Mohammeds hatten sich Juden
in Arabien angesiedelt, und eine bei weitem größere Menge
wurde aus dem heiligen Lande in den Kriegen des Titus und
Hadrian vertrieben. Die fleißigen Verbannten strebten nach
Freiheit und Macht, sie errichteten Synagogen in den Städten,
Schlösser in der Wildnis, und die heidnischen Bekehrten
vermengten sich mit den Kindern Israels, denen sie auch durch
das äußere Zeichen der Beschneidung glichen. Noch tätiger und
glücklicher waren die christlichen Glaubensboten. Die
Katholiken behaupteten ihre allgemeine Herrschaft; die Sekten,
die sie unterdrückten, entwichen nacheinander über die Grenzen
des römischen Reiches. Die Marcioniten und Manichäer
verbreiteten ihre phantastischen Meinungen und unechten
Evangelien; die Kirchen von Yemen aber und die Fürsten von
Hira und Gassan wurden durch die jakobitischen und
nestorianischen Bischöfe in einer reineren Lehre unterwiesen.
Die freie Religionswahl wurde den Stämmen zugestanden; jeder
Araber konnte willkürlich seine besondere Religion bekennen
und ändern, und der rohe Aberglaube seines Hauses vermischte
sich mit der erhabenen Theologie Heiliger und Weiser. Ein
Grundartikel des Glaubens wurde durch die allgemeine
Übereinstimmung dieser gelehrten Fremdlinge eingeschärft: das
Dasein eines obersten Gottes, der über die Mächte des Himmels
und der Erde erhaben ist, der sich aber der Menschheit durch
den Mund der Engel und Propheten häufig offenbart und dessen
Gnade und Gerechtigkeit durch Wunder die Ordnung der Natur
unterbrochen hat. Die vernünftigsten der Araber erkannten
seine Macht an, obwohl sie seine Verehrung vernachlässigten,
und es war mehr Gewohnheit als Überzeugung, die sie noch immer
an den Götzendienst fesselte. Die Juden und Christen waren das
Volk des Buches; die Bibel war bereits in die arabische
Sprache übersetzt, und das alte Testament wurde durch die
Übereinstimmung dieser unversöhnlichen Feinde angenommen. Es
freute die Araber, in der Geschichte der hebräischen
Patriarchen die Urväter ihres Volkes zu entdecken. Sie zollten
der Herkunft und Verheißung Ismaels ihren Beifall, verehrten
den Glauben und die Tugenden Abrahams, führten seinen und
ihren eigenen Stammbaum bis auf den ersten Menschen zurück und
glaubten an die Wunder des heiligen Buches und die Träume und
Überlieferungen der jüdischen Rabbiner.
Das Gerücht von der niedrigen und plebejischen Herkunft
Mohammeds ist eine ungeschickte Verleumdung der Christen,
welche die Verdienste ihres Feindes dadurch vergrößerten,
statt ihn herabzuwürdigen. Seine Abstammung von Ismael ist
entweder ein Nationalglaube oder eine Fabel, aber wenn auch
sein älterer Stammbaum dunkel und zweifelhaft ist, konnte er
doch mehrere Geschlechtsfolgen reinen und echten Adels
aufweisen. Er entsproß dem Stamm Koreisch und der Familie
Haschem, der erlauchtesten von Arabien, den Fürsten von Mekka
und den Erbhütern der Kaaba. Der Großvater Mohammeds war Abdol
Motalleb, der Sohn Haschems, ein reicher und freigebiger
Bürger, der einer Hungersnot durch den Ertrag seines Handels
abhalf. Mekka, das durch den freigebigen Vater genährt worden
war, wurde durch den mutigen Sohn gerettet. Das Königreich
Yemen war den christlichen Fürsten von Abessinien untertan;
ihr Vasall Abraha wurde durch einen Schimpf gereizt, die Ehre
des Kreuzes zu rächen und die heilige Stadt wurde von
Elefanten und einem Heere Afrikaner eingeschlossen. Ein
Vertrag wurde vorgeschlagen. In der ersten Audienz verlangte
Mohammeds Großvater die Rückgabe seiner Herden. »Und warum«,
fragte Abraha, »flehst du mich nicht lieber zu Gunsten deines
Tempels an, den ich zu zerstören gedroht habe?« »Weil«,
erwiderte der unerschrockene Häuptling, »das Vieh mein
Eigentum ist; die Kaaba gehört den Göttern, sie werden ihr
Haus schon gegen Unbilden und Frevel verteidigen.« Der Mangel
an Lebensmitteln oder die Tapferkeit der Koreischiten zwang
die Abessinier zu einem schmählichen Rückzug; ihre Niederlage
wurde von einem wunderbaren Vogelschwarm vergrößert, von dem
man erzählte, daß er Steine auf die Häupter der Ungläubigen
fallen ließ, und man feierte die Befreiung lange durch die
Aera des Elefanten. Der Ruhm Abdol Motallebs wurde durch
häusliches Glück gekrönt; er erreichte das Alter von
hundertzehn Jahren und zeugte sechs Töchter und dreizehn
Söhne. Sein Liebling Abdallah war der schönste und
bescheidenste aller arabischen Jünglinge. In der ersten Nacht,
als er seine Vermählung mit Amina aus dem edlen Geschlechte
der Zahriten vollzog, sollen zweihundert Jungfrauen aus
Eifersucht und Verzweiflung gestorben sein. Mohammed, der
einzige Sohn Abdallahs und Aminas, wurde in Mekka vier Jahre
nach Justinians Tod und zwei Monate nach der Niederlage der
Abessinier geboren, deren Sieg die christliche Religion in der
Kaaba eingeführt haben würde. Er verlor in früher Kindheit
Vater, Mutter und Großvater; seine Oheime waren mächtig und
zahlreich, und bei der Teilung der Erbschaft wurde der Anteil
der Waise auf fünf Kamele und eine äthiopische Sklavin
beschränkt. Daheim und außen, im Frieden und Kriege war Abu
Taleb, der achtbarste seiner Oheime, der Führer und Beschützer
seiner Jugend. In seinem fünfundzwanzigsten Jahre trat er in
die Dienste der Kadidschah, einer reichen und edlen Witwe von
Mekka, die seine Treue bald mit ihrer Hand und ihrem Vermögen
belohnte. Der Ehevertrag führt im einfachen Stil des Altertums
die gegenseitige Liebe des Mohammed und der Kadidschah an,
beschreibt ihn als den vollkommensten des Stammes Koreisch und
bedingt eine Morgengabe von zwölf Unzen Gold und zwanzig
Kamelen, die sein freigebiger Oheim liefert. Durch diese
Vermählung wurde der Sohn Abdallahs wieder in den Rang seiner
Ahnen eingesetzt. Die vernünftige Matrone war mit seinen
häuslichen Tugenden zufrieden, bis er im vierzigsten
Lebensjahre den Titel eines Propheten annahm und die Religion
des Korans verkündete.
Nach Angabe seiner Gefährten zeichnete sich Mohammed durch
persönliche Schönheit aus, eine Gabe, die selten verachtet
wird, ausgenommen von denjenigen, denen sie versagt worden
ist. Bevor er sprach, gewann der Redner das Wohlwollen seiner
öffentlichen oder geheimen Zuhörerschaft. Sie bewunderten
seine imponierende Erscheinung, sein majestätisches Aussehen,
sein durchdringendes Auge, seinen wallenden Bart, sein
Antlitz, das jede seelische Empfindung widerspiegelte und die
Geberden, die jedem Worte seiner Lippen Nachdruck gaben. Im
gewöhnlichen Umgang hielt er gewissenhaft an der ernsten und
feierlichen Höflichkeit seines Vaterlandes fest; sein
ehrfurchtsvolles Benehmen gegen Reiche und Mächtige erhielt
durch seine Herablassung und Leutseligkeit gegen die ärmsten
Bürger von Mekka Würde. Sein offenes Benehmen verbarg seine
weitreichenden schlauen Absichten und seine Höflichkeit wurde
persönlicher Freundschaft oder allgemeinem Wohlwollen
zugeschrieben. Sein Gedächtnis war umfassend und getreu, sein
Witz ungezwungen und leicht, seine Phantasie erhaben und sein
Urteil klar, schnell und durchgreifend. Er besaß den Mut
sowohl zu kühnen Gedanken als zur Tat, und wenn sich auch
seine Pläne erst allmählich mit seinem Erfolge erweiterten, so
trägt doch die erste Idee, die er von seiner göttlichen
Sendung nährte, das Gepräge eines ursprünglichen und
überlegenen Genies. Der Sohn Abdallahs war im Schöße des
edelsten Geschlechtes, im Gebrauche der reinsten Mundart
Arabiens erzogen worden und seine geläufige Rede wurde durch
bescheidenes, und rechtzeitiges Stillschweigen gemäßigt und
veredelt. Aber trotz seiner Rednergabe war Mohammed ein
ungebildeter Barbar; die allgemeine Unwissenheit
entschuldigte, daß er in seiner Jugend niemals lesen oder
schreiben gelernt hatte, allein er war auf einen engen Kreis
des Daseins beschränkt und jenes getreuen Spiegels beraubt,
aus dem unserer Seele die Seelen der Weisen und Heroen
entgegenstrahlen. Aber das Buch der Natur und Menschheit lag
vor seinen Augen aufgeschlagen. In politischen und
philosophischen Beobachtungen jedoch, die dem arabischen
Reisenden zugeschrieben werden, hat man einigermaßen
phantasiert. Er vergleicht die Nationen und Religionen der
Erde, entdeckt die Schwäche der Monarchien Persien und Rom,
sieht mit Mitleid und Entrüstung die Entartung der Zeiten und
beschließt, den unbezwinglichen Mut und die ursprünglichen
Tugenden der Araber unter einem Gott und einen König zu
vereinen. Eine genauere Untersuchung ergibt jedoch, daß statt
des Besuches der Höfe, Lager und Tempel des Ostens die beiden
Reisen Mohammeds nach Syrien sich auf die beiden Märkte von
Bostra und Damaskus beschränkten; daß er erst dreizehn Jahre
alt war, als er die Karawane seines Oheims begleitete und daß
ihm später seine Pflicht gebot zurückzukehren, sowie er über
die Waren der Kadidschah verfügt hatte. Auf diesem eiligen
Zuge konnte das Auge des Genies einige für seine Gefährten
unsichtbare Dinge gewahren, konnten einige Samenkörner auf
einen fruchtbaren Boden fallen, aber seine Unkenntnis der
syrischen Sprache stand seiner Wißbegierde im Wege, und ich
vermag weder im Leben, noch in den Schriften Mohammeds zu
gewahren, daß sich sein Gesichtskreis über die Grenzen der
arabischen Welt ausdehnte. Aus jeder Gegend dieser einsamen
Welt versammelten sich die Pilgrime von Mekka alljährlich zur
Andacht und zum Handel. Bei dem freien Verkehr der Scharen
konnte ein einfacher Bürger in seiner Muttersprache den
politischen Zustand und den Charakter der Stämme, die Theorie
und Praxis der Juden und Christen studieren. Einige gelehrte
Fremde werden gezwungen gewesen sein, die Rechte der
Gastfreiheit in Anspruch zu nehmen, ja die Feinde Mohammeds
haben ihn den Juden, den Perser und den syrischen Mönch
genannt, denen sie Schuld geben, bei Abfassung des Korans
geheime Hilfe geleistet zu haben. Umgang bereichert den
Verstand, aber Einsamkeit ist die Schule des Genies, und die
Gleichmäßigkeit eines Werkes verrät die Hand eines einzigen
Künstlers. Von seiner frühesten Jugend an war Mohammed
religiöser Betrachtung ergeben; jedes Jahr entzog er sich im
Monat Ramadan der Welt und den Armen Kadidschahs; in der
Grotte von Hera, drei Meilen von Mekka, beriet er sich mit dem
Geiste des Betruges oder der Schwärmerei, dessen Wohnung nicht
im Himmel, sondern in der Seele des Propheten war. Der Glaube,
den er unter dem Namen Islam seiner Familie und Nation
predigte, besteht aus einer ewigen Wahrheit und einer
notwendigen Erdichtung: Es gibt nur einen Gott und Mohammed
ist sein Prophet!
Die jüdischen Lobredner rühmen, daß während die gelehrten
Nationen des Altertums durch die Fabeln der Vielgötterei
betrogen wurden, ihre einfachen Altvordern die Kenntnis des
wahren Gottes bewahrt haben. Die moralischen Eigenschaften
Jehovahs lassen sich mit dem Maße menschlicher Tugend nicht
leicht messen; seine metaphysischen Eigenschaften sind dunkel
ausgedrückt, aber jede Zeile des Pentateuchs legt Zeugnis für
seine Macht ab; die Einheit seines Namens ist auf der ersten
Tafel des Gesetzes eingegraben, und sein Heiligtum wurde nie
durch ein sichtbares Bild des unsichtbaren Wesens befleckt.
Nach der Zerstörung des Tempels wurde der Glaube der
hebräischen Verbannten durch die geistige Andacht in der
Synagoge gereinigt, festgestellt und aufgeklärt, und die Macht
Mohammeds kann seinen beständigen Vorwurf nicht rechtfertigen,
daß die Juden von Mekka und Medina Esra als den Sohn Gottes
anbeten. Aber die Kinder Israels hatten aufgehört ein Volk zu
sein, und die Religionen der Welt waren, wenigstens in den
Augen des Propheten, mit der Schuld beladen, daß sie dem
höchsten Gotte Söhne oder Töchter oder Gefährten zuschrieben.
In dem rohen Gottesdienste der Araber ist dieses Verbrechen
offen sichtbar; die Sabäer werden durch den Vorrang, die sie
dem ersten Planeten oder der Intelligenz in ihrer himmlischen
Hierarchie geben, nur schwach entschuldigt, und in dem System
der Magier verrät der Kampf der beiden Prinzipien die
Unvollkommenheit des Siegers. Die Christen des siebenten
Jahrhunderts waren unmerklich zum Heidentum zurückgesunken;
ihre öffentliche und geheime Andacht galt den Reliquien und
Bildern, welche die Tempel des Ostens schändeten. Der Thron
des Allmächtigen wurde von Märtyrern, Heiligen und Engeln, den
Gegenständen der Volksverehrung, verdunkelt und die
collyridianischen Ketzer, die auf dem fruchtbaren Boden
Arabiens blühten, nannten die Jungfrau Maria eine Göttin. Die
Mysterien der Dreieinigkeit und Menschwerdung scheinen dem
Grundsatze der Einheit Gottes zu widerstreiten. Sie führen
drei gleiche Gottheiten ein und verwandeln den Menschen Jesus
in die Wesenheit des Sohnes Gottes; ein orthodoxer Kommentar
kann nur ein gläubiges Gemüt befriedigen; ungezügelte
Forschsucht und rastloser Eifer hatten den Schleier von dem
Heiligtum weggerissen, und jede der orientalischen Sekten
versicherte eifrigst, daß alle übrigen den Vorwurf der
Götzendienerei und Vielgötterei verdienten. Der Glaube
Mohammeds ist frei von Zweideutigkeit, und der Koran legt ein
glorreiches Zeugnis für die Einheit Gottes ab. Der Prophet von
Mekka verwarf die Verehrung von Götzen und Menschen, Sternen
und Planeten, aus dem vernünftigen Grundsatz, daß alles, was
aufgeht untergehen, was geboren ist sterben, was vergänglich
ist verfallen und vergehen muß. Als Urheber des Weltalls
bekannte und betet er ein unendliches und ewiges Wesen ohne
Gestalt an, nicht gezeugt, ohne Gleichen, unseren innersten
Gedanken gegenwärtig, vorhanden durch die Notwendigkeit seiner
eigenen Natur und aus sich selbst alle moralische und
intellektuelle Vollkommenheit schöpfend. Diese erhabenen
Wahrheiten, so in der Sprache des Propheten mitgeteilt, werden
von seinen Schülern festgehalten und von den Auslegern des
Korans mit metaphysischer Genauigkeit bestimmt. Ein
philosophischer Geist könnte den Volksglauben der Mohammedaner
bekennen, der vielleicht für unsere jetzige Fassungskraft zu
erhaben ist. Welcher Gegenstand bleibt für die Phantasie oder
auch nur für den Verstand übrig, wenn wir das unbekannte Wesen
ohne alle Begriffe der Zeit und des Raumes, der Bewegung und
Materie, des Gefühls und Denkens sehen? Das erste Prinzip der
Vernunft und Offenbarung wurde durch die Stimme Mohammeds
bestätigt; seine Proselyten sind von Indien bis Marokko durch
den Namen der Unitarier ausgezeichnet, und der Gefahr des
Götzendienstes ist durch das Verbot der Bilder vorgebeugt
worden. Die Mohammedaner bekennen sich streng zur Lehre vom
ewigen Beschlüsse und unbeschränkter Vorherbestimmung. Sie
kämpfen mit den gewöhnlichen Schwierigkeiten: wie das
Vorherwissen Gottes mit der Freiheit und Zurechnung des
Menschen vereinigen? wie die Macht des Bösen unter der
Herrschaft unendlicher Macht und unendlicher Güte erklären?
Der Gott der Natur ist in allen seinen Werken, und sein Gesetz
ist in das Herz des Menschen geschrieben. Die Kenntnis jener,
die Befolgung dieses herzustellen ist der wirkliche oder
angebliche Zweck der Propheten jedes Zeitalters gewesen.
Mohammed räumte seinen Vorgängern denselben Glauben ein, den
er für sich selbst verlangte und glaubt an Offenbarungen seit
Adam bis zur Kundmachung des Korans. Während dieser Periode
wurden einige Strahlen des prophetischen Lichtes
hundertvierundzwanzigtausend durch Tugend und Gnade
Auserwählten sichtbar, dreihundertzehn Apostel mit besonderer
Vollmacht, ihr Vaterland von Abgötterei und Laster zu bekehren
entsandt, einhundertvier Bände vom heiligen Geist eingegeben,
und sechs Gesetzgeber von besonderer Größe haben den Menschen
die sechs aufeinanderfolgenden Offenbarungen verschiedener
Riten, aber nur einer einzigen unwandelbaren Religion
verkündet. Die Macht und der Rang Adams, Noahs, Abrahams,
Moses', Christus' und Mohammeds stehen in angemessener
Stufenfolge übereinander; wer aber einen einzigen dieser
Propheten haßt oder verwirft, gehört zu den Ungläubigen. Die
Schriften der Patriarchen waren nur in den unechten Exemplaren
der Griechen und Syrer erhalten; das Betragen Adams hatte ihm
keinen Anspruch auf Dank oder Ehrfurcht von seinen Kindern
gegeben. Die sieben Vorschriften Noahs wurden von einer
unteren und unvollkommenen Klasse der Proselyten der Synagoge
beobachtet; das Andenken Abrahams wurde von den Sabäern in
seinem Vaterland Chaldäa verehrt; von den Myriaden Propheten
lebten und herrschten nur Moses und Christus, und der Rest der
vom Geist eingegebenen Schriften war in den Büchern des alten
und neuen Testamentes enthalten.
Die wunderbare Geschichte des Moses findet sich durch den
Koran geheiligt und verschönert, und den gefangenen Juden
genügt die geheime Rache, ihren eigenen Glauben Nationen
auferlegt zu haben, deren neue Glaubensbekenntnisse sie
verlachen. Gegen den Stifter des Christentums lehrte der
Prophet die Mohammedaner eine hohe und mysteriöse Ehrfurcht zu
bewahren. »Fürwahr, Christus Jesus, der Sohn der Maria, ist
der Apostel Gottes, er hauchte sein Wort der Maria ein, und
ein Geist ging von ihm aus, geehrt in dieser und jener Welt
und einer von denjenigen, die Gottes Gegenwart am nächsten
stehen.« Die Wunder der echten und unechten Evangelien werden
ihm verschwenderisch zugeschrieben, und die lateinische Kirche
hat es nicht verschmäht, aus dem Koran die unbefleckte
Empfängnis seiner jungfräulichen Mutter zu entlehnen. Jesus
wird am Tage des Gerichtes durch sein Zeugnis sowohl die Juden
verdammen, die ihn als Propheten verwerfen, wie die Christen,
die ihn nicht als Gottes Sohn anbeten. Seine boshaften Feinde
verleumdeten seinen Ruf und verschworen sich gegen sein Leben;
allein nur ihre Absicht war schuldig, ein Phantom oder
Verbrecher hing statt seiner am Kreuze, der unschuldige
Heilige aber wurde in den siebenten Himmel aufgenommen.
Sechshundert Jahre lang blieb das Christentum der Weg der
Wahrheit und des Heiles, die Christen vergaßen jedoch
allmählich das Gesetz wie das gegebene Beispiel ihres
Stifters, und Mohammed lernte von den Gnostikern Kirche wie
Synagoge der Fälschung des heiligen Textes anzuklagen. Moses
und Christus freuten sich zuversichtlich auf einen künftigen
Propheten, glorreicher als sie selbst; die evangelische
Verheißung des Parakletes oder heiligen Geistes war schon
lange verkündet und ging in Erfüllung in der Person Mohammeds,
des größten und letzten der Apostel Gottes.
Die Verkündigung der Ideen fordert eine gewisse Ähnlichkeit
im Denken und der Redeweise. Die Sprache eines Philosophen
würde einem Bauern gegenüber wirkungslos bleiben; und doch,
wie gering ist der Abstand zwischen ihren Geisteskräften,
verglichen mit einem unendlichen und endlichen Geist, mit dem
Worte Gottes ausgedrückt durch die Zunge oder die Feder eines
Sterblichen! Die Begeisterung der hebräischen Propheten, der
Apostel und Evangelisten Christi war gewiß mit ihrer Vernunft
und ihrem Gedächtnisse nicht unvereinbar; ja die Schreibart
der Bücher des alten und neuen Testaments zeigt die starke
Verschiedenheit ihrer Talente. Mohammed begnügte sich mit dem
anspruchslosen aber erhabeneren Charakter eines einfachen
Herausgebers; die Substanz des Korans ist, ihm selbst oder
seinen Schülern zufolge, unerschaffen und ewig, im Wesen der
Gottheit ruhend und mit leuchtendem Griffel auf die Tafel
seiner ewigen Beschlüsse geschrieben. Eine Abschrift auf
Papier wurde in einem Einband von Seide und Edelsteinen in den
untersten Himmel durch den Engel Gabriel gebracht, der unter
der jüdischen Haushaltung allerdings mit den wichtigsten
Sendungen beauftragt wurde; und dieser treue Bote offenbarte
dem arabischen Propheten nach und nach die Kapitel und Verse.
Statt einer dauernden, vollkommenen Urkunde des göttlichen
Willens wurden die Bruchstücke des Korans nach Mohammeds
Ermessen vorgebracht; jede Offenbarung ist seiner Politik oder
Leidenschaft angepaßt, und aller Widerspruch wird durch die
rettende Maxime beseitigt, daß jeder Text der Schrift durch
jede folgende Stelle abgeschafft oder verändert werden könne.
Das Wort Gottes und seines Apostels wurde von seinen Jüngern
emsig auf Palmblätter und auf Schulterknochen von Hammeln
niedergeschrieben und die Blätter ohne Ordnung und
Zusammenhang in einen dem Hausgebrauch dienenden Kasten
geworfen, den eine seiner Frauen aufbewahrte. Zwei Jahre nach
Mohammeds Tod sammelte sein Freund und Nachfolger Abubeker das
heilige Buch und gab es heraus. Kalif Othman sah das Werk im
dreißigsten Jahre der Hegira durch, und die verschiedenen
Ausgaben des Koran erheben sämtlich auf das wunderbare
Privilegium eines gleichen und unverfälschten Textes Anspruch.
Aus Schwärmerei oder Eitelkeit gründet der Prophet die
Wahrheit seiner Sendung auf das Buch, fordert verwegen
Menschen und Engel heraus, die Schönheit einer einzigen Seite
nachzuahmen und wagt zu behaupten, daß nur Gott das
unvergleichliche Werk inspirieren konnte. Ein derartiger
Beweis spricht mit größter Macht zu dem frommen Araber, dessen
Seele gläubig und verzückt ist, der durch die Musik der Worte
in Wonne versetzt wird und dessen Unwissenheit nicht imstande
ist, die Erzeugnisse des menschlichen Geistes zu vergleichen.
Die Harmonie des Stils kann in einer Übersetzung nicht zu den
europäischen Ungläubigen dringen; er wird ungeduldig die
endlos unzusammenhängende Rhapsodie von Fabel, Lehre und
Deklamation zu lesen, die nur selten ein Gefühl oder eine Idee
anregt, bald im Staube kriecht und bald sich in den Wolken
verliert. In seiner Phantasie ahnte der arabische Glaubensbote
die Eigenschaften Gottes, aber sein höchster Flug steht tief
unter der erhabenen Einfachheit des in einem fernen Zeitalter
in demselben Lande und derselben Sprache verfaßten Buches
Hiob. Wenn die Abfassung des Korans menschliche Kraft
übersteigt, welcher höheren Intelligenz müßten wir die Iliade
des Homer oder die Philippiken des Demosthenes zuschreiben! In
allen Religionen ergänzt das Leben des Stifters seine
schriftlichen Offenbarungen; die Aussprüche Mohammeds galten
als ebensoviele Lehren der Wahrheit, seine Handlungen als
ebensoviele Beispiele der Tugend, und seine Frauen und
Gefährten erhielten das Andenken an sie. Nach Verlauf von
zweihundert Jahren wurde die Sunna oder das mündliche Gesetz
von Al Bochari, der siebentausendzweihundertfünfundsechzig
Überlieferungen und dreihunderttausend Sagen zweifelhafter und
verdächtiger Natur voneinander schied, festgesetzt und
geheiligt. Jeden Tag betete der fromme Verfasser im Tempel von
Mekka und verrichtete seine Waschungen mit dem Wasser des
Zemzem. Die Blätter wurden nacheinander auf der Kanzel und dem
Grabe des Apostels niedergelegt und das Werk ist von den vier
orthodoxen Sekten der Sunniten gebilligt worden.
Die Sendung der alten Propheten, Moses und Jesus, war durch
viele glänzende Wunder beglaubigt worden. Mohammed wurde von
den Bewohnern von Mekka und Medina wiederholt gedrängt, einen
ähnlichen Beweis seines göttlichen Auftrages zu liefern, den
Engel oder das Buch seiner Offenbarung vom Himmel herabzurufen,
einen Garten in der Wüste zu schaffen oder Flammen auf die
ungläubige Stadt regnen zu lassen. So oft er von den
Koreischiten gedrängt wird, beruft er sich auf Geschichte und
Prophezeiung, auf die inneren Beweise seiner Lehre und
verbirgt sich hinter der Vorsehung Gottes, die Zeichen und
Wunder verweigere, die das Verdienst des Glaubens schmälern
und die Schuld des Unglaubens mehren würden. Aber der demütige
Ton seiner Ausflüchte verrät seine Schwäche und seinen Ärger,
und diese ihm keine Ehre bringenden Stellen setzen die
Unverfälschtheit des Koran außer Zweifel. Die Anhänger
Mohammeds sind seiner Gabe Wunder zu wirken sicherer als er
selbst; ihre Zuversicht und Leichtgläubigkeit wächst im Maße
der Entfernung von Zeit und Ort seiner geistigen Großtaten.
Sie glauben oder behaupten, daß Bäume ihm entgegengingen,
Steine ihn grüßten, Wasser aus seinen Fingern strömte, daß er
die Hungrigen sättigte, die Kranken heilte und die Toten
erweckte; daß ein Balken ihm zuächzte, ein Kamel bei ihm
klagte, ein Hammelsviertel ihm eröffnete, daß es vergiftet
sei, kurz, daß die lebendige wie die leblose Natur dem Apostel
Gottes in gleichem Grade untertan war. Die nächtliche
Traumreise wird in einen wirklichen und körperlichen Vorgang
verwandelt. Ein geheimnisvolles Tier, Borak, brachte ihn von
dem Tempel von Mekka nach dem von Jerusalem; mit seinem
Gefährten Gabriel stieg er zu den sieben Himmeln empor, wo er
Begrüßungen mit Patriarchen, Propheten und Engeln austauschte.
Über den siebenten Himmel hinaus durfte nur Mohammed schweben;
er schritt durch den Schleier der Einheit, trat dem Throne bis
auf zwei Bogenschußweiten nahe und fühlte eine
unaussprechliche Kälte sein Herz durchdringen, als die Hand
Gottes seine Schulter berührte. Nach dieser geheimen aber
wichtigen Besprechung stieg er wieder nach Jerusalem hinab,
setzte sich abermals auf den Borak, kehrte nach Mekka zurück
und vollendete im zehnten Teil einer Nacht eine Reise von
vielen tausend Jahren. Nach einer anderen Legende kam der
Apostel in einer Nationalversammlung der boshaften
Aufforderung der Koreischiten nach. Durch sein
unwiderstehliches Wort spaltete er die Scheibe des Mondes; der
gehorsame Planet schwebte von seinem Platz am Himmel nieder,
vollendete seine sieben Rundgänge um die Kaaba, begrüßte
Mohammed in arabischer Sprache, verkleinerte plötzlich seinen
Umfang, schlüpfte zum Kragen seines Hemdes hinein und kam zum
Ärmel heraus. Der große Haufen ergötzt sich an diesen
Wundergeschichten, aber die ernstesten muselmanischen
Gottesgelehrten ahmen die Bescheidenheit ihres Meisters nach
und gestatten Weite des Glaubens oder der Auslegung. Sie
können mit Recht anführen, daß es, um Religionen zu lehren,
nicht nötig sei, die Harmonie der Natur zu verletzen, daß ein
von Mysterien nicht umwölkter Glaube die Wunder entbehren
könne und daß das Schwert Mohammeds nicht minder mächtig
gewesen sei, als der Stab Moses.
Der Polytheist wird durch die Vielfachheit des Aberglaubens
erdrückt und unsicher; tausend Zeremonien ägyptischen
Ursprungs waren mit dem mosaischen Gesetze verwoben und der
Geist des Evangeliums schwand im Prunk der Kirche. Der Prophet
von Mekka folgte dem Vorurteile oder der Politik oder der
Vaterlandsliebe, indem er die Zeremonien der Araber und die
Gewohnheit heiligte, den heiligen Stein der Kaaba zu besuchen.
Aber Mohammeds Vorschriften selbst schärfen einfache und
vernünftige Frömmigkeit ein. Beten, Fasten, Almosengeben sind
die religiösen Pflichten eines Muselmanes, der durch die
Hoffnung belebt wird, daß das Gebet ihn auf den halben Weg zu
Gott, das Fasten bis an das Tor des Paradieses bringe, das
Almosengeben dort Einlaß verschaffe. I. Nach der Sage der
nächtlichen Reise hatte der Apostel bei seiner persönlichen
Besprechung mit Gott den Befehl erhalten, seinen Jüngern die
Verpflichtung aufzuerlegen, täglich fünfzig Gebete zu beten.
Auf Moses Rat bat er um eine Erleichterung dieser
unerträglichen Bürde, und die Zahl wurde allmählich auf fünf
herabgesetzt, von denen keine Befreiung durch Geschäft oder
Vergnügen, Zeit oder Ort möglich war. Die Andacht des
Gläubigen wird mit Tagesanbruch, zu Mittag, des Nachmittags,
des Abends und zur ersten Nachtwache gehalten. Bei dem
gegenwärtigen Sinken religiöser Inbrunst sind unsere Reisenden
durch die tiefe Demut und Aufmerksamkeit der Türken und Perser
überrascht worden. Reinlichkeit ist der Schlüssel zum Gebet;
die häufigen Waschungen der Hände, des Antlitzes und des
Körpers, die bei den Arabern von jeher üblich waren, werden
durch den Koran feierlich eingeschärft, der die förmliche
Erlaubnis enthält, bei Wassermangel Sand anzuwenden. Die Worte
und Stellungen beim Beten, je nachdem dies stehend, sitzend
oder kniend geschah, sind durch Gewohnheit oder Gesetz
vorgeschrieben, aber das Gebet selbst besteht in kurzen und
inbrünstigen Ausrufungen. Der Eifer wird durch keine
langwierige Liturgie erschöpft, und jeder Mohammedaner hat für
sich selbst den Charakter eines Priesters. Unter Deisten, die
den Gebrauch der Bilder verwerfen, fand man es für notwendig,
den Verirrungen der Phantasie einen Zaum anzulegen, indem man
Augen und Gedanken nach einem Kebla oder sichtbaren Punkt des
Horizontes richtete. Der Prophet war zuerst geneigt, den Juden
durch die Wahl von Jerusalem zu schmeicheln; er entschied sich
jedoch bald für Mekka, und jeden Tag fünfmal wenden sich die
Blicke der Nationen in Astrachan, in Fez, in Delhi mit
Frömmigkeit gegen den Tempel dieser Stadt. Jeder Platz ist zur
Gottesverehrung gleich rein; die Mohammedaner beten ohne
Unterschied in ihrem Gemach oder auf der Straße. Zum
Unterschied von den Gebräuchen bei Christen und Juden ist der
Freitag jeder Woche für den öffentlichen Gottesdienst
bestimmt. Das Volk versammelt sich in der Moschee, und der
Imam oder ein ehrwürdiger Ältester besteigt die Kanzel, um das
Gebet zu beginnen und die Predigt zu halten. Die
mohammedanische Religion kennt weder Päpste noch Opfer, und
der unabhängige, schwärmerische Mohammedaner blickt mit
Verachtung auf die Diener und Sklaven der anderen Religionen.
II. Die freiwilligen Bußübungen der Asketen, ihres Lebens Qual
und Ruhm, waren einem Propheten verhaßt, der ein vorschnelles
Gelübde seiner Gefährten, sich von Fleisch, Weibern und Schlaf
zu enthalten, tadelte und fest erklärte, er würde keine Mönche
in seiner Religion dulden. Nichtsdestoweniger führte er in
jedem Jahre eine dreißigtägige Fastenzeit ein und empfahl
streng ihre Beobachtung als eine Einrichtung, welche die Seele
reinige und den Leib unterwerfe und als Übung des Gehorsams im
Willen Gottes und seines Apostels. Im Monat Ramadan enthält
sich der Mohammedaner von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang
der Speise, des Trankes, der Frauen, des Bades und der
Wohlgerüche, jeder Nahrung, die seine Kraft wiederherstellen
und jedes Vergnügens, das seine Sinne ablenken kann. Durch die
Veränderlichkeit des Mondjahres ist der Ramadan bald im kalten
Winter, bald im heißen Sommer, und der geduldige Märtyrer muß,
ohne seinen Durst auch nur durch einen Tropfen Wasser zu
mildern, das Ende eines langen und schwülen Tages abwarten.
Das einigen Priester- und Einsiedlerorden eigentümliche Verbot
des Weintrinkens ist von Mohammed allein in ein positives und
allgemeines Gesetz verwandelt worden, und ein beträchtlicher
Teil der Menschen hat auf sein Geheiß den Genuß dieses
heilsamen, obschon gefährlichen Getränkes abgeschworen. Dieser
peinliche Zwang wird ohne Zweifel von dem Schwelger gebrochen
und von dem Heuchler umgangen; aber man kann deshalb den
Gesetzgeber, der ihn auferlegte, nicht beschuldigen, er habe
seine Proselyten durch die Erlaubnis zügelloser Befriedigung
ihrer sinnlichen Begierden angelockt. III. Die Mildtätigkeit
der Mohammedaner erstreckt sich bis zum Tier, und der Koran
schärft, nicht als Verdienst, sondern als strenge und
unerläßliche Pflicht ein, dem Dürftigen und Unglücklichen
beizuspringen. Mohammed ist vielleicht der einzige
Gesetzgeber, der das Maß der Mildtätigkeit genau bestimmt hat;
zwar kann dasselbe nach dem Grad und der Beschaffenheit des
Eigentums, je nachdem dasselbe in Geld, Korn oder Vieh, in
Früchten oder Waren besteht, wechseln; aber der Mohammedaner
erfüllt das Gesetz nicht, wenn er nicht den zehnten Teil
seines Einkommens dazu verwendet, und wenn er sich des
Betruges oder der Erpressung schuldig weiß, soll das Zehntel
in ein Fünftel zur Wiedergutmachung verwandelt werden.
Wohlwollen ist die Grundlage der Gerechtigkeit, weil das
Gebot, jemandem Hilfe zu leisten, das Verbot in sich schließt,
ihm ein Unrecht zuzufügen. Ein Prophet kann die Geheimnisse
des Himmels und der Zukunft enthüllen, aber in seinen
moralischen Vorschriften kann er nur die Lehren unserer
eigenen Herzen wiederholen.
Die beiden Glaubensartikel und die vier praktischen
Pflichten des Islams werden durch Belohnungen und Strafen
gehütet, und der Mohammedaner glaubt fest und fromm an ein
letztes Gericht und an einen jüngsten Tag. Der Prophet hat
nicht gewagt, den Zeitpunkt dieser furchtbaren Katastrophe zu
bestimmen, wohl aber die Zeichen im Himmel und auf Erden
dunkel verkündet, die der allgemeinen Auflösung vorangehen,
bei der die Leben zerstört werden und die Ordnung der
Schöpfung in das ursprüngliche Chaos zurückfallen wird. Auf
den Ton der Trompete werden neue Welten zum Dasein gelangen;
Engel, Genien und Menschen werden von den Toten auferstehen,
und die Seele wird wieder mit dem Körper vereinigt werden. Die
Lehre von der Wiederauferstehung wurde zuerst von den Ägyptern
geglaubt, die Körper einbalsamierten und die Pyramiden bauten,
um die alte Hülle der Seele während einer Periode von
dreitausend Jahren zu bewahren. Aber dieses Verfahren ist
zwecklos; mit philosophischem Geist verläßt sich Mohammed auf
die Allmacht des Schöpfers, dessen Wort den Staub wieder
beleben und die zahllosen Atome sammeln kann, die ihre Form
und ihr Wesen nicht beibehalten hatten. Der Zustand der Seele,
bis dies geschieht, ist schwer zu beschreiben, und selbst
diejenigen, die am festesten an ihre unkörperliche Natur
glauben, sind in Verlegenheit, zu begreifen, wie sie ohne
Hilfe der Sinneswerkzeuge denken oder handeln können.
Der Wiedervereinigung der Seele mit dem Leibe folgt das
letzte Gericht; aber der Prophet hat in seiner Kopie des
Gemäldes der Magier die Form des Verfahrens, ja sogar die
Trägheit eines irdischen Tribunals zu treu nachgeahmt. Von
seinen unduldsamen Gegnern wird er geschmäht, weil er die
Hoffnung auf Heil sogar auf sie selbst ausdehnt und die
schwärzeste aller Ketzereien begehe, indem er nämlich
behaupte, daß jeder Mensch, der an Gott glaube und gute Werke
tue, am Jüngsten Tag ein günstiges Urteil erwarten dürfe. Eine
solche vernünftige Gleichgültigkeit paßt schlecht zum
Charakter eines Schwärmers, und es ist nicht wahrscheinlich,
daß ein Bote des Himmels den Wert und die Notwendigkeit seiner
eigenen Offenbarung herabsetzt. In der Sprache des Korans ist
der Glaube an Gott unzertrennlich von jenem an Mohammed; gute
Werke sind jene, die er geboten hat; und in diesen beiden
Merkmalen liegt das Bekenntnis des Islams, zu dem alle
Nationen und alle Sekten ohne Unterschied zugelassen werden.
Ihre geistige Blindheit, wenn auch durch Unwissenheit
entschuldigt und mit Tugenden gekrönt, wird mit ewigen Qualen
bestraft werden, und die Tränen, die Mohammed über dem Grabe
seiner Mutter vergießt, für die zu beten ihm nicht erlaubt
war, enthüllen einen auffallenden Gegensatz von Menschlichkeit
und Schwärmerei. Die Verdammung der Ungläubigen ist allgemein;
das Maß ihrer Schuld und Strafe richtet sich nach der Größe
des Beweises der Religion Mohammeds, den sie verworfen und
nach den Irrtümern, die sie bekannt haben; die ewigen
Wohnungen der Christen, Juden, Sabäer, Magier und Götzendiener
liegen im Abgrund eine unter der anderen, und der unterste
Raum ist den treulosen Heuchlern vorbehalten, welche die
Religion als Maske benützen. Nachdem der größere Teil der
Menschheit ihrer Meinung wegen verdammt worden ist, werden die
echten Gläubigen nach ihren Taten gerichtet. Das Gute und
Böse, das jeder Mohammedaner vollbracht hat, wird genau
abgewogen, wobei eine sonderbare Art der Gegenrechnung zum
Ersatz der Unbilden stattfindet; der Beleidiger muß zugunsten
der Person, der er Unrecht getan, eine seiner eigenen guten
Handlungen abtreten, und wenn er gar kein moralisches Eigentum
besitzt, wird seine Sündenlast um einen angemessenen Teil der
Fehler der Beleidigten beschwert. Je nachdem Schuld oder
Tugend überwiegt, wird das Urteil gefällt werden. Alle aber
müssen ohne Unterschied über die scharfe und gefährliche
Brücke des Abgrundes gehen; die Unschuldigen, in Mohammeds
Fußstapfen wandelnd, werden ruhmvoll durch die Tore des
Paradieses schreiten, während die Schuldigen in die erste und
mildeste der sieben Höllen stürzen. Die Zeit der Buße wechselt
von neunhundert bis siebentausend Jahren; aber der Prophet hat
weislich verheißen, daß alle seine Jünger, wie groß auch ihre
Sünden sein mögen, durch ihren eigenen Glauben und seine
Fürbitte gerettet werden würden. Es ist nicht zu verwundern,
daß der Aberglaube auf die Furcht seiner Anhänger am
mächtigsten wirkt, weil sich die menschliche Phantasie das
Elend eines zukünftigen Lebens mit weit größerer Kraft
ausmalen kann als die Seligkeit. Mit der Finsternis und dem
Feuer können wir ein Gefühl der Pein verbinden, das durch den
Begriff der endlosen Dauer bis zu einem unendlichen Grad
verschärft werden kann. Derselbe Begriff bewirkt aber einen
entgegengesetzten Erfolg bezüglich der Freudendauer, denn
unser Genuß hienieden ist meist schon durch das Aufhören des
Übels bedingt. Es ist sehr natürlich, daß ein arabischer
Prophet bei den Hainen, Brunnen und Strömen des Paradieses
verweilte. Statt aber den gesegneten Einwohnern einen edlen
Geschmack für Harmonie und Wissen, Umgang und Freundschaft
einzuhauchen, preist er eitel die Perlen und Diamanten, die
seidenen Gewänder, Marmorpaläste, goldenen Schüsseln, reichen
Weine, köstlichen Leckereien, zahlreiche Dienerschaft und den
ganzen Troß sinnlicher Üppigkeit, der für seine Genießer
selbst in der kurzen Periode dieses irdischen Lebens schal
wird. Zweiundsiebzig Huris oder schwarzäugige Mädchen von
glänzender Schönheit, blühender Jugend, jungfräulicher
Reinheit und ausgesuchter Empfindlichkeit werden zum Vergnügen
des geringsten Gläubigen geschaffen; ein Augenblick des
Vergnügens wird auf tausend Jahre verlängert, und seine Kräfte
werden um das Hundertfache vermehrt, um ihn seiner Seligkeit
würdig zu machen. Obschon gewöhnlich das Gegenteil geglaubt
wird, werden doch die Tore des Himmels für beide Geschlechter
offen stehen. Mohammed hat aber den auserwählten Frauen keine
männlichen Gefährten zugewiesen, entweder um nicht die
Eifersucht früherer Gatten zu erregen oder ihr Glück nicht
durch die Besorgnis vor einer ewigen Ehe zu stören. Dieses
Bild eines fleischlichen Paradieses hat die Entrüstung,
vielleicht den Neid der Mönche erregt; sie ziehen gegen die
unreine Religion Mohammeds los, und seine bescheidenen
Verteidiger geben als armselige Ausflucht an, daß dies Bilder
und Allegorien seien. Aber die vernünftigere Partei bleibt
folgerichtig ohne Scham bei der buchstäblichen Auslegung des
Korans: zwecklos wäre ja die Auferstehung des Leibes, wenn er
nicht wieder in den Besitz seiner besten Fähigkeiten kommen
würde, und die Vereinigung des sinnlichen und geistigen
Genusses ist notwendig, um das Glück des Doppelwesens, des
vollkommenen Menschen, zu vervollständigen. Aber die Freuden
des mohammedanischen Paradieses werden nicht auf bloße
Üppigkeit und Sinnengenuß beschränkt sein, und der Prophet hat
ausdrücklich erklärt, daß die Heiligen und Märtyrer, die zur
Seligkeit des Anschauens Gottes gelangen, jedes niedrige Glück
vergessen und verachten werden.
Die ersten und schwierigsten Eroberungen Mohammeds waren
die seiner Gattin, seines Dieners, seines Zöglings und seines
Freundes, weil er sich als Prophet denjenigen kundgab, die
seine Schwächen als Mensch am besten kannten. Dennoch glaubte
Kadidschah den Worten und glühte für den Ruhm ihres Gatten;
der gehorsame und zugetane Seid wurde durch die Aussicht auf
Freiheit gewonnen; der berühmte Ali, Abu Talebs Sohn, erfaßte
die Ansichten seines Vetters mit dem Geiste eines Helden. Der
reiche, mäßige, wahrheitsliebende Abubeker bekräftigte die
Religion des Propheten, dem er nachzufolgen bestimmt war.
Durch seine Überredung wurden zehn der achtbarsten Bürger
Mekkas veranlaßt, dem Geheimunterricht im Islam beizuwohnen;
sie ließen sich durch Vernunft und Schwärmerei fesseln und
wiederholten das Grundbekenntnis: »Es ist nur ein Gott und
Mohammed ist sein Prophet!« und ihr Glaube wurde noch in
diesem Leben mit Reichtümern und Ehrenstellen, mit dem Befehl
über Heere und der Regierung von Königreichen belohnt. Drei
Jahre vergingen in der Stille mit Bekehrung von vierzehn
Proselyten, den ersten Anhängern seiner Lehre; im vierten
Jahre aber übernahm er das Amt eines Propheten. Mit dem
Entschluß, seiner Familie das Licht der göttlichen Wahrheit zu
offenbaren, bereitete er ein Mahl, ein Lamm wie es heißt, und
einen Krug Milch zur Bewirtung von vierzig Gästen aus dem
Geschlecht Haschem. »Freunde und Vettern«, sprach Mohammed zu
der Versammlung, »ich biete euch, ich allein kann euch die
Schätze dieser Welt und der zukünftigen bieten. Gott hat mir
befohlen, euch zu seinem Dienst zu berufen. Wer unter euch
will meine Last tragen? Wer unter euch will mein Genosse und
mein Vezir sein?« Keine Antwort erfolgte, bis endlich das
staunende, zweifelnde und verachtende Schweigen durch den
ungestümen, mutigen Ali, einen vierzehnjährigen Jüngling,
gebrochen wurde. »O Prophet, ich bin der Mann; wer gegen dich
aufsteht, dem will ich die Zähne zerschmettern, die Augen
ausreißen, die Beine brechen, den Bauch aufschlitzen. O
Prophet, ich will dein Vezir über sie sein.« Mohammed nahm
dieses Anerbieten mit Entzücken an, und Abu Taleb wurde
ironisch ermahnt, die höhere Würde seines Sohnes zu ehren. In
ernsterem Tone riet Alis Vater seinem Neffen, den
unausführbaren Plan aufzugeben. »Spare deine Vorstellungen«,
erwiderte der unerschrockene Schwärmer seinem Oheim und
Wohltäter, »und wenn man die Sonne zu meiner Rechten und den
Mond zu meiner Linken stellte, würden sie mich nicht von
meiner Bahn ablenken.« Er beharrte zehn Jahre in Erfüllung
seiner Sendung; aber die Religion, die sich über den Osten und
Westen verbreitet hat, machte innerhalb der Mauern von Mekka
nur langsame und mühselige Fortschritte. Indessen genoß
Mohammed die Genugtuung, seine kleine Gemeinde der Unitarier,
die ihn als einen Propheten verehrten und denen er zur
günstigen Zeit die geistige Nahrung des Korans spendete,
wachsen zu sehen. Die Zahl der Proselyten kann an der
Verminderung von dreiundachtzig Männern und achtzehn Frauen
ermessen werden, die sich im siebenten Jahre seiner Sendung
nach Äthiopien zurückzogen. Seine Partei wurde durch die
wichtige Bekehrung seines Oheims Hamza und des wilden und
unbeugsamen Omar verstärkt, der zugunsten des Islams denselben
Feuereifer bewährte, den er zu dessen Vernichtung an den Tag
gelegt hatte. Auch war die Freigebigkeit Mohammeds nicht auf
den Stamm Koreisch und den Bereich von Mekka beschränkt; an
feierlichen Festen, in den Tagen der Wallfahrt besuchte er die
Kaaba, mischte sich unter die Fremden jedes Stammes und drang
sowohl in Privatgesprächen als in öffentlichen Reden auf den
Glauben und die Verehrung einer einzigen Gottheit. Im
Bewußtsein seines Rechtes wie seiner Schwäche berief er sich
auf Gewissensfreiheit und verwarf die Anwendung religiösen
Zwanges; aber er forderte die Araber zur Reue auf und beschwor
sie, der alten Götzendiener von Ad und Thamud zu gedenken,
welche die göttliche Gerechtigkeit von der Erde getilgt hatte.
Das Volk von Mekka war in seinem Unglauben durch
Aberglauben und Neid verhärtet. Die Ältesten der Stadt, die
Oheime des Propheten, erkünstelten Verachtung gegen eine
verwegene Waise, die sich zum Reformator seines Vaterlandes
aufspielen wollte. Die frommen Reden Mohammeds in der Kaaba
wurden von Abu Talebs Geschrei unterbrochen: »Mitbürger und
Pilger, höret nicht auf den Versucher, horchet nicht auf seine
ruchlosen Neuerungen, beharret fest auf der Verehrung von AI
Lata und AI Uzzach.« Der Sohn Abdallahs blieb jedoch dem
greisen Häuptling stets teuer, und er schützte den Ruf und die
Person seines Neffen gegen die Angriffe der auf den Vorrang
der Familie Haschern seit langer Zeit eifersüchtigen
Koreischiten. Ihre Bosheit verbarg sich unter dem Gewande der
Religion; zur Zeit Hiobs wurde das Verbrechen der
Gottlosigkeit von dem arabischen Richter bestraft, und
Mohammed hatte die Schuld der Abtrünnigkeit und Verleugnung
der Nationalgottheiten auf sich geladen. Aber so wenig strenge
waren die Gesetze von Mekka, daß die Häupter der Koreischiten,
statt einen Verbrecher anzuklagen, gezwungen waren, zu
Überredung oder Gewalt zu greifen. Sie wandten sich an Abu
Taleb oft in vorwurfsvollem und drohendem Tone: »Dein Neffe
schmäht unsere Religion. Er beschuldigt unsere weisen
Altvordern der Unwissenheit und Narrheit. Bringe ihn schnell
zum Schweigen, sonst entzündet er in der Stadt Tumult und
Zwietracht. Wenn er dabei beharrt, werden wir unsere Schwerter
gegen ihn und seine Anhänger ziehen, und du wirst für das Blut
deiner Mitbürger verantwortlich sein.« Der einflußreiche und
gemäßigte Abu Taleb vereitelte die Gewalttätigkeit der Partei
der alten Religion; die hilflosesten oder furchtsamsten Jünger
des Propheten wanderten nach Äthiopien aus, und er selbst zog
sich in feste Plätze in der Stadt oder auf dem Lande zurück.
Da er noch immer von seiner Familie beschützt wurde,
verpflichteten sich die übrigen Mitglieder des Stammes
Koreisch, allen Verkehr mit den Kindern Haschems abzubrechen,
von ihnen weder zu kaufen noch ihnen zu verkaufen, sie weder
zur Ehe zu nehmen noch ihnen Frauen zur Ehe zu geben, sondern
sie mit unversöhnlichem Hasse zu verfolgen, bis sie Mohammed
der göttlichen Gerechtigkeit überliefert haben würden. Der
Beschluß wurde in der Kaaba vor den Augen der versammelten
Nation angeschlagen. Die Gesandten der Koreischiten verfolgten
die mohammedanischen Verbannten im Herzen von Afrika,
belagerten den Propheten und seine getreuesten Anhänger,
beraubten sie des Wassers und entflammten ihre gegenseitige
Feindschaft durch Wiedervergeltung der Unbilden und
Beleidigungen. Ein zweifelhafter Waffenstillstand stellte
scheinbare Eintracht her, bis der Tod des Abu Taleb Mohammed
der Macht seiner Feinde in einem Augenblick preisgab, als er
durch den Verlust der treuen und edelmütigen Kadidschah seiner
häuslichen Trösterin beraubt wurde. Abu Sophian, das Oberhaupt
des Hauses Ommijah, folgte in der Regierung der Republik
Mekka. Ein eifriger Verehrer der Götzen, ein Todfeind des
Hauses Haschern, berief er eine Versammlung der Koreischiten
und ihrer Bundesgenossen, um über das Schicksal des Propheten
zu entscheiden. Seine Einkerkerung hätte die Fanatiker zur
Verzweiflung treiben können, und die Verbannung eines beredten
und beliebten Schwärmers würde das Unheil über die Provinzen
von Arabien verbreitet haben. Daher wurde sein Tod
beschlossen, und man kam überein, daß jeder Stamm ein Schwert
in seine Brust stoßen solle, um die Blutschuld zu teilen und
die Rache der Haschemiten zu vereiteln. Ein Engel oder Spion
enthüllte die Verschwörung, und die Flucht war das einzige
Hilfsmittel Mohammeds. In tiefer Nacht entwich er, nur von
seinem Freunde Abubeker begleitet, in der Stille aus seinem
Hause; die Mörder wachten, wurden aber durch Ali getäuscht,
der auf dem Lager ruhte und mit dem grünen Gewand des
Propheten bekleidet war. Die Koreischiten ehrten die
Aufopferung des heldenmütigen Jünglings. Ein paar noch
vorhandene Verse Alis geben ein interessantes Bild von seiner
Angst, Liebe und religiösen Zuversicht. Drei Tage waren
Mohammed und sein Gefährte in der Höhle von Tor, ungefähr eine
Stunde von Mekka, verborgen, und an jedem Abend empfingen sie
durch den Sohn und die Tochter Abubekers insgeheim Nachricht
und Nahrung. Die emsigen Koreischiten durchforschten jeden
Winkel in der Nähe der Stadt; sie kamen zum Eingang der Höhle,
aber ein Spinnengewebe und ein Taubennest sollen sie überzeugt
haben, daß der Platz einsam und unbetreten sei. »Wir sind nur
zwei«, sagte der zitternde Abubeker. »Noch ein dritter ist da,
Gott selbst«, erwiderte der Prophet. Kaum war die Suche
vorüber, so verließen die beiden Flüchtlinge ihre Felsen und
bestiegen die Kamele; auf dem Wege nach Medina wurden sie von
Sendungen der Koreischiten eingeholt, aus deren Händen sie
sich durch Bitten und Versprechungen lösten. In diesem
wichtigen Augenblick hätte die Lanze eines Arabers die
Weltgeschichte umgestalten können. Die Flucht von Mekka nach
Medina hat die merkwürdige Zeitrechnung der Hedschra
begründet, die nach Verlauf von vierzehn Jahrhunderten noch
immer die Mondjahre der mohammedanischen Religion bezeichnet.
Die Religion Mohammeds würde in der Wiege erstickt worden
sein, wenn Medina nicht mit Glauben und Ehrfurcht die heiligen
Vertriebenen von Mekka empfangen hätte. Medina oder die Stadt,
bekannt unter dem Namen Yathreb, war, bevor sie durch den
Thron des Propheten geheiligt wurde, zwischen den Stämmen der
Charegiten und Awsiten geteilt, deren erbliche Fehde bei der
geringsten Veranlassung aufloderte; zwei jüdische Kolonien,
die sich priesterlicher Herkunft rühmten, waren ihre geringen
Bundesgenossen, und ohne die Araber zu bekehren, führten sie
Wissenschaft und Religion ein, was Medina den Titel Stadt des
Buches gab. Einige ihrer edelsten Bürger waren auf einer
Wallfahrt nach der Kaaba durch Mohammeds Predigt bekehrt
worden; nach ihrer Rückkehr verbreiteten sie den Glauben an
Gott und seinen Propheten, und das neue Bündnis wurde durch
ihre Abgesandten in zwei nächtlichen, geheimen Zusammenkünften
auf einem Berg in den Vorstädten von Mekka geschlossen. In der
ersten vereinigten sich zehn Charegiten und zwei Awsiten in
Glauben und Liebe und beteuerten im Namen ihrer Weiber, Kinder
und abwesenden Brüder, daß sie für immer den Glauben des
Korans bekennen und seine Vorschriften befolgen würden. Die
zweite diente einem politischen Bündnis: Der erste Lebensfunke
des Reiches der Sarazenen. Dreiundsiebzig Männer und zwei
Frauen aus Medina hielten eine feierliche Unterredung mit
Mohammed, seinen Verwandten und Jüngern und banden sich durch
gegenseitigen Eid der Treue. Sie versprachen im Namen der
Stadt, daß sie, wenn er verbannt werden sollte, ihn als ihren
Bundesgenossen aufnehmen, ihm als ihrem Anführer folgen und
ihn gleich ihren eigenen Weihern und Kindern bis zum letzten
Atemzug verteidigen würden. »Aber wenn du von deiner
Vaterstadt zurückgerufen wirst«, fragten sie mit
schmeichelnder Besorgnis, »wirst du nicht deine neuen Freunde
verlassen?« »Alle Dinge«, erwiderte Mohammed lächelnd, »sind
nun zwischen uns gemein; euer Blut ist mein Blut, euer
Verderben mein Verderben. Wir sind durch die Bande der Ehre
und des Interesses aneinandergekettet. Ich bin euer Freund und
der Feind eurer Feinde.« »Aber wenn wir in deinem Dienst
getötet werden, was wird dann unser Lohn sein?« riefen die
Abgesandten von Mekka aus. »Das Paradies!« versetzte der
Prophet. »Strecke deine Hand aus!« Er streckte sie aus, und
sie wiederholten den Eid der Anhänglichkeit und Treue. Ihr
Vertrag wurde vom Volke genehmigt, das sich einmütig zum Islam
bekannte. Sie freuten sich der Verbannung des Propheten,
zitterten aber für sein Leben und erwarteten ungeduldig seine
Ankunft. Nach einer gefährlichen, eiligen Reise längs der
Küste machte er in Koba halt und feierte seinen öffentlichen
Einzug in Medina sechzehn Tage nach seiner Flucht aus Mekka.
Fünfhundert Bürger gingen Mohammed entgegen, er wurde mit
Freudengeschrei empfangen; er saß auf einer Kamelstute, ein
Sonnenschirm beschattete sein Haupt und ein Turban war vor ihm
entfaltet, um als Fahne zu dienen. Seine tapfersten Jünger,
die durch den Sturm zerstreut worden waren, sammelten sich um
ihn, und die Verdienste der Moslems wurden mit den Namen
Mohagerianer und Ansaren, die Flüchtlinge von Mekka und die
Bundesgenossen von Medina, belohnt, Um den Samen der
Eifersucht auszurotten, vereinte Mohammed seine vornehmsten
Anhänger, indem er ihnen die Rechte und Pflichten von Brüdern
auferlegte, und als sich Ali ohne Genossen fand, erklärte der
Prophet liebevoll, daß er der Gefährte und Bruder des edlen
Jünglings sein wolle. Das Mittel war von Erfolg gekrönt; die
heilige Brüderschaft wurde im Frieden und im Kriege geachtet,
und die beiden Parteien wetteiferten hochherzig miteinander an
Mut und Treue. Nur einmal wurde die Eintracht durch einen
zufälligen Streit leicht getrübt: ein Patriot von Medina
klagte über den Übermut der Fremden, aber der Antrag, sie zu
vertreiben, wurde mit Abscheu aufgenommen und sein eigener
Sohn erbot sich hastig, das Haupt seines Vaters zu den Füßen
des Propheten zu legen.
Mohammed übernahm von seiner Niederlassung in Medina an das
königliche und priesterliche Amt. Es wäre ruchlos gewesen,
gegen einen Richter, dessen Beschlüsse durch göttliche
Weisheit eingegeben wurden, berufen zu wollen. Ein kleiner
Fleck Landes, das Eigentum von zwei Waisen, wurde durch
Geschenk oder Kauf erworben; an dieser auserwählten Stelle
baute er ein Haus und eine Moschee, in ihrer rohen Einfachheit
ehrwürdiger als die Paläste und Tempel der assyrischen
Kalifen. Auf seinem goldenen oder silbernen Siegel war der
apostolische Titel eingegraben. Wenn er in der wöchentlichen
Versammlung betete und predigte, lehnte er sich gegen den
Strunk eines Palmbaumes, und es dauerte lange, bevor er einen
Stuhl oder eine Kanzel aus rohbehauenem Holze verwendete. Nach
sechsjähriger Regierung erneuerten fünfzehnhundert bewaffnete
Mohammedaner im Felde ihren Treueid, und ihr Anführer
wiederholte seinerseits das Gelübde, das er bis zum Tode des
letzten Mitgliedes oder bis zur gänzlichen Vernichtung des
Bundes halten wolle. In demselben Lager war es, wo der
Abgesandte von Mekka über die Aufmerksamkeil der Gläubigen auf
die Worte und Blicke des Propheten, über die Gier, womit sie
seinen Speichel, ein Haar, das zur Erde fiel, das Wasser, daß
er zu seiner religiösen Reinigung verwendet hatte, sammelten,
als erhielten sie dadurch von seiner prophetischen Kraft
einigen Anteil, in Erstaunen gesetzt wurde. »Ich habe den
Chosroes von Persien und den Cäsar von Rom gesehen«, rief er
aus, »aber nie erblickte ich einen König unter seinen
Untertanen, wie es Mohammed unter seinen Genossen ist.«
Schwärmer handeln mit größerer Energie und Wahrhaftigkeit als
die kalten und formenreichen Knechte der Höfe.
Im Naturzustand hat jeder Mensch das Recht, durch Waffen
seine Person und sein Eigentum zu verteidigen, die
Gewalttätigkeit seiner Feinde zurückzuweisen, ja ihr sogar
zuvorzukommen und seine Feindseligkeiten bis zu einem
vernünftigen Maße um der Genugtuung und Wiedervergeltung
willen auszudehnen. Bei den Arabern wurden durch die Pflichten
eines Untertanen und Bürgers nur schwache Zügel angelegt, und
Mohammed war in Erfüllung einer friedlichen und wohlwollenden
Sendung durch seine ungerechten Landsleute beraubt und
verbannt worden. Die Wahl eines unabhängigen Volkes hatte den
Flüchtling von Mekka zu dem Rang eines Souveräns erhoben. Er
hatte das Recht, Bündnisse zu schließen und Verteidigungs- und
Angriffskriege zu führen. Das unvollständige menschliche Recht
wurde durch die Fülle göttlicher Macht ergänzt und bewaffnet;
der Prophet von Medina zeigte in seinen neuen Offenbarungen
einen wilderen und blutdürstigeren Charakter, was beweist, daß
seine frühere Mäßigung die Folge der Schwäche gewesen war.
Überredung war versucht worden, die Zeit der Langmut war
verstrichen, und es wurde ihm nun befohlen, seine Religion mit
dem Schwerte zu verbreiten, die Denkmäler des Götzendienstes
zu zerstören und ohne Rücksicht auf die Heiligkeit der Tage
und Monate die ungläubigen Völker der Erde zu verfolgen.
Dieselben blutigen Vorschriften, die der Koran so oft
einschärft, werden von seinem Verfasser dem Pentateuch und dem
Evangelium zugeschrieben. Aber der milde, zweideutige Text
wird so erklärt, daß Jesus nicht den Frieden, sondern ein
Schwert auf die Erde gebracht habe; seine Geduld und Demut
dürfen nicht mit dem unduldsamen Eifer der Fürsten und
Bischöfe verwechselt werden. Mit besserem Rechte konnte sich
Mohammed bei seinem Religionskriege auf das Beispiel Moses',
die Richter und Könige von Israel berufen. Das Kriegsrecht der
Hebräer war noch viel strenger als das des arabischen
Gesetzgebers. Der Herr der Heerscharen zog in Person von den
Juden; wenn eine Stadt ihrer Aufforderung nicht folgte, wurden
die männlichen Einwohner ohne Unterschied niedergemetzelt. Die
sieben Völkerschaften Kanaans waren der Vernichtung geweiht,
und weder Reue noch Bekehrung konnte sie vor dem unabwendbaren
Geschick retten, wonach kein Geschöpf innerhalb ihrer
Landmarken am Leben bleiben durfte. Den Feinden Mohammeds
dagegen wurde es freigegeben, Freundschaft, Unterwerfung oder
Schlacht zu wählen. Wenn sie sich zum Islam bekannten, wurden
ihnen alle zeitlichen und geistlichen Wohltaten seiner
ursprünglichen Schüler zuteil, und sie zogen unter demselben
Banner mit ihnen, um die Religion zu verbreiten, die sie
angenommen hatten. Die Milde des Propheten hing von seinem
Interesse ab, aber er trat nur selten einen am Boden liegenden
Feind in den Staub und schien zu verheißen, daß gegen Zahlung
eines Tributs die weniger Schuldigen seiner ungläubigen
Untertanen bei ihrem Gottesdienst oder wenigstens in ihrem
primitiven Glauben beharren durften. In den ersten Monaten
seiner Regierung predigte er die Lehre vom heiligen Krieg und
entfaltete sein weißes Banner vor den Toren von Medina. Der
kriegerische Prophet focht persönlich in neun Schlachten oder
Belagerungen, und fünfzig kriegerische Unternehmungen wurden
in zehn Jahren teils von ihm selbst, teils von seinen
Unterbefehlshabern ausgeführt. Der Araber fuhr fort, den Beruf
eines Kaufmannes mit dem eines Räubers zu vereinigen, und
seine kleinen Streifzüge zur Verteidigung oder zum Angriff
einer Karawane bereiteten die Truppen allmählich zur Eroberung
von Arabien vor. Die Teilung der Beute wurde durch ein
göttliches Gesetz geregelt; das Ganze wurde getreulich zu
einem Haufen geschichtet, ein Fünftel des Goldes und Silbers,
der Gefangenen und des Viehes, der beweglichen und
unbeweglichen Güter wurde dem Propheten für fromme und
mildtätige Zwecke übergeben, das übrige zu gleichen Teilen
unter die Soldaten, die den Sieg erfochten oder das Lager
bewacht hatten, verteilt. Der Anteil der Erschlagenen ging auf
ihre Witwen und Waisen über, und die Reiterei erhielt einen
doppelten Anteil für Pferd und Mann, um Berittene zu gewinnen.
Von allen Seiten strömten die wandernden Araber zur Fahne der
Religion und des Raubes; der Prophet gab die Erlaubnis, daß
die weiblichen Gefangenen als Frauen oder Geliebte behandelt
werden dürften, und so schien der Genuß des Reichtums und der
Schönheit nur eine Vorstufe der Freuden des Paradieses zu
sein, die den tapferen Märtyrern des Glaubens winkten. »Das
Schwert«, sagt Mohammed, »ist der Schlüssel zu Himmel und
Hölle; ein Tropfen Blut in Gottes Sache vergossen, eine Nacht
unter Waffen zugebracht, nützen mehr als zwei Monate Fasten
und Beten; wer immer in der Schlacht fällt, dessen Sünden sind
verziehen; am Tage des Gerichtes werden seine Wunden glänzen
wie Scharlach, duften wie Moschus, und seine verlorenen
Gliedmaßen werden durch die Fittiche der Engel und Cherubim
ersetzt werden.« Die unerschrockenen Seelen der Araber wurden
von Enthusiasmus entflammt, das Bild der unsichtbaren Welt
prägte sich ihrer Phantasie mit Allgewalt ein, und der Tod,
den sie stets verachtet hatten, wurde zum Gegenstand der
Hoffnung und des Verlangens. Der Koran schärft im
unbedingtesten Sinn die Lehren des Fatums und der
Vorherbestimmung ein, die sowohl Fleiß als Tugend vernichten
müßten, wenn die Handlungen der Menschen von ihrem
spekulativen Glauben geleitet würden. Nichtsdestoweniger hat
sein Einfluß in jedem Jahrhundert den Mut der Sarazenen und
Türken erhöht. Die ersten Gefährten Mohammeds gingen mit
furchtloser Zuversicht in die Schlacht; es gibt keine Gefahr,
wo es keinen Zufall gibt; es war ihnen vielleicht bestimmt, in
ihrem Bett zu sterben oder heil und unverwundet mitten unter
den Geschossen der Feinde zu bleiben.
Vielleicht hätten sich die Koreischiten mit Mohammeds
Flucht begnügt, wenn sie nicht durch die Rache eines Feindes,
der ihren syrischen Handelsweg durch das Gebiet von Medina
stören konnte, herausgefordert und in Unruhe versetzt worden
wären. Abu Sophian führte selbst mit nur dreißig bis vierzig
Begleitern eine reiche Karawane von tausend Kamelen; sein Zug
entging durch Glück oder Gewandtheit der Wachsamkeit
Mohammeds, aber der Fürst der Koreischiten erfuhr, daß die
heiligen Räuber im Hinterhalt lägen, um seine Rückkehr zu
erspähen. Er schickte einen Boten an seine Brüder in Mekka,
und die Furcht, ihre Waren und Lebensmittel zu verlieren, wenn
sie ihm nicht mit der Kriegsmacht der Stadt zu Hilfe eilten,
stachelte sie auf. Die heilige Schar Mohammeds bestand aus
dreihundertdreizehn Muselmanen, siebenundsiebzig Flüchtlingen
und den übrigen Verbündeten. Sie ritten wechselweise auf
siebzig Kamelen (die Kamele von Yatreb sind im Krieg
furchtbar), und so groß war ihre Armut, daß nur zwei von ihnen
zu Pferde im Felde erscheinen konnten. In dem fruchtbaren und
berühmten Tale Beder, drei Märsche von Medina, erfuhr er durch
seine Kundschafter, daß sich die Karawane von der einen Seite
und die Koreischiten, hundert Reiter und achthundert Mann
Fußvolk, von der anderen Seite näherten. Nach kurzer Beratung
opferte er die Hoffnung auf Reichtum dem Ruhm und der Rache
und warf eine kleine Verschanzung auf, um seine Truppen und
einen Strom frischen Wassers zu decken, der durch das Tal floß.
»O Gott«, rief er aus, als die Scharen der Koreischiten von
den Bergen herabzogen, »o Gott, wenn diese vernichtet sind,
wer wird dich auf Erden anbeten? – Mut, Kinder! Schließt eure
Reihen; schießt eure Pfeile ab und der Tag ist unser.« Mit
diesen Worten stellte er sich selbst mit Abubeker auf einen
Thron oder Betstuhl und verlangte unverzüglich den Beistand
Gabriels und von dreitausend Engeln. Sein Blick haftete auf
dem Schlachtfeld; die Mohammedaner ermatteten und wurden
bedrängt. In diesem entscheidenden Augenblick sprang der
Prophet von seinem Thron auf, schwang sich auf sein Pferd und
warf eine Hand voll Sand in die Luft. »Verwirrung decke ihr
Antlitz!« Beide Heere hörten den Donner seiner Stimme; ihre
Phantasie sah die himmlischen Krieger; die Koreischiten bebten
und flohen. Siebzig der tapfersten wurden erschlagen; siebzig
Gefangene schmückten den ersten Sieg der Gläubigen. Die Toten
der Koreischiten wurden beraubt und beschimpft, zwei der
schuldigsten Gefangenen hingerichtet und das Lösegeld der
übrigen, viertausend Drachmen Silber, ersetzte das entgangene
Gut der Handelskarawane. Umsonst suchten die Kamele des Abu
Sophian einen neuen Weg durch die Wüste und am Euphrat; sie
wurden von den behenden Mohammedanern eingeholt, und reich muß
die Beute gewesen sein, wenn der für den Propheten weggelegte
fünfte Teil zwanzigtausend Drachmen betrug. Der Ingrimm über
den öffentlichen und persönlichen Verlust stachelte Abu
Sophian an, ein Heer von dreitausend Mann zu sammeln, von
denen siebenhundert mit Brustharnischen bewaffnet und
zweihundert beritten waren. Dreitausend Kamele folgten seinem
Zug, und seine Gattin Henda und fünfzehn edle Frauen von Mekka
schlugen unaufhörlich die Handpauken, um die Truppen
anzufeuern und die Größe Hobais, der beliebtesten Gottheit der
Kaaba, zu preisen. Die Fahne Gottes und Mohammeds wurde von
neunhundertfünfzig Gläubigen verteidigt; das Mißverhältnis der
Zahl war nicht größer als auf dem Schlachtfeld von Beder, und
ihre verwegene Siegeszuversicht gewann die Oberhand über die
göttliche oder menschliche Einsicht des Propheten. Die zweite
Schlacht wurde auf dem Berge Ohud, sechs Meilen nördlich von
Medina geschlagen. Die Koreischiten rückten in Form eines
Halbmondes vor. Der rechte Flügel wurde von Kaled geführt, dem
grimmigsten und glücklichsten Krieger Arabiens. Die Truppen
Mohammeds waren geschickt auf dem Abhänge eines Berges
aufgestellt, und ihr Rücken wurde von einer Abteilung von
fünfzig Bogenschützen gedeckt. Ihr ungestümer Angriff gegen
das Zentrum der Götzendiener durchbrach dieses, aber bei der
Verfolgung verloren sie ihre vorteilhafte Stellung, die
Bogenschützen verließen ihre Posten, die Beute verlockte die
Mohammedaner, sie gehorchten ihrem Anführer nicht, und ihre
Reihen gerieten in Verwirrung. Der unerschrockene Kaled kam
ihnen durch eine Schwenkung seiner Reiterei in die Flanke und
den Rücken und rief mit lauter Stimme aus, daß Mohammed
getötet sei. Er war in der Tat von einem Wurfspieß im Gesicht
verwundet, zwei seiner Zähne waren von einem Stein
zerschmettert; aber inmitten des Lärmes und Schreckens warf er
den Ungläubigen Prophetenmord vor und segnete die befreundete
Hand, die sein Blut stillte und ihn an einen sicheren Platz
brachte. Siebzig Märtyrer starben für die Sünde des Volkes;
sie fielen, sagt der Prophet, in Paaren, jeder Bruder die
Leiche seines Gefährten umschlungen haltend; ihre Leiber
wurden von den unmenschlichen Frauen von Mekka verstümmelt,
und Abu Sophians Gattin wühlte in den Eingeweiden Hamzas, des
Oheims des Propheten. Sie mochten ihre Götzen preisen und ihre
Wut sättigen, die Muselmanen sammelten sich bald wieder im
Felde, doch den Koreischiten fehlte es an Stärke oder Mut, die
Belagerung von Medina zu unternehmen. Es wurde im folgenden
Jahre von einem Heer von zehntausend Feinden angegriffen, und
dieser dritte Feldzug wird verschieden nach den Völkern, die
unter Abu Sophians Banner zogen oder nach dem Graben benannt,
der die Stadt und ein Lager von dreitausend Mohammedanern
deckte. Mohammed lehnte weislich eine allgemeine Schlacht ab.
Der tapfere Ali zeichnete sich im Zweikampf aus, und der Krieg
währte zwanzig Tage bis zur völligen Trennung der
Bundesgenossen. Ein Unwetter, Sturm, Regen und Hagel riß ihre
Zelte um, ihre Privatstreitigkeiten wurden durch einen
hinterlistigen Gegner geschürt, und die Koreischiten,
verlassen von ihren Bundesgenossen, gaben die Hoffnung auf,
den Thron des unbezwinglichen Verbannten zu stürzen oder
seinen Eroberungen Einhalt zu tun.
Die Wahl von Jerusalem zum ersten Kebla des Gebetes
offenbart den anfänglichen Hang Mohammeds zugunsten der Juden,
und e« wäre für ihr zeitliches Interesse ein Glück gewesen,
wenn sie in dem arabischen Propheten die Hoffnung Israels und
den verheißenen Messias anerkannt hätten. Ihre Halsstarrigkeit
verwandelte seine Freundschaft in jenen unversöhnlichen Haß,
womit er dieses Volk bis zum letzten Augenblick seines Lebens
verfolgte, und seine Verfolgung dehnte sich bei seinem
doppelten Charakter eines Propheten und eines Eroberers auf
beide Welten aus. Die Kainoken wohnten in Medina unter dem
Schutz der Stadt; er ergriff die Gelegenheit und forderte sie
bei einem zufälligen Tumult auf, entweder seine Religion
anzunehmen oder mit ihm zu kämpfen. »Ach«, erwiderten die
zitternden Juden, »wir verstehen nicht mit den Waffen
umzugehen, aber wir beharren bei dem Glauben und dem
Gottesdienst unserer Väter; warum willst du uns zu gerechter
Verteidigung zwingen?« Der ungleiche Kampf wurde in fünfzehn
Tagen beendet, und nur mit äußerstem Widerstreben gab Mohammed
dem Drängen seiner Bundesgenossen nach und willigte ein, das
Leben der Gefangenen zu schonen. Ihre Reichtümer wurden
eingezogen, ihre Waffen, furchtbare Werkzeuge in den Händen
der Mohammedaner, und siebenhundert unglückliche Verbannte
wurden gezwungen, eine Zuflucht an den Grenzen von Syrien zu
erflehen. Die Nadhiriten waren schuldiger, denn sie hatten
sich verschworen, den Propheten bei einer freundschaftlichen
Zusammenkunft zu ermorden. Er belagerte ihre drei Meilen von
Medina entfernte Feste, aber sie erlangten durch ihre
entschlossene Verteidigung ehrenvolle Bedingungen; der
Besatzung wurde gestattet, unter Trompetenschall und
Paukenschlag mit kriegerischen Ehren abzuziehen. Die Juden
hatten den Krieg der Koreischiten angeregt und daran
teilgenommen; kaum hatten sich die Völker von dem Graben
zurückgezogen, als Mohammed, ohne auch nur seine Rüstung
abzulegen, noch an demselben Tage aufbrach, um den feindlichen
Stamm der Kinder von Koreidha auszurotten. Nach
fünfundzwanzigtägigem Widerstand ergaben sie sich auf Gnade
und Ungnade. Sie bauten auf die Fürbitte ihrer alten
Bundesgenossen von Medina, hätten aber wissen können, daß der
Fanatismus die Gefühle der Menschlichkeit vernichtet. Ein
ehrwürdiger Ältester, auf dessen Urteil sie sich beriefen,
sprach ihr Todesurteil; siebenhundert Juden wurden in Ketten
auf den Marktplatz geschleppt, stiegen lebendig in die zu
ihrer Hinrichtung und ihrem Grabe gemachten Höhle, und der
Prophet sah unverwandt der Niedermetzelung seiner hilflosen
Feinde zu. Die Muselmanen erbten ihre Schafe und Kamele;
dreihundert Brustharnische, fünfhundert Piken, tausend Lanzen
bildeten den brauchbarsten Teil der Beute. Sechs Tagereisen
nordöstlich von Medina war die alte und reiche Stadt Chaibar,
der Sitz der jüdischen Macht in Arabien; das Gebiet, ein
fruchtbarer Fleck in der Wüste, war mit Pflanzungen und Herden
bedeckt und von acht Schlössern, wovon einige für uneinnehmbar
galten, beschützt. Die Streitkräfte Mohammeds bestanden aus
zweihundert Reitern und vierzehnhundert Mann zu Fuß. In acht
aufeinanderfolgenden regelmäßigen und mühevollen Belagerungen
wurden sie der Gefahr, der Ermattung und dem Hunger
preisgegeben und auch die unerschrockensten Häuptlinge
zweifelten am Erfolg. Der Prophet belebte ihren Glauben und
Mut durch Nennung Alis, dem er den Beinamen Löwe Gottes
verlieh; wir können immerhin glauben, daß er mit seinem
unwiderstehlichen Säbel einen Hebräer von riesenhaftem Wuchs
mitten durchhieb, unmöglich aber, daß er das Tor einer Festung
aus den Angeln riß und als Schild in der linken Hand schwang.
Nach Bezwingung der Schlösser unterwarf sich die Stadt Chaibar
dem Joch. Das Oberhaupt des Stammes wurde in Mohammeds
Gegenwart gefoltert, um ihm das Versteck seiner verborgenen
Schatze zu erpressen. Hirten und Landwirte wurden mit Duldung
behandelt. Man gestattete ihnen, solange es dem Eroberer
gefallen würde, ihr Eigentum zu gleichen Teilen zu seinem und
ihrem eigenen Nutzen zu pflegen. Unter Omars Regierung wurden
die Juden von Chaibar nach Syrien verschickt, wobei der Kalif
das Gebot seines sterbenden Gebieters anführte, daß nur eine,
und zwar die wahre Religion in seinem Vaterland Arabien
bekannt werden dürfte.
Fünfmal jeden Tag waren Mohammeds Blicke gegen Mekka
gerichtet, und er wurde durch die heiligsten und wichtigsten
Beweggründe veranlaßt, die Stadt und den Tempel, von wo er als
Verbannter vertrieben worden war, als Eroberer wieder zu
besuchen. Er sah die Kaaba im Schlafen und im Wachen, und ein
eitler Traum wurde in ein Gesicht und in eine Prophezeiung
umgewandelt; der Prophet entfaltete die heilige Fahne und
verhieß vorschnell den Sieg. Auf seinem Zuge nach Mekka
entfaltete er den feierlichen Pomp wie bei einer Wallfahrt;
siebzig zum Opfer gewählte und geschmückte Kamele gingen vor
der Vorhut, das heilige Gebiet wurde geachtet und die
Gefangenen ohne Lösegeld entlassen, um den Ruf seiner Milde
und Andacht zu verbreiten. Kaum war aber Mohammed in der
Ebene, eine Tagreise vor der Stadt, angelangt, so rief er aus:
»Sie haben sich in Tigerfelle gehüllt!« Die entschlossenen und
zahlreichen Koreischiten widersetzten sich seinen
Fortschritten, und gar leicht konnten die wandernden Araber
der Wüste einen Anführer im Stich lassen, dem sie in der
Hoffnung auf Beute gefolgt waren. Der unerschrockene Fanatiker
verwandelte sich in einen kaltblütigen und vorsichtigen
Politiker; er ließ im Vertrag den Titel eines Apostel Gottes
fallen, schloß mit den Koreischiten und ihren Bundesgenossen
einen Waffenstillstand auf zehn Jahre, verpflichtete sich, die
Flüchtlinge von Mekka auszuliefern, die sich zu seiner
Religion bekehren würden und bedang sich für das folgende Jahr
das demütige Recht aus, die Stadt als Freund zu besuchen und
drei Tage in ihr zu verweilen, um die Zeremonien der Wallfahrt
vorzunehmen. Die sich zurückziehenden Mohammedaner waren
beschämt und traurig, und in ihrer getäuschten Erwartung
konnten sie mit Recht den Propheten anklagen, der sich so oft
auf den Erfolg berufen hatte. Aber der Glaube und die Hoffnung
der Pilger wurden durch den Anblick von Mekka neuerlich
entflammt. Ihre Schwerter ruhten in der Scheide; siebenmal
umschritten sie in den Fußstapfen des Propheten die Kaaba. Die
Koreischiten hatten sich nach den Bergen zurückgezogen, und
Mohammed verließ nach dem herkömmlichen Opfer die Stadt am
vierten Tage. Das Volk erbaute sich an seiner Andacht, die
feindlichen Häupter wurden eingeschüchtert, entzweit, verführt
und sowohl Kaled als Amru, die zukünftigen Eroberer von Syrien
und Ägypten, verließen zu sehr gelegener Zeit die im Sinken
begriffene Götzendienern. Die Macht Mohammeds wurde durch die
Unterwerfung der arabischen Stämme vermehrt; zehntausend Mann
sammelten sich zur Bezwingung von Mekka, und die Götzendiener,
der schwächere Teil, waren leicht überführt, daß sie den
Waffenstillstand gebrochen hätten. Durch Schwärmerei und
Manneszucht wurde der Marsch beschleunigt und geheimgehalten,
bis der Glanz von zehntausend Feuern den bestürzten
Koreischiten die Absicht, die Annäherung und die
unwiderstehliche Macht des Feindes enthüllte. Der stolze Abu
Sophian überreichte die Schlüssel der Stadt, bewunderte die
Verschiedenartigkeit der Waffengattungen und Fahnen, die an
ihm vorbeizogen, bemerkte, daß der Sohn Abdallahs ein
mächtiges Königreich erworben habe und bekannte, von Omars
Säbel bedroht, daß derselbe der Prophet des wahren Gottes sei.
Die Rache Mohammeds war durch Religionseifer angestachelt, und
seine beleidigten Anhänger waren begierig, den Befehl eines
allgemeinen Gemetzels zu vollziehen, ja ihm sogar
zuvorzukommen. Statt ihren und seinen eigenen Leidenschaften
zu fröhnen, verzieh der siegreiche Verbannte die Schuld und
vereinigte die Parteien von Mekka. Seine Truppen rückten in
drei Abteilungen in die Stadt ein; achtundzwanzig Einwohner
wurden durch Kaled getötet, elf Männer und sechs Frauen durch
Mohammed geächtet. Aber er tadelte die Grausamkeit seines
Unterbefehlshabers, und mehrere der schuldigsten Opfer
verdankten ihr Leben seiner Milde oder Verachtung. Die
Häuptlinge der Koreischiten lagen im Staub zu seinen Füßen.
»Welches Mitleid könnt ihr von einem Manne erwarten, den ihr
so schwer gekränkt habt?« »Wir vertrauen der Großmut unseres
Stammverwandten.« »Und ihr sollt nicht umsonst vertraut haben;
euer Leben ist sicher, ihr seid frei.« Das Volk von Mekka
erwarb sich durch seine Bekehrung zum Islam Verzeihung. Nach
siebenjähriger Verbannung thronte der flüchtige Glaubensbote
als Fürst und Prophet in seiner Vaterstadt. Die
dreihundertsechzig Götzen der Kaaba wurden schmählich
zerbrochen, das Haus Gottes gereinigt und geschmückt; der
Prophet erfüllte, künftigen Zeiten als Beispiel, abermals die
Pflichten eines Wallfahrers und erließ das immerwährende
Gesetz, daß kein Ungläubiger je wagen dürfe, seinen Fuß auf
das Gebiet der heiligen Stadt zu setzen.
Die Eroberung von Mekka entschied den Glauben und Gehorsam
der arabischen Stämme, die je nach den Wechselfällen des
Glückes dem beredten oder gewaffneten Propheten gehorcht oder
ihn verworfen hatten. Gleichgültigkeit gegen Ritus und
Meinungen kennzeichnet noch den Charakter der Beduinen, und
sie nahmen die Lehren des Korans ebenso oberflächlich an, als
sie jetzt ernsthaft daran hängen. Ein hartnäckiger Rest
beharrte aber bei der Religion seiner Altvordern, und der
Krieg von Honain erhielt seinen Namen von den Götzen, die
Mohammed zu zerstören und die Verbündeten von Tayef zu
verteidigen geschworen hatten. Viertausend Heiden rückten
geheim und schnell heran, um den Eroberer zu überrumpeln; sie
bemitleideten und verachteten die träge Sorglosigkeit der
Koreischiten, aber sie verließen sich auf die Wünsche und
vielleicht auch auf den Beistand eines Volkes, das erst vor so
kurzer Zeit seinen Göttern entsagt und sich unter das Joch des
Feindes gebeugt hatte. Die Fahnen von Mekka und Medina wurden
vom Propheten entfaltet; eine Beduinenschar verstärkte das
Heer, und zwölftausend Mohammedaner verließen sich in ihrem
verwegenen und sündhaften Trotz auf ihre unbezwingliche Macht.
Sie stiegen ohne Vorsicht in das Tal Honain hinab. Die Höhen
waren von den Bogenschützen und Schleuderern der
Bundesgenossen besetzt, sie wurden bedrängt, ihre Ordnung
löste sich auf, ihr Mut verwandelte sich in Entsetzen, und die
Koreischiten lächelten über das drohende Verderben. Der
Prophet wurde auf seinem weißen Maultier von den Feinden
umzingelt, er wollte sich in ihre Speere stürzen, um einen
glorreichen Tod zu finden; zehn seiner treuen Gefährten warfen
sich dazwischen, drei von ihnen fielen tot zu seinen Füßen und
er rief wiederholt aus: »O meine Brüder, ich bin der Sohn
Abdallahs, der Apostel der Wahrheit! O Mensch, stehe fest in
deinem Glauben! O Gott, sende deine Hilfe herab!« Sein Oheim
Abbas, der sich gleich den homerischen Helden durch seine
weitschallende Stimme auszeichnete, ließ das Tal von der
Aufzählung der Gaben und Verheißungen Gottes widerhallen; die
fliehenden Muselmanen kehrten von allen Seiten zur heiligen
Fahne zurück, und Mohammed bemerkte mit Vergnügen, daß das
Feuer von neuem angefacht war. Seine Anordnungen und sein
Beispiel stellte die Schlacht wieder her, und er reizte seine
siegreichen Truppen, an den Urhebern ihrer Schmach
erbarmungslose Rache zu üben. Von dem Schlachtfelde von Honain
rückte er ohne Verzug vor, um Tayef, sechzig Meilen
südsöstlich von Mekka, zu belagern, eine starke Festung, deren
fruchtbare Ländereien die Früchte Syriens inmitten der
arabischen Wüste hervorbrachten. Ein befreundeter Stamm, der
in der Kriegskunst erfahren war, sandte ihm Sturmwidder und
Kriegsmaschinen und fünfhundert Werkleute dazu. Umsonst bot er
den Sklaven von Tayef die Freiheit, umsonst verletzte er sein
eigenes Gesetz durch Ausrottung der Obstbäume, umsonst
öffneten die Minierer den Boden, umsonst wurde eine Bresche
von den Truppen geschlagen. Nach zwanzigtägiger Belagerung
ließ der Prophet zum Rückzug blasen und zog mit frommen
Triumphgesängen ab. Er tat, als wenn er für die Reue und das
Heil der ungläubigen Stadt betete. Die Beute dieses
glücklichen Feldzuges belief sich auf sechstausend Gefangene,
vierundzwanzigtausend Kamele, vierzigtausend Schafe und
viertausend Unzen Silber; ein Stamm, der bei Honain gefochten
hatte, löste seine Gefangenen dadurch aus, daß er seine Götzen
opferte. Mohammed ersetzte aber den Kriegern den Verlust,
indem er ihnen sein Fünftel der Beute überließ und um
ihretwillen wünschte, er besäße so viele Nutztiere, als es
Bäume in der Provinz Tehama gäbe. Statt die Koreischiten zu
bestrafen, schnitt er nur, wie er sich ausdrückte, ihre Zungen
ab, indem er sich bemühte, ihre Anhänglichkeit durch größere
Freigebigkeit zu gewinnen! Abu Sophian allein erhielt
dreihundert Kamele und zwanzig Unzen Silber, und Mekka wurde
aufrichtig zur einträglichen Religion des Korans bekehrt.
Die Flüchtlinge und Hilfsgenossen klagten, daß diejenigen,
welche die Last getragen, in der Stunde des Sieges
vernachlässigt würden. »Ach!« versetzte ihr schlauer Anführer,
»lasset mich immerhin diese zweifelhaften Bekehrten, die
jüngst noch Feinde waren, durch einige vergängliche Güter
bereichern. Eurer Bewachung aber vertraue ich mein Leben und
mein Glück an. Ihr seid die Gefährten meiner Verbannung,
meines Königreiches, meines Paradieses.« Die Gesandten von
Tayef, wo man die Wiederholung der Belagerung fürchtete,
folgten ihm. »Gewähre uns, o Apostel Gottes, einen
Waffenstillstand von drei Jahren und die Duldung unseres alten
Gottesdienstes.« »Keinen Monat, keine Stunde.« »Befreie uns
wenigstens von der Verpflichtung des Gebetes.« »Ohne Gebet
hilft die Religion nichts.« Sie unterwarfen sich still, ihre
Tempel wurden zerstört und das gleiche Vernichtungsurteil an
allen Götzen von Arabien vollzogen. Seine Stellvertreter
wurden am Roten Meer, am Ozean, am Persischen Meerbusen von
den Freudenrufen eines treuen Volkes begrüßt, und die
Gesandten, die vor dem Tore von Medina knieten, waren so
zahlreich (sagt das arabische Sprichwort) wie die Datteln, die
zur Zeit der Reife von einem Palmbaum fallen. Die Nation
unterwarf sich Gott und dem Zepter Mohammeds. Die schimpfliche
Benennung Tribut wurde abgeschafft; die freiwillig oder ungern
gegebenen Opfer von Almosen und Zehnten wurden für die
Religion verwendet, und einhundertvierzehntausend Mohammedaner
begleiteten den Propheten auf seiner letzten Wallfahrt.
Als Heraklius im Triumphe aus dem persischen Krieg
zurückkehrte, empfing er in Emesa einen der Abgesandten
Mohammeds, der die Fürsten und Völker der Erde zum Bekenntnis
des Islams aufforderte. Daraus machten die eifrigen Araber
eine geheime Bekehrung des christlichen Kaisers zum Islam und
daraus entstand die griechische Fabel eines persönlichen
Besuches des Fürsten von Medina, der vom Kaiser reiche
Ländereien und einen sicheren Ruhesitz in der Provinz Syrien
angenommen habe. Aber die Freundschaft von Heraklius und
Mohammed war von kurzer Dauer; die neue Religion hatte die
Raubsucht der Sarazenen eher angestachelt als gemildert, und
die Ermordung eines Gesandten diente ihnen als Vorwand, um mit
dreitausend Soldaten in das Gebiet von Palästina ostwärts vom
Jordan einzufallen. Die heilige Fahne wurde Seid anvertraut,
und so groß war die Zucht oder der Enthusiasmus der neuen
Sekte, daß die edelsten Häuptlinge ohne Widerwillen unter dem
Sklaven des Propheten dienten. Für seinen Todesfall waren
Giafar und Abdallah nacheinander bestimmt, ihm im Oberbefehl
zu folgen, und wenn alle drei im Kriege umkommen sollten,
hatten die Truppen Vollmacht, ihren Anführer zu wählen. Die
drei Anführer wurden in der Schlacht von Muta getötet, bei der
ersten Gelegenheit, die Tapferkeit der Mohammedaner gegen
einen auswärtigen Feind zu erproben. Seid fiel als Krieger in
den vordersten Reihen; der Tod Giafars war heldenmütig und
merkwürdig: er verlor seine rechte Hand, da schwang er die
Fahne mit der linken; auch die linke Hand wurde von seinem
Körper getrennt, da umfaßte er die Fahne mit den blutigen
Stümpfen, bis er mit fünfzig ehrenvollen Wunden am Boden lag.
»Vorwärts!« schrie Abdallah, der an den erledigten Platz trat,
»vorwärts mit Zuversicht. Entweder der Sieg oder das Paradies
ist unser!« Ein Lanzenstoß warf ihn nieder, aber die sinkende
Fahne wurde von Kaled, dem Proselyten von Mekka gerettet; neun
Schwerter zerbrachen ihm in der Hand, und er widerstand tapfer
der überlegenen Anzahl der Christen, ja trieb sie zurück. Im
nächtlichen Kriegsrat des Lagers wurde er zum Oberbefehlshaber
gewählt; seine geschickten strategischen Bewegungen sicherten
am folgenden Tag entweder den Sieg oder den Rückzug der
Sarazenen. Kaled wurde von seinen Brüdern und Feinden durch
den ruhmreichen Namen das Schwert Gottes ausgezeichnet. Auf
der Kanzel beschrieb Mohammed mit prophetischem Entzücken die
Krone der gesegneten Märtyrer, insgeheim aber zeigte er
menschliche Gefühle: er wurde überrascht, als er mit Seids
Tochter weinte. »Was sehe ich?« rief sein erstaunter Verehrer.
»Du siehst«, erwiderte der Prophet, »einen Freund, der den
Verlust seines teuersten Freundes beweint.« Nach der
Unterwerfung von Mekka wollte der Herrscher von Arabien den
Rüstungen des Heraklius zuvorkommen und erklärte den Römern
feierlich den Krieg, ohne im mindesten die Beschwerlichkeiten
und Gefahren des Unternehmens zu verheimlichen. Die
Mohammedaner zeigten Mutlosigkeit; sie schützten den Mangel an
Geld, Pferden, Vorräten, die Erntezeit und die unerträgliche
Hitze des Sommers vor. »Noch heißer ist die Hölle!« rief der
entrüstete Prophet. Er verschmähte es, sie zu zwingen, aber
nach seiner Rückkehr bestrafte er die Schuldigsten mit
fünfzigtägigem Bann. Ihre Feigheit erhöhte das Verdienst
Abubekers Othmans und der treuen Gefährten, die ihr Leben und
Vermögen aufs Spiel setzten. Mohammed entfaltete seine Fahne
an der Spitze von zehntausend Reitern und zwanzigtausend Mann
Fußvolk. Auf dem Marsch litten sie in der Tat grauenhafte Not;
Ermattung und Durst wurden noch furchtbarer durch die
glühenden, verpesteten Wüstenwinde; zehn Männer ritten
abwechselnd auf demselben Kamel. Sie sahen sich in die
schreckliche Lage versetzt, das Wasser aus dem Bauch getöteter
Tiere trinken zu müssen. Auf halbem Wege, zehn Tagereisen von
Medina und Damaskus, ruhten sie sich in der Nähe des Haines
und Brunnens von Tabuk aus. Über diesen Platz hinaus wollte
Mohammed den Krieg nicht tragen; er erklärte sich durch die
friedlichen Absichten des Kaisers des Morgenlandes
zufriedengestellt, wahrscheinlich aber war er durch dessen
kriegerische Macht eingeschüchtert. Der tätige und
unerschrockene Kaled verbreitete dagegen ringsum Schrecken,
und der Prophet empfing die Unterwerfung der Stämme und Städte
vom Euphrat bis Ailah, an der Spitze des Roten Meeres. Seinen
christlichen Untertanen gewährte Mohammed gern Sicherheit und
Freiheit im Verkehr, beließ ihnen ihre Güter und duldete ihren
Gottesdienst. Die Schwäche ihrer arabischen Brüder hatte diese
abgehalten, sich ihm zu widersetzen; die Jünger Jesus' waren
dem Feind der Juden teuer, und es lag im Interesse eines
Eroberers, der mächtigsten Religion der Erde einen guten
Vergleich anzubieten.
Bis zum Alter von dreiundsechzig Jahren war Mohammeds Kraft
den zeitlichen und geistlichen Anstrengungen seiner Sendung
gewachsen. Seine epileptischen Anfälle, eine alberne
Verleumdung der Griechen, würden eher Anlaß zu Mitleid als zum
Abscheu gegeben haben. Er selbst aber glaubte ernstlich, daß
er in Chaibar durch eine Jüdin vergiftet worden sei. Vier
Jahre lang nahm die Gesundheit des Propheten ab, und er wurde
immer schwächer; aber seine Todeskrankheit war ein
vierzehntägiges Fieber, das ihn zeitweise der Vernunft
beraubte. Sowie er sich der Gefahr bewußt wurde, erbaute er
seine Brüder durch seine Demut oder Reue. »Wenn es irgendeinen
Menschen gibt«, sagte der Prophet von der Kanzel, »den ich mit
Unrecht gegeißelt habe, biete ich meinen Rücken der Geißel der
Wiedervergeltung dar. Habe ich den Ruf eines Mohammedaners
angegriffen? Er möge meine Fehler angesichts der Gemeinde
verkünden. Habe ich jemanden seiner Güter beraubt? Das Wenige,
was ich besitze, soll Kapital und Zinsen bezahlen.« »Ja«, rief
eine Stimme aus der Schar, »ich habe auf drei Drachmen Silber
Anspruch.« Mohammed hörte die Klage, befriedigte die Forderung
und dankte seinem Gläubiger, daß er ihn lieber in dieser Welt
als am Tage des Gerichts anklage. Er sah mit Festigkeit dem
Nahen des Todes entgegen, sprach seine Sklaven frei (siebzehn
Männer und elf Frauen), bestimmte genau die Ordnung bei seinem
Leichenbegängnis und tröstete seine weinenden Freunde, denen
er seinen Segen erteilte. Bis zum dritten Tage vor seinem Tod
verrichtete er regelmäßig die öffentlichen Gebete; er bat
Abubeker, diesen alten und treuen Freund, sein Nachfolger im
priesterlichen und königlichen Amt zu werden, aber dieser
lehnte weislich eine gefährliche ausdrückliche Ernennung ab.
In einem Augenblick, wo seine Kräfte schon sichtbar geschwächt
waren, verlangte er Feder und Tinte, um ein göttliches Buch,
die Summe und Vollendung aller seiner Offenbarungen zu
schreiben oder vielmehr zu diktieren. Da entstand im Gemach
ein Zank, ob man ihm gestatten solle, das Ansehen des Korans
zu schmälern, und der Prophet sah sich gezwungen, die
unangebrachte Heftigkeit seiner Schüler zu tadeln. Wenn man
den Überlieferungen seiner Frauen und Gefährten auch nur die
geringste Glaubwürdigkeit zuschreibt, so bewahrte er im Schöße
seiner Familie und bis zum letzten Augenblick seines Lebens
die Würde eines Apostels und die Glaubenszuversicht eines
Enthusiasten; er beschrieb die Besuche des Engels Gabriel, der
ihm anbot, der Erde für ewig Lebewohl zu sagen, er drückte
sein lebhaftes Vertrauen nicht bloß in die Barmherzigkeit,
sondern auf die Gunst des höchsten Wesens aus. In einem
vertrauten Gespräch hatte er sein besonderes Vorrecht erwähnt,
daß der Engel des Todes sich nicht eher seiner Seele
bemächtigen dürfe, als bis er den Propheten ehrfurchtsvoll um
Erlaubnis gebeten habe. Die Bitte wurde gewährt, und Mohammed
sank sogleich in Agonie. Sein Haupt ruhte auf dem Schoß der
Ayescha, seiner geliebtesten Frau; er wurde aus allzu heftigem
Schmerz ohnmächtig, aber seine Besinnung wieder erlangend, hob
er seine Augen zur Decke und sprach mit festem Blick, obschon
mit schwankender Stimme die letzten gebrochenen Worte: »O
Gott! .. verzeihe meine Sünden.. Ja, ..ich komme zu meinen
Gefährten in die Höhe«, und so verschied er in Frieden auf
einem über den Boden gebreiteten Teppich (632).
Ein Zug zur Eroberung von Syrien wurde durch dieses
traurige Ereignis aufgehalten; das Heer machte an den Toren
von Medina halt, ihre Anführer waren um ihren sterbenden
Gebieter versammelt. Die Stadt, insbesondere das Haus des
Propheten, war der Schauplatz lärmenden Schmerzes oder stiller
Verzweiflung; nur die Schwärmer konnten noch Trost und
Hoffnung fühlen. »Wie kann er tot sein, unser Zeuge, unser
Fürbitter, unser Vermittler bei Gott! Bei Gott, er ist nicht
tot; gleich Moses und Jesus liegt er in heiliger Verzückung
und wird bald zu seinem treuen Volk zurückkehren.« Was die
Augen sahen wurde nicht anerkannt. Omar zog seinen Säbel und
drohte, die Häupter der Ungläubigen abzuschlagen, die
behaupten würden, daß der Prophet nicht mehr lebe. Der Tumult
wurde durch den angesehenen und gemäßigten Abubeker beigelegt.
»Ist es Mohammed«, fragte er Omar und die Menge, »oder der
Gott Mohammeds, den ihr anbetet? Der Gott Mohammeds lebt ewig,
aber der Prophet war ein Sterblicher, wie wir selbst, und hat
nach seiner eigenen Voraussage das gemeinsame Los der
Sterblichen erfahren.« Er wurde von seinen frommen nächsten
Verwandten an demselben Ort beerdigt, wo er verschieden war;
Medina ist durch Mohammeds Tod und Begräbnis geheiligt und die
unzählbaren Pilger von Mekka biegen oft von ihrem Weg ab, um
in freiwilliger Andacht vor dem Grab des Propheten zu beten.
Man wird vielleicht erwarten, daß ich am Schluß des Lebens
Mohammeds seine Fehler und Tugenden abwiege, daß ich
entscheide, ob dem außerordentlichen Mann eigentlich der
Beiname eines Schwärmers oder eines Betrügers zukomme. Auch
wenn ich mit dem Sohn Abdallahs vertrauten Umgang gepflogen
hätte, würde die Aufgabe noch immer schwierig und der Erfolg
ungewiß sein. In einer Entfernung von Jahrhunderten sehe ich
nur dunkel seinen Schatten durch eine Wolke religiösen
Weihrauchs und könnte ich ihn auch richtig zeichnen, würde
doch das schwankende Bild nicht in gleichem Grad auf den
Einsiedler des Berges Hera, den Prediger von Mekka und den
Eroberer von Asien passen. Der Urheber einer mächtigen
Umwälzung war mit einem frommen, zur religiösen Betrachtung
geneigten Gemüt begabt; sowie er durch seine Vermählung von
Mangel befreit wurde, vermied er die Pfade des Ehrgeizes und
der Habsucht und lebte unschuldig bis zum Alter von vierzig
Jahren, und er hätte leicht sterben und keinen Namen
hinterlassen können. Die Einheit Gottes ist eine der Natur und
Vernunft höchst zusagende Idee, und selbst ein spärlicher
Umgang mit Juden und Christen konnte ihn lehren, die
Abgötterei von Mekka zu verachten und zu verabscheuen. Es war
die Pflicht eines Menschen und Bürgers, die Lehre des Heils
mitzuteilen und sein Vaterland von der Herrschaft der Sünde
und des Irrtums zu befreien. Die stets auf dieselbe Sache
gerichtete Willenskraft der Seele konnte eine allgemeine
Verpflichtung in einen besonderen Beruf verwandeln; die
glühenden Bilder der Phantasie konnten sich leicht dem Gefühl
als himmlische Eingebungen aufdringen, das angestrengte Denken
sich in Verzückungen und Gesichte auflösen und die innere
Stimme, der unsichtbare Mahner, als ein Engel Gottes
erscheinen. Der Schritt von der Schwärmerei zum Betrug ist
gefährlich und schlüpfrig; der Dämon des Sokrates liefert
einen merkwürdigen Beweis, wie ein weiser Mann sich selbst,
wie ein guter Mann andere täuschen und wie das Gewissen
zwischen Selbsttäuschung und freiwilligem Trug sich halten
kann. Man kann wohlwollender Weise annehmen, daß die
ursprünglichen Beweggründe Mohammeds reines und echtes
Wohlwollen waren; aber ein irdischer Glaubensbote ist unfähig,
die hartnäckigen Ungläubigen zu lieben, die seine Macht
verwerfen, seine Lehre verachten und ihn selbst verfolgen.
Stolz und Rache wurden in Mohammeds Brust entzündet, und er
seufzte gleich dem Propheten von Ninive nach der Vernichtung
der Rebellen, die er verdammt hatte. Der Haß der Bürger Mekkas
und die Wahl derer von Medina verwandelten ihn aus einem
Bürger in einen Fürsten, den demütigen Prediger in einen
Heerführer; aber seine Streitbarkeit war durch das Beispiel
von Heiligen gerechtfertigt, und derselbe Gott, der eine
sündhafte Welt mit Pest und Erdbeben heimsucht, konnte seine
tapferen Diener zu ihrer Bekehrung oder Züchtigung begeistern.
In seiner Politik war er gezwungen, weniger fanatisch zu sein,
den Vorurteilen und Leidenschaften seiner Anhänger
einigermaßen nachzugeben und sogar die Laster der Menschen zum
Werkzeug ihres Heils zu machen. Betrug und Treulosigkeit,
Grausamkeit und Ungerechtigkeit waren oft der Verbreitung des
Glaubens nützlich. Mohammed befahl oder billigte daher die
Ermordung der Juden und Götzendiener, die dem Schlachtfeld
entronnen waren. Durch die Wiederholung solcher Handlungen
mußte der Charakter Mohammeds leiden. So verderbliche
Gewohnheiten konnten durch persönliche und gesellige Tugenden,
die notwendig sind, um den Ruf eines Propheten unter seinen
Sektierern und Freunden zu erhalten, kaum aufgewogen werden.
Die herrschende Leidenschaft seiner letzten Jahre war Ehrgeiz,
und ein Politiker wird vermuten, daß er insgeheim (der
siegreiche Betrüger!) über die Schwärmerei seiner Jugend und
die Leichtgläubigkeit seiner Proselyten lächelte. Ein
Philosoph dagegen wird bemerken, daß ihre Leichtgläubigkeit
und seine Erfolge ihn nur noch mehr von seiner göttlichen
Sendung überzeugen mußten, daß sein Interesse und seine
Religion unzertrennlich verbunden waren und daß sein Gewissen
durch die Überzeugung beschwichtigt wurde, ihn allein habe die
Gottheit von positiven und menschlichen Gesetzen befreit. Wenn
Mohammed irgendeine Spur seiner angeborenen Unschuld behielt,
so können seine Sünden als Beweis seiner Aufrichtigkeit
genommen werden. Lüge und Betrug sind minder verbrecherisch,
wenn sie zur Verteidigung der Wahrheit dienen, und er würde
vor der Niederträchtigkeit der Mittel zurückgewichen sein,
wenn er nicht von der Gerechtigkeit und Wichtigkeit des
Zweckes überzeugt gewesen wäre. Sogar Eroberer kann man bei
einem Wort oder einer Handlung unverstellter Menschlichkeit
ertappen, denn die Verfügung Mohammeds, daß bei dem Verkaufe
der Gefangenen die Mütter niemals von ihren Kindern getrennt
werden sollen, kann den Tadel des Geschichtsschreibers mäßigen
oder sogar zum Schweigen bringen.
Mohammed verachtete königlichen Pomp. Der Apostel Gottes
unterzog sich dem geringsten Hausdienst, zündete Feuer an,
fegte den Boden, molk die Schafe und besserte mit eigenen
Händen seine Schuhe und sein Wollgewand aus. Die Kasteiung und
Buße eines Mönchs verschmähend, führte er ohne Anstrengung und
nicht aus Eitelkeit die enthaltsame Lebensweise eines Arabers
und Kriegers. Bei feierlichen Veranlassungen bewirtete er
seine Gefährten einfach und gastfrei, aber mit Überfluß. In
seinem häuslichen Leben vergingen mehrere Wochen, ohne daß
Feuer auf dem Herde des Propheten brannte. Er bekräftigte das
Verbot des Weintrinkens durch sein Beispiel, ein wenig
Gerstenbrot stillte seinen Hunger. Milch und Honig waren
Leckerbissen für ihn. Seine gewöhnliche Nahrung bestand aus
Datteln und Wasser. Wohlgerüche und Frauen waren die beiden
sinnlichen Genüsse, die seine Natur forderte und seine
Religion nicht verbot, ja Mohammed erklärte, daß durch diese
unschuldigen Vergnügungen die Inbrunst seiner Andacht
gesteigert werde. Das warme Klima entflammt das Blut der
Araber und ihre Sinnlichkeit ist schon von den Schriftstellern
des Altertums hervorgehoben worden. Ihre Unmäßigkeit wurde
durch die bürgerlichen und religiösen Satzungen des Korans
beschränkt, blutschänderische Ehen getadelt, die unbegrenzte
Vielweiberei auf vier rechtmäßige Frauen oder Geliebte
beschränkt, die Rechte betreffs Bett und Mitgift gerecht
festgelegt, die Trennung erschwert, Ehebruch als ein schweres
Verbrechen verdammt und Hurerei bei beiden Geschlechtern mit
hundert Hieben bestraft. Das waren die ruhigen und
vernünftigen Vorschriften des Gesetzgebers. Aber für seine
Person fröhnte Mohammed den menschlichen Begierden und
mißbrauchte die Rechte eines Propheten. Eine besondere
Offenbarung stellte ihn außerhalb der Gesetze, die er der
Nation auferlegt hatte; Mädchen und Frauen wurden ihm ohne
Rückhalt überlassen, und dieses seltsame Vorrecht erregte mehr
Neid als Ärgernis, mehr die Verehrung als den Neid der frommen
Mohammedaner. Wenn wir der siebenhundert Weiber und
dreihundert Geliebten des weisen Salomon gedenken, müssen wir
die Mäßigung des Arabers rühmen, der sich nur mit siebzehn
oder fünfzehn Frauen begnügte. Elf werden aufgezählt, die in
Medina ihre besonderen Gemächer rings um das Haus des
Propheten hatten und der Reihe nach seine eheliche
Gesellschaft genossen. Seltsam, daß mit Ausnahme der einzigen
Ayescha, Abubekers Tochter, alle Witwen waren. Sie war gewiß
eine Jungfrau, weil Mohammed seine Ehe mit ihr (so groß ist
die frühzeitige Reife in diesem Klima) vollzog, als sie erst
neun Jahre alt war. Durch ihre Tugend, Schönheit und ihren
Geist übte Ayescha einen überlegenen Einfluß aus, sie besaß
die Liebe und das Vertrauen des Propheten, nach dessen Tod die
Tochter Abubekers lange als die Mutter der Gläubigen verehrt
wurde. Ihr Benehmen war zweideutig und unklug gewesen; bei
einem nächtlichen Marsch wurde sie zufällig zurückgelassen,
und des Morgens kehrte Ayescha mit einem Mann ins Lager
zurück. Mohammed war eifersüchtig, aber eine göttliche
Offenbarung versicherte ihm ihre Unschuld; er bestrafte ihren
Ankläger und erließ ein Gesetz zugunsten des häuslichen
Friedens, wonach keine Frau verdammt werden durfte, außer vier
männliche Zeugen hätten ihren Ehebruch mitangesehen. Bei
seinem Abenteuer mit Seineb, der Gattin Seids und mit Maria,
einer ägyptischen Gefangenen, vergaß der verliebte Prophet,
auf seinen Ruf bedacht zu sein. Im Hause Seids, seines
Freigelassenen und Adoptivsohnes, hatte er die schöne Seineb
nur leichtbekleidet gesehen und war in einen Ausruf der
Andacht und des Verlangens ausgebrochen. Der knechtische oder
dankbare Freigelassene verstand den Wink und wich ohne Zögern
seinem Wohltäter. Da aber das Sohnesverhältnis Ärgernis erregt
hatte, stieg der Engel Gabriel vom Himmel herab, um die Tat zu
genehmigen und die Adoption für ungültig zu erklären und dem
Apostel einen sanften Verweis zu erteilen, daß er die Milde
seines Gottes mißbraucht habe. Eine seiner Gattinnen, Hafna,
die Tochter Omars, überraschte ihn auf ihrem eigenen Bett in
den Armen seiner ägyptischen Gefangenen; sie versprach
Geheimhaltung und Verzeihung, und er schwur, auf Maria
Verzicht zu leisten. Beide Parteien vergaßen ihre
Verpflichtungen und Gabriel stieg abermals herab, um ihn von
seinem Eid zu lösen und ihn zu ermahnen, seine Gefangenen und
Geliebten zu genießen, ohne sich an das Geschrei seiner Frauen
zu kehren. In einsamer dreißigtägiger Zurückgezogenheit
arbeitete er allein mit Maria, die Gebote des Engels zu
vollziehen. Nachdem seine Liebe und Rache gesättigt waren,
rief er seine elf Frauen vor sich, warf ihnen ihren Ungehorsam
und ihre Geschwätzigkeit vor und drohte ihnen mit Scheidung
sowohl in dieser als in jener Welt; eine schreckliche Sentenz,
da diejenigen, die das Bett des Propheten bestiegen hatten,
niemals eine zweite Ehe eingehen durften. Vielleicht läßt sich
die Unmäßigkeit Mohammeds durch die Sage von seiner
natürlichen oder übernatürlichen Gabe beschönigen; er
vereinigte in sich die Manneskraft von dreißig gewöhnlichen
Sterblichen und der Prophet hätte die dreizehnte Arbeit des
griechischen Herkules tun können. Eine ernstere und
anständigere Entschuldigung liegt in seiner Treue gegen
Kadidschah. Während einer vierundzwanzigjährigen Ehe
verzichtete ihr jugendlicher Gemahl auf Vielweiberei, und die
stolze und zärtliche ehrwürdige Matrone wurde nie durch die
Gesellschaft einer Nebenbuhlerin verletzt. Nach ihrem Tod
versetzte er sie unter die vier vollkommenen Frauen mit Moses'
Schwester, Jesus' Mutter und Fatime, der geliebtesten seiner
Töchter. »War sie nicht alt?« fragte Ayescha mit dein Übermut
einer blühenden Schönheit, »hat dir Gott nicht an ihrer Stelle
eine bessere gegeben?« »Nein, bei Gott«, rief Mohammed in
ehrenhafter Dankbarkeit aus, »es kann nie eine bessere geben!
sie glaubte an mich, als die Menschen mich verachteten; sie
half mir, als ich arm war und von der Welt verfolgt wurde.«
Der Stifter einer Religion und eines Reiches wollte, indem
er der Vielweiberei in weitestem Sinn fröhnte, eine zahlreiche
Nachkommenschaft zur Linealerbfolge zeugen. Die Hoffnungen
Mohammeds wurden schmerzlich betrogen. Die Jungfrau Ayescha
und seine zehn Witwen reifen Alters und erprobter
Fruchtbarkeit blieben in seinen mächtigen Umarmungen steril.
Die vier Söhne der Kadidschah starben in der Kindheit. Maria,
seine ägyptische Geliebte, wurde ihm durch die Geburt Ibrahims
teuer. Nach fünfzehn Monaten schon weinte der Prophet über
seinem Grab, aber er trug mit Festigkeit den Hohn seiner
Feinde und tat der Schmeichelei oder der Leichtgläubigkeit der
Mohammedaner durch die Versicherung Einhalt, daß der Tod des
Kindes keine Sonnenfinsternis zur Folge gehabt hätte.
Kadidschah hatte ihm auch vier Töchter gegeben, die mit seinen
treuesten Schülern vermählt waren; die drei ältesten starben
vor ihrem Vater, Fatime aber, die das Vertrauen und die Liebe
ihres Vaters besaß, wurde die Gattin seines Vetters Ali und
die Mutter einer berühmten Nachkommenschaft. Das Verdienst und
die Unfälle Alis und seiner Nachkommen veranlassen mich, an
dieser Stelle die Reihe der sarazenischen Kalifen anzuführen,
ein Titel, der die Beherrscher der Gläubigen als die
Stellvertreter und Nachfolger des Apostels Gottes bezeichnet.
Die Geburt, Vermählung und der Charakter Alis, wodurch er
über alle seine Vaterlandsgenossen erhoben wurde,
rechtfertigten seinen Anspruch auf den erledigten Thron von
Arabien. Der Sohn Abu Talebs war kraft eigenen Rechtes das
Oberhaupt der Familie Haschern und der Erbfürst oder
Beschützer der Stadt oder des Tempels von Mekka. Das Licht der
Prophezeiung war erloschen; aber der Gemahl der Fatime durfte
auf die Erbschaft und den Segen ihres Vaters hoffen. Die
Araber hatten sich zuweilen eine weibliche Herrschaft gefallen
lassen, und der Prophet hatte seine beiden Enkel oft in seinem
Schoß gewiegt und auf der Kanzel als die Hoffnung seines
Alters und die Anführer der Jünglinge des Paradieses gezeigt.
Der erste wahre Gläubige durfte danach streben, sowohl in
dieser als in jener Welt vor ihnen einher zu ziehen, und wenn
auch einige ernster und strenger waren, hatte doch noch kein
Proselyt den Eifer und die Tugend Alis übertroffen. Er besaß
die Eigenschaften eines Dichters, Kriegers und Heiligen; seine
Weisheit lebt noch in einer Sammlung moralischer und
religiöser Sprichwörter fort, und er überwältigte jeden Gegner
sowohl im Rede- als im Schwerterkampf. Der Prophet war von der
ersten Stunde seiner Sendung an bis zur letzten Feier seines
Leichenbegängnisses nie von diesem hochherzigen Freund
verlassen worden, den er seinen Bruder, seinen Stellvertreter,
den treuen Aaron eines zweiten Moses zu nennen pflegte. Dem
Sohn Abu Talebs wurde später vorgeworfen, er habe
vernachlässigt, durch eine feierliche Erklärung, die jede
Mitbewerbung zum Schweigen gebracht und seine Nachfolge mit
den Beschlüssen des Himmels besiegelt hätte, sein Interesse zu
wahren. Aber der arglose Held vertraute sich selbst;
Eifersucht und vielleicht auch Furcht vor Widerstand
verschoben die Kundmachung der Beschlüsse des Propheten, und
sein Krankenlager wurde von der schlauen Ayescha, Abubekers
Tochter und Alis Feindin, belagert.
Das Schweigen und der Tod des Propheten gaben dem Volk
seine Freiheit zurück. Seine Gefährten beriefen eine
Versammlung, um über die Wahl seines Nachfolgers zu beraten.
Durch das erbliche Recht und den hohen Geist war Ali einer
Aristokratie von Ältesten widerwärtig, die das Zepter durch
eine freie und häufige Wahl zu verleihen und wieder an sich zu
nehmen wünschten; die Koreischiten konnten sich niemals mit
dem stolzen Vorrang des Hauses Haschem aussöhnen. Die alte
Zwietracht der Stämme flammte wieder auf, die Flüchtlinge von
Mekka und die Verbündeten von Medina verteidigten ihre
gegenseitigen Ansprüche, und die Ausführung des unbesonnenen
Vorschlages, zwei unabhängige Kalifen zu wählen, hätte
Religion und Reich der Sarazenen schon im Entstehen vernichten
müssen. Der Tumult wurde durch den uneigennützigen Entschluß
Omars beendet, der plötzlich auf seine eigenen Ansprüche
Verzicht leistete, seine Hand ausstreckte und sich zum ersten
Untertanen des milden und ehrwürdigen Abubeker erklärte. Die
Dringlichkeit des Augenblickes und die Zustimmung des Volkes
konnten diese ungesetzliche und übereilte Maßregel
entschuldigen; Omar selbst aber erklärte von der Kanzel, daß,
wenn in Zukunft irgendein Mohammedaner sich erdreisten würde,
der Wahl seiner Brüder vorzugreifen, sowohl der Wähler als der
Gewählte des Todes schuldig sein sollten. Nach Abubekers
einfacher Krönung gehorchten ihm Medina, Mekka und die
Provinzen von Arabien. Nur die Haschemiten verweigerten die
Treue, und ihr Oberhaupt hielt sich in seinem eigenen Hause
über sechs Monate eingeschlossen, ohne sich an Omars Drohungen
zu kehren, der die Wohnung der Tochter des Propheten in Brand
zu stecken versuchte. Der Tod der Fatime und die Abnahme
seiner Partei bezwangen den entrüsteten Ali; er ließ sich
herbei, den Beherrscher der Gläubigen zu begrüßen, ließ seine
Entschuldigung, daß es notwendig gewesen sei, ihren
gemeinsamen Feinden zuvorzukommen, gelten und wies weislich
sein höfliches Anerbieten zurück, die Regierung niederzulegen.
Nach zweijähriger Herrschaft wurde der greise Kalif vom
Todesengel abberufen. In seinem Testament hinterließ er mit
stillschweigender Billigung seiner Gefährten das Zepter dem
starken und unerschrockenen Omar. »Ich habe keinen Anspruch
auf die Stelle«, sagte der bescheidene Kandidat. »Wohl aber
die Stelle auf dich«, erwiderte Abubeker und starb mit dem
inbrünstigen Gebet, der Gott Mohammed möge seine Wahl
genehmigen und die Muselmanen auf die Bahn der Eintracht und
des Gehorsams leiten. Das Gebet blieb nicht ohne Wirkung, da
Ali selbst in einem Leben der Einsamkeit und Andacht den
größeren Wert und die Würde seines Nebenbuhlers anzuerkennen
schien, der ihn für den Verlust des Reiches mit den
schmeichelhaftesten Beweisen des Vertrauens und der
Hochachtung tröstete. Omar empfing im zwölften Jahre seiner
Regierung von Mörderhand eine tödliche Wunde, verwarf
unparteiisch als Nachfolger seinen Sohn und Ali, weigerte
sich, sein Gewissen mit der Wahl seines Nachfolgers zu
belasten und übertrug sechs der achtungswertesten Gefährten
die schwierige Aufgabe, einen Beherrscher zu wählen. Bei
dieser Veranlassung wurde Ali abermals von seinen Freunden
getadelt, daß er sein Recht dem Urteil von Menschen unterwarf
und ihr Ohnmacht anerkannte, indem er einen Platz unter den
sechs Wählern annahm. Er hätte ihre Stimmen erlangen können,
wenn er sich herbeigelassen haben würde, strengen und
knechtischen Gehorsam nicht nur dem Koran und der
Überlieferung, sondern auch den Beschlüssen zweier Ältesten zu
geloben. Mit diesen Beschränkungen übernahm Othman, Mohammeds
Geheimschreiber, die Regierung, und erst nach dem dritten
Kalifen, vierundzwanzig Jahre nach dem Tod Mohammeds, wurde
Ali durch Volkswahl mit dem königlichen und priesterlichen Amt
bekleidet. Die Araber bewahrten in ihren Sitten die
ursprüngliche Einfachheit, und auch der Sohn Abu Talebs
verachtete den Pomp und die Eitelkeit dieser Welt. Zur Stunde
des Gebetes begab er sich, in ein dünnes Baumwollgewand
gekleidet, einen großen Turban auf dem Haupt, seine Schuhe in
der einen Hand, in der anderen statt eines Stabes seinen
Bogen, nach der Moschee von Medina. Die Gefährten des
Propheten und die Häupter der Stämme begrüßten ihren neuen
Souverän und reichten ihm die Rechte zum Zeichen der Huldigung
und Treue.
Das Unheil, dessen Quelle im Ehrgeiz liegt, beschränkt sich
gewöhnlich auf die Zeiten und Länder, in denen die Kämpfe
ausgefochten worden sind. Aber der Religionszwiespalt der
Freunde und Feinde Alis ist in jedem Jahrhundert der Hedschra
erneuert worden und lebt noch in dem unsterblichen Haß der
Türken und Perser fort. Letztere, die mit der Benennung
Schiiten oder Sektierer gebrandmarkt sind, haben den
Mohammedanismus durch einen neuen Glaubensartikel bereichert,
nämlich: Mohammed ist der Prophet Gottes und sein Gefährte Ali
ist Gottes Statthalter. Sie stoßen sowohl im Gespräch als bei
dem öffentlichen Gottesdienst auf die drei Usurpatoren, die
sein unverjährbares Recht, die Würde des Imam und Kalifen zu
erhalten, verletzt haben, die bittersten Verwünschungen aus
und glauben, daß Omar der vollständige Ausbund der
Verruchtheit und Gottlosigkeit ist. Die Sunniten, die sich auf
die allgemeine Zustimmung und die orthodoxe Überlieferung der
Mohammedaner stützen, bekennen sich zu einer minder
parteiischen oder wenigstens anständigeren Ansicht. Sie ehren
das Andenken Abubekers, Omars, Othmans und Alis, der heiligen
und rechtmäßigen Nachfolger des Propheten. Aber sie weisen den
letzten und geringsten Platz dem Gemahl der Fatime in der
Überzeugung an, daß die Ordnung der Nachfolge durch die Grade
der Heiligkeit bestimmt worden sei. Ein Geschichtsschreiber,
der diese vier Kalifen unbeirrt durch Aberglauben wägt, wird
die ruhige Entscheidung fällen, daß ihre Sitten gleich rein
und musterhaft, ihr Eifer gleich feurig und wahrscheinlich
aufrichtig und daß inmitten der Reichtümer und Macht ihr Leben
der Erfüllung der moralischen und religiösen Pflichten
gewidmet war. Aber die öffentlichen Tugenden Abubekers und
Omars, die Klugheit des ersten und die Strenge des zweiten,
veranlaßten Frieden und Glück während ihrer Regierung. Der
schwache und alte Othman war der Last der Eroberung und
Herrschaft nicht gewachsen. Er wählte und wurde betrogen, er
vertraute und wurde verraten; die würdigsten Gläubigen
leisteten während seiner Regierung entweder keine Dienste oder
waren feindlich gesinnt, und seine verschwenderische Güte
erzeugte nur Undankbarkeit und Unzufriedenheit. Der Geist der
Zwietracht verbreitete sich über die Provinzen, ihre
Abgesandten kamen in Medina zusammen, und die Charegiten, die
verzweifelten Schwärmer, die Unterordnung und Vernunft
schmähten, mengten sich mit den freigeborenen Arabern, die
Abhilfe ihrer Beschwerden und Bestrafung ihrer Unterdrücker
verlangten. Von Kufa, von Bassora, von Ägypten, von den
Stämmen der Wüste erhoben sie sich in Waffen, lagerten eine
Stunde von Medina und sandten an ihren Souverän das übermütige
Gebot, entweder Gerechtigkeit zu üben oder vom Thron zu
steigen. Seiner Reue wegen begannen sich die Aufrührer zu
entwaffnen und zu zerstreuen, aber ihre Wut wurde durch die
Intrigen seiner Feinde neuerdings entflammt und die Fälschung
eines treulosen Geheimschreibers benutzt, um seinen Ruf zu
schwärzen und seinen Fall zu beschleunigen. Der Kalif hatte
den einzigen Schutz seiner Vorgänger verloren, die Achtung und
das Vertrauen der Mohammedaner; während einer
sechswöchentlichen Belagerung wurde ihm das Trinkwasser, die
Zufuhr an Lebensmitteln abgeschnitten und die schwachen Tore
des Palastes nur wegen der Gewissenszweifel der Empörer nicht
erbrochen. Verlassen von denen, die seine Einfalt mißbraucht
hatten, erwartete der hilflose und ehrwürdige Kalif den
herannahenden Tod; der Bruder der Ayescha kam an der Spitze
der Mörder und Othman empfing, den Koran an der Brust haltend,
zahllose Wunden. Eine tumultuarische Anarchie von fünf Tagen
wurde durch die Thronbesteigung Alis beendigt; seine Weigerung
würde ein allgemeines Gemetzel zur Folge gehabt haben. In
dieser peinlichen Lage zeigte er den geziemenden Stolz des
Oberhauptes der Haschemiten, erklärte, daß er lieber zu dienen
als zu herrschen wünsche, wies die Anmaßung der Fremden zurück
und forderte die förmliche, wenn auch nicht freiwillige
Zustimmung der Häupter der Nation. Er ist niemals beschuldigt
worden, den Mörder Omars gefördert zu haben, obschon Persien
unklugerweise das Fest dieses heiligen Märtyrers feiert. Die
Zwietracht zwischen Othman und seinen Untertanen wurde durch
die rechtzeitige Vermittlung Alis besänftigt. Hassan, sein
ältester Sohn, war in Verteidigung des Kalifen mißhandelt und
verwundet worden. Nichtsdestoweniger ist es zweifelhaft, ob
Hassans Vater es mit seinem Widerstand gegen die Rebellen
kräftig und ernstlich meinte. Doch gewiß ist, daß der Nutzen
ihres Verbrechens ihm zufiel. Die Versuchung war in der Tat so
groß, daß sie auch die Tugendhaftesten zum Wanken und zum Fall
bringen konnte. Der ehrgeizige Kandidat strebte nicht mehr
nach dem dürftigen Zepter von Arabien; die Sarazenen waren im
Osten und im Westen siegreich gewesen und die reichen
Königreiche Persien, Syrien und Ägypten waren dem Beherrscher
der Gläubigen Untertan.
Ein Leben des Gebetes und der Betrachtung hatte die
kriegerische Veranlagung Alis nicht unterdrücken können; noch
im reifen Alter und nach langer Welterfahrung verriet er in
seinem Benehmen die Verwegenheit und Unklugheit der Jugend. In
den ersten Tagen seiner Regierung unterließ er es, die
zweifelhafte Treue Delhas und Zobeirs, der zwei mächtigsten
arabischen Häuptlinge, durch Geschenke oder Fesseln zu
sichern. Sie flohen von Medina nach Mekka, von da nach Bassora,
pflanzten die Fahne der Empörung auf und bemächtigten sich der
Statthalterschaft von Irak oder Assyrien, um die sie als Lohn
ihrer Dienste vergeblich gebeten hatten. Die Maske des
Patriotismus wird vorgenommen, auch um die schreiendsten
Widersprüche zu decken und die Feinde, vielleicht die Mörder
Othmans, forderten nun Rache für sein Blut. Ayescha, die Witwe
des Propheten, die bis zur letzten Stunde ihres Lebens einen
unversöhnlichen Haß gegen den Gatten und die Nachkommen der
Fatime nährte, hatte sie auf ihrer Flucht begleitet. Die
vernünftigeren Mohammedaner nahmen Ärgernis daran, daß die
Mutter der Gläubigen sich im Lager aufhielt; aber die
abergläubische Menge war überzeugt, daß ihre Anwesenheit die
Gerechtigkeit ihrer Sache zeige und den Erfolg sichere. An der
Spitze von zwanzigtausend seiner treuen Araber und neuntausend
tapferer Bundesgenossen aus Kufa bekämpfte und schlug der
Kalif die überlegenen Streitkräfte des Feindes unter den
Mauern von Bassora. Ihre Anführer Delha und Zobeir wurden in
der ersten Schlacht getötet, welche die mohammedanischen
Waffen mit Bürgerblut befleckte. Nachdem Ayescha durch die
Reihen gezogen war, um die Truppen anzufeuern, hatte sie ihren
Posten mitten im Feld an gefährlicher Stelle gewählt. In der
Hitze des Gefechtes waren siebzig Mann, die den Zaum ihres
Kamels hielten, getötet oder verwundet worden und die Sänfte,
in der sie saß, starrte von Wurfspießen und Pfeilen. Die
ehrwürdige Gefangene ertrug mit Festigkeit die Vorwürfe des
Siegers. Sie wurde unverzüglich nach ihrem Platz am Grabe
Mohammeds mit der Ehrfurcht und Liebe entlassen, die der Witwe
des Propheten gebührte. Nach diesem Sieg, genannt der Tag des
Kamels, zog Ali gegen einen furchtbareren Gegner, gegen
Moawijah, den Sohn Abu Sophians, der den Titel eines Kalifen
angenommen hatte und dessen Ansprüche durch die syrischen
Streitkräfte und durch den Einfluß des Hauses Ommijah
unterstützt würden. Vom Paß von Thapsakus dehnte sich die
Ebene Siffin längs des Euphrats aus. Auf diesem geräumigen und
ebenen Schauplatz führten die beiden Gegner hundertzehn Tage
lang einen unentschiedenen Krieg. Man schätzte in neunzig
Gefechten und Scharmützeln den Verlust Alis auf
fünfundzwanzigtausend, den des Moawijah auf
fünfundvierzigtausend Soldaten, und die Liste der Erschlagenen
wurde durch die Namen von fünfundzwanzig Veteranen geschmückt,
die bei Beder unter Mohammeds Fahne gefochten hatten. In
diesem blutigen Kampf entwickelte der rechtmäßige Kalif einen
durch Tapferkeit und Menschlichkeit in höherem Grad
ausgezeichneten Charakter. Seine Truppen hatten strengen
Befehl, den ersten Angriff des Feindes abzuwarten, ihre
fliehenden Brüder zu schonen, die Leichen der Erschlagenen und
die Keuschheit ihrer weiblichen Gefangenen zu ehren. Er
schlug, um mohammedanisches Blut zu sparen, edelmütig einen
Zweikampf vor, aber sein zitternder Nebenbuhler lehnte die
Herausforderung als sicheres Todesurteil ab. Die syrischen
Reihen wurden von dem mutigen Helden durchbrochen, der auf
einem Schecken saß und sein schweres, zweischneidiges Schwert
mit unwiderstehlicher Kraft schwang. So oft er einen Rebellen
niederschlug, rief er das Allah Akbar (»Gott ist siegreich!«),
und während eines nächtlichen Kampfes hörte man ihn diesen
furchtbaren Ausruf vierhundertmal wiederholen. Schon dachte
der Fürst von Damaskus an Flucht, als Alis Händen der sichere
Sieg durch seine ungehorsamen und schwärmerischen Truppen
entrissen wurde. Sie wurden durch die feierliche Berufung auf
die Bücher des Korans, die Moawijah auf den vordersten Lanzen
aufpflanzte, eingeschüchtert, und Ali mußte sich einen
schimpflichen Waffenstillstand und einen hinterlistigen
Vergleich gefallen lassen. Er zog sich mit Schmerz und
Entrüstung nach Kufa zurück. Seine Partei war entmutigt, die
fernen Provinzen Persien, Yemen und Ägypten wurden von seinem
schlauen Nebenbuhler unterjocht oder verführt, und einigen
Fanatikern, die die drei Oberhäupter der Nation töten wollten,
gelang nur der Mord an dem Vetter Mohammeds. Im Tempel von
Mekka sprachen drei Charegiten oder Schwärmer über die
Unordnung der Kirche und des Staates und waren bald darüber
einig, daß der Tod des Ali, des Moawijah und seines Freundes
Amru, des Vizekönigs von Ägypten, den Frieden und die Einheit
der Religion wiederherstellen würde. Jeder der Mörder wählte
sein Opfer, vergiftete seinen Dolch, weihte sein Leben Gott
und begab sich insgeheim auf den Schauplatz seiner Tat. Ihr
Entschluß war gleich verzweifelt; aber der erste irrte sich in
der Person Amrus und erdolchte den Stellvertreter, der seinen
Sitz eingenommen hatte; der Fürst von Damaskus wurde von dem
zweiten gefährlich, der rechtmäßige Kalif aber in der Moschee
von Kufa von dem dritten tödlich verwundet. Er starb im
dreiundsechzigsten Lebensjahr (660) und empfahl seinen Kindern
voll Barmherzigkeit den Mörder mit einem einzigen Streich zu
töten. Das Grab Alis wurde vor den Tyrannen des Hauses Ommijah
geheim gehalten; aber im vierten Jahrhundert der Hedschra
erhob sich in der Nähe der Ruinen von Kufa ein Grabmal, ein
Tempel und eine Stadt. Viele tausend Schiiten ruhen in der
heiligen Erde zu den Füßen des Statthalters Gottes. Die Wüste
wird durch die zahlreichen und jährlichen Besuche der Perser
belebt, welche die Andacht an diesem Grab für ebenso
verdienstvoll halten wie eine Wallfahrt nach Mekka.
Die Verfolger Mohammeds maßten sich das Erbe seiner Kinder
an und die ehemaligen Verteidiger des Götzendienstes wurden
die obersten Häupter seiner Religion und seines Reiches. Abu
Sophian leistete grimmig und hartnäckig Widerstand, seine
Bekehrung war spät und zögernd gewesen, Notwendigkeit und
Eigennutz bestärkten ihn in seiner neuen Religion. Er diente,
focht, glaubte vielleicht, und die Sünden in der Zeit der
Unwissenheit wurden vielleicht durch die neuerlichen
Verdienste des Hauses Ommijah gesühnt. Moawijah, der Sohn Abu
Sophians und der grausamen Henda, wurde in seiner frühen
Jugend mit dem Amt oder Titel eines Geheimschreibers des
Propheten ausgezeichnet. Omar verlieh ihm die
Statthalterschaft von Syrien, und er verwaltete diese wichtige
Provinz über vierzig Jahre, teils in einem untergeordneten,
teils im höchsten Rang. Ohne auf den Ruhm der Tapferkeit und
Freigebigkeit zu verzichten, strebte er nach dem Ruhm der
Menschlichkeit und Mäßigung; ein dankbares Volk hing an seinem
Wohltäter, und die siegreichen Mohammedaner wurden mit der
Beute von Cypern und Rhodus bereichert. Die heilige Pflicht,
die Mörder Othmans zu bestrafen, diente ihm als Vorwand. Das
blutige Hemd des Märtyrers wurde in der Moschee von Damaskus
ausgestellt, der Emir beweinte das Schicksal eines ermordeten
Verwandten, und sechzigtausend Syrer traten mit dem Eid der
Treue und Rache in seine Dienste. Amru, der berühmte, starke
Eroberer von Ägypten, war der erste, der den neuen Monarchen
begrüßte und das gefährliche Geheimnis offenbarte, daß die
arabischen Kalifen wo anders als in der Stadt des Propheten
ernannt werden können. Moawijahs Politik siegte über die
Tapferkeit seines Nebenbuhlers, und nach dem Tode Alis
unterhandelte er über die Abdankung seines Sohnes Hassan, der
sich ohne Klage aus dem Palast von Kufa in eine armselige
Zelle am Grabe seines Großvaters zurückzog. Die ehrgeizigen
Wünsche des Kalifen wurden schließlich durch die wichtige
Umwandlung eines Wahlreiches in eine Erbmonarchie gekrönt.
Einiges Gemurre über Freiheit bezeugte den Widerwillen und die
Schwärmerei der Araber, und vier Bürger von Medina
verweigerten den Treueid; aber Moawijah verfolgte seine Pläne
mit Kraft und Geschicklichkeit, und sein Sohn Yelid, ein
schwacher und ausschweifender Jüngling, wurde als Beherrscher
der Gläubigen und Nachfolger des Propheten ausgerufen.
Eine bekannte Geschichte wird von der Güte eines der Söhne
Alis erzählt. Ein Sklave, der bei der Tafel aufwartete, hatte
aus Versehen eine Schüssel mit siedender Brühe auf seinen
Gebieter fallen lassen; der unachtsame Bursche fiel zur Erde,
um seine Bestrafung durch Bitten abzuwenden und rezitierte
einen Vers aus dem Koran: »Das Paradies harret derjenigen, die
ihren Zorn beherrschen!« – »Ich zürne nicht!« – »und
derjenigen, die Vergehen verzeihen!« – »Ich verzeihe dein
Vergehen!« – »und derjenigen, die Böses mit Gutem vergelten!«
– »Ich schenke dir die Freiheit und vierhundert Silberstücke!«
Gleich fromm, erbte Hosein, Hassans jüngerer Bruder, einen
Teil des Mutes seines Vaters und diente ehrenvoll gegen die
Christen in der Belagerung von Konstantinopel. Das
Erstgeburtsrecht des Hauses Haschem und der heilige Charakter
eines Enkels des Propheten waren in seiner Person vereint und
es stand ihm frei, sein Recht gegen Yelid, den Tyrannen von
Damaskus, zu verfolgen, dessen Laster er verachtete und dessen
Anerkennung man nie von ihm gefordert hatte. Eine Liste von
hundertvierzigtausend Mohammedanern, die ihre Anhänglichkeit
an seine Sache bekannten und bereit waren, das Schwert zu
ziehen, sobald er an den Ufern des Euphrat erscheinen würde,
wurde insgeheim von Kufa nach Medina gesandt. Er beschloß
gegen den Rat seiner weisesten Freunde, sich selbst und seine
Familie einem treulosen Volk anzuvertrauen. Er durchzog die
arabische Wüste mit einem bescheidenen Gefolge von Frauen und
Kindern; als er sich aber den Grenzen von Irak näherte, wurde
er durch die Verlassenheit oder das öde Aussehen des Landes in
Bestürzung versetzt, und er argwöhnte entweder den Abfall oder
die Vernichtung seiner Partei. Seine Besorgnisse waren
berechtigt; Obeidollah, der Statthalter von Kufa, hatte die
ersten Funken eines Aufruhrs erstickt, und Hosein wurde in der
Ebene von Kerbela von fünftausend Reitern umzingelt, die ihn
von der Stadt und dem Strom abschnitten. Noch hätte er nach
einer Festung in der Wüste, die den Waffen des Cäsar und
Chosroes getrotzt hatte, entfliehen und sich dem Stamme Tais
anvertrauen können, der zehntausend Krieger zu seiner
Verteidigung zu den Waffen gerufen hätte. In einer Besprechung
mit dem feindlichen Anführer schlug er die Wahl zwischen drei
ehrenvollen Bedingungen vor; man sollte ihm entweder
gestatten, nach Medina zurückzukehren oder ihn in einer
Grenzfestung gegen die Türken verwenden oder mit sicherem
Geleit vor Yefid führen. Aber die Befehle des Kalifen oder
seines Unterfeldherrn waren hart und unbedingt und Hosein
erfuhr, daß er sich entweder als Gefangener und Verbrecher dem
Beherrscher der Gläubigen unterwerfen oder die Folgen seiner
Empörung tragen müsse. »Glaubt ihr etwa«, erwiderte er, »mich
mit dem Tod zu schrecken?« Und er bereitete sich in einer
kurzen Nacht vor, mit feierlicher und ruhiger Entschlossenheit
seinem Schicksal entgegenzutreten. Er tat dem Wehklagen seiner
Schwester Fatime Einhalt, die den drohenden Sturz seines
Hauses beklagte. »Unser Vertrauen«, sagte Hosein, »beruht auf
Gott allein. Alle Dinge sowohl im Himmel wie auf Erden müssen
untergehen und zu ihrem Schöpfer zurückkehren. Mein Vater,
meine Mutter, mein Bruder waren besser als ich, und jeder
Mohammedaner hat das Beispiel des Propheten vor Augen.« Er
drang in seine Freunde, durch rechtzeitige Flucht für ihre
Sicherheit zu sorgen; sie weigerten sich einmütig, ihren
geliebten Gebieter zu verlassen oder zu überleben, und ihr Mut
wurde durch inbrünstiges Gebet und die zuversichtliche
Hoffnung auf das Paradies gestählt. Am Morgen des
verhängnisvollen Tages stieg er, das Schwert in der einen, den
Koran in der anderen Hand, zu Pferde; seine hochherzige Schar
von Märtyrern bestand nur aus zweiunddreißig Reitern und
vierzig Mann zu Fuß; aber ihre Seiten und Rücken waren durch
Zeltstricke und einen tiefen Graben geschützt, den sie mit
angezündeten Reisigbündeln nach arabischer Sitte gefüllt
hatten. Der Feind rückt widerstrebend vor, und einer seiner
Anführer ging mit dreißig Anhängern über, um den sicheren Tod
zu teilen. In jedem dichten Angriff, in jedem Zweikampf waren
die verzweifelten Fatimiten unbezwinglich, aber die sie
umgebenden Scharen beschossen sie aus der Ferne mit Pfeilen
und töteten nacheinander Pferde und Menschen; ein
Waffenstillstand wurde von beiden Seiten für die Stunde des
Gebetes geschlossen, und der Kampf endigte mit dem Tod des
letzten der Gefährten Hoseins. Allein, ermüdet und verwundet,
setzte er sich vor seinem Zelt nieder. Während er etwas Wasser
trank, traf ihn ein Pfeil in den Mund, und sein Sohn und sein
Neffe, zwei schöne Jünglinge, wurden in seinen Armen getötet.
Er erhob seine Hände gegen den Himmel, sie waren voll Blut. Er
sprach ein Sterbegebet für die Lebenden und Toten. In der
höchsten Verzweiflung eilte seine Schwester aus dem Zelt und
beschwor den Feldherrn der Truppen von Kufa, Hosein nicht vor
seinen Augen ermorden zu lassen. Eine Träne rann in seinen
ehrwürdigen Bart und seine kühnsten Krieger wichen zurück, als
sich der sterbende Held unter sie stürzte. Der gewissenlose
Schamer, ein von den Gläubigen verfluchter Name, warf ihnen
ihre Feigheit vor, und der Enkel Mohammeds wurde durch
dreiunddreißig Lanzen- und Schwertstöße getötet. Nachdem sie
seine Leiche in den Staub getreten, brachten sie seinen Kopf
nach dem Schloß von Kufa, und der unmenschliche Obeidollah
schlug mit einem Stock auf seinen Mund. »Ach!« rief ein
greiser Mohammedaner aus, »auf diesen Lippen habe ich die
Lippen des Propheten gesehen.« In einem fernen Jahrhundert und
Land erweckte der tragische Tod Hoseins das Mitgefühl des
kältesten Lesers. Zur jährlichen Feier seines Märtyrertodes
überlassen sich seine persischen Verehrer bei der frommen
Wallfahrt zu seinem Grab ihre Seele dem religiösen Schmerz und
der Entrüstung. Als die Schwestern und Kinder Alis in Ketten
vor den Thron von Damaskus gebracht wurden, riet man dem
Kalifen ein beim Volk beliebtes und feindlich gesinntes
Geschlecht, das er zu sehr gekränkt habe, als daß eine
Versöhnung möglich sei, auszurotten. Yefid zog jedoch Milde
vor und entließ die trauernde Familie in Ehren, um ihre Tränen
mit denen ihrer Verwandten in Medina zu mengen. Der Ruhm des
Märtyrertums ersetzte das Recht der Erstgeburt. Die zwölf
Imams oder Päpste des persischen Glaubens sind Ali, Hassan,
Hosein und die Nachkommen Hoseins in gerader Linie bis in die
neunte Generation. Ohne Waffen, ohne Schätze, ohne Untertanen
genossen sie nacheinander die Verehrung des Volkes und reizten
die Eifersucht der herrschenden Kalifen. Ihre Gräber in Mekka
oder Medina, an den Ufern des Euphrats oder in der Provinz
Chorasan werden noch immer von andächtigen Pilgern besucht.
Sie waren oft der Vorwand zu Aufruhr und Bürgerkrieg; aber
diese königlichen Heiligen verachteten den Pomp der Welt,
unterwarfen sich dem Willen Gottes und der Ungerechtigkeit der
Menschen und widmeten ihr schuldloses Leben dem Studium und
der Ausübung der Religion. Der zwölfte und letzte Imam,
ausgezeichnet durch den Titel Mahadi oder Führer, lebte noch
einsiedlerischer als seine Vorgänger und übertraf sie an
Heiligkeit. Er verbarg sich in einer Höhle in der Nähe von
Bagdad; Zeit und Ort seines Todes sind unbekannt, ja seine
Verehrer behaupten, er lebe noch immer und werde vor dem Tage
des Gerichtes erscheinen, um die Tyrannei Dedschals oder des
Antichrists zu stürzen. Im Verlaufe von zwei bis drei
Jahrhunderten hatte sich die Nachkommenschaft des Abbas, des
Oheims des Propheten, bis zu dreiunddreißigtausend Personen
vermehrt. Das Geschlecht Alis war nicht minder fruchtbar; das
geringste Individuum war über die ersten und größten Fürsten
erhaben, ja von den ausgezeichnetsten glaubte man, daß sie die
Vollkommenheit der Engel überträfen. Ihr unglückliches
Schicksal aber und die große Ausdehnung der mohammedanischen
Herrschaft bot jedem kühnen und schlauen Betrüger, der auf
eine Verwandtschaft mit dem heiligen Stamm Anspruch machte,
einen weiten Spielraum; das Zepter der Almohaden in Spanien
und Afrika, der Fatimiten in Ägypten und Syrien, der Sultane
von Yemen und der Sophis von Persien ist durch diesen
unbestimmten und zweideutigen Anspruch geheiligt worden. Unter
ihrer Regierung war es gefährlich, die Echtheit ihrer Geburt
zu bestreiten. Einer der fatimitischen Kalifen brachte einen
unbescheidenen Frager zum Schweigen, indem er den Säbel zog:
»Das«, rief Moez, »ist mein Stammbaum und dies sind«, eine
Handvoll Gold den Soldaten hinwerfend, »meine Verwandten und
Kinder.« In den verschiedensten Ständen von Fürsten,
Gottesgelehrten, Edlen, Kaufleuten, Bettlern wird ein Schwarm
echter oder angeblicher Nachkommen Mohammeds und Alis durch
den Titel Scheik, Scherif oder Emir geehrt. Im osmanischen
Reich zeichnen sie sich durch einen grünen Turban aus,
beziehen einen Jahresgehalt vom Staat, werden nur von ihrem
Oberhaupt gerichtet und behaupten, wie sehr sie auch durch
ihre Verhältnisse oder ihren Charakter herabgekommen sein
mögen, noch immer den stolzen Vorrang ihrer Geburt. Eine
Familie von dreihundert Personen, der reine und rechtgläubige
Stamm des Kalifen Hassan, lebt in den heiligen Städten Mekka
und Medina und hat nach Jahrhunderten noch immer die Bewachung
des Tempels inne und besitzt die Souveränität in ihrem
Vaterland. Mohammeds Ruhm und Verdienste hatten ein
plebejisches Geschlecht geadelt, und das alte Geschlecht der
Koreischiten wird von der neuen Majestät der Könige der Erde
überstrahlt.
Die Talente Mohammeds verdienen unsere Achtung, aber sein
Erfolg hat vielleicht unsere Bewunderung zu sehr erregt. Kann
es uns überraschen, daß eine Menge Proselyten sich zur Lehre
und zu den Leidenschaften eines beredten Fanatikers bekannten?
Die Kirche hat dieselbe Verführung von der Zeit der Apostel
bis zu jener der Reformatoren wiederholt versucht. Scheint es
vielleicht unglaublich, daß ein Privatmann nach Schwert und
Zepter griff, sein Vaterland unterjochte und mit seinen
siegreichen Waffen eine Monarchie gründete? In den
orientalischen Dynastien haben sich hundert glückliche
Usurpatoren aus einem niedrigeren Ursprung erhoben,
furchtbarere Hindernisse überwältigt und einen größeren Raum
erobert und beherrscht. Mohammed verstand in gleichem Grad zu
predigen und zu kämpfen, und die Vereinigung dieser
entgegengesetzten Eigenschaften trug, indem sie sein Verdienst
erhöhten, zu seinem Erfolg bei; Gewalt und Überredung,
Enthusiasmus und Furcht griffen beständig ineinander, bis
endlich vor der unwiderstehlichen Macht jede Schranke
zerbrach. Er forderte die Araber zur Freiheit und zum Sieg,
zum Krieg und Raub, zur Befriedigung ihrer
Lieblingsleidenschaften in dieser und jener Welt auf; der
Zwang, den er auferlegte, war notwendig, um sein Ansehen als
Prophet zu begründen und das Volk im Gehorsam zu üben, und das
einzige Hindernis für seinen Erfolg war sein vernünftiger
Glaube an die Einheit und Vollkommenheit Gottes. Nicht die
Verbreitung, sondern die Dauer seiner Religion verdient unsere
Bewunderung; was er in Mekka und Medina schuf, ist genau so
rein und vollständig von den indischen, afrikanischen und
türkischen Proselyten des Korans bewahrt worden. Wenn die
christlichen Apostel Petrus und Paulus nach dem Vatikan
zurückkehren könnten, würden sie möglicherweise nach den Namen
der Gottheit fragen, die mit so geheimnisvollen Zeremonien in
diesem prachtvollen Tempel verehrt wird; in Oxford oder Genf
würden sie vielleicht weniger überrascht sein, würden es aber
doch für nötig halten, den Katechismus der Kirche zu lesen und
die orthodoxen Kommentare zu ihren eigenen Schriften und den
Worten ihres Lehrers zu studieren. Aber der türkische Dom der
heiligen Sophie stellt mit etwas mehr Glanz umfangreicher das
Zelt dar, das in Medina von Mohammeds errichtet worden ist.
Die Mohammedaner haben der Versuchung widerstanden, den
Gegenstand ihres Glaubens und ihrer Andacht in den Maßen des
Menschen darzustellen. »Ich glaube an einen Gott und Mohammed
ist sein Prophet«, ist das einfache und unwandelbare
Glaubensbekenntnis des Islams. Die Ehren, die dem Propheten
gezollt werden, haben das menschliche Maß nie überschritten,
und seine lebendigen Vorschriften haben die Dankbarkeit seiner
Schüler auf die Grenzen der Vernunft und Religion beschränkt.
Die Verehrer Alis haben allerdings das Andenken ihres Helden,
seiner Gattin und Kinder geheiligt, und einige persische
Lehrer behaupten, daß das göttliche Wesen in der Person der
Imame inkarniert worden sei; aber ihr Aberglaube wird von den
Sunniten allgemein verdammt und sie haben rechtzeitig vor der
Verehrung von Heiligen und Märtyrern gewarnt. Die
metaphysischen Fragen über die Eigenschaften Gottes und die
Freiheit des Willens sind in den Schulen der Mohammedaner so
wie in jenen der Christen Gegenstand des Streites gewesen;
allein bei jenen hat sich niemals das Volk daran beteiligt,
noch wurde je die Ruhe des Staates gestört. Die Ursache dieses
wichtigen Unterschiedes läßt sich in der Trennung oder
Vereinigung des königlichen und priesterlichen Amtes finden.
Es lag im Interesse der Kalifen, der Nachfolger Mohammeds und
Beherrscher der Gläubigen, alle religiösen Neuerungen
zurückzudrängen; der Stand, die strengen Einrichtungen, der
zeitliche und weltliche Ehrgeiz der Geistlichkeit sind den
Mohammedanern unbekannt; die Weisen des Gesetzes sind die
Leiter ihres Gewissens und die Orakel ihres Glaubens. Vom
atlantischen Ozean bis zum Ganges ist der Koran als
Grundgesetzbuch nicht nur der Theologie, sondern auch des
Zivil- und Kriminalrechtes anerkannt, und die Gesetze, welche
die Handlungen und das Eigentum der Menschen regulieren,
werden durch die unwandelbare Heiligkeit des Willens Gottes
geschützt. Diese religiöse Knechtschaft ist mit einigen
praktischen Nachteilen verbunden; der ungelehrte Gesetzgeber
ist oft durch seine eigenen Vorurteile sowie durch die seines
Vaterlandes mißleitet worden, und die Einrichtungen, die die
arabischen Wüstenbewohner benötigen, mögen schlecht zum
Reichtum des Volkes von Ispahan und Konstantinopel passen. In
diesem Falle legt sich der Kadi das heilige Buch
ehrfurchtsvoll auf sein Haupt und unterschiebt gewandt eine
Auslegung, die den Grundsätzen der Billigkeit und den Sitten
und der Politik der Zeit angemessener ist.
Mohammeds wohltätiger oder verderblicher Einfluß auf das
öffentliche Wohl bildet die letzte Betrachtung in bezug auf
seinen Charakter. Die bittersten und frömmsten seiner
christlichen oder jüdischen Feinde werden gewiß zugeben, daß
er den erdichteten Auftrag übernahm, eine heilsame Lehre zu
verkünden, die an Vollkommenheit nur ihrer eigenen nachsteht.
Er benützte als Grundlage seiner Religion frommerweise ihre
früheren Offenbarungen, die Tugenden und Wunder ihrer Stifter.
Die Götzen Arabiens wurden vor dem Thron Gottes vernichtet,
das Menschenopfer durch Gebet, Fasten und Almosen, die
löblichen und unschuldigen Künste der Andacht, ersetzt, und
seine Belohnungen und Strafen in einer zukünftigen Welt waren
in Bildern ausgemalt, wie sie einem unwissenden und sinnlichen
Volk am besten zusagten. Mohammed war vielleicht nicht fähig,
ein moralisches und politisches System zum Gebrauch seiner
Landsleute zu entwerfen; aber er empfahl den Gläubigen Milde
und Freundschaft sowie die Ausübung gesellschaftlicher
Tugenden und tat durch seine Gesetze und Vorschriften dem
Durst nach Rache und der Unterdrückung der Witwen und Waisen
Einhalt. Die feindlichen Stämme wurden in Glauben und Gehorsam
vereinigt und die Tapferkeit, die in einheimischen Fehden
nutzlos vergeudet worden war, kraftvoll gegen einen
auswärtigen Feind gelenkt. Wäre der Stoß minder heftig
gewesen, so hätte Arabien frei daheim und gefürchtet im
Ausland unter einer Reihe einheimischer Monarchen blühen
können. Seine Souveränität verlor sich durch Ausdehnung seiner
Eroberungen und die Schnelligkeit, in der sie vor sich ging.
Die Kolonien der Nation waren über den Osten und Westen
zerstreut, und ihr Blut vermischte sich mit dem ihrer
Bekehrten und Gefangenen. Nach der Regierung von drei Kalifen
wurde der Thron von Medina nach dem Tal von Damaskus und an
die Ufer des Tigris verlegt. Die heiligen Städte wurden durch
einen gottlosen Krieg verletzt, Arabien durch einen
Untertanen, vielleicht einen Fremden regiert, und die Beduinen
der Wüste, von ihrem Traum der Herrschaft erwachend, kehrten
wieder zu ihrer alten und einsamen Unabhängigkeit zurück.