Drittes Kapitel - Die griechischen Kaiser
(Anmerkung der
Enzyklopädie des Islam: Die hier erfolgenden Schilderungen
sind in keinster weise authentisch und können daher nicht als
Quelle für die Geschichte des Islam angesehen werden. Die
Wiedergabe dient nur dazu, um darzulegen, wie in der
Westlichen Welt auf den
Islam geblickt worden ist.)
Plan des noch folgenden Teiles des Werkes. –
Folge und Charaktere der griechischen Kaiser von
Konstantinopel bis zur Eroberung durch die Lateiner
Ich habe nun in regelmäßiger Folge die römischen Kaiser von
Trajan bis Konstantin und von Konstantin bis Heraklius
angegeben und die günstigen wie die widrigen Ereignisse ihrer
Regierungen getreu dargestellt. Fünf Jahrhunderte des
Abstieges des Reiches sind bereits verflossen, aber eine
Periode von mehr als achthundert Jahren trennt mich von dem
Ziel meiner Arbeit, der Eroberung von Konstantinopel durch die
Türken. Wenn ich auf dem eingeschlagenen Wege beharren und in
derselben Art fortfahren wollte, so würde sich ein schwacher
Faden durch manchen Band ziehen, auch würde der geduldige
Leser nur eine unangemessene Belohnung durch Belehrung oder an
Vergnügen finden. Mit jedem Schritt, mit dem wir bei der
Abnahme und dem Verfall des Reiches tiefer sinken, würden die
Annalen jeder der aufeinanderfolgenden Regierungen eine
peinlichere und niederdrückendere Aufgabe stellen. Diese
Annalen wären eine eintönige Darstellung und Wiederholung von
Schwäche und Elend. Die natürliche Verbindung der Wirkungen
und Ursachen würde durch häufige und schnelle Übergänge
unterbrochen werden, und eine ins Einzelne gehende Anhäufung
von Umständen müßte die Wirkung jener allgemeinen
Schilderungen vernichten, die den Nutzen und Schmuck einer
frühen Geschichte bilden. Von der Zeit des Heraklius an
verengt und umdüstert sich der byzantinische Schauplatz; die
Reichsgrenzen, wie sie durch Justinians Gesetze und Belisars
Waffen bestimmt wurden, entziehen sich unseren Blicken. Der
römische Name, der eigentliche Gegenstand unserer Forschungen,
wird auf eine kleine Ecke von Europa, auf die einsamen
Vorstädte von Konstantinopel beschränkt, und das Schicksal des
griechischen Reiches ist jenem des Rheins verglichen worden,
dessen Gewässer sich im Sande verlieren, bevor sie sich mit
dem Ozean vereinigen können. Der Maßstab der Herrschaft
verkürzt sich für uns durch die zeitliche und örtliche
Entfernung, und der Verlust äußeren Glanzes wird nicht durch
die edleren Eigenschaften der Tugend und des Genies ersetzt,
die in der Geschichte keinen besonderen Raum einnehmen.
Konstantinopel war im letzten Moment seines Verfalles ohne
Zweifel reicher und bevölkerter als Athen in seiner
blühendsten Zeit, in der die einundzwanzigtausend erwachsenen
männlichen Bürger die geringe Summe von sechstausend Talenten
oder von zwölfhunderttausend Pfund besaßen. Aber jeder dieser
Bürger war ein freier Mann, der es wagte, die Freiheit seiner
Gedanken, Worte und Taten zu behaupten, dessen Person und
Eigentum durch ein gleiches Gesetz geschützt waren und der
unabhängig bei Regierungsfragen mitbestimmte. Ihre Zahl
scheint sich durch die starken und vielfachen
Charakterunterschiede zu vervielfältigen. Unter dem Schilde
der Freiheit, auf den Fittichen des Wetteifers und der
Eitelkeit strebte jeder Athener nach der höchsten Würde der
Nation. Einige ausgewählte Geister erhoben sich über den
Durchschnitt, und das Vorkommen überlegener Talente in einem
großen und volkreichen Königtume dürfte, wie die Erfahrung
zeigt, die falsche Berechnung nach Millionen entschuldigen.
Die Gebiete von Athen, Sparta und ihren Bundesgenossen
übertreffen an Flächeninhalt kaum eine mittlere Provinz von
England oder Frankreich; aber nach dem Siege bei Salamis und
Platää erweitern sie sich in unserer Phantasie zum
gigantischen Umfange von Asien, das von den siegreichen
Griechen unterjocht worden ist. Aber die Untertanen des
byzantinischen Reiches, welche die Namen der Griechen und der
Römer annahmen und entehrten, zeigen nur eine tote
Einförmigkeit zu verwerfender Laster, die weder durch
menschliche Schwäche gemildert, noch durch denkwürdige
Verbrechen belebt sind. Die freien Männer des Altertums
konnten hochherzig mit Enthusiasmus den Ausspruch Homers
wiederholen, »daß der Gefangene am ersten Tage seiner
Knechtschaft die Hälfte seiner Manneskraft verliert«. Aber der
Dichter hatte nur die Wirkungen bürgerlicher oder häuslicher
Sklaverei gesehen und konnte nicht voraussagen, daß die zweite
Hälfte der Manneskraft durch den geistigen Despotismus, der
nicht bloß die Handlungen, sondern selbst die Gedanken des am
Boden liegenden Anbeters in Fesseln legt, verloren gehen muß.
Dieses doppelte Joch wurde den Griechen unter den Nachfolgern
des Heraklius auferlegt; der Tyrann – ein Gesetz ewiger
Gerechtigkeit – wurde durch die Laster seiner Untertanen
herabgewürdigt, und auf dem Throne, im Lager, in den Schulen
suchen wir vergeblich mit Fleiß nach Namen und Charakteren,
die der Vergessenheit entrissen zu werden verdienen. Auch
werden die Mängel des Gegenstandes durch die Geschicklichkeit
und Zahl der Maler keineswegs ersetzt. Während achthundert
Jahren breitet sich über die vier ersten Jahrhunderte eine
Wolke, die nur zuweilen durch schwache und gebrochene Strahlen
historischen Lichtes zerrissen wird. In den Biographien der
Kaiser von Mauritius bis Alexius ist der einzige Basilius der
Makedonier der Gegenstand eines besonderen Werke gewesen, und
der Mangel oder der Verlust oder die Unvollständigkeit
zeitgenössischer Zeugnisse muß spärlich durch die
zweifelhaften neuerer Historiker ersetzt werden. Für die
letzten vier Jahrhunderte kann der Vorwurf der Armut nicht
erhoben werden; mit der Familie der Komnenen lebt die
historische Muse von Konstantinopel auf, aber ihre Tracht ist
bunt, ihre Bewegungen sind ohne Gefälligkeit und Anmut. Eine
Reihe von Priestern oder Höflingen traten einer in des anderen
Fußstapfen auf demselben Pfade der Knechtschaft und des
Aberglaubens; ihre Ansichten sind engherzig, ihr Urteil ist
schwach oder verderbt, und wir schließen das Buch voll
weitschweifiger Dürre, wie zuvor im Dunklen bleibend über die
Ursachen der Ereignisse, die Charaktere der handelnden
Personen und die Sitten der Zeit, die es preist oder beklagt.
Die Beobachtung, die an einem Menschen gemacht worden ist, daß
die Kraft des Schwertes sich der Feder mitteilte, läßt sich
auf ein ganzes Volk ausdehnen, und die Erfahrung wird
bestätigen, daß der Ton der Geschichte sich mit dem Geiste des
Jahrhunderts hebt und senkt.
Aus diesen Rücksichten würde ich die griechischen Sklaven
und ihre knechtischen Geschichtschreiber mit Vergnügen
aufgegeben haben, wenn ich nicht bedacht hätte, daß das
Schicksal der byzantinischen Monarchie im Zusammenhange mit
den glänzendsten und wichtigsten Umwälzungen steht, die den
Zustand der Erde verändert haben. Die verloren gegangenen
Provinzen wurden bald zu neuen Kolonien und aufstrebenden
Königreichen. Friedliche und kriegerische Begabungen
flüchteten von den besiegten zu den siegreichen Nationen, und
nur in ihrem Ursprünge und Eroberungen, in ihrer Religion und
Regierungsverfassung können wir die Ursachen und Wirkungen des
Sinkens und Sturzes des morgenländischen Reiches erforschen.
Auch wird dieser Umfang der Erzählung, wird der Reichtum und
die Verschiedenartigkeit solcher Materialien keineswegs mit
der Einheit des Planes und Werkes unverträglich sein. Wie der
Muselman von Fez oder Delhi bei seinem täglichen Gebete sein
Antlitz stets gegen Mekka kehrt, wird der Blick des
Historikers stets auf die Stadt Konstantinopel gerichtet sein.
Wenn auch die ausgedehnten Grenzen die Wildnisse von Arabien
und der Tartarei umfassen, wird sich der Kreis zuletzt auf die
sich verengenden Grenzen der römischen Monarchie
zusammenziehen.
Nach diesem Grundsatze werde ich nun den Plan des noch
folgenden Teiles des gegenwärtigen Werkes angeben. Das
vorliegende Kapitel wird in regelmäßiger Folge die Kaiser
enthalten, die in Konstantinopel während einer Periode von
sechshundert Jahren von den Tagen des Heraklius bis zur
Eroberung durch die Lateiner herrschten: ein kurzer Auszug,
der sich auf eine allgemeine Berufung, auf die Ordnung und den
Text der Urschriftsteller stützen mag. In dieser Einleitung
werde ich mich auf die Umwälzungen des Thrones, die
Aufeinanderfolge der Familien, die persönlichen Charaktere der
griechischen Fürsten, die Art ihres Lebens und Todes, die
Grundsätze und den Einfluß ihrer inneren Verwaltung und die
Auswirkung ihrer Regierung, auf Beschleunigung oder
Aufschieben des Sturzes des morgenländischen Reiches
beschränken. Eine solche chronologische Übersicht wird dazu
dienen, den verschiedenartigen Stoff der folgenden Kapitel zu
erläutern, und jeder Umstand der ereignisreichen Geschichte
der Barbaren wird sich an der geeigneten Stelle an die
byzantinischen Annalen anschließen. Der innere Zustand des
Reiches und die gefährliche Ketzerei der Paulicianer, die den
Osten erschütterte und den Westen erleuchtete, wird den
Gegenstand von zwei besonderen Kapiteln bilden; doch müssen
diese Untersuchungen verschoben werden, bis unsere weiteren
Fortschritte den Überblick über die Welt im neunten und
zehnten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung ermöglicht
haben. Nach der byzantinischen Geschichte werden folgende
Nationen an unserem Auge vorüberziehen und jede den Raum
einnehmen, auf den sie durch Größe oder Verdienste oder durch
den Grad ihres Zusammenhanges mit der römischen Welt und der
gegenwärtigen Zeit Anspruch hat. 1. Die Franken, ein
allgemeiner Name, der alle Völker Frankreichs, Italiens und
Deutschlands in sich schließt, die durch das Schwert und
Zepter Karls des Großen vereinigt wurden. Die Verfolgung der
Bilder und ihrer Verehrer trennte Rom und Italien vom
byzantinischen Throne und bereitete die Wiederherstellung des
römischen Reiches im Abendlande vor. 2. Die Araber oder
Sarazenen. Drei umfangreiche Kapitel werden diesem
merkwürdigen und interessanten Gegenstande gewidmet sein. In
dem ersten werde ich nach einer Schilderung des Landes und
seiner Bewohner den Charakter Mohammeds, sowie die Laufbahn,
die Religion und den Erfolg des Propheten untersuchen. Im
zweiten werde ich die Araber zur Eroberung von Syrien, Ägypten
und Afrika, den Provinzen des römischen Reiches, führen und
kann ihrer siegreichen Laufbahn nicht eher Einhalt tun, als
bis sie die Monarchien von Persien und Spanien gestürzt haben.
Im dritten werde ich darlegen, wie Konstantinopel und Europa
durch den Luxus und die Künste, die Teilung und den Verfall
des Reiches der Kalifen gerettet wurden. Ein einziges Kapitel
wird einschließen 3. die Bulgaren, 4. die Ungarn, 5. die
Russen, welche die Provinzen und die Hauptstadt zu See oder
Land angriffen; aber die letzteren, so wichtig in ihrer
gegenwärtigen Größe, werden in ihrem Ursprünge und Kindesalter
nur die Neugier erregen. 6. Die Normannen oder vielmehr die
Privatabenteurer dieses kühnen Volkes, die ein mächtiges
Königreich in Apulien und Sizilien gründeten, den Thron von
Konstantinopel erschütterten, die Trophäen des Rittertums
entfalteten und fast die Wunder der Romantik verwirklichten.
7. Die Lateiner, die Untertanen des Papstes, die Völker des
Westens, die unter den Kreuzesfahnen zur Wiedereroberung oder
Unterstützung des heiligen Grabes zogen. Die griechischen
Kaiser wurden durch die Myriaden von Pilgern, die mit
Gottfried von Bouillon und den Pairs der Christenheit nach
Jerusalem zogen, erschreckt, doch gerettet. Die Kreuzfahrer
des zweiten und des dritten Kreuzzuges traten in die
Fußstapfen derjenigen des ersten; Asien und Europa wurden in
einen zweihundertjährigen heiligen Krieg verwickelt, Saladin
und die Mameluken von Ägypten jedoch widerstanden den
christlichen Mächten tapfer und vertrieben sie endlich. In
diesem denkwürdigen Kreuzzuge wurde eine Flotte und ein Heer
von Franzosen und Venetianern von Syrien nach dem thrakischen
Bosporus abgelenkt; sie stürmten die Hauptstadt, stürzten die
griechische Monarchie, und eine Dynastie lateinischer Fürsten
saß fast sechzig Jahre lang auf Konstantins Thron. 8. Die
Griechen selbst müssen während dieser Periode der
Gefangenschaft und Verbannung als eine fremde Nation
betrachtet werden, als die Feinde und dann wieder die
Souveräne von Konstantinopel. Das Unglück hatte wieder einen
Funken des Nationalgeistes angefacht, und die folgenden Kaiser
können seit der Wiedererlangung des Thrones bis zur türkischen
Eroberung einigermaßen würdevoll genannt werden. 9. Die
Mongolen und Tartaren. Durch die Waffen des Dschingis und
seiner Nachkommen wurde der Erdball von China bis Polen und
Griechenland erschüttert: die Sultane wurden gestürzt, die
Kalifen fielen und die Kaiser zitterten auf ihren Thronen. Die
Siege Timurs schoben den Untergang des byzantinischen Reiches
über fünfzig Jahre auf. 10. Ich habe bereits das erste
Erscheinen der Türken erwähnt, und die Namen der Stammväter,
Seldschuk und Othman, unterscheiden die zwei
aufeinanderfolgenden Dynastien der Nation, die im elften
Jahrhundert aus der skythischen Wüste auftauchte. Die eine
gründete ein mächtiges Reich von den Ufern des Oxus bis nach
Antiochia und Nicäa, und der erste Kreuzzug wurde durch die
Unterdrückung Jerusalems und die Gefahr für Konstantinopel
angeregt. Von geringem Ursprunge erhoben sich die Osmanen zur
Geißel und zum Schrecken der Christenheit. Konstantinopel
wurde von Mahomed II. belagert und erstürmt, und sein Triumph
vernichtete den Rest, das Scheinbild und den Titel des
römischen Reiches im Morgenlande. Das Schisma der Griechen
wird mit diesen letzten Drangsalen und mit dem Wiederaufleben
der Gelehrsamkeit in der abendländischen Welt zusammenhängen.
Von der Unterwerfung des neuen werde ich zu den Trümmern des
alten Rom zurückkehren, und dieser ehrwürdige Name, dieser
interessante Gegenstand wird einen glänzenden Schimmer über
den Schluß meiner Arbeiten ausgießen.
Der Kaiser Heraklius hatte einen Tyrannen bestraft, dessen
Thron bestiegen, und das Andenken seiner Regierung wird durch
die Eroberung und den unwiederbringlichen Verlust der
orientalischen Provinzen verewigt. Nach dem Tode seiner ersten
Gattin Eudocia versagte er wegen seiner zweiten Ehe mit seiner
Nichte Martina dem Patriarchen den Gehorsam und verletzte die
Gesetze. Die griechischen Gläubigen erblickten in den
Krankheiten des Vaters und in der Mißgestaltetheit seiner
Kinder die Strafe des Himmels. Aber es genügt unrechtmäßiger
Abkunft zu sein, um ein Volk zu mißleiten und den Gehorsam zu
vermindern. Der Ehrgeiz der Martina wurde durch mütterliche
Liebe und vielleicht durch stiefmütterlichen Neid gesteigert,
und der betagte Gemahl war zu schwach, um dem Werben ehelicher
Zärtlichkeit zu widerstehen. Sein ältester Sohn Konstantin
erfreute sich im reifen Alter des Augustustitels, aber seine
körperliche Schwäche forderte einen Throngenossen und Vormund,
und er willigte mit geheimem Widerstreben in die Teilung der
Herrschaft. Der Senat wurde (4. Juli 638) in den Palast
beschieden, um die Mitregentschaft des Herakleonas, des Sohnes
der Martina, zu genehmigen oder zu bezeugen. Die Krönung mit
dem Diadem wurde durch das Gebet und den Segen des Patriarchen
geheiligt; die Senatoren und Patrizier beteten die Majestät
des großen Kaisers und der Genossen seines Reiches an, und
nach Öffnung der Tore wurden sie durch den stürmischen, aber
für sie wichtigen Zuruf der Soldaten begrüßt. Nach fünf
Monaten wurden die prunkenden Zeremonien, welche die Wesenheit
des byzantinischen Hofes bildeten, in der Kathedrale und im
Hippodrom vorgenommen; man suchte die Eintracht der
kaiserlichen Brüder zur Schau zu stellen, indem sich der
jüngere auf den Arm des älteren stützte, und der Name Martina
wurde vom Volke, das wahrscheinlich erkauft oder dazu
gezwungen wurde, ausgerufen. Heraklius überlebte diese Teilung
zwei Jahre. Sein letzter Wille erklärte seine beiden Söhne zu
Erben des Reiches und empfahl ihnen, seine Witwe Martina als
ihre Mutter und Fürstin zu ehren.
Als Martina das erstemal mit dem Titel und den Abzeichen
der kaiserlichen Macht auf dem Throne erschien, stieß sie auf
festen, obschon ehrfurchtsvollen Widerstand, und das
erlöschende Feuer der Freiheit wurde durch den Hauch
abergläubischen Vorurteiles angeblasen. »Wir verehren«,
lauteten die Stimmen der Bürger, »wir verehren die Mutter
unsrer Fürsten; aber diesen Fürsten allein gebührt unser
Gehorsam. Konstantin, der ältere Kaiser, steht in einem Alter,
um selbst das Szepter tragen zu können. Dein Geschlecht ist
naturgemäß von den Mühen der Regierung ausgeschlossen. Wie
könntest du kämpfen, wie könntest du den Barbaren antworten,
die sich mit feindlichen oder freundlichen Absichten der Stadt
nähern sollten? Möge der Himmel vom römischen Reich eine
Nationalschmach abwenden, die sogar die geduldigen persischen
Sklaven reizen würde!« Martina stieg mit Entrüstung vom Throne
und suchte in den Frauengemächern des Palastes Zuflucht. Die
Regierung Konstantins III. währte nur hundertdrei Tage. Er war
dreißig Jahre alt, als er starb (Mai 641). Obschon sein ganzes
Leben eine lange Krankheit gewesen, nährte man doch den
Glauben, Gift wäre das Mittel und seine grausame Stiefmutter
die Urheberin seines frühzeitigen Endes gewesen. Martina
erntete in der Tat die Frucht seines Todes und übernahm im
Namen des überlebenden Kaisers die Regierung. Aber die
blutschänderische Witwe des Heraklius wurde allgemein
verabscheut, die Eifersucht des Volkes erwachte, und die
beiden Waisen, die Konstantin hinterlassen hatte, wurden der
Gegenstand der öffentlichen Fürsorge. Umsonst hatte man dem
Sohne der Martina, der nicht älter als fünfzehn Jahre war,
eingelernt, sich zum Beschützer seiner Neffen, deren einen er
zur Taufe gehalten hatte, zu erklären; umsonst schwor er bei
dem Holze des echten Kreuzes, sie gegen alle ihre Feinde zu
verteidigen. Der verstorbene Kaiser hatte von seinem
Totenbette einen treuen Diener entsandt, um die Truppen und
Provinzen des Ostens zur Verteidigung seiner hilflosen Kinder
aufzurufen. Die Beredsamkeit und die Freigebigkeit Valentins
hatte Erfolg gehabt, und aus seinem Lager bei Chalcedon
forderte er kühn die Bestrafung der Mörder und die Krönung des
rechtmäßigen Erben. Die Ausgelassenheit der Soldaten, welche
die Trauben der asiatischen Weinberge verzehrten und Wein
tranken, erbitterte die Einwohner von Konstantinopel gegen die
Urheber dieser heimischen Drangsale, und die St. Sophienkirche
widerhallte, nicht von Gebeten und Hymnen, sondern vom
Geschrei und den Verwünschungen einer tobenden Menge. Auf
ihren gebieterischen Befehl erschien Herakleonas mit dem
ältesten der kaiserlichen Waisen auf der Kanzel: Konstans
allein wurde als Kaiser begrüßt und ihm eine goldene Krone,
die man vom Grabmal des Heraklius nahm, mit dem feierlichen
Segen des Patriarchen aufs Haupt gesetzt. Aber im Tumult der
Freude und Entrüstung wurde die Kirche geplündert, das
Heiligtum von einer aus Juden und Barbaren gemengten Schar
geschändet, und der Monothelet Pyrrhus, ein Geschöpf der
Kaiserin, entfloh, nachdem er einen Protest auf dem Altare
niedergelegt hatte, klüglich dem Grimme der Katholiken. Eine
ernstere und blutigere Aufgabe war dem Senate vorbehalten, dem
aus der Zustimmung der Soldaten und des Volkes vorübergehende
Kraft erwuchs. Im Geiste römischer Freiheit rief er die alten
und furchtbaren Gerichte zum Urteil über die Tyrannen an, und
die kaiserlichen Verbrecher wurden als die Urheber des Todes
Konstantins abgesetzt und verurteilt. Aber die versammelten
strengen Väter befleckten sich durch die Bestrafung der
Unschuldigen mit dem Schuldigen: Martina wurde (September 641)
zum Verluste ihrer Zunge, Herakleonas zur Abschneidung der
Nase verurteilt, und nach dieser grausamen Strafe brachten sie
den Rest ihrer Tage in Verbannung und Vergessenheit zu. Die
Griechen, die des Nachdenkens fähig waren, konnten Trost für
ihre Knechtschaft im Beobachten des Mißbrauches der Gewalt
finden, wenn sich diese auch nur einen einzigen Augenblick in
den Händen einer Aristokratie befand.
Man glaubt sich fünfhundert Jahre zurück in das Zeitalter
der Antonine versetzt, wenn man die Rede hört, die Konstans
II. in seinem zwölften Lebensjahre vor dem byzantinischen
Senate hielt. Nachdem er für die gerechte Bestrafung der
Mörder, die ihm die besten Hoffnungen auf das Reich seines
Vaters geraubt hatten, gedankt hat, fährt der junge Kaiser
fort: »Durch die göttliche Vorsicht und euren gerechten
Beschluß ist Martina mit ihrer blutschänderischen
Nachkommenschaft vom Throne gestürzt worden. Eure Autorität
und Weisheit hat den römischen Staat vor gesetzloser Tyrannei
bewahrt. Ich ermahne euch daher und bitte euch, als die
Berater und Richter des Gemeinwohls voranzustehen.« Den
Senatoren schmeichelte die ehrfurchtsvolle Anrede und das
freigebige Geschenk ihres Souveräns. Aber die knechtischen
Griechen waren der Freiheit unwert und kümmerten sich nicht um
sie, und er selbst vergaß die Lehre einer Stunde schnell durch
die Vorurteile des Zeitalters und die Gewohnheiten des
Despotismus. Er behielt nur eifersüchtig die Furcht bei, Senat
und Volk könnten eines Tages das Recht der Erstgeburt
mißachten und seinen Bruder Theodosius gleichfalls auf den
Thron erheben. Dem Enkel des Heraklius wurde durch geistliche
Weihen der Weg zum Thron versperrt, aber auch diese Zeremonie,
welche die Sakramente der Kirche entweihte, reichte nicht hin,
den Argwohn des Tyrannen zu zerstreuen, und nur der Tod des
Diakons Theodosius konnte das Verbrechen seiner kaiserlichen
Abkunft sühnen. Seine Ermordung wurde durch die Verwünschungen
des Volkes gerächt und der Mörder mit Gewalt aus seiner
Hauptstadt in immerwährende Verbannung getrieben. Konstans
schiffte sich nach Griechenland ein und soll, gleich als
wollte er den Abscheu vergelten, den er verdiente, von der
kaiserlichen Galeere aus die Mauern seiner Vaterstadt
angespien haben. Nachdem er in Athen den Winter zugebracht
hatte, segelte er nach Tarent in Italien, besuchte Rom und
endete eine lange Wallfahrt der Schmach und des frevelhaften
Raubes, indem er seine Residenz in Syrakus aufschlug. Aber
wenn Konstans seinem Volke entfliehen konnte, vermochte er
doch nicht sich selbst zu entgehen. Von Gewissensbissen
gepeinigt, sah er ständig den Geist des Theodosius, der ihn
über Land und Meer bei Tag und Nacht verfolgte. Das Gespenst
reichte ihm einen Kelch und sagte oder schien zu sagen:
»Trink, Bruder, trink!« ein sicheres Zeichen der Schwere
seiner Schuld, weil er aus den Händen des Diakons den
geheimnisvollen Becher des Blutes Christi empfangen hatte.
Sich selbst und dem Menschengeschlechte verhaßt, kam er in der
Hauptstadt Siziliens durch häuslichen, vielleicht
bischöflichen Verrat um. Ein Diener, der ihm im Bade
erwartete, schlug ihn, nachdem er warmes Wasser auf ihn
gegossen hatte, heftig mit dem Gefäße auf den Kopf. Er fiel
betäubt von dem Schlage um, erstickte im Wasser, und sein
Gefolge, das sich über sein langes Verweilen wunderte,
betrachtete, nachdem es ihn im Bade gefunden hatte,
gleichgültig den leblosen Körper des Kaisers. Die Truppen von
Sizilien bekleideten einen bescheidenen Jüngling mit dem
Purpur, dessen unnachahmliche Schönheit jeder Kunst spottete;
freilich war es leicht, der gesunkenen Kunst der Maler und
Bildhauer jener Zeit zu spotten. Konstans hatte in dem
byzantinischen Palaste drei Söhne zurückgelassen, von denen
der älteste in seiner Kindheit mit dem Purpur bekleidet worden
war. Als der Vater gebot, sie sollten sich zu ihm nach Syrakus
verfügen, wurden die kostbaren Geiseln von den Griechen
festgehalten, und man setzte ihn in Kenntnis, daß sie die
Kinder des Staates wären. Die Nachricht von seiner Ermordung
gelangte mit fast übernatürlicher Schnelligkeit von Syrakus
nach Konstantinopel, und Konstantin, der älteste seiner Söhne,
erbte seinen Thron, ohne jedoch gleichzeitig den Haß des
Volkes mitzuerben (668). Seine Untertanen steuerten mit Eifer
und Freudigkeit bei, die Schuld und Verwegenheit einer Provinz
zu bestrafen, die sich die Rechte des Senates und eines freien
Volkes angemaßt hatte. Der junge Kaiser segelte mit einer
mächtigen Flotte aus dem Hellespont, und die Legionen von Rom
und Karthago sammelten sich unter seinen Fahnen im Hafen von
Syrakus. Die Unterwerfung des sizilianischen Tyrannen gelang
leicht, seine Bestrafung war gerecht, und sein Haupt wurde im
Hippodrom ausgestellt. Aber ich kann der Milde eines Fürsten
keinen Beifall zollen, der unter einer Schar von
Schlachtopfern auch den Sohn eines Patriziers verurteilte,
weil er mit ihm geziemender Bitterkeit die Hinrichtung eines
ehrenhaften Vaters beklagt hatte. Der Jüngling wurde entmannt;
er überlebte die Verwundung. Das Andenken an diese Grausamkeit
wird durch die Erhebung des Germanus zum Range eines
Patriarchen und Heiligen verewigt. Nachdem Konstantin dieses
blutige Dankopfer auf dem Grabe seines Vaters dargebracht
hatte, kehrte er nach der Hauptstadt zurück. Das Wachstum
seines jungen Bartes, während seiner Abwesenheit in Sizilien
verschaffte ihm in der griechischen Welt den Namen Pogonatus.
Aber seine Regierung war gleich der seines Vaters durch
Bruderzwist entweiht. Er hatte seinen Brüdern, Heraklius und
Tiberius, den Augustustitel verliehen; ein leerer Name, denn
sie schmachteten fortwährend ohne Amt und Macht im einsamen
Palast. Auf ihr geheimes Anstiften näherten sich die Truppen
der anatolischen Theme oder Provinz der Stadt von der
asiatischen Seite, verlangten für die kaiserlichen Brüder
Teilung der Souveränität oder wirkliche Macht und
unterstützten ihre aufrührerische Forderung durch einen
theologischen Grund. Sie wären Christen (riefen sie),
rechtgläubige Katholiken und aufrichtige Verehrer der heiligen
und unteilbaren Dreieinigkeit. Da es drei gleiche Personen im
Himmel gebe, sei es auch vernünftig, daß die Erde drei gleiche
Herrscher habe. Der Kaiser lud diese gelehrten Theologen zu
einer freundlichen Besprechung ein, worin sie ihre Gründe dem
Senat vortragen könnten; sie gehorchten dem Geheiß. Als aber
ihre Gefährten in der Vorstadt Galata ihre Leichen am Galgen
hängen sahen, waren sie mit der Einheit der Regierung
Konstantins ausgesöhnt. Er verzieh seinen Brüdern und sie
wurden von der Menge mit langem Freudengeschrei begrüßt. Bei
einer Wiederholung oder auch nur auf den Verdacht eines
ähnlichen Verbrechens hin, wurden die verhaßten Fürsten in
Anwesenheit der Bischöfe, die in Konstantinopel zu dem
sechsten allgemeinen Konzil vereinigt waren, ihrer Titel und
Nasen beraubt. Gegen das Ende seines Lebens strebte Konstantin
nur danach, das Erstgeburtsrecht feststellen zu lassen; das
Haar seiner beiden Söhne, Jutinian und Heraklius, wurde am
Grabe des heiligen Petrus als Symbol für ihre Sohnesannahme in
ideellem Sinne vom Papst zum Opfer gebracht; aber nur der
ältere wurde zum Range eines Augustus mit der Zusicherung der
Erbnachfolge im Reiche erhoben.
Justinian II erbte nach seines Vaters Tode die römische
Welt (685). Der Name eines triumphierenden Gesetzgebers wurde
durch einen lasterhaften Knaben entehrt, der seinen
Namensgenossen nur in den kostspieligen Bauten nachahmte.
Seine Leidenschaften waren stark, sein Verstand schwach, und
er war von einem törichten Stolze berauscht, weil er durch
seine Gehurt die Herrschaft über Millionen erhalten hatte, von
denen jedoch nicht die kleinste Gemeinde ihn zu ihrem
Ortsvorstande gewählt haben würde. Seine bevorzugten Minister
waren zwei dem menschlichen Mitleid am wenigsten zugängliche
Wesen, ein Eunuch und ein Mönch; dem einen überließ er die
Palastverwaltung, dem anderen die Finanzen. Jener züchtigte
des Kaisers Mutter mit einer Geißel, dieser hing
zahlungsunfähige Steuerpflichtige mit dem Haupte nach abwärts
über einem langsamen, starken Rauch verbreitenden Feuer auf.
Seit den Tagen des Commodus und Caracalla war die Grausamkeit
der römischen Fürsten größtenteils die Folge ihrer Furcht
gewesen. Justinian aber, der einige Charakterstärke besaß,
freute sich der Leiden und trotzte zehn Jahre der Rache seiner
Untertanen; bis das Maß seiner Verbrechen wie ihrer Geduld
voll war. Leontius, ein Befehlshaber von Ruf, schmachtete mit
einigen der vornehmsten und verdientesten Senatoren seit drei
Jahren in einem finsteren Verließe. Plötzlich wurde er
herausgeholt, um die Statthalterschaft von Griechenland zu
übernehmen, und diese Beförderung eines gekränkten Mannes war
von seiten seines Fürsten mehr ein Beweis der Verachtung als
des Vertrauens. Als dem Leontius seine Freunde das Geleit zum
Hafen gaben, bemerkte dieser seufzend, daß er ein für die
Schlachtbank geschmücktes Opfer sei und daß der Tod ihm auf
den Fersen nachfolgen werde. Sie wagten zu erwidern, daß Ruhm
und Herrschaft der Lohn eines hochherzigen Entschlusses sein
könnten, daß jede Klasse von Menschen die Regierung eines
Ungeheuers verabscheue und daß die Armee von
zweihunderttausend Patrioten nur eines Anführers harre. Die
Nacht wurde zur Befreiung gewählt; bei der ersten Erhebung der
Verschworenen wurde der Präfekt erschlagen und die Gefängnisse
erbrochen. Die Anhänger des Leontius riefen in jeder Straße:
»Christen, nach der heiligen Sophienkirche!«, und der
wohlgewählte Text des Patriarchen: »Dies ist der Tag des
Herrn!« war die Einleitung zu einer entflammenden Rede. Von
der Kirche verfügte sich das Volk nach dem Hippodrom;
Justinian, zu dessen Gunsten sich auch nicht ein einziges
Schwert entblößte, wurde vor diese tumultuarischen Richter
geschleppt, die durch Geschrei den augenblicklichen Tod des
Tyrannen verlangten. Aber Leontius, bereits mit dem Purpur
geschmückt, warf einen mitleidigen Blick auf den im Staube
liegenden Sohn seines eigenen Wohltäters und so vieler Kaiser.
Justinian wurde nicht getötet. Seine Nase, vielleicht auch
seine Zunge wurden nur teilweise abgeschnitten. In der
glücklichen biegsamen griechischen Sprache wurde ihm der Name
Rhinotmetus gegeben, und der verstümmelte Tyrann wurde nach
Cherson in der krimschen Tartarei verbannt, einer einsamen
Ansiedlung, wohin Korn, Wein und Öl als fremde Luxusartikel
eingeführt werden mußten.
Am Rande der skythischen Wildnis war Justinian auch
weiterhin stolz auf seine Herkunft und hoffte auf seine
Wiedereinsetzung. Nach dreijähriger Verbannung empfing er die
angenehme Nachricht, daß er durch eine zweite Revolution
gerächt und daß Leontius seinerseits von dem Rebellen Apsimar,
der den geachteteren Namen Tiberius angenommen hatte,
entthront und verstümmelt worden wäre. Aber durch das direkte
Erbrecht wurde ein plebejischer Usurpator fortwährend bedroht,
und seine Eifersucht wurde durch die Klagen und
Beschuldigungen der Chersoniten aufgestachelt, die in dem
Verhalten des Verbannten den lasterhaften Tyrannen erblickten.
Mit einer Bande von Anhängern, die gemeinsame Hoffnung oder
auch gemeinsame Verzweiflung an seine Person fesselten, floh
Justinian von dem ungastlichen Gestade zur Horde der Chozaren,
deren Zelte zwischen dem Tanais und Borysthenes aufgeschlagen
waren. Der Khan nahm den kaiserlichen Flüchtling mit Mitleid
und Hochachtung auf. Phanagoria, einst eine wohlhabende Stadt
an dem asiatischen Gestade des Sees Mäotis, wurde ihm als
Aufenthaltsort angewiesen. Durch seine Ehe mit der Schwester
des Barbaren wurde das römische Feingefühl verletzt, obwohl
sie, wie ihr Name Theodora vermuten läßt, das Sakrament der
Taufe empfangen zu haben scheint. Aber der treulose Chozar
ließ sich bald durch Geld aus Konstantinopel verführen, und
wenn die ihren Gatten liebende Theodora nicht den Anschlag
aufgedeckt hätte, würde ihr Gemahl entweder ermordet oder
verräterischer Weise seinen Feinden überliefert worden sein.
Nachdem Justinian mit eigenen Händen zwei Boten des Khans
erwürgt hatte, sandte er seine Gattin ihrem Bruder zurück und
fuhr auf das Schwarze Meer hinaus, um neue und treuere
Bundesgenossen zu suchen. Sein Schiff geriet in einen heftigen
Sturm, und einer seiner frommen Gefährten riet ihm, Gottes
Gnade durch das Gelübde allgemeiner Verzeihung zu verdienen,
wenn er wieder auf den Thron erhoben werden sollte.
»Verzeihung?« rief der unerschrockene Tyrann. »Möge ich in
diesem Augenblick verderben, möge mich der Allmächtige in den
Wogen begraben, wenn ich je einwillige, auch nur ein einziges
Haupt meiner Feinde zu schonen!« Er überlebte diese ruchlose
Drohung, segelte in die Mündung der Donau ein, wagte sich ins
Königslager der Bulgaren und erkaufte die Hilfe des Terbellis,
eines heidnischen Eroberers, durch das Versprechen, ihm seine
Tochter zur Frau zu geben und eine billige Teilung der Schätze
des Reiches vorzunehmen. Das Königreich der Bulgaren
erstreckte sich bis an die Grenze von Thrakien. Die beiden
Fürsten belagerten Konstantinopel an der Spitze von
fünfzehntausend Reitern. Apsimar erschrak über das plötzliche
und feindliche Erscheinen seines Nebenbuhlers, dessen Haupt
ihm der Chozar versprochen und von dessen Flucht er noch keine
Kunde erhalten hatte. Nach zehn Jahren erinnerte man sich der
Verbrechen Justinians nur schwach, wegen seiner Unfälle wurde
der angestammte Souverän von der Menge bemitleidet, die stets
mit der gegenwärtigen Regierung unzufrieden ist, und durch die
Tätigkeit seiner emsigen Anhänger wurde er in die Stadt und
den Palast Konstantins geführt (705).
Indem Justinian seine Bundesgenossen belohnte und seine
Gattin zu sich berief, zeigte er einiges Gefühl für Ehre und
Dankbarkeit, und Terbellis zog ab, nachdem er einen Haufen
Gold, den er mit seiner skytischen Peitsche abgemessen,
eingesackt hatte. Aber nie wurde ein Gelübde gewissenhafter
erfüllt als der heilige Eid der Rache, den er mitten im Sturm
des Schwarzen Meeres geschworen hatte. Die beiden Thronräuber,
denn die Benennung Tyrann muß ich dem Sieger vorbehalten,
wurden in das Hippodrom geschleppt, der eine aus seinem
Kerker, der andere aus seinem Palast. Vor ihrer Hinrichtung
wurden Leontius und Apsimar in Ketten vor den Thron des
Kaisers geworfen; Justinian setzte einen Fuß auf eines jeden
Nacken und sah dem Wagenrennen über eine Stunde zu, indesssen
das unbeständige Volk mit den Worten des Psalmisten schrie:
»Du sollt die Natter und den Basilisken zertreten und auf den
Löwen und Drachen sollst du deinen Fuß setzen.« Der allgemeine
Abfall, den er einst erfahren hatte, konnte ihn wohl reizen,
den Wunsch Caligulas zu wiederholen, das römische Volk möge
nur ein Haupt haben. Ich erlaube mir indessen zu bemerken, daß
ein solcher Wunsch eines erfinderischen Tyrannen unwürdig ist,
weil seine Rache und Grausamkeit, statt der langsamen und
verschiedenartigen Martern, die Justinian den Opfern seines
Zornes zufügte, durch einen einzigen Streich vernichtet werden
würde. Seine Gelüste waren unerschöpflich, weder persönliche
Tugenden noch öffentliche Verdienste vermochten ihn vom
Gehorsam gegen ihn zu überzeugen, und während der sechs Jahre
seiner neuerlichen Herrschaft betrachtete er das Beil, den
Strick und die Folter als die einzigen Werkzeuge kaiserlicher
Würde. Sein unversöhnlichster Haß jedoch war gegen die
Chersoniten gerichtet, die ihn in der Verbannung beschimpft
und die Gesetze der Gastfreundschaft verletzt hatten. Durch
die große Entfernung ihres Reiches konnten sie sich
einigermaßen verteidigen oder wenigstens flüchten, und eine
drückende Steuer, wurde Konstantinopel zur Ausrüstung einer
Flotte und eines Heeres auferlegt. Alle sind schuldig und alle
müssen umkommen, lautete Justinians Gebot, dessen blutige
Vollstreckung seinem durch den Beinamen des Grausamen
ausgezeichneten Liebling Stephan aufgetragen wurde. Aber
selbst der grausame Stephan erfüllte die Absichten seines
Souveräns nur unvollständig. Sein langsamer Angriff machte es
dem größten Teile der Bewohner möglich, sich aufs Land zu
flüchten, und der Diener der Rache begnügte sich, die Jugend
beiderlei Geschlechts in Sklavenbande zu schlagen, sieben der
vornehmsten Bürger lebendig zu braten, zwanzig in der See zu
ersäufen und zweiundvierzig in Ketten zu halten, um ihr
Schicksal dem Urteil des Kaisers selbst vorzubehalten. Auf der
Rückfahrt wurde die Flotte gegen die Felsenufer von Anatolien
getrieben, und Justinian freute sich des Gehorsams des
Schwarzen Meeres, das Tausende seiner Untertanen und Feinde
während eines Schiffbruches verschlungen hatte. Aber der
Tyrann war noch immer nicht mit Blut gesättigt, er ordnete
vielmehr eine zweite Rüstung an, um die Reste der geächteten
Kolonie auszurotten. In der kurzen Zwischenzeit waren die
Chersoniten in ihre Stadt zurückgekehrt und bereit, mit den
Waffen in der Hand zu sterben. Der Khan der Chozaren hatte
sich von seinem verhaßten Schwager losgesagt; die Verbannten
sammelten sich aus allen Provinzen in Tauris, und Bardanes
wurde unter dem Namen Philippikus mit dem Purpur bekleidet.
Die kaiserlichen Truppen, die Justinians Rache weder
vollstrecken konnten noch wollten, entzogen sich seinem
Grimme, indem sie ihre Treue abschworen. Die Flotte hatte
unter ihrem neuen Souverän eine glücklichere Fahrt nach den
Häfen von Sinope und Konstantinopel, und jede Zunge, jede Hand
war bereit, den Tod des Tyrannen auszusprechen und zu
vollbringen. Entblößt von Freunden, wurde er auch von seiner
barbarischen Leibwache verlassen. Seine Ermordung wurde als
eine Tat des Patriotismus und römischer Tugend gepriesen. Sein
Sohn Tiberius hatte in einer Kirche Zuflucht gesucht, und
seine greise Großmutter hütete das Tor. Der unschuldige
Jüngling, der um seinen Hals die heiligsten Reliquien gehangen
hatte, umfaßte mit der einen Hand den Altar, mit der anderen
das wahre Kreuz. Aber das wütende Volk, das den Glauben mit
Füßen zu treten wagt, ist taub gegen den Schrei der
Menschlichkeit und Heraklius' Geschlecht wurde nach
hundertjähriger Herrschaft ausgerottet.
Der kurze Zeitraum von sechs Jahren zwischen dem Sturze der
heraklianischen und der Erhebung der isaurischen Dynastie ist
in drei Regierungen geteilt. Bardabes oder Philippikus wurde
in Konstantinopel als der Held begrüßt (711), der sein
Vaterland von einem Tyrannen befreit hatte, und er konnte
einige glückliche Augenblicke dem ersten Entzücken der
aufrichtigen und allgemeinen Freude erleben. Justinian hatte
einen großen Schatz, die Frucht der Grausamkeit und des
Raubes, hinterlassen, aber dieser nützliche Reichtum wurde von
seinem Nachfolger schnell und nutzlos vergeudet. An seinem
Geburtstag (713) vergnügte Philippikus die Menge mit den
Spielen im Hippodrom; von da zog er prunkend durch die Straßen
mit tausend Fahnen und tausend Trompetern, erfrischte sich in
den Bädern des Zeuxippus, kehrte nach dem Palaste zurück und
bewirtete seine Großen bei einem verschwenderischen Bankett.
Um die Mittagsstunde zog er sich in sein Gemach zurück,
berauscht von Schmeichelei und Wein und vergessend, daß sein
Beispiel jeden Untertanen ehrgeizig gemacht habe und daß jeder
ehrgeizige Untertan sein geheimer Feind sei. Einige kühne
Verschwörer schlichen sich während der Unordnung während des
Schmauses ein. Der schlummernde Monarch wurde überfallen,
gebunden, geblendet und abgesetzt, bevor er sich auch nur der
Gefahr bewußt war. Die Verräter wurden indessen ihres Lohnes
beraubt; durch freie Wahl im Senat und durch das Volk wurde
Artemius vom Amte eines Geheimschreibers zu dem eines Kaisers
erhoben; er nahm den Titel Anastasius II. an und zeigte
während einer kurzen und stürmischen Regierung seinen Edelmut
sowohl im Frieden als im Krieg. Aber der zur Gewohnheit
gewordene Gehorsam war nach Erlöschen des kaiserlichen Hauses
nicht mehr vorhanden, und in jeder Veränderung war der Samen
zu einer neuen Revolution gelegen. Bei einer Meuterei der
Flotte wurde ein unbekannter und sich sträubender
Finanzbeamter gezwungen, den Purpur anzunehmen; nach einem
Seekriege, der einige Monate währte, legte Anastasius das
Szepter nieder (716), und der Sieger, Theodosius III.,
unterwarf sich seinerseits (718) dem Leo, dem Feldherrn und
Anführer der orientalischen Truppen. Seinen zwei Vorgängern
wurde gestattet, in den geistlichen Stand zu treten. Der
unruhige Geist des Anastasius verleitete diesen in irgendeinem
hochverräterischen Unternehmen sein Leben zu wagen, bei dem er
es verlor, aber die letzten Tage des Theodosius waren
ehrenvoll und sicher. Das einzige erhabene Wort Seelenheil,
das er an seinem Grab anbringen ließ, drückt sein Vertrauen
zur Philosophie oder Religion aus, und der Ruf seiner
Wundertaten dauerte unter den Einwohnern von Ephesus lange
fort. Dieser Schirmer der Kirche brachte es manchmal zuwege,
Milde walten zu lassen; man darf aber bezweifeln, ob es das
Interesse des Staates fördere, erfolglose Ehrsucht zu
verringern.
Ich bin bei dem Sturze eines Tyrannen verweilt; kurz jedoch
werde ich den Gründer einer neuen Dynastie schildern, welcher
der Nachwelt durch die Schmähungen seiner Feinde bekannt und
dessen öffentliches und Privatleben in der Kirchengeschichte
der Ikonoklasten eine Rolle spielt. Aber trotz abergläubischen
Geschreis läßt sich ein günstiges Urteil für den Charakter
Leos, des Isauriers, mit Grund aus seiner dunklen Herkunft und
der Dauer seiner Regierung fällen. – I. In einem Zeitalter
männlichen Mutes würde die Aussicht auf einen kaiserlichen
Thron jede Seelenkraft angespannt und eine Schar von
Mitbewerbern hervorgebracht haben, die der Herrschaft in dem
Maße würdig gewesen wären, als sie nach ihr dürsteten. Selbst
während der Verderbtheit und Kraftlosigkeit der späteren
Griechen setzt die Erhebung eines letztrangigen Plebejers zum
ersten Range in der Gesellschaft einige Eigenschaften voraus,
die ihn über die Menge erheben. Er konnte wahrscheinlich von
spekulativer Wissenschaft nichts verstehen und sich nicht um
sie kümmern, konnte sich in Verfolgung seines Glücks den
Pflichten, die ihm die Gerechtigkeit auferlegte entschlagen:
immerhin müssen wir ihm aber die nützlichen Tugenden der
Klugheit und der Festigkeit, der Menschenkenntnis und der
wichtigen Kunst zuschreiben, Vertrauen zu gewinnen und
Leidenschaften zu leiten. Man stimmt darin überein, daß Leo
ein geborener Isaurier und daß Konon sein ursprünglicher Name
war. Die Schriftsteller, deren ungeschickte Satire Lob ist,
stellen ihn als einen herumziehenden Krämer dar, der nur mit
armseligen Waren beladene Esel auf die Märkte trieb; ja sie
erzählen törichter Weise, daß er auf dem Wege einige jüdische
Wahrsager traf, die ihm die Herrschaft des römischen Reiches
verhießen, unter der Bedingung, daß er die Götzenverehrung
abschaffe. Ein wahrscheinlicherer Bericht spricht von der
Auswanderung seines Vaters aus Kleinasien nach Thrakien, wo er
das einträgliche Gewerbe eines Viehzüchters betrieb. Er muß
bedeutende Reichtümer erworben haben, weil das erste
Erscheinen seines Sohnes im kaiserlichen Lager bei der
Lieferung von fünfhundert Schafen erfolgte. Seine ersten
Dienste verrichtete er bei der Leibwache Justinians, wo er
bald die Aufmerksamkeit und nach und nach die Eifersucht des
Tyrannen erregte. Er zeichnete sich durch Tapferkeit und
Geschicklichkeit im kolchischen Kriege aus, empfing von
Anastasius den Oberbefehl über die anatolischen Legionen und
wurde durch die Stimme seiner Soldaten unter dem allgemeinen
Beifalle der römischen Welt auf den Thron erhoben. II. Auf
dieser gefährlichen Höhe erhielt sich Leo III. gegen die
neidvollen Seinesgleichen, gegen eine mächtige unzufriedene
Partei und die Angriffe auswärtiger und einheimische Feinde.
Die Katholiken, die seine religiösen Neuerungen anklagen, sind
zu dem Geständnisse gezwungen, daß sie mit Mäßigung begonnen
und mit Festigkeit durchgeführt wurden. Ihr Stillschweigen
ehrt seine weise Verwaltung und seine reinen Sitten. Nach
einer Regierung von vierundzwanzig Jahren entschlummerte er
(741) friedlich in seinem Palaste in Konstantinopel und der
Purpur, den er erworben hatte, ging durch das Recht der
Erbfolge bis in die dritte Generation über.
In einer langen Regierung von vierunddreißig Jahren griff
der Sohn und Nachfolger Leos, Konstantin V., genannt
Kopronymus, mit minder gemäßigtem Eifer die Kirchenbilder an.
Ihre Verehrer haben die ganze Bitterkeit religiöser Galle in
ihrer Schilderung dieses gefleckten Panters, dieses
Antichristen, dieses fliegenden Drachens aus der Schlange
Samen erschöpft, der die Laster des Heliogabal und Nero
übertroffen hätte. Seine Regierung war eine Schlächterei alles
dessen, was es im Reiche Edles, Heiliges und Unschuldiges gab.
Der Kaiser wohnte der Hinrichtung seiner Opfer persönlich bei,
betrachtete ihren Todeskampf, horchte auf ihr Stöhnen und
fröhnte seinem Blutdurst, ohne ihn zu sättigen; eine Schüssel
mit Nasen war ihm das angenehmste Geschenk und seine Diener
wurden von ihm selbst häufig gegeißelt und verstümmelt. Sein
Beiname wurde ihm wegen seiner Verunreinigung des Taufbeckens
gegeben. Das Kind konnte entschuldigt werden, aber die
Vergnügen des Mannes Kopronymus setzen ihn unter das Tier
herab. In seiner Wollust verwechselte er die Unterschiede der
Geschlechter und Gattungen, und er verschaffte sich
unnatürliche Wonnen aus den für die menschlichen Sinne
widerwärtigsten Dingen. Seiner Religion nach war der
Ikonoklast Ketzer, Jude, Mohammedaner, Heide und Atheist; sein
Glaube an eine unsichtbare Macht ließ sich nur aus seinen
magischen Beschwörungen, seinen Menschenopfern und den
nächtlichen Weihegaben erkennen, die er der Venus und den
Dämonen des Altertums darbrachte. Sein Leben war mit den
widersprechendsten Lastern befleckt und die Geschwüre, die
seinen Leib bedeckten, peinigten ihn noch vor dem Tode mit den
Martern der Hölle. Von den Anschuldigungen, die ich so
geduldig abgeschrieben habe, widerlegt sich ein Teil durch
ihre Albernheit, und was die Anekdoten über das Privatleben
der Fürsten betrifft, ist es leichter zu lügen als die
Wahrheit nachzuweisen. Ohne dem gefährlichen Grundsatz zu
huldigen, daß, wo viel behauptet wird, ein Teil wahr sein
müsse, gewahre ich doch, daß Konstantin V. ausschweifend und
grausam gewesen ist. Die Verleumdung ist geneigter zu
übertreiben als zu erfinden, und die Lästerzunge wird
einigermaßen durch die Kenntnis des Zeitalters und Landes, von
dem sie spricht, im Zaume gehalten. Von den Bischöfen und
Mönchen, den Feldherren und Beamten, die unter seiner
Regierung gelitten haben sollen, ist die Anzahl aufgezeichnet,
ihre Namen waren bekannt, die Hinrichtungen öffentlich und die
Verstümmelungen allen sichtbar und bleibend. Die Katholiken
haßten Person und Regierung des Kopronymus, aber selbst ihr
Haß ist ein Beweis ihrer Unterdrücktheit. Sie verheimlichen
die Herausforderungen, die seine Strenge entschuldigen oder
rechtfertigen konnten: aber selbst diese Herausforderungen
mußten allmählich seinen Grimm entflammen und ihn in Ausübung
oder im Mißbrauch des Despotismus abhärten. Indessen fehlte es
dem fünften Konstantin nicht an Verdienst und seine Verwaltung
verdiente nicht immer die Verwünschungen oder die Verachtung
der Griechen. Aus dem Bekenntnisse seiner eigenen Feinde
entnehme ich, daß er eine alte Wasserleitung wieder
herstellte, daß er zweitausendfünfhundert Gefangene loskaufte,
daß ungewöhnlicher Überfluß zu seiner Zeit herrschte und daß
neue Kolonisten Konstantinopel und die thrakischen Städte
wieder bevölkerten. Sie preisen mit Widerstreben seine
Tätigkeit und seinen Mut. Er ritt im Felde an der Spitze
seiner Legionen, und obschon das Glück seiner Waffen
wechselte, triumphierte er doch zu Wasser und zu Land, am
Euphrat wie an der Donau, im Bürgerkriege wie gegen die
Barbaren. Das Lob der Ketzer muß immer in die Schale geworfen
werden, um dem Gewichte der Schmähungen der Orthodoxen das
Gleichgewicht zu halten. Die Ikonoklasten verehrten den
tugendreichen Fürsten; vierzig Jahre nach seinem Tode beteten
sie noch am Grabe des Heiligen. Eine wunderbare Vision lebte
durch Schwärmerei oder Betrug fort. Der griechische Held
erschien auf einem milchweißen Rosse und schwang seine Lanze
gegen das Lager der Bulgaren. »Eine alberne Fabel« sagt der
katholische Geschichtsschreiber, »da Kopronymus mit den
Teufeln im Abgrund der Hölle angekettet ist.«
Leo IV. (775), der Sohn des fünften und Vater des sechsten
Konstantin, war schwächlich an Seele wie an Leib, und seine
Hauptsorge war die Festsetzung der Nachfolge. Seine Untertanen
verlangten die Erhebung des jungen Konstantin zum Mitregenten,
und nach einigem klugen Zögern willfahrte der Kaiser klug im
Bewußtsein des Verfalls seiner Kräfte ihren einstimmigen
Wünschen. Das kaiserliche fünfjährige Kind wurde in
Gemeinschaft mit seiner Mutter Irene gekrönt und die
Zustimmung der Nation durch Pomp und Prachtentfaltung
bestätigt, welche die Augen der Griechen blenden oder ihr
Gewissen einschläfern konnte. Ein Eid der Treue wurde im
Palast, in der Kirche und im Hippodrom den verschiedenen
Ständen des Staates abgenommen, wobei sie die heiligen Namen
des Sohnes und der Mutter Gottes anriefen. »Wir nehmen dich
zum Zeugen, o Christus, daß wir über das Heil Konstantins, des
Sohnes Leos, wachen, unser Leben seinem Dienste opfern und
seiner Person und seinen Nachfolgern unverbrüchlich treu sein
wollen.« Sie schworen es auf das Holz des Kreuzes Christi, und
ihre Huldigungsurkunden wurden auf dem Altar der heiligen
Sophienkirche niedergelegt. Die ersten, die schworen und die
ersten, die ihren Eid verletzten, waren die fünf Söhne des
Kopronymus aus zweiter Ehe. Die Geschichte dieser Fürsten ist
seltsam und tragisch. Das Erstgeburtsrecht schloß sie vom
Throne aus; ihr ungerechter älterer Bruder beraubte sie eines
Vermächtnisses von etwa zwei Millionen Pfund Sterling. Einige
leere Titel hielten sie für keinen hinreichenden Ersatz für
Reichtum und Macht und verschworen sich wiederholt gegen ihren
Neffen sowohl vor als nach dem Tode seines Vaters. Ihr erster
Versuch wurde verziehen. Wegen des zweiten Vergehens wurden
sie zum geistlichen Stande verurteilt, und nach dem dritten
Hochverrate wurde Nikephorus, der älteste und schuldigste,
seiner Augen und seine vier Brüder Christoph, Niketas,
Anthemeus und Eudoxas, als mildere Strafe, ihrer Zungen
beraubt. Nach fünfjähriger Einsperrung entkamen sie nach der
Sophienkirche und boten dem Volke ein rührendes Schauspiel.
»Vaterlandsgenossen,« rief Nikephorus für sich selbst und
seine stummen Brüder, »sehet die Söhne eures Kaisers, wenn ihr
noch unsere Züge in dieser elenden Verunstaltung erkennen
könnt! Das Leben, ein unvollständiges Leben, ist alles, was
uns die Bosheit unserer Feinde gelassen hat. Es ist nun
bedroht und wir flehen um euer Mitleid.« Das sich erhebende
Gemurre hätte eine Revolution zur Folge haben können, wenn
nicht die Anwesenheit eines hohen Würdenträgers ihm Einhalt
getan hätte, der die unglücklichen Fürsten durch
Schmeicheleien und Hoffnung beschwichtigte und sie sanft aus
dem Heiligtum nach dem Palast zog. Sie wurden schleunig nach
Griechenland eingeschifft und Athen zu ihrem Verbannungsplatze
bestimmt. An diesem stillen Orte und trotz ihrer hilflosen
Lage wurden Nikephorus und seine Brüder fortwährend vom Durste
nach Macht gefoltert und durch einen slawischen Häuptling
verlockt, der ihnen anbot, ihren Kerker zu erbrechen und sie
mit gewaffneter Hand und im Purpur bis an die Tore von
Konstantinopel zu führen. Aber die zu Irenens Gunsten stets
eifrigen Athener kamen ihrer Gerechtigkeit oder Grausamkeit
zuvor, und die fünf Söhne des Kopronymus wurden in ewige Nacht
und Vergessenheit gestürzt.
Jener Kaiser hatte für sich eine Gattin aus Barbarenstamme,
die Tochter des Khans der Chozaren gewählt; für seinen Erben
aber zog er eine Jungfrau aus Athen vor, eine siebzehnjährige
Waise, die keine anderen Reichtümer besaß als ihre
persönlichen Eigenschaften. Die Vermählung Leos mit Irene
wurde mit kaiserlichem Pomp gefeiert; sie erwarb bald die
Liebe und das Vertrauen eines schwächlichen Gemahls, und in
seinem Testament ernannte er die Kaiserin zur Vormünderin der
römischen Welt und seines erst zehnjährigen Sohnes Konstantin
VI. Während dessen Kindheit erfüllte sie bei der öffentlichen
Verwaltung mit Geschicklichkeit und Emsigkeit die Pflichten
einer treuen Mutter und ihr Eifer bei der Wiederherstellung
der Bilder hat ihr den Namen und die Ehre einer Heiligen
erworben, die sie noch im griechischen Kalender einnimmt. Aber
der Kaiser erreichte das Jünglingsalter; das mütterliche Joch
wurde lästiger und er schenkte Günstlingen gleichen Alters
Gehör, die seine Vergnügungen teilten und danach lechzten,
auch seine Macht zu teilen. Ihre Gründe überzeugten ihn von
seinem Rechte, ihr Lob von seiner Fähigkeit zur Herrschaft,
und er willigte ein, die Dienste Irenes durch ewige Verbannung
nach der Insel Sizilien zu belohnen. Aber ihre Wachsamkeit und
ihr Scharfsinn vereitelte leicht die unbesonnenen Pläne; eine
ähnliche oder schwerere Strafe wurde über die verräterischen
Ratgeber verhängt, und den undankbaren Sohn züchtigte Irene
wie einen Knaben. Nach diesen Vorgängen standen Mutter und
Sohn an der Spitze von zwei Parteien, und statt milden
Einflusses und freiwilligen Gehorsams hielt sie einen
Gefangenen und Feind in Banden. Die Kaiserin wurde durch den
Mißbrauch ihres Sieges gestürzt; der Eid, den sie für sich
allein verlangte, wurde mit Murren geleistet und die kühne
Weigerung der armenischen Leibwachen ermutigte das Volk,
allgemein und offen zu erklären, daß Konstantin VI. der
rechtmäßige römische Kaiser sei. Als solcher bestieg er seinen
ererbten Thron und überließ Irene einem einsamen und ruhigen
Leben. Stolzen Geistes ließ sie sich indes zur Verstellung
verleiten. Sie schmeichelte den Bischöfen und Eunuchen, weckte
die kindliche Liebe des Fürsten, gewann sein Vertrauen wieder
und verriet seine Leichtgläubigkeit. Es fehlte Konstantin
nicht an Verstand und Mut, aber seine Erziehung war
geflissentlich vernachlässigt worden, und seine ehrgeizige
Mutter prangerte öffentlich die Laster, die sie genährt, und
die Handlungen, die sie insgeheim geraten hatte, an. Seine
Ehetrennung und zweite Vermählung verletzte die Geistlichkeit,
und durch seine unkluge Strenge hatte er die Anhänglichkeit
der armenischen Leibwachen verwirkt. Eine große Verschwörung
wurde zu Irenes Wiedereinsetzung eingeleitet. Das Geheimnis
wurde, so weit es auch verbreitet war, gegen acht Monate
treulich bewahrt, bis der Kaiser, die Gefahr argwöhnend, aus
Konstantinopel in der Absicht entwich, die Provinzen und Heere
aufzurufen. Durch diese eilige Flucht befand sich die Kaiserin
in großer Gefahr; ehe jedoch Irene ihren Sohn um Gnade
anflehte, erließ sie ein geheimes Schreiben an die Freunde,
mit denen sie ihn umgeben hatte, und drohte, daß, wenn diese
ihren Hochverrat nicht zu Ende führen wollten, sie selbst ihn
offenbaren würde. Furcht verlieh ihnen Unerschrockenheit. Sie
ergriffen den Kaiser auf dem asiatischen Gestade. Er wurde in
das Purpurgemach des Palastes gebracht, wo er das Licht der
Welt erblickt hatte. In Irenes Seele war jedes menschliche und
natürliche Gefühl durch Ehrgeiz erstickt worden. In ihrem Rate
wurde beschlossen, Konstantin der Herrschaft unfähig zu
machen; ihre Sendlinge überfielen den schlafenden Fürsten und
stießen ihre Dolche so ungestüm und mit solcher Wucht in seine
Augen, als beabsichtigten sie, ein Todesurteil zu
vollstrecken. Eine zweideutige Stelle des Theophanes
veranlaßte den Annalisten der Kirche zu behaupten, der Tod sei
die unmittelbare Folge dieser barbarischen Tat gewesen. Die
Katholiken haben sich durch das Ansehen des Baronius täuschen
oder einschüchtern lassen, und die eifrigen Protestanten haben
die Worte eines Kardinals wiederholt, dessen günstige
Gesinnung für die Beschützerin der Bilder sich voraussetzen
ließ. Aber der blinde Sohn der Irene lebte noch viele Jahre,
unterdrückt vom Hofe und vergessen von der Welt; die
isaurische Dynastie erlosch in aller Stille, und das Andenken
Konstantins wurde erst bei der Vermählung seiner Tochter
Euphrosyne mit Kaiser Michael II. wieder erweckt.
Auch die orthodoxesten Frömmigen haben mit Recht die
unnatürliche Mutter verflucht, derengleichen in der Geschichte
der Verbrechen nicht leicht zu finden sein dürfte. Irenes
blutiger Tat hat der Glaube eine siebzehntägige
Sonnenfinsternis als Folge zugeschrieben, während der mehrere
Schiffe um die Mittagszeit aus ihrer Bahn abgetrieben wurden,
als ob die Sonne, ein so ungeheurer Feuerball, Mitgefühl mit
den Atomen eines um sie sich drehenden Planeten haben könnte.
Auf der Erde blieb Irenes Verbrechen fünf Jahre lang
ungestraft, ihre Regierung war äußerlich glanzvoll, und wenn
sie die Stimme ihres Gewissens zum Schweigen bringen konnte,
hörte sie weder noch berücksichtigte sie die Vorwürfe der
Menschen. Die römische Welt beugte sich vor der Herrschaft
einer Frau, und wenn Irene durch die Straßen von
Konstantinopel zog, wurden die Zügel ihrer vier milchweißen
Rosse von ebenso vielen Patriziern gehalten, die zu Fuß vor
dem goldenen Wagen ihrer Königin gingen. Aber diese Patrizier
waren größtenteils Eunuchen. Ihre Undankbarkeit rechtfertigte
bei dieser Gelegenheit den Haß und die Verachtung der Menschen
gegen solche Personen. Erhoben, bereichert, mit der ersten
Würde des Reiches belehnt, verschworen sie sich niedrigerweise
gegen ihre Wohltäterin; der Großschatzmeister Nikephorus wurde
insgeheim mit dem Purpur bekleidet. Man führte ihren
Nachfolger in den Palast ein, und der käufliche Patriarch
krönte ihn in der St. Sophienkirche (802). Bei ihrer ersten
Unterredung erzählte sie würdevoll die Umwälzungen ihres
Lebens, klagte maßvoll über die Treulosigkeit des Nikephorus,
spielte darauf an, daß er nur ihrer Arglosigkeit und Milde
sein Leben verdanke und erbat sich für den Thron und die
Schätze, die sie abtrat, einen anständigen und ehrenvollen
Ruhesitz. In seinem Geiz verweigerte er die mäßige
Entschädigung. In ihrem Exil auf der Insel Lesbos erwarb sich
die Kaiserin durch Spinnen einen kärglichen Lebensunterhalt.
Es haben ohne Zweifel viele Tyrannen regiert, die weit
größere Verbrecher waren als Nikephorus, keiner aber hat sich
vielleicht den allgemeinen Abscheu seines Volkes mehr
zugezogen. Er besaß die drei hassenswerten Laster der
Heuchelei, der Undankbarkeit und des Geizes; seine Laster
wurden durch kein einziges überlegenes Talent, sein Mangel an
Talenten durch keine einzige angenehme Eigenschaft ersetzt.
Ungeschickt und unglücklich im Kriege wurde er von den
Sarazenen geschlagen und von den Bulgaren erschlagen (811),
und der Vorteil, den sein Tod brachte, überwog in der
öffentlichen Meinung die Vernichtung eines römischen Heeres.
Mit einer tödlichen Wunde entfloh sein Sohn und Erbe
Staurakius vom Schlachtfelde. Dennoch reichten sechs Monate
eines dem Tode verfallenen Lebens hin, um seine unanständige,
obschon wohlgefällig aufgenommene Erklärung zu widerlegen, daß
er in allen Dingen das Beispiel seines Vaters vermeiden werde.
Bei der Aussicht auf seinen baldigen Tod wurde Michael, der
Großmeister des Palastes und Gemahl seiner Schwester Prokopia,
von allen im Palast und in der Stadt als Nachfolger genannt,
nur nicht von seinem neidischen Schwager. Sich an das Zepter
klammernd, das im Begriffe war, seiner Hand zu entfallen,
verschwor er sich gegen seinen Nachfolger und verfiel auf den
Gedanken, das römische Reich in eine Demokratie zu verwandeln.
Diese übereilten Anschläge jedoch dienten nur zur Entflammung
des Volkes und zur Widerlegung der Zweifel des Kandidaten.
Michael I. (Rhangabe) nahm den Purpur an (Oktober 811), und
bevor der Sohn des Nikephorus ins Grab sank, sah er sich
genötigt, die Milde seines neuen Souveräns anzuflehen.
Wenn Michael in einem friedlichen Zeitalter einen erblichen
Thron bestiegen hätte, würde er als guter Landesvater regiert
haben und gestorben sein. Aber seine milden Tugenden paßten
besser ins Privatleben, und er war nicht imstande, den Ehrgeiz
derjenigen, die seinesgleichen gewesen, zu zähmen oder den
siegreichen Bulgaren zu widerstehen. Während Mangel an
Geschicklichkeit und Erfolg ihn der Verachtung der Soldaten
preisgab, erregte der männliche Mut seiner Gattin Prokopia
ihre Entrüstung. Sogar die Griechen des neunten Jahrhunderts
wurden durch die Unverschämtheit einer Frau erbittert, die es
angesichts der Fahnen wagte, die Truppen zu leiten und
anzufeuern, und tobendes Geschrei mahnte die neue Semiramis,
die Hoheit eines römischen Lagers zu ehren. Nach einem
unglücklichen Feldzuge verließ der Kaiser in den thrakischen
Winterquartieren eine mißvergnügte Armee unter dem Oberbefehl
seiner Feinde, die mit schlauer Beredsamkeit die Soldaten dazu
brachten, die Herrschaft der Eunuchen zu vernichten, den
Gemahl der Prokopia abzusetzen und das Recht einer
militärischen Wahl auszuüben. Sie rückten gegen die Hauptstadt
vor: aber Geistlichkeit, Senat und Volk von Konstantinopel
blieben der Sache Michaels treu, und die Truppen und Schätze
Asiens hätten die Drangsale eines Bürgerkrieges verlängern
können. Michaels Menschlichkeit jedoch (Ehrgeize werden es
Schwäche nennen) ließ nicht zu, daß ein Tropfen Christenblut
in seinem Interesse vergossen werde, und seine Boten
überreichten den Siegern die Schlüssel der Stadt und des
Palastes. Sie wurden durch seine Unschuld und Unterwerfung
entwaffnet und schonten sein Leben und seine Augen. Der
kaiserliche Mönch genoß noch über zweiunddreißig Jahre,
nachdem er des Purpurs beraubt und von seiner Gattin getrennt
worden war, die Tröstungen der Einsamkeit und Religion.
Einen Rebellen zur Zeit des Nikephorus, den berühmten und
unglücklichen Bardanes, trieb einst die Neugier, einen
asiatischen Propheten zu befragen, der ihm zuerst seinen Sturz
und dann das Schicksal seiner drei vornehmen
Unterbefehlshaber, Leos des Armeniers, Michaels des Phrygiers
und Thomas des Kappadoziers, die aufeinanderfolgenden
Regierungen der beiden ersteren und das fruchtlose und
todbringende Unternehmen des dritten weissagte. Diese
Prophezeiung ging in Erfüllung, vielleicht wurde sie auch erst
im Nachhinein erfunden. Als zehn Jahre später die Soldaten des
thrakischen Lagers den Gemahl der Prokopia verwarfen, wurde
die Krone demselben Leo, dem Inhaber des obersten
militärischen Ranges und geheimen Anstifters der Meuterei,
angeboten (813). Da er zögernd heuchelte, rief sein Genosse
Michael: »Mit diesem Schwerte werde ich die Tore von
Konstantinopel deiner kaiserlichen Herrschaft öffnen oder es
sogleich in deine Brust stoßen, wenn du dich halsstarrig den
gerechten Wünschen deiner Kameraden widersetzest.« Der
Armenier erhielt das Reich, das er sieben und ein halbes Jahr
unter dem Namen Leo V. beherrschte. Im Lager erzogen und mit
den Gesetzen so unbekannt wie mit den Wissenschaften, führte
er in seiner Zivilverwaltung die Härte, ja sogar die
Grausamkeit der Kriegszucht ein, und wenn er in seiner Strenge
zuweilen Unschuldige gefährdete, war er doch stets dem
Schuldigen furchtbar. Seine religiöse Unbeständigkeit brachte
ihm den Beinamen Chamäleon ein. Aber die Katholiken haben
durch die Stimme eines Heiligen und mehrerer Bekenner
anerkannt, daß das Leben des Bilderstürmers dem Reich nützlich
war. Sein eifriger Gefährte Michael wurde mit Reichtümern,
Ehrenstellen und militärischem Kommando belohnt und seine
untergeordneten Talente im öffentlichen Dienste wohltätig
verwendet. Aber den Phrygier verdroß es, daß er als Gnade
einen kärglichen Teil des kaiserlichen Preises erhielt, den er
seinesgleichen zuerteilt hatte. Mißvergnügt, zuweilen
unüberlegte Reden haltend, nahm er endlich eine drohendere und
feindlichere Haltung gegen einen Fürsten an, den er als
grausamen Tyrannen darstellte. Aber dieser Tyrann hatte seinen
alten Waffengefährten wiederholt ertappt, gewarnt und
entlassen, bis endlich Furcht und Zorn über Dankbarkeit
siegten. Michael wurde nach Untersuchung seiner Handlungen und
Pläne des Hochverrates schuldig erkannt und verurteilt, in den
Öfen der Privatbäder lebendig verbrannt zu werden. Die fromme,
menschliche Kaiserin Theophano war ihrem Gemahl und ihrer
Familie verderblich. Ein festlicher Tag, der 25. Dezember 820,
war zur Hinrichtung festgesetzt; sie wendete ein, daß der
Jahrestag der Geburt des Erlösers durch dieses unmenschliche
Schauspiel entweiht werden würde, Und Leo willigte
widerstrebend in den schon vom Anstand gebotenen Aufschub.
Aber am Vorabend des Festes verleiteten ihn Schlaflosigkeit
und Besorgnis in der Stille der Nacht das Gemach aufzusuchen,
worin sein Feind eingekerkert war. Er sah ihn ohne Ketten auf
dem Bett des Wächters in tiefem Schlummer liegen. Leo geriet
über diese Zeichen von Sicherheit und des Einverständnisses
seiner Feinde in Bestürzung. Wie leise er sich auch zurückzog,
sein Kommen und Gehen war doch von einem Sklaven bemerkt
worden, der in einer Ecke des Gefängnisses zusammengekauert
lag. Michael erbat sich den geistlichen Beistand eines
Beichtvaters und konnte mit Hilfe von diesem die Verschworenen
unterrichten, daß ihr Leben in seiner Hand stände und ihnen
nur wenige Stunden gegönnt wären, um durch Befreiung ihres
Freundes und Vaterlandes für ihre Sicherheit zu sorgen. An
großen Festen wurde eine auserlesene Schar von Priestern und
Sängern durch ein Nebentor in den Palast gelassen, um in der
Kapelle die Frühmette zu singen, und Leo, der mit gleicher
Strenge die Chor- wie die Lagerdisziplin regierte, pflegte bei
dieser Frühandacht selten zu fehlen. In geistlicher Tracht,
aber mit Schwertern unter den Gewändern, mengten sich die
Verschworenen unter den Zug und lauerten in den Ecken der
Kapelle. Wenn der Kaiser selbst den ersten Psalm anstimmte,
sollte der Mord geschehen. Die Beleuchtung und die
einheitliche Tracht hätten sein Entkommen begünstigen können,
während ihr Angriff gegen einen harmlosen Priester gerichtet
war. Aber sie entdeckten bald ihr Versehen und umringten das
kaiserliche Opfer von allen Seiten. Waffenlos und ganz allein
erfaßte er ein schweres Kreuz und stellte sich den Mördern;
als er aber um Gnade bat, erhielt er die unerbittliche
Antwort: »Dies ist nicht die Stunde der Gnade, sondern der
Rache!« Ein wohlgezielter Schwerthieb trennte die rechte Hand,
in der er das Kreuz hielt, von seinem Körper, und Leo der
Armenier wurde am Fuße des Altars erschlagen.
Michael II., wegen eines Sprachfehlers der Stammler
genannt, bietet ein merkwürdiges Beispiel für den
Glückswechsel. Er wurde von einem feurigen Ofen zu
unumschränkter Herrschaft emporgerissen, und da im Tumult ein
Schmied nicht gleich zu finden war, saß er mit den Fesseln an
den Füßen mehrere Stunden auf dem Thron der Cäsaren. Das
fürstliche Blut, der Preis für seine Erhebung, war zwecklos
vergossen. Im Purpur behielt er die früheren gemeinen Laster
bei. Michael verlor träge und gleichgültig seine Provinzen,
als ob sie gewöhnliche Erbgüter seiner Väter gewesen wären.
Thomas, der letzte des militärischen Dreibundes, machte ihm
seinen Titel streitig und führte von den Ufern des Tigris und
den Gestaden des Kaspischen Meeres achtzigtausend Barbaren
nach Europa. Er belagerte Konstantinopel. Aber die Hauptstadt
wurde mit geistlichen und irdischen Waffen verteidigt. Ein
bulgarischer König griff das Lager der Orientalen an, und
Thomas hatte das Unglück oder war so schwach, lebendig in die
Gewalt seines Feindes zu fallen. Die Hände und Füße des
Rebellen wurden abgehackt, dieser dann auf einen Esel gesetzt
und unter dem Hohn des Volkes durch die Straßen geführt, die
er mit Blut besprengte. Die Entartung der ebenso wilden wie
verdorbenen Sitten zeigte sich selbst beim Kaiser. Taub gegen
die Schmerzensschreie eines ehemaligen Kameraden, drang er
unaufhörlich in ihn, mehr Mitschuldige zu nennen, bis die
Frage eines ehrlichen oder schuldigen Ministers: »Willst du
denn einem Feinde und nicht den treuesten deiner Freunde
Glauben schenken?« seinen neugierigen Erkundigungen Einhalt
tat. Nach dem Tode seiner ersten Gattin hatte der Kaiser auf
Bitten des Senats Euphrosyne, die Tochter Konstantin VI., aus
ihrem Kloster geholt. Ihre erlauchte Herkunft konnte die
Bedingung des Ehevertrages rechtfertigen, daß ihre Kinder am
Reiche gleichen Anteil mit ihrem älteren Bruder haben sollten.
Aber die Ehe Michaels mit Euphrosyne blieb unfruchtbar.
Euphrosyne begnügte sich mit dem Titel der Mutter des
Theophilus, seines Sohnes und Nachfolgers.
Theophilus bietet ein seltenes Beispiel dafür, daß im
Religionseifer die Tugend eines Ketzers und Verfolgers
anerkannt und vielleicht übertrieben worden ist. Die Feinde
der Monarchie fühlten oft seine Tapferkeit, so wie die
Untertanen seine Gerechtigkeit. Aber in seiner Tapferkeit war
Theophilus unbesonnen und unnütz, und bei aller Gerechtigkeit
war er willkürlich und grausam. Er entfaltete das Banner des
Kreuzes gegen die Sarazenen, aber seine fünf Feldzüge endeten
mit einer entscheidenden Niederlage. Amorium, seiner
Altvordern heimatliche Stadt, wurde dem Erdboden
gleichgemacht. Er empfing wegen seiner kriegerischen
Unternehmungen den Beinamen der Unglückliche. Die Weisheit
eines Souveräns zeigt sich in seinen Gesetzen und in der Wahl
der Beamten; während er untätig zu sein scheint, war seine
Zivilverwaltung wie ein Planetensystem eingerichtet, das ihn
zum Mittelpunkte hatte. Aber die Gerechtigkeit des Theophilus
war die der morgenländischen Despoten, die in persönlichen und
ungerechten Machtsprüchen der augenblicklichen Einsicht oder
Leidenschaft folgen, ohne ihr Urteil nach dem Gesetz oder die
Strafe nach dem Verbrechen zu bemessen. Eine arme Frau warf
sich zu des Kaisers Füßen, um gegen einen mächtigen Nachbarn,
den Bruder der Kaiserin, zu klagen, der die Mauern seines
Palastes so hoch gebaut hatte, daß er ihrer geringen Wohnung
alles Licht und jede Aussicht nahm. Nachdem der Beweis für
diese Tatsache erbracht worden war, sprach der Souverän, statt
wie ein gewöhnlicher Richter hinreichend Schadenersatz zu
gewähren, ihr den Palast samt Zubehör zu. Ja, Theophilus
begnügte sich mit dieser außerordentlichen Genugtuung nicht.
In seinem Eifer stempelte er eine Zivilrechtsverletzung zu
einem Verbrechen und der unglückliche Patrizier wurde auf
öffentlichem Platze in Konstantinopel entkleidet und
gegeißelt. Geringer Vergehen willen, ja wegen eines Mangels an
Gerechtigkeit oder Wachsamkeit, wurden die vornehmsten
Minister, ein Präfekt, ein Quästor, ein Befehlshaber der
Leibwachen, verbannt oder verstümmelt oder mit siedendem Pech
verbrüht oder lebendig im Hippodrom verbrannt. Da diese
schrecklichen Taten Folgen des Irrtums oder der Laune waren,
mußten sie die besten und weisesten Bürger ihm entfremden.
Aber der stolze Monarch fühlt sich durch die Ausübung seiner
Macht oder wie er glaubte seiner Tugend befriedigt, und das
Volk, sicher in seiner Obskurität, zollte der Gefahr und der
Erniedrigung der Großen Beifall. Diese außerordentliche
Strenge wurde in einem gewissen Grade durch ihre heilsamen
Wirkungen gerechtfertigt. Ja, man möchte anführen, daß die
Griechen nur mit einem eisernen Szepter regiert werden konnten
und daß das Staatswohl der Beweggrund und das Gesetz des
obersten Richters sei. Dieser Richter jedoch ist, bezüglich
Verbrechen oder des Verdachtes des Hochverrates,
leichtgläubiger und parteiischer als alle anderen. Wenn
Theophilus an den Mördern Leos und Rettern seines Vaters späte
Rache übte, genoß er doch die Frucht ihres Verbrechens, und in
eifersüchtiger Tyrannei opferte er der künftigen Sicherheit
einen Schwager und Fürsten. Ein Perser aus dem Hause der
Sassaniden starb in Konstantinopel in Armut und Verbannung und
hinterließ einen einzigen Sohn, die Frucht seiner Ehe mit
einer Plebejerin. Als Theophobus zwölf Jahre alt war,
entdeckte man seine königliche Herkunft und seine
Eigenschaften waren seiner Geburt nicht unwürdig. Er wurde im
byzantinischen Palaste zum Christen und zum Krieger erzogen,
stieg schnell auf der Stufenleiter des Glückes und Ruhmes
empor, empfing die Hand der Schwester des Kaisers und den
Oberbefehl über dreißigtausend Perser, die gleich seinem Vater
vor den mohammedanischen Eroberern geflohen waren. Diese
Truppen, doppelt angesteckt von den Lastern von Söldlingen und
Schwärmern, wollten sich gegen ihren Wohltäter empören und die
Fahne ihres angestammten Königs aufpflanzen. Der getreue
Theophobus verwarf aber ihr Anerbieten, vereitelte ihre Pläne
und entfloh aus ihrer Gewalt nach dem Lager oder Palaste
seines kaiserlichen Schwagers. In hochherzigem Vertrauen würde
der Kaiser in ihm einen zuverlässigen und fähigen Beschützer
für seine Gattin und seinen unmündigen Sohn gewonnen haben,
denen Theophilus in der Blüte des Alters das Reich zu
hinterlassen gezwungen war. Allein eifersüchtig, wurde er
durch Neid und Krankheit erbittert. Er fürchtete den
tugendhaften Beschützer, der seinen schwachen kindlichen Sohn
beschützen sollte, aber ihn auch unterdrücken konnte, und so
verlangte der sterbende Kaiser das Haupt des persischen
Fürsten. Mit wilder Freude betrachtete er die wohlbekannten
Züge seines Schwagers. »Du bist nicht mehr Theophobus,« sagte
er, sank auf sein Lager zurück und fügte mit brechender Stimme
hinzu: »Bald, nur zu bald werde ich nicht mehr Theophilus
sein!«
Die Russen, die von den Griechen den größten Teil ihrer
bürgerlichen und kirchlichen Politik haben, bewahrten bis in
das 17. Jahrhundert einen eigentümlichen Brauch bei der
Vermählung ihrer Zaren. Sie versammelten nicht die Jungfrauen
jedes Ranges und jeder Provinz, sondern die Töchter der
vornehmsten Edeln, die im Palaste der Wahl ihres Souverän
harrten. Es wird berichtet, daß eine ähnliche Methode bei der
Vermählung des Theophilus befolgt wurde. Mit einem goldenen
Apfel in der Hand schritt er langsam durch zwei Reihen
wetteifernder Schönheiten. Seine Blicke wurden durch die Reize
der Ikasia gefesselt. In linkischer Verlegenheit vermochte der
Fürst bei einer ersten Erklärung nur zu bemerken, daß die
Frauen auf dieser Erde die Ursache von vielem Unheil gewesen
seien. »Aber gewiß auch von vielem Guten, Herr!« versetzte sie
naseweis. Dieser Ausbruch unzeitigen Witzes mißfiel dem
kaiserlichen Freiwerber, und er wandte sich mit Widerwillen
ab. Ikasia verbarg sich in ihrem Schmerz in einem Kloster, und
die bescheiden schweigende Theodora wurde mit dem Apfel
belohnt. Sie verdiente die Liebe ihres Gemahls, entging aber
keineswegs dessen Strenge. Aus dem Garten des Palastes
gewahrte er ein hochbeladenes Schiff, das in den Hafen
steuerte. Als die eingezogene Erkundigung ergab, daß die
kostbare Ladung syrischer Luxusartikel das Eigentum seiner
Gattin wäre, ließ er das Schiff verbrennen mit der beißenden
Bemerkung, Theodora habe den Charakter einer Kaiserin zu dem
einer Krämerin herabgewürdigt. In seinem letzten Willen
vertraute er ihr aber die Vormundschaft des Reiches und seines
Sohnes Michael an, der im fünften Lebensjahre eine Waise wurde
(842). Die Wiedereinführung der Bilder und Ausrottung der
Ikonoklasten hat den Namen Theodoras den frommen Griechen
teuer gemacht; aber trotz ihres religiösen Eifers bewahrte sie
dankbare Rücksicht dem Andenken und der Seelenrettung ihres
Gemahls. Nach dreizehn Jahren einer klugen und gemäßigten
Regierung gewahrte sie die Abnahme ihres Einflusses, doch die
zweite Irene ahmte nur die Tugenden ihrer Vorgängerin nach.
Statt sich gegen das Leben oder die Regierung ihres Sohnes zu
verschwören, zog sich Theodora ohne Kampf, obschon nicht ohne
Bitterkeit, ins Privatleben zurück und beweinte die
Undankbarkeit, die Laster und das unvermeidliche Verderben des
unwürdigen Jünglings. Wir haben unter den Nachfolgern des Nero
und Heliogabal bisher Nachahmer ihrer Laster nicht gefunden,
nämlich einen römischen Fürsten, der das Vergnügen als den
Zweck des Lebens und die Tugend als den Feind des Vergnügens
betrachtete. Wie groß die mütterliche Sorgfalt der Theodora
bei Erziehung Michaels II. immer gewesen sein mag, so war ihr
unglücklicher Sohn doch früher König als Mann. Arbeitete
dagegen die ehrgeizige Mutter daran, die Entwicklung der
Vernunft zu hemmen, vermochte sie doch die aufflammende
Leidenschaft nicht zu kühlen, und ihre eigennützige Politik
erhielt dann durch den undankbaren, eigensinnigen Jüngling,
der sie verachtete, gerechten Lohn. Im Alter von achtzehn
Jahren schüttelte er die mütterliche Gewalt ab, ohne seine
Unfähigkeit, das Reich und sich selbst zu beherrschen,
einzusehen. Mit Theodora entfloh der Ernst und die Weisheit
gänzlich vom Hofe. Laster und Torheit zogen ein, ja es war,
ohne die öffentliche Achtung zu verwirken, unmöglich, des
Kaisers Gunst zu erwerben oder zu bewahren. Die Millionen in
Gold und Silber, die im Staatsschatz angehäuft waren, wurden
an die elendsten Menschen, die seinen Leidenschaften
schmeichelten und an seinen Vergnügungen teilnahmen,
vergeudet; nach einer Regierung von dreizehn Jahren war der
reichste aller Souveräne gezwungen, Palast und Kirchen ihrer
kostbaren Ausschmückung zu berauben. Gleich Nero fand Michael
Vergnügen im Theater und war bekümmert, daß er in Künsten
übertroffen wurde, in denen hervorzuragen er sich hätte
schämen sollen. Die Studien Neros in Musik und Dichtkunst
zeigen, daß er Spuren edlen Geschmackes besaß; die unedlen
Künste des Sohnes des Theophilus beschränkten sich auf das
Wagenrennen und das Hippodrom. Die vier Parteien, welche die
Ruhe der Hauptstadt gestört hatten, ergötzten beständig deren
Müßiggänger; der Kaiser wählte für sich selbst die blaue
Farbe, die drei übrigen Farben wurden unter seine Lieblinge
verteilt. In dem schmachvollen, aber leidenschaftlichen
Wettkampfe vergaß er seine Würde und die Sicherheit seiner
Provinzen. Dem Boten, der es wagte, ihm im kritischen
Augenblick des Rennens einen feindlichen Einbruch zu melden,
gebot er Schweigen, ja, auf seinen Befehl wurden die
auffallenden Leuchtbecken ausgelöscht, die nur zu häufig
Bestürzung von Tarsus bis Konstantinopel verbreiteten. Die
geschicktesten Wagenlenker erhielten sein besonderes Vertrauen
und seine Hochachtung; ihre Verdienste wurden verschwenderisch
belohnt. Der Kaiser schmauste in ihren Häusern, hielt ihre
Kinder zur Taufe, und während er auf seine eigene Popularität
stolz war, schmähte er seine kalten, stolzen und
zurückhaltenden Vorgänger. Die unnatürlichen Lüste, die sogar
das Mannesalter Neros geschändet hatten, waren zwar aus der
Welt verbannt, wohl aber wurde Michaels Kraft durch Liebe und
Unmäßigkeit erschöpft. Wenn bei mitternächtlichen Gelagen
seine Leidenschaften durch Wein erhitzt waren, ließ er sich
verleiten, die blutdürstigsten Befehle zu erteilen, und wenn
ja noch Menschlichkeit in ihm war, mußte er mit
wiederkehrender Besinnung den Ungehorsam seiner Diener
billigen. Aber der außerordentlichste Zug in Michaels
Charakter ist seine ruchlose Neigung, die Religion seines
Vaterlandes zu verspotten. Der griechische Glaube konnte
allerdings das Lächeln eines Philosophen erregen, aber dieses
Lächeln wäre vernünftig und gemäßigt gewesen, nicht wie die
verdammenswerte Torheit eines Jünglings, der die Gegenstände
der öffentlichen Verehrung verhöhnte. Ein Possenreißer des
Hofes wurde mit den Gewändern des Patriarchen bekleidet; auch
die zwölf Metropoliten, darunter der Kaiser selbst, legten
ihre geistliche Tracht an. Sie mißbrauchten die geheiligten
Altargefäße, und bei ihren bacchanalischen Gelagen wurde ein
ekelhaftes Gemisch aus Senf und Essig als Abendmahlswein
gereicht. Und diese gottlosen Mummereien wurden keineswegs den
Blicken des Volkes entzogen. An einem feierlichen Feste ritten
der Kaiser und seine Bischöfe oder Narren auf Eseln durch die
Straßen, begegneten dem wirklichen Patriarchen an der Spitze
seiner Geistlichkeit und störten durch ihr ausgelassenes
Geschrei und ihre schmutzigen Gebärden den christlichen Zug.
Die Religiosität Michaels gab sich nur durch Handlungen wider
die Vernunft oder wider die Pietät kund; er empfing seine
theatralischen Kronen vor einem Standbilde der heiligen
Jungfrau und verletzte ein Kaisergrab, um die Gebeine des
Bilderstürmers Konstantin zu verbrennen. Durch dieses
ausschweifende Betragen machte sich der Sohn des Theophilus
verächtlich, und er wurde bereits gehaßt. Jeder Bürger sehnte
ungeduldig die Befreiung seines Vaterlandes herbei, und selbst
seine augenblicklichen Günstlinge fürchteten, daß ihnen eine
Laune nehmen könnte, was ihnen eine Laune gegeben hatte. Im
dreißigsten Lebensjahr, während er, vom Weine trunken,
schlief, wurde Michael III. von dem Stifter einer neuen
Dynastie, den er zum gleichen Rang und zur Macht erhoben
hatte, ermordet (867).
Die Genealogie Basilius' des Makedoniers, liefert (wenn
nicht Stolz und Schmeichelei sie erfunden haben) ein
lebendiges Gemälde der Umwälzung in den erlauchtesten
Familien. Die Arsakiden, Roms Nebenbuhler, hatten das Szepter
des Ostens beinahe durch vier Jahrhunderte besessen; ein
jüngerer Zweig dieser parthischen Könige fuhr fort, in
Armenien zu herrschen, und ihre königlichen Nachkommen
überlebten die Teilung und Knechtschaft dieser alten
Monarchie. Zwei derselben, Artabanus und Chlienes, entwichen
nach dem Hof Leos I. oder zogen sich dahin zurück. Gütevoll
gewährte er ihnen ein sicheres und gastfreundschaftliches Exil
in der Provinz Makedonien, und zuletzt ließen sie sich in
Adrianopel nieder. Während mehrerer Geschlechtsfolgen hindurch
bewahrten sie die Würde, die ihnen ihre Geburt gab. In
römischem Patriotismus verwarfen sie die lockenden Anerbieten
der persischen und arabischen Gewalthaber, die sie in ihr
Vaterland zurückberiefen. Aber Zeit und Armut trübten
allmählich ihren Glanz. Basilius' Vater war nur mehr Besitzer
einer kleinen Meierei, die er mit eigenen Händen versorgte;
dennoch verschmähte er es, das Blut der Arsakiden durch eine
Heirat mit einer Plebejerin zu entehren. Seine Gattin, eine
Witwe aus Adrianopel, zählte Konstantin den Großen zu ihren
Ahnen, und ihr königliches Kind war durch irgend eine
Verwandtschaft, Abstammung oder durch das Vaterland mit
Alexander von Makedonien verbunden. Kurz nach Basilius' Geburt
wurde seine Familie und seine Vaterstadt durch eine Invasion
der Bulgaren hinweggefegt, er selbst als Sklave in einem
fremden Land erzogen, in welcher schweren Zucht er sich jenen
abgehärteten Körper und jenen biegsamen Geist aneignete, die
seine spätere Erhebung förderten. Im Jünglings- und
Mannesalter nahm er an der Selbstbefreiung der römischen
Gefangenen teil, die mutig ihre Ketten zerbrachen, durch
Bulgarien zum Schwarzen Meer zogen, zwei Barbarenheere
schlugen, sich in den zu ihrer Aufnahme bereitgestellten
Booten einschifften und nach Konstantinopel zurückkehrten, von
wo jeder nach seiner Heimat gewiesen wurde. Aber der befreite
Basilius war nackt und bloß; seine Meierei war durch den Krieg
zerstört worden, und nach seines Vaters Tode reichte die
Arbeit seiner Hände oder seine Dienste nicht mehr hin, um eine
Familie von Waisen zu ernähren. Er beschloß, einen reicheren
Schauplatz zu suchen, wo jede Tugend und jedes Laster zur
Größe führen konnte. In der ersten Nacht seiner Ankunft in
Konstantinopel, ohne Freunde und Geld, schlief der müde
Wanderer auf den Stufen der Kirche des heiligen Diomedes: ein
Mönch, der zufällig vorüberkam, gab ihm Nahrung, und er trat
in die Dienste eines Vetters und Namensgenossen des Kaisers
Theophilus, der, obgleich selbst von winziger Statur, sich
stets von einem Gefolge hochgewachsener und schöner Diener
begleiten ließ. Basilius folgte seinem Beschützer, als dieser
die Statthalterschaft im Peloponnes übernahm, verdunkelte
durch seine persönlichen Eigenschaften die Herkunft und Würde
des Theophilus und knüpfte eine nützliche Bekanntschaft mit
einer reichen und mildtätigen Matrone von Patras an. Danielis
schenkte dem jungen Abenteurer ihre geistige und sinnliche
Liebe, adoptierte ihn als Sohn und gab ihm dreißig ihrer
Sklaven. Der Ertrag ihrer Güter wurde zur Unterstützung seiner
Brüder und zum Ankauf einiger großer Ländereien in Makedonien
verwendet. Dankbarkeit oder Ehrgeiz hielten ihn im Dienste des
Theophilus zurück, und ein glücklicher Zufall machte den Hof
auf ihn aufmerksam. Ein berühmter Ringer im Gefolge der
bulgarischen Gesandten hatte sich beim kaiserlichen Bankett
dem kühnsten und stärksten aller Griechen für überlegen
erklärt. Man pries Basilius' Kraft, er nahm die
Herausforderung an und der Barbar wurde beim ersten Gange
geworfen. Einem schönen, aber nicht zu bändigenden Pferd
sollten die Flechsen durchschnitten werden. Der mutige und
gewandte Basilius bändigte das Tier, und der Sieger wurde auf
einen ehrenvollen Posten in die kaiserlichen Stallungen
berufen. Aber es war unmöglich, Michaels Vertrauen zu
gewinnen, ohne sich in seine Laster zu fügen. Sein neuer
Günstling, der Großkämmerer des Palastes, wurde durch die
schimpfliche Heirat mit einer kaiserlichen Geliebten und die
entehrende Opferung seiner Schwester, die deren Stelle
einnahm, erhoben und unterstützt. Die öffentliche Verwaltung
war dem Cäsar Bardas, dem Schwager und Feinde der Theodora
überlassen. Der Einfluß und die Intrigen der Frauen brachten
Michael dahin, seinen Oheim zu fürchten und zu hassen. Er ließ
ihn von Konstantinopel unter dem Vorwande, einen kretischen
Feldzug zu leiten, weglocken, und der Kämmerer tötete ihn im
Audienzzelt in Gegenwart des Kaisers. Ungefähr einen Monat
nach dieser Hinrichtung erhielt Basilius den Augustustitel und
die Reichsverwaltung. Er ertrug diese ungleichen Würden, bis
sein Einfluß durch die Achtung des Volkes sich verstärkt
hatte. Sein Leben war durch die Launen des Kaisers gefährdet
und seine Würde durch einen zweiten Kollegen geschändet, der
auf den Galeeren gerudert hatte. Die Ermordung seines
Wohltäters indessen muß als eine Tat des Undankes und
Hochverrates verdammt werden, und die Kirchen, die er dem
heiligen Michael widmete, waren eine armselige und knabenhafte
Sühne für seine Schuld.
Die verschiedenen Lebensperioden Basilius' I. lassen sich
mit denen des Augustus vergleichen. Die Lage des Griechen
gestattete ihm allerdings nicht, in früher Jugend ein Heer
gegen sein Vaterland ins Feld zu führen oder die edelsten
Söhne desselben zu ächten; aber seine ehrgeizige Seele
verleitete ihn zu niedrigen Machenschaften. Er verheimlichte
seinen Ehrgeiz, ja sogar seine Tugenden und griff mit seiner
blutigen Hand, der Hand eines Mörders, nach dem Reiche, das er
mit der Weisheit und Liebe eines Vaters regierte. Ein
Privatmann kann fühlen, daß sein Interesse seiner Pflicht
widerstreite, aber es kann nur Mangel an Mut oder an Einsicht
sein, wenn ein unumschränkter Herrscher sein Glück von seinem
Ruhme oder seinen Ruhm von der öffentlichen Wohlfahrt trennt.
Die Biographie oder der Panegyrikus des Basilius ist
allerdings unter der langdauernden Herrschaft seiner
Nachkommen verfaßt und herausgegeben worden; aber selbst daß
sie den Thron so lange besaßen, kann mit Recht dem überlegenen
Verdienst ihres Ahnherrn zugeschrieben werden. Sein Enkel
Konstantin hat seinen Charakter als vollkommenes Ideal eines
Monarchencharakters beschrieben; aber wenn dieser schwache
Fürst nicht ein wirkliches Muster vor sich gehabt hätte, hätte
er sich nicht so hoch über sein ursprüngliches Maß und seine
Begriffswelt erheben können. Allein das gründlichste Lob des
Basilius liegt in dem Vergleich einer zerrütteten mit einer
blühenden Monarchie, jener, die er dem ausschweifenden Michael
nahm und dieser, die er der makedonischen Dynastie hinterließ.
Die durch Zeit und Beispiele geheiligten Übel wurden durch
seine Meisterhand abgestellt, und durch ihn lebte, wenn auch
nicht der Nationalgeist, so doch die Ordnung und Majestät des
römischen Reiches wieder auf. Er war unermüdlich tätig, von
kaltem Temperament, sein Verstand war kräftig und scharf, und
er beobachtete in seinem Benehmen jene seltene und heilsame
Mäßigung, die zwar allen Lastern abhold ist, doch aber Genüsse
in bescheidenem Maße nicht verschmäht. Seine militärischen
Dienstleistungen hatten sich auf den Palast beschränkt, auch
besaß der Kaiser weder den Geist noch die Talente eines
Kriegers. Dennoch waren unter seiner Regierung die römischen
Krieger den Barbaren abermals furchtbar. Sobald er ein neues
Heer gebildet hatte, erschien er selbst an den Ufern des
Euphrat, zügelte den Übermut der Sarazenen und unterdrückte
die gefährliche, obschon gerechte Empörung der Manichäer.
Seine Entrüstung gegen einen Rebellen, der seiner Verfolgung
so lange entgangen war, veranlaßte ihn zu dem Wunsche und dem
Gebete, er möge durch die Gnade Gottes im Stande sein, drei
Pfeile in Chrysochirs Haupt zu schießen. Dieses verhaßte
Haupt, das er mehr durch Verrat als durch Tapferkeit erhalten
hatte, wurde an einem Baume aufgehangen und dreimal von dem
kaiserlichen Schützen mit Pfeilen durchbohrt, eine niedrige
Rache gegen einen Toten, mehr jener Zeit als des Basilius
würdig. Aber sein Hauptverdienst bestand in der
Finanzverwaltung und Gesetzgebung. Um den erschöpften Schatz
zu füllen, hatte man Vorgeschlagen, die übertriebenen und
schlecht verteilten Geschenke seines Vorgängers
zurückzufordern. Klug ließ er die Hälfte der Güter ihren
Besitzern, wodurch unverzüglich eine Summe von
zwölfhunderttausend Pfund einging, die den dringendsten
Ausgaben genügte. Er gewann auch so Zeit, Mittel zu sparen.
Unter den verschiedenen Plänen zur Verbesserung des
Staatseinkommens wurde eine neue Vermögenssteuer
vorgeschlagen, deren Umlage jedoch zu sehr vom willkürlichen
Ermessen der mit der Erhebung Beauftragten abgehangen wäre.
Der Minister legte sogleich eine Liste ehrlicher und fähiger
Männer vor; eine sorgfältigere Prüfung von Basilius selbst
ergab jedoch, daß nur zwei zu finden waren, denen man eine so
gefährliche Macht in die Hände legen konnte. Diese
rechtfertigten aber sein Vertrauen, indem sie diese Macht
ausschlugen. Die ernste und erfolgreiche Tätigkeit des Kaisers
führte jedoch nach und nach ein richtiges Gleichgewicht
zwischen Eigentum und Beschatzung und zwischen Einnahme und
Ausgabe ein; jedem Dienste war ein besonderer Fonds gewidmet
und ein öffentlich gehandhabtes Verfahren sicherte das
Interesse des Fürsten und das Eigentum des Volkes. Nachdem er
die Üppigkeit an seinem Hofe abgeschafft hatte, wies er zwei
Patrimonialgüter an, für einen anständigen Überfluß der
kaiserlichen Tafel zu sorgen; die Steuern der Untertanen
verwendete er zur Verteidigung des Landes und der Rest wurde
zur Verschönerung der Hauptstadt und der Provinz verwendet.
Die Vorliebe für Bauten, so kostspielig sie auch sein mag,
verdient einiges Lob und viele Entschuldigung. Der
Gewerbefleiß wird dadurch genährt, die Künste ermutigt und
immer hat die Öffentlichkeit Vorteile oder Vergnügen daran.
Der Nutzen einer Straße, einer Wasserleitung, eines Hospitals
springt in die Augen und ist dauernd, und die hundert Kirchen,
die sich auf Befehl des Basilius erhoben, sind durch die
Frömmigkeit des Zeitalters bedingt. Als Richter war er emsig
und unparteiisch, gern verzeihend, aber auch sich nicht
scheuend, zu strafen. Die Unterdrücker des Volkes wurden
streng bestraft und seine persönlichen Feinde, denen zu
verzeihen nicht geraten war, wurden außer zum Verlust ihrer
Augen zu einem Leben der Einsamkeit und Buße verurteilt. Die
Veränderung der Sprache und Sitten verlangte eine Durchsicht
der veralteten Jurisprudenz Justinians; das umfangreiche
Corpus der Institutionen, Pandekten, des Kodex und der
Novellen wurde unter vierzig Titeln in griechischer
Übersetzung zusammengedrängt, und die Basiliken, die durch
seinen Sohn und Enkel ausgebildet und vervollständigt wurden,
müssen dem Genie des Stifters ihres Hauses zugeschrieben
werden. Ein Jagdunfall machte dieser glorreichen Regierung ein
Ende (886). Ein wütender Hirsch blieb mit seinem Geweih in
Basilius' Gürtel hängen und hob ihn vom Pferde. Einer aus dem
Gefolge rettete ihn zwar, indem er den Gürtel entzweihieb und
das Tier tötete, aber der Sturz oder das folgende Fieber
erschöpften die Kräfte des greisen Monarchen, und er verschied
im Palaste von seiner Familie und von seinen Untertanen
beweint. Wenn er dem treuen Diener, weil dieser es gewagt
hatte, das Schwert vor seinem Souverän zu ziehen, den Kopf
abschlug, so zeigt das nur das Aufflackern des Despotismus in
den letzten Augenblicken der Verzweiflung, in denen er der
Meinung der Menschen nicht mehr bedurfte noch sie schätzte.
Von den vier Söhnen des Kaisers war Konstantin vor seinem
Vater gestorben, der in seinem Schmerz und seiner
Leichtgläubigkeit durch einen Betrüger und eine vorgebliche
Erscheinung geäfft wurde. Stephan, der jüngste, begnügte sich
mit den Ehren eines Patriarchen und Heiligen. Leo und
Alexander wurden beide mit dem Purpur bekleidet, die
Regierungsmacht aber nur durch den älteren Bruder ausgeübt.
Der Name Leos VI. ist mit dem Titel eines Philosophen
geschmückt worden. Den Fürsten mit dem Weisen, die Tatkraft
mit dem Geist vereinen wäre allerdings die Vollendung der
menschlichen Natur. Aber Leo steht tief unter diesem Ideal.
Unterwarf er etwa seine Leidenschaften der Herrschaft der
Vernunft? Er verbrachte sein Leben in seinem prächtigen Palast
unter seinen Frauen und Geliebten. Ja sogar die Milde, die er
entfaltete, und der Friedenswille müssen seinem weichen und
trägen Charakter zugeschrieben werden. Zerstreute er etwa
seine und seiner Untertanen Vorurteile? Sein Geist litt an dem
knabenhaftesten Aberglauben; seine Gesetze entstanden unter
dem Einfluß der Geistlichkeit und irrigen Ansichten des
Volkes, und die Orakel des Leo, die in prophetischer Sprache
das Schicksal des Reiches offenbaren, stützen sich auf die
Künste der Sterndeuterei und Wahrsagerei. Wenn wir nachfragen,
warum er den Namen des Weisen führt, so kann nur klar
geantwortet werden, daß der Sohn des Basilius minder unwissend
war als der größte Teil seiner Zeitgenossen in Kirche und
Staat; daß seine Erziehung von dem gelehrten Photius geleitet
und mehrere Bücher über profane und kirchliche Wissenschaften
von dem kaiserlichen Philosophen oder in dessen Namen verfaßt
worden sind. Aber er verlor den Ruf eines Philosophen durch
ein privates Ereignis, nämlich eine mehrfache Vermählung. Die
Ansichten der ersten Kirche in Betreff des Verdienstes und der
Heiligkeit des Zölibates wurden von den Mönchen gepredigt und
von den Griechen bekannt. Die Ehe wurde als notwendiges Mittel
zur Fortpflanzung der Menschen gestattet. Nach dem Tode des
einen Gatten konnte der überlebende Teil durch eine zweite
Heirat der Schwäche oder Stärke des Fleisches genügen; eine
dritte Ehe wurde als Zustand gesetzlich gestatteter Hurerei
angesehen, eine vierte aber war eine Sünde oder ein Ärgernis,
wovon die orientalischen Christen noch kein Beispiel kannten.
Leo selbst hatte im Beginne seiner Regierung den Stand der
Nebenfrauen abgeschafft und dritte Ehen verdammt, ohne sie
jedoch für ungültig zu erklären. Patriotismus und Liebe
nötigten ihn jedoch bald, seine eigenen Gesetze zu übertreten
und jenen Strafen zu verfallen, die er bei ähnlicher
Gelegenheit seinen Untertanen angedroht hatte. Seine drei Ehen
waren kinderlos geblieben. Der Kaiser brauchte eine Gefährtin,
das Reich einen rechtmäßigen Erben. Die schöne Zoe wurde als
Geliebte in den Palast geführt, und nach dem erbrachten Beweis
ihrer Fruchtbarkeit und der Geburt des Konstantin erklärte ihr
Liebhaber seine Absicht, die Mutter und das Kind durch eine
vierte Heirat zu legitimieren. Aber der Patriarch Nikolaus
verweigerte seinen Segen; die kaiserliche Taufe des jungen
Prinzen war durch das Versprechen, ihn von seiner Mutter zu
trennen, erkauft worden, und da Zoes Gatte es nicht hielt,
wurde er aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen.
Weder die Furcht vor Verbannung, noch der Abfall seiner
Brüder, weder das Ansehen der lateinischen Kirche, noch der
Mangel an einem Nachfolger im Reiche oder der Zweifel an
dessen Legalität konnten den halsstarrigen Mönch zur Einsicht
bringen. Nach dem Tode Leos (911) wurde er aus dem Exil zur
Verwaltung des Staates und der Kirche zurückberufen, und ein
im Namen Konstantins erlassenes Eheedikt verdammte in Zukunft
Ärgernis erregende vierte Ehen und drückte seiner eigenen
Geburt stillschweigend einen Makel auf.
Porphyra ist das griechische Wort für Purpur, und da die
Farben der Natur unveränderlich sind, wissen wir, daß der
tyrische Farbstoff, womit die Alten ihren Purpur färbten, ein
tiefes Rot war. Ein Gemach im byzantinischen Palast war mit
Purpur ausgeschlagen; es blieb für Kaiserinnen in guter
Hoffnung vorbehalten, und die kaiserliche Geburt ihrer Kinder
wurde durch den Beinamen Porphyrogenitus, in Purper geboren,
ausgedrückt. Mehrere römische Fürsten waren mit einem Erben
gesegnet worden; aber dieser besondere Beiname wurde zuerst
Konstantin VII. beigelegt. Sein Leben und seine
Titularregierung hatten gleiche Dauer, aber von den
vierundfünfzig Jahren seiner Regierung waren sechs vor dem
Tode seines Vaters vergangen. Der Sohn Leos war stets entweder
der freiwillige oder der gezwungene Sklave derjenigen, die
seine Schwäche unterdrückten oder sein Vertrauen mißbrauchten.
Sein schon lange mit dem Augustustitel bekleideter Oheim
Alexander war der erste Kollege und Beherrscher des jungen
Fürsten. Obwohl er noch jung war, hatte der Bruder Leos doch
bereits mit dem Rufe Michaels als lasterhafter, törichter
Mensch gewetteifert. Als er rechtzeitig durch den Tod
hinweggerafft wurde, trug er sich mit dem Plane, seinen Neffen
zu entmannen und das Reich einem unwürdigen Günstling zu
hinterlassen. Die folgenden Jahre während der Minderjährigkeit
Konstantins herrschten seine Mutter Zoe und ein Rat von sieben
aufeinanderfolgenden Regenten, die ihr Interesse verfolgten,
ihre Leidenschaften befriedigten, das Reich preisgaben,
einander ausstachen und endlich einem Soldaten wichen. Romanus
Lekapenus hatte sich von geringer Herkunft zum
Oberbefehlshaber über die Flotte aufgeschwungen und in der
Anarchie der Zeiten die Achtung der Nation verdient oder
wenigstens erhalten. Mit einer siegreichen und ihm
anhänglichen Flotte segelte er von der Mündung der Donau nach
dem Hafen von Konstantinopel und wurde vom Volke als Befreier
und Vormund des Fürsten begrüßt (919). Er wurde anfangs als
Vater des Kaisers bezeichnet. Romanus verschmähte jedoch bald
die untergeordnete Macht eines Ministers und übernahm mit den
Titeln Cäsar und Augustus die kaiserliche Vollgewalt, die er
fast fünfundzwanzig Jahre ausübte. Seine drei Söhne,
Christoph, Stephan und Konstantin, wurden nach und nach mit
denselben Ehren bekleidet und der rechtmäßige Kaiser vom
ersten zum fünften Range in diesem Fürstenkollegium
herabgesetzt. Er konnte jedoch ob der Schonung seines Lebens
und seiner Krone noch immer sein Glück und die Milde des
Usurpators preisen. Die Beispiele der älteren wie der neueren
Geschichte könnten den Ehrgeiz des Romanus entschuldigen. Die
Macht und die Gesetze des Reiches ruhten in seiner Hand, die
unechte Geburt Konstantins konnte dessen Ausschließung
rechtfertigen und das Grab oder Kloster war bereit, den Sohn
einer Nebenfrau aufzunehmen. Aber Lekapenus scheint weder die
Tugenden noch die Laster eines Tyrannen besessen zu haben. Im
Glanze des Thrones verflüchtigte sich der Geist und die
Regsamkeit, die er in seinem Privatleben gezeigt hatte. Bei
seinen ausgelassenen Vergnügungen vergaß er sowohl für die
Sicherheit des Reiches wie seiner Familie zu sorgen. Er ehrte,
milden und religiösen Charakters, die Heiligkeit der Eide, die
Unschuld des Jünglings, das Andenken seiner Eltern und die
Anhänglichkeit des Volkes. Konstantins Hang zu Studien und zur
Zurückgezogenheit beruhigte jeden Argwohn, daß er Macht wolle.
Seine Bücher und Musik, seine Feder und sein Pinsel waren für
ihn eine unerschöpfliche Quelle des Vergnügens, und wenn er
durch den Verkauf seiner Gemälde ein kärgliches Auskommen
erreichte, so war er, sofern der Preis nicht wegen des
königlichen Künstlers erhöht wurde, mit einem persönlichen
Talente begabt, wie es nur wenige Fürsten in den Stunden des
Unglücks zeigten.
Der Fall des Romanus wurde durch seine eigenen und seiner
Kinder Laster verursacht. Nach Christophs, des ältesten Sohnes
Tod, gerieten die beiden überlebenden Brüder in Streit,
verschworen sich dann aber gegen ihren Vater. Um die
Mittagsstunde, in der regelmäßig alle Fremden den Palast
verlassen mußten, traten sie mit bewaffneten Anhängern in das
Gemach ihres Vaters und führten ihn im Mönchsgewande nach
einer kleinen Insel der Propontis, die von einer Gemeinde
Religiöser bevölkert war. Das Gerücht von dieser häuslichen
Umwälzung erregte in der Stadt einen Aufstand; aber nur
Porphyrogenitus, der eigentliche und rechtmäßige Kaiser, war
der Gegenstand der öffentlichen Besorgnis, und die Söhne des
Lekapenus erfuhren zu spät, daß sie nur zugunsten ihres
Nebenbuhlers ein verbrecherisches und gefährliches Unternehmen
gewagt hatten. Ihre Schwester Helena, Konstantins Gattin,
entdeckte oder erfand ihren hochverräterischen Plan,
Konstantin beim kaiserlichen Bankett zu ermorden. Seine
getreuen Anhänger erhoben sich, kamen den beiden Usurpatoren
zuvor, verhafteten sie, entkleideten sie des Purpurs und
schifften sie nach demselben Inselkloster ein, wo sie vor
kurzer Zeit ihren Vater eingesperrt hatten. Der alte Romanus
kam ihnen am Strande mit einem sarkastischen Lächeln entgegen
und bot, nach gerechten Vorwürfen über ihre Torheit und
Undankbarkeit, seinen kaiserlichen Kollegen von seinem Wasser
und seiner Pflanzenkost an. Konstantin erlangte im vierzigsten
Jahre seiner Regierung den Besitz der morgenländischen Welt,
die er fast fünfzehn Jahre beherrschte oder zu beherrschen
schien. Es fehlte ihm an Energie, sich zu einem tätigen und
ruhmreichen Leben emporzuschwingen. Die Studien, die ihn
während seiner Muße erheiterten, waren mit den ernsten
Pflichten eines Herrschers unvereinbar. Der Kaiser
vernachlässigte die Regierung, um seinen Sohn Romanus in der
Kunst derselben zu unterrichten. Während er seiner gewohnten
Unmäßigkeit und Trägheit nachhing, ließ er die Zügel der
Verwaltung in Händen seiner Gattin Helena, und bei ihrer
wandelbaren Gunst und Laune wurde jeder Minister wegen der
Ernennung eines noch unwürdigeren Nachfolgers beklagt.
Indessen hatten die Geburt und das Unglück Konstantins ihn den
Griechen teuer gemacht. Sie entschuldigten seine Schwächen;
sie ehrten seine Gelehrsamkeit, seine Unschuld, seine
Mildtätigkeit und seine Gerechtigkeitsliebe. Seine
Leichenfeier war von den ungeheuchelten Tränen seiner
Untertanen begleitet. Die Leiche lag nach altem Herkommen im
Vorhofe des Palastes auf dem Paradebette. Die bürgerlichen und
militärischen Würdenträger, die Patrizier, der Senat und die
Geistlichkeit näherten sich in gebührender Ordnung, um den
entseelten Körper ihres Souveräns zu verehren und zu küssen.
Bevor sich der Zug dem kaiserlichen Grabe zubewegte, rief ein
Herold die Worte: »Erhebe dich, o König der Welt, und gehorche
dem Rufe des Königs der Könige!«
Der Tod Konstantins (959) wurde einer Vergiftung
zugeschrieben. Sein Sohn Romanus, der diesen Namen nach seinem
mütterlichen Großvater führte, bestieg den Thron von
Konstantinopel. Ein Fürst, gegen den man in seinem zwanzigsten
Lebensjahre den Argwohn hegen konnte, er habe dazu
beigetragen, sein Erbe schneller zu erhalten, muß bereits in
der öffentlichen Achtung gerichtet gewesen sein; den größten
Teil der Schuld schob man aber auf seine Gattin Theophania,
ein Weib von niederer Herkunft, männlichem Geiste und
ausschweifenden Sitten. Der Sinn für persönlichen Ruhm und
Glück des Staates, die eigentlichen Freuden der Königswürde,
waren dem Sohne Konstantins unbekannt, und während seine
beiden Brüder, Nikephorus und Leo, über die Sarazenen
triumphierten, verbrachte der Kaiser die Stunden, die er
seinem Volke schuldete, im Müßiggange. Morgens besuchte er den
Zirkus, mittags bewirtete er die Senatoren, den größten Teil
des Nachmittages brachte er im Sphaeristerium oder Ballhofe
zu, dem einzigen Schauplatz seiner Siege, und von da setzte er
nach dem asiatischen Gestade des Bosporus über, jagte und
tötete vier wilde Eber von ungeheurer Größe und kehrte nach
dem Palast in stolzer Zufriedenheit mit seinen Arbeiten
zurück. An Kraft und Schönheit übertraf er alle seines Alters.
Schlank und gerade wie eine Tanne, hatte er ein weißes und
blühendes Gesicht, strahlende Augen, breite Schultern und eine
lange Adlernase. Aber selbst diese Vollkommenheiten waren
nicht imstande, die Liebe der Theophania zu fesseln, und
nachdem ihr Gatte vier Jahre regiert hatte, mischte sie für
ihn denselben Todestrank, den sie für seinen Vater gebraut
hatte.
Romanus der Jüngere hinterließ aus seiner Ehe mit diesem
ruchlosen Weibe zwei Söhne, Basilius II. und Konstantin IX.,
und zwei Töchter, Theophania und Anna. Die ältere Schwester
erhielt den abendländischen Kaiser Otto II. zur Ehe, die
jüngere wurde die Gattin des Großfürsten Wladimir von Rußland,
und infolge der Vermählung ihrer Enkelin mit König Heinrich I.
von Frankreich fließt das Blut des makedonischen und
vielleicht auch des arsakidischen Hauses in den Adern der
Bourbonen. Die Kaiserin strebte nach dem Tode ihres Gemahls
danach, im Namen ihrer Söhne, wovon der ältere erst fünf, der
jüngere nur zwei Jahre alt war, zu herrschen. Sie fühlte
jedoch bald die Unsicherheit eines Thrones, den ein Weib
stützte, das keine Achtung und zwei Kinder hatte, die keine
Furcht einflößen konnten. Theophania sah sich nach einem
Beschützer um und warf sich in die Arme des tapfersten
Kriegers; ihr Herz war geräumig, aber die Häßlichkeit ihres
neuen Günstlings macht es mehr als wahrscheinlich, daß
Eigennutz der Beweggrund und die Entschuldigung ihrer Liebe
war. Nikephorus Phokas vereinigte nach der allgemeinen Meinung
das doppelte Verdienst eines Helden und eines Heiligen. Er
hatte echte und glänzende Talente. Abkömmling eines durch
Kriegstaten berühmten Geschlechtes, hatte er in jedem Range
und in jeder Provinz den Mut eines Soldaten und die Einsicht
eines Anführers entfaltet; erst kürzlich war Nikephorus durch
die wichtige Eroberung der Insel Kreta mit neuen Lorbeeren
gekrönt worden. Seine Religion war von zweifelhafterem
Gepräge, sein härenes Gewand, seine Fasten, seine fromme
Sprache und sein Wunsch, sich von den Geschäften der Welt
zurückzuziehen, waren eine bequeme Maske für seinen großen und
gefährlichen Ehrgeiz. Nichtsdestoweniger täuschte er einen
frommen Patriarchen, durch dessen Einfluß und Senatsbeschluß
er während der Minderjährigkeit der jungen Fürsten mit dem
unumschränkten und unabhängigen Oberbefehl über die
morgenländischen Heere betraut wurde. Kaum war er der Anführer
und Truppen sicher, so marschierte er kühn nach
Konstantinopel, trat seine Feinde nieder, bekannte sein
Einverständnis mit der Kaiserin und übernahm, ohne ihren Sohn
abzusetzen, mit dem Augustustitel Rang und Fülle der Gewalt.
Aber derselbe Patriarch, der ihm die Krone aufs Haupt gesetzt
hatte, leistete seiner Vermählung mit Theophania Widerstand.
Durch eine zweite Heirat zog er sich ein Jahr Kirchenbuße zu.
Geistliche Verwandtschaft machte vorerst die Trauung
unmöglich, und es hatte einiger Kunst und des Meineides
bedurft, um die Gewissenszweifel der Geistlichkeit und des
Volkes zum Schweigen zu bringen. Die Popularität des Kaisers
nahm im Purpur ab; während einer sechsjährigen Regierung zog
er sich den Haß der Fremden und Untertanen zu, denn die
Heuchelei und der Geiz des ersten Nikephorus waren in seinem
Nachfolger wieder aufgelebt. Heuchelei werde ich nie
rechtfertigen oder beschönigen; aber ich wage zu bemerken, daß
die Welt Geiz für das häßlichste Laster hält und ihn am
unbarmherzigsten verdammt. Bei einem Privatmann urteilen wir
meistens ohne eine genaue Erforschung seines Vermögens und
seiner Ausgaben vorzutragen; bei dem Verwalter des
öffentlichen Schatzes aber ist Sparsamkeit stets eine Tugend
und die Vermehrung der Steuern nur zu oft eine unerläßliche
Pflicht. Nikephorus hatte bei Verwendung seines Vermögens
seine Freigebigkeit bewiesen und das öffentliche Einkommen
verwendete er streng zum Dienste des Staates. Jeden Frühling
zog der Kaiser persönlich gegen die Sarazenen, und jeder Römer
konnte die Verwendung seiner Abgaben nach Triumphen,
Eroberungen und der Sicherheit der Grenze des Ostens bemessen.
Unter den Kriegern, die seine Erhebung gefördert und unter
seiner Fahne gedient hatten, waren einem edlen und tapferen
Armenier verdientermaßen die ausgezeichnetsten Belohnungen
zuteil geworden. Johann Zimiszes war nicht hoch gewachsen,
aber dieser kleine Krieger war mit Kraft, Schönheit und der
Seele eines Helden ausgestattet. Die Eifersucht des Bruders
des Kaisers bewirkte, daß er vom Amte eines Feldherrn des
Ostens zu dem eines Direktors der Posten herabsteigen mußte.
Seine Beschwerden wurden mit Ungnade und Verbannung bestraft.
Aber Zimiszes gehörte zu den zahlreichen Liebhabern der
Kaiserin. Auf ihre Fürbitte hin wurde ihm gestattet, sich in
Chalcedon in der Nähe der Hauptstadt aufzuhalten. Er vergalt
ihre Güte durch heimliche Liebesbesuche im Palast, und
Theophania willigte mit Freuden in den Tod eines häßlichen und
geizigen Gatten. Einige kühne und zuverlässige Verschwörer
wurden in ihren geheimsten Gemächern verborgen. In einer
finsteren Winternacht (969) schiffte sich Zimiszes mit seinen
vornehmsten Genossen in einem kleinen Boote ein, setzte über
den Bosporus, landete an der Palasttreppe und stieg leise eine
Strickleiter hinan, die ihm von den Frauen der Kaiserin
zugeworfen worden war. Weder sein eigener Argwohn, noch die
Warnungen seiner Freunde, noch die späte Hilfe seines Bruders
Leo, noch die Befestigungen, die er im Palast errichtet hatte,
konnten Nikephorus vor einer häuslichen Feindin schützen,
deren Stimme jede Tür den Mördern öffnete. Während er auf
einem Bärenfell auf dem Boden schlief, wurde er durch das
Geräusch Eindringender geweckt, und dreißig Dolche blinkten
vor seinen Augen. Es ist ungewiß, ob Zimiszes seine Hände in
das Blut seines Souveräns tauchte, aber er genoß das
unmenschliche Schauspiel der Rache. Der Tod wurde hohnvoll und
grausam verzögert; sowie das Haupt des Nikephorus am Fenster
gezeigt wurde, beruhigte sich der Tumult, und der Armenier war
Kaiser des Ostens. An seinem Krönungstage hielt ihn der
unerschrockene Patriarch an der Schwelle auf, sprach von
Hochverrat und Mord und forderte als Zeichen der Reue, daß er
sich von seiner mit noch größerer Schuld belasteten Gefährtin
trenne. Dieser Ausbruch apostolischen Eifers war dem Fürsten
nicht unwillkommen, da er einem Weibe, das wiederholt die
heiligsten Verpflichtungen verletzt hatte, weder Liebe noch
Vertrauen schenken konnte. Theophania, statt sein kaiserliches
Glück zu teilen, wurde mit Schimpf von seinem Bett und Palast
getrieben. Bei ihrer letzten Zusammenkunft tobte sie in
ohnmächtiger Wut, beklagte sich über die Undankbarkeit ihres
Liebhabers, beschimpfte mit Worten und Schlägen ihren Sohn
Basilius, der in Anwesenheit des höheren Rangesgenossen
schweigend und unterwürfig dastand und gestand ihre eigene
Schande, indem sie die Unechtheit seiner Geburt enthüllte. Der
öffentlichen Entrüstung wurde durch ihre Verbannung und die
Bestrafung der Verbrecher geringeren Ranges Genugtuung getan;
der Tod eines unbeliebten Fürsten wurde verziehen und Zimiszes'
Schuld über seinen Tugenden vergessen. Vielleicht war seine
Verschwendung für den Staat weniger gut als der Geiz des
Nikephorus, aber sein mildes und edelmütiges Benehmen erfreute
alle, die sich ihm näherten, und nur die Pfade des Sieges
waren es, auf denen er in die Fußstapfen seines Vorgängers
trat. Den größten Teil während seiner Regierung verbrachte er
im Lager und Felde; er zeigte seine persönliche Tapferkeit an
der Donau und dem Tigris, den alten Grenzen der römischen
Welt, und verdiente durch seinen Triumph über die Russen und
Sarazenen den Titel eines Retters des Reiches und eines
Besiegers des Ostens. Auf seiner letzten Rückkehr aus Syrien
bemerkte er, daß sich die fruchtbarsten Ländereien seiner
neuen Provinzen im Besitze der Eunuchen befanden. »Für sie
also«, rief er mit ehrenhafter Entrüstung aus, »hätten wir
gekämpft und gesiegt? Für sie hätten wir unser Blut vergossen
und die Schätze unseres Volkes erschöpft?« Diese Klage
widerhallte im Palast und Zimiszes starb mit den stärksten
Symptomen einer Vergiftung.
Unter dieser zwölfjährigen Usurpation oder Regentschaft
waren die beiden rechtmäßigen Kaiser, Basilius und Konstantin,
in der Stille zu Jünglingen herangereift. Im zarten Alter
waren sie der Herrschaft unfähig gewesen. Die ehrfurchtsvolle
Bescheidenheit, womit man ihnen begegnete und sie begrüßte,
leitete sich aus dem Verdienst ihrer Vormünder her; die
ehrgeizigen aber kinderlosen Vormünder waren nicht versucht,
das Recht der Nachfolge zu verletzen. Ihr Erbe wurde mit Treue
und Geschicklichkeit verwaltet, und der frühzeitige Tod des
Zimiszes war für die Söhne des Romanus eher ein Verlust als
eine Wohltat. Ihre mangelnde Erfahrung hielt sie noch zwölf
Jahre länger unter der ruhmlosen und freiwilligen
Vormundschaft eines Ministers, der seine Herrschaft
verlängerte, indem er sie beredete, sich jugendlichen
Vergnügungen zu überlassen und die Mühen der Regierung zu
verschmähen. In diesem seidenen Gewebe blieb Konstantin für
immer eingesponnen; sein älterer Bruder aber fühlte den
Antrieb des Genies und Begierde nach Tätigkeit; er drohte, und
der Minister verschwand. Basilius war der anerkannte Souverän
von Konstantinopel und der europäischen Provinzen. Asien aber
wurde von zwei alten Feldherren, Phokas und Sklerus,
unterdrückt, die, abwechselnd Feinde und Freunde, Untertanen
und Rebellen, ihre Unabhängigkeit behaupteten und es
glücklichen Usurpatoren gleich zu tun bestrebt waren. Gegen
diese einheimischen Feinde zog der Sohn des Romanus zuerst das
Schwert, und sie zitterten einem rechtmäßigen und hochherzigen
Fürsten gegenüber. Der erste stürzte vor der Schlachtlinie
entweder infolge einer Vergiftung oder von einem Pfeil
getroffen, vom Pferde; der zweite, der zweimal mit Ketten
beladen und zweimal mit dem Purpur bekleidet gewesen war,
wünschte den Rest seiner Tage in Frieden zu enden. Als der
flehende Greis sich dem Throne mit gebrochenen Augen und
wankenden Schritten, auf seine beiden Begleiter gelehnt,
näherte, rief der Kaiser im Übermut der Jugend und Macht aus:
»Das ist der Mann, der uns so lange erschreckt hat!« Nachdem
er seine eigene Macht und die Ruhe des Reiches befestigt
hatte, ließen die Siegeszeichen des Nikephorus und Zimiszes
ihren kaiserlichen Zögling nicht im Palast schlummern. Seine
langen und häufigen Feldzüge gegen die Sarazenen brachten dem
Reiche mehr Ruhm als Vorteil; aber die endliche Vernichtung
des Königreiches Bulgarien war seit den Zeiten Belisars wohl
der größte Triumph der römischen Waffen. Allein, statt daß die
Untertanen sich ihres siegreichen Fürsten freuten,
verabscheuten sie den raubsüchtigen Basilius und seinen
strengen Geiz. Wir aber vermögen in der unvollständigen
Darstellung seiner Taten nur den Mut, die Ausdauer und die
Wildheit eines Soldaten zu entdecken. Eine fehlerhafte
Erziehung hatte, wenn sie auch seinen Geist nicht unterdrücken
konnte, doch seine Seele verdüstert. Er kannte keine einzige
Wissenschaft. Das Andenken an seinen gelehrten und schwachen
Großvater konnte in ihm wirkliche oder eingelernte Verachtung
der Gesetze und Rechtsgelehrten, der Künstler und Künste
angeregt haben. Von einem solchen Charakter nahm in einem
solchen Zeitalter der Glaube festen und dauernden Besitz. Nach
dem ersten jugendlichen Freudentaumel widmete Basilius II. im
Palast und im Lager sein Leben den Bußübungen eines
Einsiedlers, trug das Mönchsgewand unter Purpur und Rüstung,
beobachtete das Gelübde der Keuschheit und legte sich
beständige Enthaltsamkeit von Wein und Fleisch auf. Im
achtundsechzigsten Lebensjahre trieb ihn sein kriegerischer
Geist an, sich persönlich zu einem heiligen Kriege gegen die
Sarazenen von Sizilien einzuschiffen; der Tod kam ihm zuvor,
und Basilius, genannt der Schlächter der Bulgaren, schied aus
der Welt mit den Segnungen der Geistlichkeit und den
Verwünschungen des Volkes (1025). Nach seinem Tod genoß sein
Bruder Konstantin drei Jahre die Macht oder vielmehr die
Vergnügungen kaiserlicher Größe. Seine einzige Sorge war die
Ordnung der Nachfolge. Er hatte sechsundsechzig Jahre den
Augustustitel geführt. Die Regierung der beiden Brüder ist die
längste und zugleich dunkelste der byzantinischen Geschichte.
Die gerade Erbfolge von fünf Kaisern während einer Zeit von
hundertsechzig Jahren hatte die Griechen an die makedonische
Dynastie gefesselt, die von Usurpatoren dreimal gestürzt
worden war. Nach dem Tode Konstantins IX., des letzten des
Mannesstammes des kaiserlichen Hauses, beginnt eine neue
Reihe. Alle Regierungsjahre von zwölf Kaisern zusammengenommen
kommen der Dauer seiner Regierung nicht gleich. Sein älterer
Bruder hatte seine Keuschheit dem Staatsinteresse
vorangestellt. Konstantin selbst war nur mit drei Töchtern
gesegnet: Eudokia, die den Schleier nahm, Zoe und Theodora,
die bis in ihr reifes Alter in Unwissenheit und im
Jungfrauenstand erhalten wurden. Als im Rate ihres sterbenden
Vaters über ihre Vermählung beratschlagt wurde, weigerte sich
die fromme oder kalte Theodora, dem Reich einen Erben zu
geben. Ihre Schwester Zoe jedoch bot sich als williges Opfer
dar. Romanus Argyrus, ein gutaussehender Patrizier von gutem
Rufe, wurde zu ihrem Gemahl gewählt. Als er diese Ehre
ablehnte, sagte man ihm, daß er zum zweiten Male nur zwischen
dem Verlust der Augen und dem Tode wählen könne. Der
Beweggrund seines Zögerns war eheliche Liebe; aber seine treue
Gattin opferte ihr eigenes Glück seiner Sicherheit und Größe,
und indem sie in ein Kloster eintrat, beseitigte sie das
einzige Hindernis, das seiner Vermählung mit der kaiserlichen
Prinzessin im Wege stand. Nach Konstantins Tod fiel das
Szepter Romanus III. zu; aber er war bei seinen Arbeiten
daheim wie auswärts gleich schwach und erfolglos, und das
reife Alter, die achtundvierzig Jahre der Zoe waren der
Hoffnung auf eine Schwangerschaft minder günstig als der
Befriedigung der Begierden. Ihr Lieblingskämmerer war ein
schöner Paphlagonier namens Michael, der früher das Gewerbe
eines Geldwechslers getrieben hatte. Romanus zeigte entweder
aus Dankbarkeit oder aus Gerechtigkeit Nachsicht gegen ihren
verbrecherischen Umgang oder war mit der bloßen Versicherung
ihrer Unschuld zufrieden. Zoe rechtfertigte aber bald die
römische Maxime, daß jede Ehebrecherin fähig sei, ihren Mann
zu vergiften. Auf den Tod des Romanus folgte unverzüglich die
Ärgernis erregende Vermählung und Erhebung Michaels IV.
(1034). Zoe fand sich jedoch in ihren Erwartungen getäuscht;
statt eines kräftigen und dankbaren Liebhabers hatte sie einen
elenden Schurken in ihr Bett aufgenommen, dessen Gesundheit
und Geist durch epileptische Anfälle geschwächt und dessen
Gewissen von Verzweiflung und Reue gefoltert wurde. Die
geschicktesten Ärzte des Leibes und der Seele wurden zu seiner
Hilfe herbeigerufen; man hielt seine Hoffnungen mit häufigen
Wallfahrten nach Gesundheitsbrunnen und den Gräbern der
berühmtesten Heiligen aufrecht. Die Mönche zollten seiner Buße
Beifall, und mit Ausnahme der Wiedererstattung (doch wem hätte
er wiedererstatten sollen?) versuchte Michael auf jede Art,
seine Schuld zu sühnen. Während er in Sack und Asche stöhnte,
lächelte sein Bruder, der Eunuch Johann, zu seinen
Gewissensbissen und genoß die Früchte eines Verbrechens,
dessen geheimer und schuldigster Urheber er selbst gewesen.
Seine Verwaltung bestand lediglich darin, seine Habsucht zu
sättigen, und Zoe wurde eine Gefangene im Palast ihrer Väter
und in den Händen ihrer Sklaven. Als er gewahrte, daß die
Gesundheit seines Bruders nicht wiederhergestellt werden
könne, führte er seinen Neffen, abermals einen Michael, der
seinen Beinamen Kalaphates von seines Vaters Beschäftigung,
Schiffe zu kielholen, führte, in den Palast ein. Auf den
Befehl des Eunuchen adoptierte Zoe den Sohn eines Handwerkers,
und dieser falsche Erbe wurde mit dem Titel und Purpur der
Cäsaren in Gegenwart der Geistlichkeit und des Senates
geschmückt. So schwach war Zoes Charakter, daß die Freiheit
und Macht, die sie beim Tode des Paphlagoniers wieder
erlangte, ihr drückend wurde. Schon nach Verlauf von vier
Tagen setzte sie (1041) die Krone auf das Haupt Michaels V.,
der unter Tränen und Schwüren beteuert hatte, daß er stets als
der erste und gehorsamste ihrer Untertanen regieren würde. Die
einzige Handlung während seiner kurzen Regierung war ein
Beweis seines niedrigen Undankes gegen seine Wohltäter, den
Eunuchen und die Kaiserin. Über die Ungnade des ersteren
freute sich das Volk; aber das Murren und zuletzt das Geschrei
von Konstantinopel richtete sich gegen ihn als er die
Verbannung der Zoe durchführen wollte, der Tochter so vieler
Kaiser. Ihre Verbrechen waren vergessen, und Michael erfuhr,
daß es eine Zeit gebe, in der die Geduld auch der zahmsten
Sklaven zu Wut und Rache wird. Die Bürger aller Klassen
versammelten sich zu furchtbarem Tumulte, der drei Tage
dauerte (1042); sie belagerten den Palast, erbrachen die Tore,
riefen Zoe aus ihrem Gefängnisse, Theodora aus ihrem Kloster
zurück und verurteilten den Sohn des Kalaphates zum Verlust
seiner Augen oder seines Lebens. Zum ersten Male sahen die
erstaunten Griechen zwei kaiserliche Schwestern auf demselben
Thron sitzen, im Senate präsidieren und den ausländischen
Gesandten Audienz erteilen. Aber diese seltsame Vereinigung
dauerte nur zwei Monate. Die beiden Fürstinnen, ihre
Charaktere und Interessen und Anhänger standen einander
insgeheim feindlich gegenüber, und da Theodora noch immer
jeder Vermählung abhold war, entschloß sich die unermüdliche
Zoe als Sechzigjährige die Umarmungen eines dritten Gatten und
die Strafen der griechischen Kirche auszuhalten. Sein Name war
Konstantin X., und der Beiname Monomachus, der Einzelkämpfer,
muß auf seine Tapferkeit und seinen Sieg in irgendeinem
öffentlichen oder Privatkampfe hingedeutet haben. Aber die
Gicht hatte seine Gesundheit untergraben und er schwankte
unaufhörlich zwischen Krankheit und Ausschweifung. Eine schöne
und edle Witwe hatte Konstantin begleitet, als er nach der
Insel Lesbos verbannt gewesen war; Sklerena war stolz darauf,
seine Geliebte zu heißen. Nach seiner Vermählung und Erhebung
wurde sie mit dem Titel und Pomp einer Augusta ausgezeichnet
und bezog eine an seine Gemächer anstoßende Wohnung im Palast.
Seine rechtmäßige Gattin, so groß war die Zärtlichkeit oder
die Verderbtheit der Zoe, willigte in diese befremdliche und
Ärgernis erregende Teilung, und der Kaiser zeigte sich
öffentlich mit seiner Gemahlin und seiner Geliebten. Er
überlebte beide, aber Konstantins letzte Maßnahmen, die
Nachfolge zu ändern, wurden durch die wachsameren Freunde
Theodoras vereitelt, und nach seinem Tod trat sie unter
allgemeiner Zustimmung ihr Erbe an (1054). In ihrem Namen und
durch die vier einflußreichen Eunuchen wurde die östliche Welt
ungefähr neunzehn Monate in Frieden regiert. Da sie ihre
Herrschaft zu verlängern wünschten, beredeten sie die greise
Fürstin, Michael VI. zu ihrem Nachfolger zu ernennen. Sein
Beiname Stratiotikus deutet auf seinen kriegerischen Beruf,
aber der morsche und sieche Veteran konnte nur mit den Augen
seiner Diener sehen und mit ihren Händen handeln. Während er
den Thron bestieg, sank Theodora ins Grab, die letzte der
makedonischen oder basilischen Dynastie. Ich habe diese
schimpfliche Periode von achtundzwanzig Jahren, in der die
unter das gewöhnliche Maß der Knechtschaft herabgesunkenen
Griechen wie eine Viehherde durch die Wahl oder Launen von
zwei schwachen Frauen beherrscht wurden, schnell abgefertigt
und gleite gern von ihr hinweg.
In dieser Nacht der Sklaverei beginnt ein Strahl der
Freiheit oder wenigstens des Mutes zu scheinen. Die Griechen
bewahrten entweder oder frischten den Gebrauch von Zunamen
auf, die den Ruf erblicher Tugenden verewigen. Wir behandeln
nun das Emporkommen, die Reihenfolge und die Verwandtschaften
der letzten Dynastie von Konstantinopel und Trebisund. Die
Komnenen, die das sinkende Reich noch eine Weile aufrecht
hielten, machten auf die Ehre römischer Abkunft Anspruch; aber
die Familie war seit langer Zeit von Italien nach Asien
übersiedelt. Ihre Erbgüter lagen im Bezirk Kastamona, in der
Nachbarschaft des Schwarzen Meeres, und einer ihrer Häupter,
der bereits sein ehrgeiziges Ziel erreicht hatte, besuchte mit
Vorliebe, vielleicht auch aus Sehnsucht, die bescheidene aber
ehrenvolle Wohnung seiner Väter. Der erste des Geschlechtes
war der berühmte Manuel, der unter der Regierung des zweiten
Basilius durch Krieg und Verträge beigetragen hatte, den Osten
zu beunruhigen. Er hinterließ zwei Söhne in zartem Alter,
Isaak und Johann, die er im Bewußtsein, Verdienste erworben zu
haben, seinem Souverän überantwortete. Die edlen Jünglinge
wurden sorgfältig in klösterlicher Gelehrsamkeit, in höfischen
Dingen und in militärischen Übungen unterrichtet und vom
häuslichen Dienst bei der Leibwache schnell zum Befehl über
Provinzen und Heere befördert. Ihre brüderliche Eintracht
verdoppelte die Macht und den Ruf der Komnenen. Ihr alter Adel
wurde durch die Vermählung der beiden Brüder mit einer
gefangenen Bulgarenfürstin und der Tochter eines Patriziers
gehoben, der den Beinamen Charon erhalten hatte, von den
Feinden, die er zu den höllischen Schatten gesandt. Die
Soldaten hatten verweichlichten Gebietern unwillig gedient.
Die Erhebung Michaels VI. war eine Beschimpfung der
verdienstvolleren Befehlshaber, und ihr Mißvergnügen wurde
weiters durch die Sparsamkeit des Kaisers und den Übermut der
Eunuchen entflammt. Sie versammelten sich insgeheim in der St.
Sophienkirche, und die Stimmen der militärischen Synode wären
einstimmig zugunsten des alten und tapferen Katakalon
abgegeben worden, wenn nicht der vaterlandsliebende oder
bescheidene Veteran sie auf die Wichtigkeit der Geburt wie des
Verdienstes eines Souveräns bei dessen Wahl aufmerksam gemacht
hätte. Isaak Komnenus erhielt die allgemeine Zustimmung und
die Bundesgenossen trennten sich unverzüglich, um in den
Ebenen von Phrygien an der Spitze der Geschwader und
Heeresabteilungen zusammenzustoßen. Die Sache Michaels wurde
in einer einzigen Schlacht von den Söldnern der kaiserlichen
Leibwache verteidigt, denen das öffentliche Interesse fremd
und die nur von den Grundsätzen der Ehre und Dankbarkeit
geleitet wurden. Nach ihrer Niederlage schlug der bestürzte
Kaiser einen Vertrag vor, den der Komnene in seiner Mäßigung
fast angenommen hätte. Jener aber wurde von seinen Gesandten
verraten, dieser durch seine Freunde gehindert. Der verlassene
Michael unterwarf sich der Stimme des Volkes. Der Patriarch
entband die Untertanen des Treueides, und als er dem
kaiserlichen Mönch das Haupt schor, wünschte er ihm zur
heilsamen Vertauschung des zeitlichen Königreiches mit dem
himmlischen Glück: ein Tausch, den der neue Priester, wenn es
in seiner Macht gestanden wäre, wahrscheinlich abgelehnt haben
würde. Von den Händen desselben Patriarchen wurde Isaak
Komnenus feierlich gekrönt (1057); das Schwert, das er auf
seine Münzen prägte, konnte als ein beleidigendes Symbol
angesehen werden, wenn es das Recht des Eroberers bedeuten
sollte; aber dieses Schwert sollte gegen die auswärtigen und
einheimischen Staatsfeinde gezogen werden. Abnahme der
Gesundheit und Kräfte gestattete ihm jedoch wenig tätigen Mut
zu zeigen, und die Aussicht auf einen baldigen Tod bewog ihn,
zwischen Leben und Ewigkeit einige Augenblicke der Besinnung
einzuschieben. Statt aber das Reich seiner Tochter als
Heiratsgut zu hinterlassen, bestimmte ihn Vernunft und
Zuneigung, seinem Bruder Johann den Vorzug zu geben, einem
Krieger, Patrioten und Vater von fünf Söhnen, den künftigen
Stützen männlicher Erbfolge. Dessen erste mit Bescheidenheit
vorgebrachte Weigerung könnte als natürliche Klugheit und
Bruderliebe angesehen werden. Aber seine hartnäckige und
erfolgreiche Beharrlichkeit muß, wie sehr auch die darin
liegende Tugend blenden mag, als verbrecherisches Aufgeben
seiner Pflicht und als seltenes Vergehen gegen seine Familie
und sein Vaterland getadelt werden. Der Purpur, den er
ablehnte, wurde von Konstantin Dukas angenommen, einem Freunde
des Hauses der Komnenen, der edel geboren, den Ruf der
Staatsklugheit und Erfahrung besaß. Isaak erlangte im
Mönchsgewande wieder seine Gesundheit und überlebte seine
freiwillige Abdankung um zwei Jahre. Auf Befehl des Abtes
beobachtete er die Regeln des heiligen Basilius und
verrichtete die niederen Dienste im Kloster; seine kindische
Eitelkeit jedoch wurde durch die häufigen und ehrfurchtsvollen
Besuche des regierenden Monarchen befriedigt, der ihn mit
seltener Dankbarkeit als Wohltäter und Heiligen verehrte.
Wenn Konstantin XI. in der Tat der würdigste zur Nachfolge
im Reich war, müssen wir das entartete Zeitalter und die
entartete Nation, in der er gewählt wurde, beklagen. In
kindischer Schönrednerei suchte er die Krone der Beredsamkeit
zu gewinnen, die in seinen Augen kostbarer als die römische
war, ohne sie erlangen zu können, und über der untergeordneten
Fähigkeit eines Richters vergaß er die Pflichten eines
Souveräns und Kriegers. Weit entfernt, die patriotische
Uneigennützigkeit der Urheber seiner Größe nachzuahmen,
bestrebte sich Dukas nur auf Kosten des Reiches die Macht und
das Gedeihen seiner Kinder zu sichern. Seine drei Söhne,
Michael VII., Andronikus I. und Konstantin XII. erhielten in
jugendlichem Alter den Augustustitel, und durch ihres Vaters
baldigen Tod (1067) kamen sie zur Erbfolge. Seine Witwe
Eudokia war mit der Verwaltung beauftragt, aber der erfahrene
und eifersüchtige sterbende Monarch hatte seine Söhne gegen
die Gefahren einer zweiten Ehe geschützt, und der feierliche,
von den vornehmsten Senatoren bezeugte Eid, wurde vor dem
Patriarchen von der Witwe abgelegt. Noch vor Ablauf von sieben
Monaten verlangte Eudokia oder der Staat laut nach den
männlichen Tugenden eines Kriegers. Ihr Herz hatte bereits
Romanus Diogenes erwählt, den sie vom Schaffot auf den Thron
erhob. Infolge der Entdeckung eines hochverräterischen
Anschlages war er den Gesetzen verfallen; seine Schönheit und
Tapferkeit sprachen ihn in den Augen der Kaiserin frei.
Romanus wurde aus einer milden Verbannung am zweiten Tage
zurückberufen, um den Befehl über die orientalischen Heere zu
übernehmen. Ihre kaiserliche Wahl war dem Publikum noch
unbekannt. Die Urkunde, die ihre Falschheit und ihren
Leichtsinn verraten haben würde, wurde durch einen schlauen
Sendling dem ehrgeizigen Patriarchen entwendet. Xiphilin
schützte anfangs die Unverletzlichkeit der Eide und die
geheiligte Natur eines anvertrauten Gutes vor, aber die
Zuflüsterung, sein Bruder wäre der künftige Kaiser, zerstreute
seine Gewissensbisse und nötigte ihn zum Bekenntnis, daß das
Staatswohl das oberste Gesetz sei. Er gab das wichtige Papier
hin, und als seine Hoffnungen durch die Ernennung des Romanus
zerschmettert wurden, konnte er die Urkunde weder
zurückhalten, noch seine Erklärung widerrufen, noch sich der
zweiten Vermählung der Kaiserin widersetzen. Aber im Palast
erhob sich ein Gemurre, und die barbarischen Leibwachen hatten
schon ihre Streitäxte für das Haus Dukas erhoben, als die
jungen Fürsten durch die Tränen ihrer Mutter und die
feierlichen Versicherungen der Treue ihres Vormunds besänftigt
wurden, welch letzterer wirklich seinem kaiserlichen Rang
Würde und Ehre machte. Seine tapferen, aber unglücklichen
Anstrengungen, sich den Fortschritten der Türken zu
widersetzen, werde ich später erzählen. Die byzantinische
Monarchie des Ostens erhielt durch seine Niederlage und
Gefangenschaft eine tödliche Wunde, und als er von den Ketten
des Sultans befreit wurde, suchte er umsonst seine Gattin und
seine Untertanen. Sein Weib war in ein Kloster gesteckt
worden, und die Untertanen des Romanus hatten sich an die
strenge Maxime des Zivilrechtes gehalten, daß ein Gefangener
in Feindes Händen so wie durch den Tod aller öffentlichen und
Privatrechte eines Bürgers beraubt werde. In der allgemeinen
Bestürzung machte der Cäsar Johann das unverjährbare Recht
seiner drei Neffen geltend. Konstantinopel schenkte seiner
Stimme Gehör, und der türkische Gefangene wurde in der
Hauptstadt als Feind des Reiches ausgerufen und an der Grenze
als solcher empfangen. Romanus hatte im einheimischen Krieg
nicht mehr Glück als im auswärtigen; zwei verlorene Schlachten
zwangen ihn, sich auf die Versicherung guter und ehrenvoller
Behandlung hin zu ergeben. Aber seinen Feinden fehlte es an
Treue und Menschlichkeit. Sie ließen, nachdem sie ihn des
Augenlichtes beraubt hatten, seine Wunde bluten und eitern,
bis der Tod nach wenigen Tagen ihn von seinem Elend erlöste.
Unter der dreifachen Regierung des Hauses Dukas blieben die
beiden jüngeren Brüder auf die eitlen Ehren des Purpurs
beschränkt. Aber der älteste, der feige Michael, war unfähig,
das Gewicht des römischen Szepters zu tragen. Sein Beiname
Parapinakes deutet auf die Schuld hin, die er mit einem
habsüchtigen Günstling teilte, daß er den Weizenpreis
steigerte und das Weizenmaß verringerte. In der Schule des
Psellus und nach dem Beispiel seiner Mutter hatte der Sohn der
Eudokia einige Fortschritte in der Philosophie und Rhetorik
gemacht; aber sein Charakter wurde durch die Tugenden eines
Mönches eher herabgewürdigt als veredelt. Stark durch
Verachtung ihres Souveräns und durch Achtung ihrer selbst,
nahmen zwei Feldherren an der Spitze der europäischen und
asiatischen Legionen den Purpur in Adrianopel und Nicäa an.
Ihre Empörung fiel in denselben Monat (1078). Sie hießen beide
Nikephorus, unterschieden sich aber durch die Beinamen
Bryennius und Botianates, jener in der Reife der Weisheit und
des Mutes, dieser nur durch das Andenken seiner früheren Taten
ausgezeichnet. Während Botaniates noch vorsichtig und zögernd
heranrückte, stand sein Mitbewerber bereits in Waffen vor den
Toren von Konstantinopel. Bryennius war berühmt, seine Sache
volksbeliebt, aber seine wilden Truppen ließen sich nicht
abhalten, eine Vorstadt zu verbrennen und zu plündern, und das
Volk, das den Rebellen freudig begrüßt haben würde, verwarf
und vertrieb den Mordbrenner seiner Vaterstadt. Diese Wandlung
der öffentlichen Meinung war dem Botaniates günstig, der sich
endlich mit einem türkischen Heere den Gestaden von Chalcedon
näherte. Eine förmliche Einladung im Namen des Patriarchen,
der Synode und des Senates kreiste in den Straßen, und die
allgemeine Versammlung, in der Sophienkirche, hielt in Ordnung
und Ruhe Rat über die Wahl ihres Souveräns. Die Leibwachen
Michaels würden diese unbewaffnete Menge ohne Mühe zerstreut
haben: aber der Kaiser, sich seiner eigenen Mäßigung und Milde
freuend, legte die Abzeichen der Herrscherwürde nieder und
wurde mit dem Mönchsgewande und dem Titel eines Erzbischofes
von Ephesus belohnt. Er hinterließ einen in Purpur geborenen
und erzogenen Sohn, Konstantin, und eine Tochter des Hauses
Dukas verlieh der komnenischen Dynastie Glanz und befestigte
ihre Erbfolge. Johann Komnenus, der Bruder des Kaisers Isaak,
überlebte in Ruhe und Würde seine edelmütige Ablehnung des
Purpurs. Mit seiner Gattin Anna, einer Frau von männlicher
Entschlossenheit und Einsicht, hinterließ er acht Kinder. Die
drei Töchter vervielfachten die Verbindungen der Komnenen mit
den edelsten Griechen. Von den fünf Söhnen wurde Manuel durch
frühzeitigen Tod hinweggerafft. Isaak und Alexius stellten die
kaiserliche Größe ihres Hauses wieder her, die ohne Mühe und
Gefahr ihren beiden jüngeren Brüdern, Adrian und Nikephorus,
zugute kam. Alexius, der dritte und berühmteste der drei
Brüder, war von der Natur mit den auserwähltesten Gaben sowohl
des Geistes als des Körpers ausgestattet. Durch eine gute
Erziehung waren diese Gaben ausgebildet und im Gehorsam und
Unglück vervollkommnet worden. Die väterliche Fürsorge des
Kaisers Romanus bewahrte den Jüngling vor den Gefahren eines
Türkenkrieges; aber die Mutter der Komnenen und ihre
ehrgeizigen Söhne wurden von den Söhnen des Dukas des
Hochverrats angeklagt und auf eine Insel der Propontis
verbannt. Die beiden Brüder kamen jedoch bald wieder in Gunst
und zu einer Tätigkeit, fochten nebeneinander gegen die
Rebellen und Barbaren und hingen dem Kaiser Michael an, bis er
von der Welt und sich selbst verlassen wurde. Bei seiner
ersten Zusammenkunft mit Botaniates sagte Alexius mit edlem
Freimut: »Fürst, meine Pflicht hat mich zu deinem Feinde, die
Beschlüsse Gottes und des Volkes haben mich zu deinem
Untertanen gemacht. Beurteile meine künftige Treue nach meinem
vergangenen Widerstande.« Der Nachfolger Michaels nahm ihn mit
Achtung und Vertrauen auf und verwendete den tapfern Mann
gegen drei Rebellen, die den Frieden des Reiches oder
wenigstens des Kaisers störten. Ursel, Bryennius und
Basilakius waren durch zahlreiche Streitkräfte und
kriegerischen Ruhm furchtbar; sie wurden nacheinander im Felde
besiegt und in Ketten vor den Kaiser geführt. Wie auch ihre
Behandlung sein mochte, sie zollten doch der Milde und dem Mut
ihres Besiegers Beifall. Aber die Treue der Komnenen wurde
bald durch Furcht und Argwohn getrübt; auch ist es nicht so
leicht, Vertrauen zu schaffen zwischen einem Untertanen, der
sich empörte und einem Despoten, der den Empörer durch den
Henker zu strafen versucht und Dankbarkeit für Milde fordert.
Die Weigerung des Alexius, gegen einen vierten Rebellen, den
Gemahl seiner Schwester zu ziehen, löschte seine früheren
Verdienste aus. Die Günstlinge des Botaniates forderten den
Ehrgeiz heraus, den sie fürchteten, und die Entfernung der
beiden Brüder ließ sich als die Verteidigung ihres Lebens und
ihrer Freiheit auslegen. Die weiblichen Familienmitglieder
wurden in ein selbst vom Tyrannen geachtetes Heiligtum
gebracht; die Männer setzten sich zu Pferde, brachen aus der
Stadt und pflanzten die Fahne des Bürgerkrieges auf. Die
Soldaten, die nach und nach in der Hauptstadt und deren Nähe
zusammengezogen worden waren, weihten sich der Sache eines
siegreichen, aber gekränkten Anführers. Die Bande gemeinsamen
Interesses und der Verwandtschaft sicherten die Treue des
Hauses Dukas, und der edle Streit zwischen den Komnenen wurde
durch den entschlossenen Isaak beendet. Er war der erste, der
seinen jüngeren Bruder mit den Abzeichen der kaiserlichen
Würde bekleidete. Sie kehrten nach Konstantinopel zurück, mehr
um diese uneinnehmbare Veste zu bedrohen als sie zu belagern.
Aber die Leibwachen waren bestochen, eine Torwache wurde
überrumpelt, und der mutige Paläologus, der gegen seinen Vater
focht, ohne zu ahnen, daß er für seine Nachkommen arbeite,
bemächtigte sich der Flotte. Ein aus verschiedenen
Völkerschaften zusammengesetztes Heer wurde durch die
Plünderung der Stadt belohnt, aber die öffentlichen Schäden
wurden durch die Tränen und Fasten der Komnenen gesühnt, die
sich jeder Buße unterwarfen, die mit dem Besitze des Reiches
verträglich war.
Das Leben des Kaisers Alexius ist von einer geliebten
Tochter beschrieben worden, die von zärtlicher Hochachtung für
ihn und den lobenswerten Eifer, seine Tugenden zu verewigen,
beseelt war. Im Bewußtsein des gerechten Argwohns ihrer Leser,
beteuert die Prinzessin Anna Komnena wiederholt, daß sie außer
ihrer persönlichen Kenntnis aus den Gesprächen und Schriften
der achtbarsten Veteranen geschöpft habe. Dreißig Jahre seien
vergangen, sie sei von der Welt vergessen wie sie selbst ihrer
vergessen habe. In düsterer Einsamkeit sei sie der Hoffnung
wie der Furcht unzugänglich, und die nackte, vollständige
Wahrheit sei ihr teurer als das Andenken ihres Vaters. Aber
statt einer einfachen Erzählung, die unser Vertrauen gewinnt,
verrät mühsam erkünstelte Beredsamkeit und ebensolches Wissen
auf jeder Seite eine eitle Schriftstellerin. Der wahre
Charakter des Alexius geht in einer verschwimmenden
Zusammenstellung von Tugenden verloren, und die
ununterbrochene Lobrednerei und Verteidigung weckt Argwohn und
erregt Zweifel an der Wahrhaftigkeit der Geschichtsschreiberin
und dem Verdienst des Helden. Wir können uns jedoch nicht
weigern, ihrer einsichtsvollen und wichtigen Bemerkung
beizupflichten, daß die verworrenen Zeiten das Unglück und der
Ruhm des Alexius waren und daß jede Drangsal, die nur ein
sinkendes Reich heimsuchen kann, durch die Gerechtigkeit des
Himmels und die Laster seiner Vorgänger auf seine Regierung
gehäuft wurde. Im Osten hatten die siegreichen Türken die
Herrschaft des Korans und Halbmondes von Persien bis an den
Hellespont ausgebreitet. Im Westen brachen die
abenteuerlichen, kühnen und tapferen Normannen ein, und in den
Augenblicken des Friedens ergossen sich von der Donau neue
Schwärme, die an Kriegskunst gewannen, was sie an wilden
Sitten verloren. Vom Meer aus drohten keine geringeren
Gefahren als vom Land, und während die Grenzen von äußeren
Feinden angegriffen wurden, zerrütteten Verschwörer und
geheime Verräter den Palast. Plötzlich wurde das Banner des
Kreuzes von den Lateinern entrollt. Europa stürzte sich auf
Asien, und Konstantinopel wäre von dieser Überschwemmung fast
fortgerissen worden. Alexius steuerte das kaiserliche Schiff
mit Mut und Gewandtheit durch die Stürme. An der Spitze seiner
Armeen war er kühn im Gefecht, reich an Kriegslisten,
unermüdlich bei Beschwerden, stets bereit seine Vorteile
auszunützen und sich aus seinen Niederlagen mit
unerschöpflicher Kraft wieder zu erheben. Die Zucht im Lager
wurde wieder hergestellt und ein neues Geschlecht von Männern
und Soldaten durch das Beispiel und die Vorschriften ihres
Anführers geschaffen. Im Verkehr mit den Lateinern war Alexius
geduldig und schlau, und sein scharfer Blick erkannte das neue
System einer unbekannten Welt. Ich werde später die überlegene
Politik beschreiben, womit er die Interessen und
Leidenschaften der Streiter des ersten Kreuzzuges im
Gleichgewicht zu halten verstand. In einer langen Regierung
von siebenunddreißig Jahren bezwang er diejenigen und verzieh
ihren Neid, die einst seinesgleichen gewesen; die Gesetze der
öffentlichen und Privatordnung wurden wieder hergestellt,
Künste und Wissenschaften gepflegt, die Grenzen des Reiches in
Europa und Asien erweitert und das Szepter der Komnenen seinen
Nachkommen bis ins dritte und vierte Glied überliefert. Aber
in schwierigen Zeiten zeigten sich einige Mängel in seinem
Charakter, und sein Andenken wurde einigen gerechten oder
unedelmütigen Vorwürfen ausgesetzt. Der Leser wird vielleicht
über das verschwenderische Lob lächeln, das seine Tochter so
oft einem fliehenden Helden spendet. Seine schwache Lage und
die dadurch gebotene Vorsicht konnte als Mangel an
persönlichem Mut ausgelegt werden, und seine politischen
Künste werden von den Lateinern als Betrügerei und Verstellung
gebrandmarkt. Seine vielen weiblichen und männlichen
Nachkommen sicherten die Nachfolge; aber ihr fürstlicher
Aufwand und Stolz beleidigte die Patrizier, erschöpfte den
Schatz und verhöhnte das Elend des Volkes. Anna legt ein
treues Zeugnis dafür ah, daß die Sorgen des öffentlichen
Lehens sein Glück zerstörten und seine Gesundheit untergruben;
die Geduld der Konstantinopler wurde durch seine lange und
strenge Regierung erschöpft, und bevor Alexius verschied,
hatte er die Liebe und Verehrung seiner Untertanen verloren.
Die Geistlichkeit konnte ihm die Verwendung ihrer geheiligten
Reichtümer zugunsten des Staates nicht verzeihen; aber sie
zollte seiner theologischen Gelehrsamkeit und seinem glühenden
Eifer für den orthodoxen Glauben, den er mit Zunge, Feder und
Schwert verteidigte, Beifall. Er bekannte den griechischen
Glauben und ein und dasselbe sich selbst widersprechende
Prinzip der menschlichen Natur gab ihm ein, ein Hospital für
Arme und Kranke zu gründen und die Hinrichtung eines Ketzers
zu leiten, der auf dem Platz der St. Sophienkirche lebendig
verbrannt wurde. Sogar seine moralischen und religiösen
Tugenden wurden von Personen bezweifelt, die ihr Leben in
vertrautem Verkehr mit ihm zugebracht hatten. Als seine Gattin
Irene in seinen letzten Stunden in ihn drang, die
Nachfolgeordnung zu ändern, erhob er das Haupt und ließ einen
frommen Ausruf über die eitle Welt hören. Die Antwort der
entrüsteten Kaiserin mag als Epitaph auf sein Grab geschrieben
werden: »Du stirbst, wie du gelebt hast, ein Heuchler!«
Es war Irenes Wunsch gewesen, den ältesten ihrer
überlebenden Söhne zugunsten ihrer Tochter, der Prinzessin
Anna, zu benachteiligen, die bei aller Philosophie ein Diadem
nicht verschmäht haben würde. Aber die männliche Erbfolge
wurde von den Freunden ihres Vaterlandes verteidigt; der
rechtmäßige Erbe zog den kaiserlichen Siegelring vom Finger
des bewußtlosen oder wissenden Vaters, und das Reich gehorchte
dem Gebieter des Palastes. Anna Komnena ließ sich durch
Ehrgeiz und Rache verleiten, sich gegen das Leben ihres
Bruders zu verschwören, und als ihr Plan durch ihren besorgten
oder Skrupel habenden Gatten vereitelt wurde, rief sie voll
Ingrimm aus, die Natur habe die beiden Geschlechter
verwechselt und Bryennius die Seele eines Weibes gegeben. Die
beiden Söhne des Alexius, Johann und Isaak, bewahrten ihre
brüderliche Eintracht, ihres Hauses erbliche Tugend; der
jüngere Bruder begnügte sich mit dem Titel Sebastokrator,
welcher fast die kaiserliche Würde bezeichnet, ohne daß er
kaiserliche Macht erhielt. Zum Glück waren das Recht der
Erstgeburt und Verdienste in einer Person vereint. Seine
schwärzliche Gesichtsfarbe, groben Züge und Kleinheit des
Wuchses hatten ihm den ironischen Beinamen Kalo-Johannes oder
Johann der Schöne verschafft, den jedoch seine dankbaren
Untertanen mehr auf die Schönheit seiner Seele anwendeten.
Leben und Vermögen Annas waren nach Entdeckung ihres Verrates
mit Recht den Gesetzen verfallen. Der milde Kaiser schonte ihr
Leben, aber schenkte ihre Schätze und ihren Palast seinem
verdientesten Freunde. Aber dieser achtungswürdige Freund,
Axuch, ein Sklave von türkischer Abkunft, wagte es, das
Geschenk abzulehnen und für die Verbrecherin zu bitten; sein
edelmütiger Gebieter pries seinen tugendhaften Günstling und
ahmte ihn nach, und die Vorwürfe oder Klagen eines gekränkten
Bruders bildeten die einzige Strafe der schuldigen Prinzessin.
Nach diesem Beispiel der Milde blieb seine ganze übrige
Regierung ungestört durch Verschwörung oder Aufruhr;
gefürchtet von seinen Großen, geliebt vom Volk, sah sich
Johann niemals in die schmerzliche Notwendigkeit versetzt,
persönliche Feinde zu bestrafen oder ihnen auch nur Verzeihung
zu gewähren. Während seiner fünfundzwanzigjährigen Regierung
war die Todesstrafe im römischen Reiche abgeschafft, ein dem
Menschenfreund höchst willkommenes mildes Gesetz, dessen
Durchführung aber in einem großen und verderbten Staate mit
der öffentlichen Sicherheit nur selten in Einklang zu bringen
ist. Streng gegen sich selbst, nachsichtig gegen andere,
keusch, mäßig und enthaltsam, würde der philosophische Markus
die kunstlosen Tugenden seines Nachfolgers, die aus seinem
Herzen stammten und nicht von irgendwelchen Schulen geborgt
waren, nicht verschmäht haben. Er verachtete und mäßigte den
übertriebenen Prunk des byzantinischen Hofes, der so drückend
für das Volk und so verwerflich in vernünftigen Augen war.
Unter einem solchen Fürsten hat Unschuld nichts zu fürchten
und Verdienst alles zu erhoffen, und er führte allmählich,
ohne den tyrannischen Zensor zu spielen, Reformen in den
öffentlichen und privaten Sitten von Konstantinopel ein. Der
einzige Fehler dieses vollendeten Charakters war jene Schwäche
edler Gemüter, Liebe zu den Waffen und kriegerischer Mut. Aber
die häufigen Feldzüge Johannes des Schönen lassen sich
wenigstens durch die Notwendigkeit rechtfertigen, die Türken
vom Hellespont und Bosporus zurückzudrängen. Der Sultan von
Ikonium mußte sich auf seine Hauptstadt beschränken, die
Barbaren wurden in die Gebirge getrieben, und die asiatischen
Provinzen erfreuten sich einer vorübergehenden Befreiung. Er
zog an der Spitze eines siegreichen Heeres mehrmals von
Konstantinopel bis Antiochia und Aleppo, und seine
lateinischen Bundesgenossen bewunderten bei den Belagerungen
und Schlachten während des heiligen Krieges wiederholt den
großen Mut und die Tapferkeit des Griechen. Während er begann,
sich der ehrgeizigen Hoffnung zu überlassen, die alten
Reichsgrenzen wiederherzustellen, während er sich in Gedanken
mit dem Euphrat und Tigris, mit der Herrschaft über Syrien und
der Eroberung von Jerusalem beschäftigte, wurde sein Leben und
Glück durch ein seltsames Ereignis beendet. Er jagte einen
wilden Eber im Tale von Anazarbus und hatte seinen Wurfspieß
in den Leib des wütenden Tieres gestoßen; aber in dem Kampf
fiel ein vergifteter Pfeil aus seinem Köcher, und eine leichte
Wunde an der Hand, die den Brand zur Folge hatte, brachte dem
Besten und Größten der Komnenen den Tod (1143).
Ein frühzeitiger Tod hatte die beiden ältesten Söhne
Johannes des Schönen hinweggerafft; von den beiden
überlebenden zog er aus Einsicht oder Liebe den jüngeren vor,
und die Soldaten, welche die Tapferkeit seines Lieblings im
Türkenkriege bewundert hatten, genehmigten die Wahl ihres
sterbenden Fürsten. Der treue Axuch eilte nach der Hauptstadt,
brachte Isaak in ehrenvollen Gewahrsam und erkaufte um
zehntausend Pfund Silber die vornehmsten Geistlichen der St.
Sophienkirche, die eine entscheidende Stimme bei der Krönung
eines Kaisers besaßen. Manuel erschien mit seinen erprobten
und treuen Truppen bald in Konstantinopel. Sein Bruder
begnügte sich mit dem Titel Sebastokrator. Seine Untertanen
bewunderten den hohen Wuchs und die kriegerische Anmut des
neuen Souveräns und hörten leichtgläubig die willkommene
Verheißung, daß er die Weisheit des Alters mit der Tätigkeit
und Kraft der Jugend vereinige. Während seiner Regierung
machten sie die Erfahrung, daß er mit dem Mut seines Vaters
wetteiferte und dessen Talente besaß, daß aber dessen
friedliche Eigenschaften mit ihm ins Grab gesunken waren.
Während Manuels siebenunddreißigjähriger Regierung war ständig
abwechselnd Krieg gegen die Türken, die Christen und die
Horden in den Wildnissen jenseits der Donau. Manuel kämpfte
auf dem Taurusgebirge, in den Ebenen von Ungarn, an der Küste
von Italien und Ägypten und auf den Meeren von Sizilien und
Griechenland. Sein Einfluß reichte von Jerusalem bis Rom und
Rußland, und die byzantinische Monarchie wurde eine Zeitlang
Gegenstand der Achtung oder des Schreckens für die asiatischen
wie die europäischen Mächte. In orientalischer Pracht erzogen,
besaß Manuel das eiserne Herz eines Soldaten, das bei
seinesgleichen nicht leicht zu finden ist, außer in den
Königen Richard I. von England und Karl II. von Schweden. So
groß war seine Kraft und seine Übung in den Waffen, daß
Raimund, genannt der Herkules von Antiochia, nicht imstande
war, die Lanze und den Schild des griechischen Kaisers zu
schwingen. Bei einem berühmten Turnier ritt er auf einem
feurigen Streitroß in die Schranken und warf im ersten Rennen
zwei der gewaltigsten italienischen Ritter, den ersten beim
Angriff, den letzteren beim Rückzug. Seine Freunde und Feinde
zitterten, jene um sein, diese für ihr Leben. Nachdem er einen
Hinterhalt im Walde aufgestellt, ritt er, um irgendein
gefährliches Abenteuer aufzusuchen, vorwärts, nur von seinem
Bruder und dem getreuen Axuch begleitet, der sich weigerte,
seinen Gebieter zu verlassen. Achtzehn Reiter flohen nach
kurzem Kampfe vor ihm; aber die Zahl seiner Feinde nahm zu,
die Verstärkung rückte nur langsam heran, und Manuel schlug
sich, ohne auch nur eine Wunde zu erhalten, durch fünfhundert
Türken. In einer Schlacht gegen die Ungarn riß er, ungeduldig
über die Langsamkeit seiner Truppen, dem Träger die Fahne aus
der Hand und war fast unbegleitet der erste, der über die
Brücke stürmte, die ihn vom Feinde trennte. In demselben Land
schickte er, nachdem sein Heer über die Save gesetzt hatte,
die Boote zurück und gebot ihrem Befehlshaber bei Todesstrafe,
ihn im Lande des Feindes sterben zu lassen, wenn er nicht
siegte. Als das kaiserliche Schiff bei der Belagerung von
Korfu eine genommene Galeere im Schlepptau hatte, stand der
Kaiser auf dem Schiffsheck und schirmte sich gegen einen Regen
von Pfeilen und Steinen nur durch einen großen Schild und ein
fliegendes Segel; er wäre auch dem unvermeidlichen Tode nicht
entgangen, wenn der sizilianische Admiral seinen Bogenschützen
nicht geboten hätte, den Helden zu schonen. An einem Tage
tötete er mit eigener Hand vierzig Barbaren, kehrte ins Lager
zurück und schleppte vier türkische Gefangene mit, die er an
seinen Sattelring gefesselt hatte. Er war stets der erste, zum
Zweikampf aufzufordern oder ihn anzunehmen, und die
riesengroßen Kämpen, die sich ihm entgegenstellten, wurden
entweder von der Lanze des unbezwinglichen Manuels durchbohrt
oder von seinem Schwert getötet. Die Geschichte seiner Taten,
die ein Muster oder eine Nachbildung der Romane des Rittertums
zu sein scheint, kann gerechten Argwohn gegen die
Wahrheitsliebe der Griechen erregen. Ich werde, um ihre
Glaubwürdigkeit zu rechtfertigen, nicht meine eigene
gefährden, darf jedoch bemerken, daß in der langen Reihe ihrer
Fürsten einzig Manuel der Gegenstand einer solchen
Übertreibung war. Aber er vereinigte mit der Tapferkeit eines
Kriegers nicht die Geschicklichkeit oder Klugheit eines
Feldherrn; seine Siege veranlaßten weder eine dauernde noch
eine nützliche Eroberung, und seine bei den Türken erworbenen
Lorbeeren wurden im letzten unglücklichen Feldzug vernichtet,
in dem er sein Heer in den Gebirgen von Pisidien verlor und
seine Befreiung nur dem Edelmut des Sultans verdankte. Aber
der merkwürdigste Zug in Manuels Charakter ist seine Neigung
sowohl zur Tätigkeit als zur Trägheit, seine Abhärtung und
Weichlichkeit. Im Krieg schien er den Frieden nicht zu kennen,
im Frieden schien er des Krieges unfähig. Im Felde schlief er
in der Sonne oder auf dem Schnee, ermüdete durch die längsten
Märsche seine Leute und Pferde und ertrug lächelnd den Mangel
oder die Kost des Lagers. Kaum war er jedoch nach
Konstantinopel zurückgekehrt, so überließ er sich einem
üppigen Leben; der Aufwand in seinem Anzug, bei der Tafel und
im Palast übertraf das Maß seiner Vorgänger. Er brachte ganze
Sommertage müßig auf den wonnevollen Inseln der Propontis zu
und pflegte der blutschänderischen Liebe mit seiner Nichte
Theodora. Die Ausgaben eines zugleich kriegerischen und
ausschweifenden Fürsten erschöpften den Schatz und vermehrten
die Steuern, und Manuel mußte in der Not während seines
letzten türkischen Feldzuges einen bitteren Vorwurf aus dem
Mund eines verzweifelten Soldaten hören. Als er seinen Durst
löschte, klagte er, daß das Wasser der Quelle mit Christenblut
vermengt sei. »Es ist nicht das erste Mal«, rief eine Stimme
aus der Schar, »daß du, o Kaiser, das Blut deiner christlichen
Untertanen getrunken hat!« Manuel Komnenus war zweimal
vermählt, mit der tugendhaften Berta oder Irene von
Deutschland und mit der schönen Maria, einer französischen
oder lateinischen Prinzessin von Antiochia. Die einzige
Tochter seiner ersten Gattin war für den Ungarfürsten Bela
bestimmt, der in Konstantinopel unter dem Namen Alexius
erzogen wurde, und die Vollziehung der Ehe hätte das römische
Zepter auf ein Geschlecht freier und kriegerischer Barbaren
übertragen können. Nachdem aber Maria von Antiochia dem Reiche
einen Sohn und Erben gegeben hatte, wurden die mutmaßlichen
Rechte Belas für ungültig erklärt und er selbst der
verheißenen Braut beraubt. Der Ungarfürst nahm seinen Namen
und das Königreich seiner Väter wieder an und entwickelte
Tugenden, die den Neid und die Sehnsucht der Griechen erregen
konnten. Der Sohn der Maria hieß Alexius und bestieg, nachdem
durch den Tod seines Vaters der Glanz des Hauses der Komnenen
erloschen war, im Alter von zehn Jahren den byzantinischen
Thron (1180).
Die brüderliche Eintracht der beiden Söhne des großen
Alexius war zuweilen durch Interesse und Leidenschaft getrübt
worden. Der Sebastokrator Isaak ließ sich durch Ehrgeiz zur
Flucht und Empörung verleiten, wurde aber durch den strengen
und milden Johann den Schönen zur Umkehr und Reue bewogen. Die
Irrtümer Isaaks, des Ahnherrn der Kaiser von Trebisund,
dauerten nicht lang und waren verzeihlich, aber sein älterer
Sohn Johann entsagte für immer der Religion seiner Väter.
Durch eine wirkliche oder eingebildete Beschimpfung seines
Oheims beleidigt, floh er aus dem römischen ins türkische
Lager. Sein Abfall vom Glauben wurde mit einer Tochter des
Sultans, dem Titel Tschelebi oder Edler und einem fürstlichen
Erbe belohnt, und im fünfzehnten Jahrhundert konnte Mahomed
II. sich seiner kaiserlichen Abstammung aus dem Hause der
Komnenen rühmen. Andronikus, Johanns jüngerer Bruder, Sohn
Isaaks und Enkel des Alexius Komnenus, ist einer der
hervorragendsten Charaktere des Zeitalters, und seine wirklich
erlebten Abenteuer könnten den Stoff zu einem sehr
interessanten Roman geben. Um die Wahl von drei Frauen
kaiserlicher Abkunft zu rechtfertigen, muß ich bemerken, daß
ihr glücklicher Liebhaber außergewöhnlich schön und kraftvoll
war und daß der Mangel an Anmut durch ein männliches Antlitz,
hohen Wuchs, athletische Muskeln, Anstand und Haltung eines
Kriegers ersetzt wurde. Die Erhaltung seiner Gesundheit und
Kraft bis in sein hohes Alter war der Lohn seiner Mäßigkeit
und Leibesübung. Ein Stück Brot und ein Trunk Wasser bildeten
oft sein abendliches Mahl, und wenn er von einem wilden Eber
oder Hirsch, den er mit eigenen Händen gebraten hatte, aß, war
dies die wohlverdiente Frucht einer ermüdenden Jagd. Gewandt
in der Handhabung der Waffen, kannte er auch die Furcht nicht.
Seine hinreißende Beredsamkeit konnte sich allen Lebenslagen
anpassen, sein Stil war, wenn auch nicht sein Wandel, nach dem
Beispiel des heiligen Paulus gebildet, und bei jeder bösen Tat
zeigte er ein entschlossenes Herz, einen erfinderischen Kopf
und eine stets zur Ausführung bereite Hand. In seiner Jugend
folgte er nach dem Tode des Kaisers Johann dem sich
zurückziehenden römischen Heer; aber auf dem Marsch durch
Kleinasien verleitete ihn Absicht oder Zufall, in den Gebirgen
umher zu streifen. Der Jäger wurde von türkischen Jägern
umzingelt, und er blieb eine Zeitlang wider oder mit Willen
Gefangener des Sultans. Seine Tugenden und Laster empfahlen
ihn seinem Vetter; er teilte die Gefahren und Vergnügen
Manuels, und während der Kaiser in offenkundiger Blutschande
mit seiner Nichte Theodora lebte, verführte Andronikus deren
Schwester Eudokia. Sich über jeden Anstand des Geschlechtes
und Ranges hinwegsetzend, war sie stolz, seine Geliebte zu
heißen, und Palast wie Lager konnten Zeuge sein, daß sie in
den Armen ihres Geliebten schlief oder wachte. Sie begleitete
ihn, als er in Kilikien, dem ersten Schauplatze seiner
Tapferkeit und Unklugheit, den Heeresbefehl übernahm. Er
betrieb eifrig die Belagerung von Mopsu Hestia; bei Tag wagte
er die kühnsten Angriffe, die Nacht aber verging in Gesang und
Tanz, und griechische Komödianten waren der ausgesuchteste
Teil seines Gefolges. Andronikus wurde durch einen Ausfall des
wachsamen Feindes überrumpelt; aber während seine Truppen in
Unordnung flohen, focht er in den dichtesten Reihe der
Armenier. Bei seiner Rückkehr ins kaiserliche Lager von
Makedonien wurde er von Manuel öffentlich mit Freundlichkeit,
insgeheim mit Vorwürfen empfangen, aber die Herzogtümer
Maissus, Braniseba und Kastoria waren die Belohnung des
unglücklichen Feldherrn. Eudokia folgte ihm überall hin; um
Mitternacht wurde beider Zelt plötzlich von ihren entrüsteten
Brüdern angegriffen, die ihre Schmach in seinem Blute
abzuwaschen dürsteten. Mutig verwarf er es, sich als Frau zu
verkleiden, er raffte sich kühn von seinem Lager auf und
bahnte sich mit gezogenem Schwert einen Weg durch die
zahlreichen Mörder. Hier zeigte er auch zuerst seinen Hang zu
Undank und Verrat; er ließ sich in ein hochverräterisches
Übereinkommen mit dem König von Ungarn und dem deutschen
Kaiser ein, näherte sich zu einer späten Stunde mit gezogenem
Schwert und als lateinischer Soldat verkleidet dem
kaiserlichen Zelt, gestand seine Absicht, sich an einem
Todfeinde zu rächen und pries unklugerweise sein schnelles Roß
als Mittel zu Flucht und Rettung. Der Monarch verheimlichte
seinen Argwohn; aber nach beendetem Feldzuge wurde Andronikus
verhaftet und in einem Turm des Palastes von Konstantinopel
eingekerkert.
In diesem Gefängnis ließ man ihn über zehn Jahre; eine
höchst peinliche Freiheitsbeschränkung, der zu entfliehen ihn
sein Durst nach Taten und Vergnügungen unaufhörlich trieb. Er
bemerkte in einer Ecke des Gemaches einige lose Mauersteine
und grub allmählich einen Gang, bis er eine finstere und
vergessene Blende fand. In diesem Loch verbarg er sich mit dem
Rest seiner Lebensmittel, brachte die Steine wieder in ihre
vorige Ordnung und verwischte sorgfältig die Spuren seiner
Arbeit. Seine Wächter staunten, als sie zur Besichtigung
kamen, über die Stille und Einsamkeit des Gefängnisses und
meldeten voll Scham und Bestürzung seine unbegreifliche
Flucht. Die Tore des Palastes und der Stadt wurden
augenblicklich geschlossen, die strengsten Befehle zur
Wiedererlangung des Flüchtlings in die Provinzen gesendet und
seine verdächtigte Gattin in demselben Turm eingekerkert. Um
Mitternacht erblickte sie ein Gespenst, erkannte ihren Gatten
und teilte mit ihm ihre Nahrung; ein Sohn war die Frucht
dieser verstohlenen Zusammenkünfte, welche die traurigen
Stunden ihrer Einkerkerung beglückten. Bei Bewachung einer
Frau ließ die Wachsamkeit der Hüter allmählich nach und schon
hatte der Gefangene sein wirkliches Entkommen vorbereitet, als
er entdeckt, nach Konstantinopel zurückgebracht und mit
doppelten Ketten gefesselt wurde. Endlich fand er den
Augenblick und die Mittel zu seiner Befreiung. Ein Knabe und
Diener seines Hauses machte die Wachen betrunken und
verschaffte sich den Wachsabdruck des Gefängnisschlüssels.
Seine Freunde schafften einen ähnlichen Schlüssel und ein
Bündel Stricke am Boden eines Weinschlauchs in sein Gefängnis.
Andronikus benutzte geschickt und mutig die Werkzeuge zu
seiner Rettung, schloß die Tür auf, stieg vom Turme herab,
verbarg sich den Tag über im Dickicht und kletterte des Nachts
über die Gartenmauer des Palastes. Ein Boot lag zu seiner
Aufnahme bereit; er besuchte sein eigenes Haus, umarmte seine
Kinder, warf seine Ketten weg, bestieg ein schnelles Roß und
ritt eiligst an die Donau. In Anchialus in Thrakien versah ihn
ein unerschrockener Freund mit Pferden und Geld; er setzte
über den Strom, durcheilte die Wüsteneien der Moldau und der
Karpathen und hatte fast die Stadt Halitsch in Russisch-Polen
erreicht, als ihn eine Abteilung Wallachen aufgriff, die
entschlossen waren, ihren wichtigen Gefangenen nach
Konstantinopel zu führen. Seine Geistesgegenwart rettete ihn
auch aus dieser Gefahr. Unter dem Vorwande, nicht wohl zu
sein, stieg er des Nachts ab und erhielt die Erlaubnis, sich
ein paar Schritte entfernen zu dürfen; er steckte seinen
langen Stab in den Boden, hing Mütze und Oberkleid daran und
täuschte damit eine Weile lang die Wallachen, während er sich
in den Wald stahl. Von Halitsch wurde er ehrenvoll nach Kiew,
der Residenz des Großfürsten geleitet. Der schlaue Grieche
gewann bald Jaroslaws Hochachtung und Vertrauen; er konnte
sich in die Sitten jedes Landes fügen, und die Barbaren
priesen seine Kraft und Kühnheit bei der Jagd auf Elentiere
und Bären des Forstes. In diesem Nordlande erwarb er sich von
Manuel, der den russischen Fürsten ersuchte, seine Waffen
zwecks eines Einbruches in Ungarn mit den Seinen zu
vereinigen, Verzeihung. Andronikus' Einfluß brachte das
gewünschte Bündnis zustande; der ihn betreffende Vertrag wurde
mit dem Versprechen der Treue einerseits und dem der
Verzeihung anderseits geschlossen, und Andronikus zog an der
Spitze des russischen Heeres vom Borysthenes an die Donau.
Trotz seines Zornes hatte Manuel stets mit seinem
kriegerischen und ausschweifenden Vetter sympathisiert, und
volle Verzeihung erhielt er bei dem Sturm von Semlin, in dem
er dem Kaiser und nur diesem an Tapferkeit nachstand.
Kaum war der Verbannte der Freiheit und seinem Vaterlande
wiedergegeben, als sein Ehrgeiz zuerst sein eigenes und
endlich auch das öffentliche Unglück wieder heraufbeschwor.
Eine Tochter Manuels stand den mehr zur Nachfolge berechtigten
männlichen Sprossen der Komnenen im Wege. Ihre projektierte
Vermählung mit einem Ungarfürsten widerstrebte den für sich
hoffenden oder Vorurteile habenden Prinzen und Großen. Als ein
Eid der Treue für den mutmaßlichen Erben verlangt wurde,
behauptete Andronikus allein die Ehre des römischen Namens,
lehnte die ungesetzliche Verpflichtung ab und protestierte
kühn gegen die Adoption eines Fremdlings. Sein Patriotismus
mißfiel dem Kaiser, allein er hatte die Gesinnungen des Volkes
ausgesprochen und so wurde er durch eine ehrenvolle
Verbannung, den abermaligen Oberbefehl über die kilikische
Grenze mit der unumschränkten Verfügung über das Einkommen der
Insel Cypern, aus der Nähe des Kaisers verbannt. Die Armenier
hier hatten wieder durch seinen Mut zu leiden und benützten
wieder seine Fahrlässigkeit, und derselbe Rebell, der alle
seine Anstrengungen vereitelte, wurde durch seine Lanze vom
Pferde geschleudert und fast getötet. Andronikus entdeckte
aber bald einen angenehmeren Gegenstand zur leichten
Eroberung, nämlich die schöne Philippine, Schwester der
Kaiserin Marie und Tochter Raimunds von Poitou, des
lateinischen Fürsten von Antiochia. Um ihretwillen verließ er
sein Kommando und verbrachte den Sommer bei Bällen und
Turnieren; seiner Liebe opferte sie ihre Unschuld, ihren Ruf
und eine vorteilhafte Vermählung. Aber der grimmige Manuel,
geärgert über diese der Familie angetane Schmach, unterbrach
seine Freuden. Andronikus überließ die unglückliche Fürstin
ihrer Reue und unternahm mit einer Schar verzweifelter
Abenteurer die Wallfahrt nach Jerusalem. Seine Geburt, sein
Kriegsruhm und seine eifrigen Beteuerungen bezeichneten ihn
als Streiter für das Kreuz; er gewann die Zuneigung der
Geistlichkeit und des Volkes und wurde mit dem Fürstentum
Berytus an der Küste von Phönizien belehnt. In der
Nachbarschaft residierte eine junge und schöne Königin seines
eigenen Volkes und Stammes, die Urenkelin des Kaisers Alexius
und Witwe des Königs von Jerusalem, Balduins III. Sie besuchte
und liebte ihren Verwandten. Theodora war das dritte Opfer
seiner liebeglühenden Schwüre, und ihre Schmach war
öffentlicher und erregte mehr Ärgernis als die ihrer
Vorgängerinnen. Der Kaiser dürstete noch immer nach Rache und
hatte wiederholt in seine Untertanen und Bundesgenossen an der
syrischen Grenze gedrungen, sich des Flüchtlings zu
bemächtigen und ihm die Augen auszustechen. In Palästina gab
es für ihn keine Sicherheit mehr; aber die zärtliche Theodora
offenbarte ihm die Gefahr und begleitete ihn auf der Flucht.
Die Königin von Jerusalem zeigte sich im Orient als seine
gefügige Geliebte. Zwei uneheliche Kinder waren die lebenden
Denkmäler ihrer Schwäche. Damaskus war seine erste Zuflucht,
wo der Grieche in dem großen Nureddin und seinem Diener
Saladin die Tugenden von Muselmanen hätte ehren lernen können.
Als Freund Nureddins besuchte er höchstwahrscheinlich Bagdad
und die Höfe von Persien und ließ sich nach einem langen Wege
um das Kaspische Meer und die Gebirge von Georgien zuletzt
unter den Türken von Kleinasien, den Erbfeinden seines
Vaterlandes, nieder. Der Sultan von Colonia gewährte dem
Andronikus, seiner Geliebten und seiner Bande Geächteter
Gastfreundschaft; er dankte es durch häufige Einbrüche in die
römische Provinz Trebisund, von wo er selten ohne reiche Beute
und christliche Gefangene zurückkehrte. In der Geschichte
seiner Abenteuer liebte er es, sich mit David zu vergleichen,
der nach langer Verbannung den Schlingen der Gottlosen
entging. Aber der königliche Prophet (wagte er hinzuzufügen)
begnügte sich damit, an der Grenze von Judäa zu lauern, einen
Amalekiter zu erschlagen und in seiner elenden Lage das Leben
des geizigen Nabal zu bedrohen. Die Streifzüge des
Komnenenfürsten hatten einen größeren Umkreis, und er hatte
über die orientalische Welt den Ruhm seines Namens und seiner
Religion verbreitet. Durch Beschluß der griechischen Kirche
war der zügellose Räuber von der Gemeinschaft der Gläubigen
ausgeschlossen worden, aber selbst diese Exkommunikation
beweist, daß er das Christentum niemals abgeschworen hat.
In seiner Wachsamkeit hatte er die offene wie die geheime
Verfolgung des Kaisers durch List oder Gewalt vereitelt, er
wurde aber endlich durch die Gefangennahme seiner Begleiterin
in die Falle gelockt. Dem Statthalter von Trebisund gelang der
Versuch, sich der Person Theodoras zu bemächtigen. Die Königin
von Jerusalem wurde mit ihren beiden Kindern nach
Konstantinopel gesandt, und ihr Verlust verbitterte ihm die
widerwärtige Einsamkeit seiner Verbannung noch mehr. Der
Flüchtling flehte endlich um Verzeihung, erhielt sie und mit
ihr die Erlaubnis, sich einem über die Demütigung dieses
stolzen Geistes erfreuten Souverän zu Füßen zu werfen. Im
Staube liegend, beklagte er weinend und stöhnend seine frühere
Empörung und wollte nicht eher wagen sich zu erheben, als bis
irgendein treuer Untertan ihn an einer eisernen Kette, die er
insgeheim um seinen Hals gelegt hatte, zum Thron ziehen würde.
Diese außerordentliche Buße erregte das Staunen und Mitleid
der Versammlung; seine Sünden wurden von Kirche und Staat
verziehen, aber Manuels gerechtes Mißtrauen wies ihm fern vom
Hofe Oenoe zum Aufenthaltsort an, eine Stadt in Pontus, die
von Weinbergen umgeben war und an der Küste des Schwarzen
Meeres lag. Der Tod Manuels und die Wirren während der
Minderjährigkeit seines Nachfolgers öffneten seinem Ehrgeiz
bald das weiteste Feld. Der Kaiser war ein Knabe von zwölf bis
vierzehn Jahren, ohne Kraft, Einsicht oder Erfahrung. Seine
Mutter, die Kaiserin Maria, überließ sich und die Regierung
einem Günstling aus komnenischem Geschlecht. Seine Schwester
Maria, deren Gemahl, ein Italiener, mit dem Cäsartitel
geschmückt war, stiftete eine Verschwörung und endlich einen
Aufruhr gegen ihre verhaßte Stiefmutter an. Die Provinzen
wurden vergessen, die Hauptstadt stand in Flammen, und ein
Jahrhundert des Friedens und der Ordnung ging in den Lastern
und der Schwäche weniger Monate unter. Ein Bürgerkrieg brach
in Konstantinopel aus, die beiden Parteien kämpften auf dem
Platze des Palastes eine blutige Schlacht, und die Rebellen
hielten eine regelrechte Belagerung in der Kathedrale der
heiligen Sophie aus. Der Patriarch arbeitete in ehrenhaftem
Bestreben an Heilung der Wunden des Staates, die achtbarsten
Patrioten riefen laut nach einem Vormund und Rächer, und jeder
sprach den Talenten, ja sogar den Tugenden des Andronikus Lob.
Er tat, als brüte er in seiner Zurückgezogenheit über den
feierlichen Verpflichtungen seines Eides: »Wenn die Sicherheit
oder Ehre der kaiserlichen Familie bedroht werden sollte, will
ich das Unheil offenbaren und mich ihm mit allen meinen
Kräften widersetzen.« Seine Briefe an den Patriarchen und die
Patrizier waren mit passenden Zitaten aus den Psalmen Davids
und den Briefen des heiligen Paulus gewürzt, und er wartete
geduldig, bis ihn die Stimme des Vaterlandes zu dessen
Befreiung rief. Auf seinem Zuge von Oenoe nach Konstantinopel
schwoll sein schwaches Gefolge allmählich zu einer Schar, zu
einem Heere an; man hielt seine Beteuerungen der Religiosität
und Treue irrtümlich für seine wahre Überzeugung, und seine
einfache fremde Tracht, die seine majestätische Gestalt sehr
vorteilhaft zeigte, bot ein lebendiges Bild seiner Armut und
Verbannung. Jeder Widerstand schwand vor ihm, er erreichte die
Meerenge des thrakischen Bosporus, die byzantinische Flotte
segelte aus dem Hafen aus, um den Befreier ihres Vaterlandes
aufzunehmen und überzusetzen; der Strom wogte laut und die
Insekten, die sich im Sonnenschein der kaiserlichen Gunst
gebläht hatten, verschwanden beim Herannahen des Sturmes. Es
war Andronikus' erste Sorge, den Palast in Besitz zu nehmen,
den Kaiser zu begrüßen, dessen Mutter einzukerkern, ihre
Minister zu bestrafen und die öffentliche Ruhe und Ordnung
wiederherzustellen. Hierauf besuchte er das Grab Manuels, die
Begleiter erhielten Befehl, sich fernzuhalten; als er sich
aber in der Stellung des Gebetes neigte, hörten sie oder
glaubten ein Gemurmel des Triumphes und der Rache zu
vernehmen: »Ich fürchte dich nun nicht mehr, mein alter Feind,
der du mich wie einen Landstreicher über die ganze Erde gejagt
hast. Du ruhst sicher unter einer siebenfachen Decke und
kannst nicht eher aufstehen, als bis die letzte Trompete
erschallt. Nun ist die Reihe an mir und bald werde ich deine
Asche und deine Hinterbliebenen mit Füßen treten.« Nach seiner
späteren Tyrannei zu urteilen, kann man ihm solche Gefühle
wohl zuschreiben, aber es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß
er seine Gedanken laut werden ließ. In den ersten Monaten
seiner Verwaltung verstellte er sich, konnte jedoch nur die
Augen der Menge täuschen. Die Krönung des Alexius wurde mit
gebührender Feierlichkeit vollzogen, und sein treuloser
Vormund, in seinen Händen den Leib und das Blut Christi
haltend, erklärte mit Inbrunst, daß er bereit sei, im Dienste
seines geliebten Mündels zu leben und zu sterben. Aber seine
zahlreichen Anhänger waren unterwiesen worden zu verbreiten,
daß das sinkende Reich in den Händen eines Kindes
zusammenbrechen müsse, daß die Römer nur durch einen erprobten
Fürsten, kühn im Kampfe, kundig der Politik, der
Menschenkenntnis besaß und durch den steten Wechsel seiner
Schicksale zum Herrschen berufen war, gerettet werden könnten
und daß es die Pflicht jedes Römers sei, den aus
Bescheidenheit widerstrebenden Andronikus zu zwingen, die Last
der öffentlichen Sorgen zu übernehmen. Der junge Kaiser selbst
war gezwungen, in diesen allgemeinen Ruf einzustimmen und um
die Bestellung eines Kollegen zu bitten, der ihn sogleich des
obersten Ranges entsetzte, ihn einkerkerte und dadurch die
kühne Erklärung des Patriarchen wahrmachte daß Alexius als tot
betrachtet werden müsse, sobald er der Obhut seines Vormundes
anvertraut sein würde. Aber seinem Tod ging die Einkerkerung
und die Hinrichtung seiner Mutter voraus. Nachdem sie der
Tyrann angeprangert und die Menge gegen sie entflammt hatte,
klagte er die Kaiserin eines hochverräterischen
Einverständnisses mit dem König von Ungarn an und machte ihr
den Prozeß. Sein eigener Sohn, ein ehrenhafter, menschlich
empfindender Jüngling, gestand seinen Abscheu vor dieser
ruchlosen Tat, und drei der Richter erwarben sich das
Verdienst, ein reines Gewissen ihrem Leben vorzuziehen. Aber
das gehorsame Tribunal verdammte, ohne Beweise zu fordern oder
eine Verteidigung zu hören, die Witwe des Manuel, und ihr
unglücklicher Sohn unterschrieb das Todesurteil. Maria wurde
erdrosselt, ihre Leiche ins Meer geworfen und ihr Andenken
durch eine unwahre Schilderung ihrer Häßlichkeit beschmutzt,
die am meisten die weibliche Eitelkeit verletzt. Das Schicksal
ihres Sohnes wurde ebenfalls bald entschieden: er wurde mit
einer Bogensehne erdrosselt, und nachdem der Mitleid und Reue
unzugängliche Tyrann die Leiche des unschuldigen Jünglings
betrachtet hatte, stieß er sie grimmig mit dem Fuße weg und
rief: »Dein Vater war ein Schurke, deine Mutter eine Hure und
du selbst ein Narr!« Andronikus führte das römische Zepter
ungefähr dreieinhalb Jahre als Vormund oder Souverän. Während
seiner Regierung zeigen sich sonderbare Gegensätze von Laster
und Tugend. Wenn er seinen Leidenschaften Gehör schenkte, war
er die Geißel, wenn er seiner Vernunft folgte, der Vater
seines Volkes. Bei der Verwaltung der Zivilrechtspflege war er
gerecht und streng; schändliche und verderbliche Käuflichkeit
wurde abgeschafft und die Ämter mit den verdienstvollsten
Kandidaten von einem Fürsten besetzt, der zu wählen wußte und
zu strafen verstand. Er verbot die unmenschliche Gewohnheit,
Güter und Personen schiffbrüchiger Seefahrer zu plündern. Die
Provinzen, seit so langer Zeit Gegenstand der Unterdrückung
und der Vernachlässigung, lebten wieder in Glück und Überfluß
auf, und ferne Millionen priesen seine Regierung, während ihn
die Zeugen seiner täglichen Grausamkeiten mit Flüchen beluden.
Das alte Sprichwort: »Blutdürstig ist der Mann, der aus der
Verbannung zur Herrschaft gelangt«, das man nur mit zuviel
Wahrheit auf Marius und Tiberius angewendet hatte, bewährte
sich zum drittenmal im Leben des Andronikus. Er bewahrte ein
schwarzes Register von Feinden und Nebenbuhlern, die seine
Verdienste geschmäht, sich ihm in seiner Größe widersetzt oder
ihn im Unglück beschimpft hatten, und der einzige Trost in
seiner Verbannung war die Hoffnung auf Rache. Die notwendige
Vernichtung des jungen Kaisers und seiner Mutter legte ihm die
unheilvolle Verpflichtung auf, die Freunde auszurotten, die
den Mörder haßten oder bestrafen konnten, und wiederholter
Mord machte ihn zur Verzeihung minder geneigt und minder
fähig. Eine entsetzliche Liste der Opfer, die durch Gift oder
Schwert, im Meere oder in den Flammen umkamen, wäre für seine
Grausamkeit weniger bezeichnend, als daß man eine in Ruhe
verlaufene unblutige Woche halkyonische Tage nannte. Der
Tyrann war bestrebt, auf die Gesetze und Richter einen Teil
der Schuld zu schieben, allein die Maske war gefallen und
seine Untertanen konnten über den wahren Urheber ihrer
Drangsale nicht länger in Zweifel sein. Die edelsten Griechen,
insbesondere diejenigen, die durch Abstammung oder
Verschwägerung die Erbschaft der Komnenen streitig machen
konnten, entflohen aus der Höhle des Ungeheuers. Nicäa oder
Prusa, Sizilien oder Cypern waren ihre Zufluchtsorte, und da
schon ihre Flucht ein Verbrechen war, erschwerten sie ihre
Vergehen durch offene Empörung und Annahme des kaiserlichen
Titels. Andronikus jedoch entging den Dolchen und Schwertern
seiner furchtbarsten Feinde; Nicäa und Prusa wurden bezwungen
und gezüchtigt, die Sizilianer begnügten sich mit der
Plünderung von Thessalonika, und die Entfernung Cyperns war
den Rebellen nicht günstiger als dem Tyrannen. Sein Thron
wurden durch einen Nebenbuhler ohne Verdienst und ein Volk
ohne Waffen gestürzt (1185). Isaak Angelus, ein Nachkomme der
weiblichen Linie des großen Alexius, wurde vom Kaiser, der
vielleicht an eine Schuld glaubte, aus Klugheit zum Tode
verurteilt. Verzweifelt verteidigte Angelus Leben und
Freiheit, erschlug den Henker und floh in die Sophienkirche.
Das Heiligtum füllte sich langsam mit einer neugierigen und
trauernden Schar, die in seinem Schicksal ihr eigenes ahnte.
Aber ihre Klagen verwandelten sich bald in Verwünschungen,
ihre Verwünschungen in Drohungen, und sie wagten zu fragen:
»Warum fürchten wir uns? Warum gehorchen wir? Unserer sind
viele, er ist allein; unsere Geduld ist die einzige Kette
unserer Knechtschaft.« Mit Tagesanbruch brach ein allgemeiner
Aufruhr in der Stadt aus, die Kerker wurden erbrochen, auch
die Schlechtesten und Niedrigsten wurden zur Verteidigung
ihres Vaterlandes aufgestachelt, und Isaak, der zweite seines
Namens, aus dem Heiligtum kommend auf den Thron gesetzt. Der
Tyrann, der die Gefahr nicht ahnte, war abwesend. Er hatte
sich auf eine der schönen Inseln der Propontis zurückgezogen.
Er hatte eine alles Gefühl verletzende Heirat mit Alice oder
Agnes, Tochter Ludwigs VII. von Frankreich und Witwe des
unglücklichen Alexius, gemacht, und seine Gesellschaft,
angemessener seinem Temperament als seinem Alter, bestand aus
einer jungen Gattin und einer Lieblingsfavoritin. Auf den
ersten Alarm hin eilte er nach Konstantinopel, nach dem Blute
der Schuldigen dürstend; er staunte über die Stille im Palast,
über den Tumult in der Stadt und über den allgemeinen Abfall
von ihm. Andronikus verkündete seinen Untertanen eine
allgemeine Amnestie, aber sie wollten Verzeihung weder
annehmen noch gewähren. Er erbot sich, die Krone zugunsten
seines Sohnes Manuel niederzulegen, doch die Tugenden des
Sohnes konnten die Verbrechen des Vaters nicht sühnen. Das
Meer stand ihm zum Rückzug noch offen, aber die Nachricht von
der Umwälzung hatte sich längs der Küste verbreitet. Mit der
Furcht hatte der Gehorsam aufgehört. Die kaiserliche Galeere
wurde von einer bewaffneten Brigantine verfolgt und genommen
und der Tyrann vor Isaak Angelus geschleppt, mit Fesseln
beladen und mit einer langen Kette um den Hals. Er und seine
weinenden Begleiterinnen baten umsonst beredt um sein Leben.
Statt einer ordnungsmäßigen und gesetzlichen Hinrichtung
überließ man ihn den Verbrechern, den zahllosen Duldern, die
durch ihn eines Vaters, Gemahls oder Freundes beraubt worden
waren. Seine Zähne und seine Haare, ein Auge und ein Arm
wurden ihm als armseliger Ersatz für ihren Verlust
ausgerissen, und man ließ ihn noch eine kurze Zeit leben,
damit er die ganze Bitterkeit des Todes fühle. Mit
ausgespreizten Beinen über ein Kamel gelegt, ohne Möglichkeit
einer Befreiung, wurde er durch die Stadt geführt und die Hefe
des Pöbels jubelte, ihren Fürsten mit Füßen treten zu dürfen.
Nach tausend Stößen und Beschimpfungen wurde Andronikus an den
Füßen zwischen zwei Pfeilern, die das Bild eines Wolfes und
einer Sau trugen, aufgehangen und jeder, der den öffentlichen
Feind erreichen konnte, behandelte ihn mit boshaft
ausgedachter und brutaler Grausamkeit, bis zwei freundlich
gesinnte oder wütende Italiener ihm ihre Schwerter in den Leib
stießen und jeder Rache von Menschenhand ein Ende machten. In
diesem langen und schmerzlichen Todeskampf waren die einzigen
Worte, die aus seinem Munde kamen: »O Herr, habe Erbarmen mit
mir! Warum willst du ein gebrochenes Rohr weiter zerknicken?«
Unser Haß wandelt sich in Mitleid für ihn. Wir dürfen auch
seine kleinmütige Ergebung nicht tadeln, da ein griechischer
Christ nicht länger Herr seines Lebens war.
Ich bin versucht gewesen, mich über den außerordentlichen
Charakter und die Abenteuer des Andronikus zu verbreiten,
werde aber hier die Reihe der griechischen Kaiser seit den
Zeiten des Heraklius schließen. Die dem komnenischen Stamme
entsprossenen Zweige waren langsam ausgestorben und die
männliche Linie wurde nur durch die Nachkommen dieses
Andronikus fortgesetzt, die, so dunkel in der Geschichte und
so berühmt in der Romantik, sich in der öffentlichen
Verwirrung die Souveränität von Trebisund anmaßten. Ein
Privatmann von Philadelphia, Konstantin Angelus, hatte durch
seine Vermählung mit einer Tochter des Kaisers Alexius
Reichtum und Ehrenstellen erworben. Sein Sohn Andronikus
zeichnete sich nur durch Feigheit aus. Sein Enkel Isaak
bestrafte den Tyrannen und gewann den Thron, wurde aber wegen
seiner eigenen Laster durch seinen ehrgeizigen Bruder
entthront. Ihre Zwietracht veranlaßt die Lateiner zur
Eroberung von Konstantinopel, der ersten großen Epoche des
Unterganges des morgenländischen Kaisertums.
Wenn wir die Zahl und Dauer der Regierungen
zusammenrechnen, so findet sich, daß eine Periode von
sechshundert Jahren durch sechzig Kaiser ausgefüllt wird, mit
Einschluß einiger Fürstinnen in das Verzeichnis der Augusti
und mit Abzug einiger Usurpatoren, die in der Hauptstadt nie
anerkannt worden sind, ferner einiger Fürsten, die nicht lange
genug lebten, um ihr Erbe in Besitz zu nehmen. Es ergeben sich
im Durchschnitt zehn Jahre für jeden Kaiser, weit weniger, als
die chronologische Regel Sir Isaac Newtons angibt, der auf
Grund neuerer und ordnungsmäßiger Monarchien die Dauer einer
gewöhnlichen Regierung auf achtzehn bis zwanzig Jahre
berechnet hat. Das byzantinische Reich erfreute sich der
größten Ruhe und Wohlfahrt, so oft es von einem
erbberechtigten Kaiser regiert wurde; fünf Dynastien, die
heraklischen, isaurischen, amorischen, basilischen und
komnenischen Häuser besaßen und übertrugen die kaiserliche
Herrschaft auf je fünf, vier, drei, sechs und vier
Generationen. Mehrere Fürsten regierten während ihrer
Kindheit. Konstantin VII. und seine beiden Enkel regierten
während eines ganzen Jahrhunderts. Aber zwischen den
byzantinischen Dynastien wurde die Regentenfolge schnell
unterbrochen, und der Name eines vom Erfolge begünstigten
Kandidaten wurde schnell durch einen glücklicheren Mitbewerber
ausgelöscht. Es gab viele Pfade, die zum Gipfel kaiserlicher
Würde führten: ein Empörer wurde von einem Verschwörer
gestürzt oder durch die stille Intrige zu Fall gebracht; die
Lieblinge der Soldaten oder des Volkes, des Senates oder der
Geistlichkeit, der Weiber und Eunuchen wurden abwechselnd mit
dem Purpur bekleidet. Die Mittel, mit denen ihre Erhebung
durchgeführt wurde, waren niederträchtig und ihr Ende häufig
verächtlich oder tragisch. Ein Mensch mit einigen Fähigkeiten,
dem aber ein längeres Dasein zugemessen wäre, würde mit
mitleidigem und verächtlichem Lächeln auf die Verbrechen und
Torheiten der ehrgeizigen Menschen niederblicken, die so
gierig und in einer so kurzen Spanne Zeit nach wandelbaren und
vergänglichen Genüssen greifen. Gerade auf diese Weise erhebt
und erweitert die Geschichte unseren Blick. In einer Arbeit
von einigen Tagen, in der Lektüre von ein paar Stunden, sind
sechs Jahrhunderte hingerollt und die Zeit eines Lebens oder
einer Regierung wird zu einem flüchtigen Augenblick. Das Grab
ist stets neben dem Thron, dem Siege eines Verbrechers folgt
fast augenblicklich der Verlust der Beute und unsere
unsterbliche Vernunft überlebt und verachtet die sechzig
Phantome der Kaiser, die an unseren Augen vorübergezogen sind
und sich nur schwach dem Gedächtnis einprägen. Die Bemerkung,
daß der Ehrgeiz in jedem Zeitalter und in jedem Klima mit
gleicher Allgewalt geherrscht hat, mag das Erstaunen eines
Philosophen mindern. Während er aber die Eitelkeit dieses
allgemeinen Verlangens, das Zepter der Macht zu erlangen und
zu führen, verdammt, wird er nach dem Beweggrund forschen. Dem
größeren Teile der byzantinischen Fürsten können wir Liebe zum
Ruhm und zur Menschheit in keiner Weise nachsagen. Einzig der
edle Charakter des wohltätigen Johann Komnenus war rein; die
berühmtesten Monarchen, die diesem vorangehen oder folgen,
haben mit Gewandtheit und Kraft die krummen und blutigen Pfade
selbstsüchtiger Politik begangen. Wenn wir die unvollkommenen
Charaktere Leos des Isauriers, Balisius' I., Alexius Komnenus',
Theophilus', Basilius' II. und Manuel Komnenus' prüfen, wird
unsere Achtung von unserem Tadel fast aufgewogen, und der
übrige kaiserliche Troß kann nur wünschen und erwarten, von
der Nachwelt vergessen zu werden. War persönliches Glück das
Ziel und der Zweck ihres Ehrgeizes? Ich werde nicht platte
Bemerkungen über das Elend der Könige machen; aber ich darf
wohl zuverlässig bemerken, daß ihre Lage mehr als jede andere
der Furcht den weitesten, der Hoffnung den engsten Raum
gewährt. Die Revolutionen des Altertums gewährten diesen
widerstreitenden Leidenschaften ein viel größeres Feld als der
milde und feste Charakter der neueren Zeit, in der nicht so
leicht der Triumph des Alexander oder der Fall des Darius sich
wiederholen kann. Aber das eigentümliche Unglück der
byzantinischen Fürsten setzte sie heimischen Gefahren aus,
ohne irgendeine wirkliche Aussicht auf Eroberungen im Ausland
zu geben. Andronikus wurde durch einen grausameren und
schimpflicheren Tod, als ihn der größte Verbrecher erleidet,
vom Gipfel der Größe herabgestürzt; aber auch seine
ruhmwürdigsten Vorgänger hatten von ihren Untertanen weit mehr
zu fürchten als von ihren Feinden zu hoffen. Das Heer war
zügellos, ohne Mut, das Volk unruhig, ohne Freiheit; die
Barbaren des Ostens und Westens drängten gegen die Monarchie
und der Verlust der Provinzen besiegelte die Knechtschaft der
Hauptstadt.
Die Herrschaft der römischen Kaiser vom ersten der Cäsaren
bis zum letzten der Konstantine dehnt sich über fünfzehn
Jahrhunderte aus, und die Dauer einer durch Eroberung von
außen ungebrochenen Herrschaft übertrifft jene der alten
Monarchien, jene der Herrschaft der Assyrer und Meder, der
Nachfolger des Cyrus wie des Alexander.