Leben Mohammeds

Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten

deutsche Übersetzung des englischen Buches "Mahomet and His Successors"

von

Washington Irving

Inhaltsverzeichnis

Einunddreißigstes Capitel - Feindseligkeiten in den Bergen – Das feindliche Lager in dem Thale Autas – Schlacht am Engpasse von Honein – Wegnahme des feindlichen Lagers – Mohammeds Zusammenkunft mit der Pflegerin seiner Kindheit – Theilung der Beute – Mohammed am Grabe seiner Mutter

Während die kriegerischen Apostel Mohammeds die Lehren desselben mit der Schärfe des Schwerts verbreiteten, zog sich in den Bergen ein feindliches Ungewitter zusammen. Zwischen den Thakefiten, Hawazinen, Joschmiten, (Dschoschmiten), Saaditen und einigen andern von den kühnen Beduinenstämmen in den Bergen wurde ein Bund errichtet, um eine Macht einzuschränken, die ganz Arabien zu unterjochen drohte. Die hier erwähnten Saaditen oder Beni Sad sind die nämlichen Hirtenaraber, unter denen Mohammed in seiner Kindheit erzogen und in deren Thale sein Herz nach der Sage von einem Engel herausgenommen und gereinigt worden war. Die Thakefiten, welche die Ersten in dem Bunde waren, waren ein mächtiger Stamm, der die feste Bergstadt Tayef und das ergiebige Gebiet derselbe besaß. Sie waren bigotte Götzendiener und unterhielten in ihrer Hauptstadt den fernhin berühmten Altar der Göttin Al Lat. Der Leser wird sich an die schmachvolle Behandlung Mohammeds erinnern, als er in Tayef seine Lehren zu predigen versuchte; er wurde auf öffentlichem Markte gesteinigt und schließlich mit Schimpf aus den Thoren getrieben. Wahrscheinlich war es Furcht vor Rache durch seine Hände, welche die Thakefiten in der Errichtung eines Bundes wider ihn so thätig machte.

Malec Ibn Auf, der Häuptling der Thakefiten, führte den Oberbefehl über den Bund. Das Thal Autas, zwischen Honein und Tayef, bestimmte er zum Sammel- und Lagerplatze. Da er den wankelmütigen Charakter der Araber kannte und ihre Geneigtheit, wegen des geringfügigsten Einfalles nach Hause zurückzukehren: so befahl er, daß sie ihre Familien und Habseligkeiten mit sich brächten. Es kamen demnach aus allen Theilen an viertausend streitbare Männer zusammen; aber das Lager wurde mit Frauen und Kindern überhäuft und mit Schaf- und Rinderheerden belastet.

Das Mittel Malec Ibn Aufs, das Zusammenhalten der Krieger zu sichern, wurde von Doraid, dem Häuptlinge der Joschmiten (Dschoschmiten), stark gemißbilligt. Das war ein ergrauter Krieger, über hundert Jahre alt, abgemagert wie ein Skelett, fast blind und so schwach, daß er in einer Sänfte auf dem Rücken eines Kameels getragen werden mußte. Noch war er, obgleich unfähig ins Gefecht sich zu mischen, wegen seiner Kriegserfahrung vielvermögend im Rathe. Dieser Veteran machte den Vorschlag, die Frauen und Kinder sofort nach Hause zu schicken und die Armee von allen unnöthigen Belastungen zu befreien. Dieser Vorschlag wurde nicht angenommen, und das Thal Autas glich fortdauernd eher dem Hirtenlager eines Stammes als der vorübergehenden Aufstellung einer Armee.

Indessen brach Mohammed zufolge der Nachricht, daß sich ein Ungewitter zusammenziehe, an der Spitze von zwölftausend Mann sofort auf; seine Truppen waren theils Flüchtlinge aus Mekka, theils Hülfsvölker aus Medina, theils Araber der Wüste, von denen einige den Glauben noch nicht angenommen hatten.

Als er ins Feld rückte, trug er einen polirten Harnisch und Helm und ritt sein weißes Lieblingsmaulthier Daldal, indem er nicht oft ein Schlachtroß bestieg, weil er selten an dem wirklichen Gefechte sich betheiligte. Die jüngsten Erfolge und die Ueberlegenheit an Zahl ließ ihn einen leichten Sieg erwarten, weshalb er das Gebirge ohne Vorsicht betrat; er drängte vorwärts nach dem feindlichen Lager bei Mutas und kam in ein tiefes, düsteres Thal auf den Gränzen von Honein. Die Truppen marschirten ohne Ordnung durch einen wilden Engpaß, indem sich jeder seinen eigenen Weg wählte. Plötzlich wurden sie von einem Hagel von Wurfspießen, Steinen und Pfeilen angegriffen, welche zwei oder drei Soldaten Mohammeds zu seinen Füßen todt hinstreckten und mehrere andere verwundeten. Wirklich hatte Malec mit seinen tüchtigsten Kriegern auf diesen Höhen, welche die enge Schlucht beherrschten, Stellung genommen. Jede Klippe und Höhle war mit Bogenschützen und Schleuderern besetzt, und einige stürzten herab, um auf diesem eng geschlossenen Raume zu kämpfen.

Von plötzlichem Schrecken ergriffen, wendeten sich die Moslemen und flohen. Vergebens bat sie Mohammed als ihr Feldherr; vergebens rief er ihnen zu als der Prophet Gottes. Jeder dachte nur an seine eigne Rettung und an das Entkommen aus diesem schrecklichen Thale. Einen Augenblick lang schien Alles verloren und einige jüngst, aber wider Willen Bekehrte frohlockten über den vermuthlichen Umschwung in dem Glücke des Propheten. »Beim Himmel!« rief Abu Sofian, als er den fliehenden Moslemen nachschaute, »es wird sie Nichts aufhalten, bis sie die See erreichen.« »Gewiß«, rief ein anderer aus, »die magische Gewalt Mohammeds ist zu Ende!« Ein dritter, welcher versteckte Rache wegen des Todes seines Vaters, der in der Schlacht von Ohod von den Moslemen getödtet worden war, nährte, würde den Propheten in der Verwirrung ermordet haben, wenn er nicht von einigen ergebenen Anhängern umgeben und beschützt worden wäre. Mohammed selbst spornte, von Verzweiflung getrieben, sein Maulthier wider den Feind; aber Al Abbas ergriff den Zügel und hielt ihn zurück, daß er nicht einem gewissen Tode entgegenstürzte, und zur nämlichen Zeit stieß er ein Geschrei aus, welches in dem engen Thale widerhallte. Al Abbas war wegen Lungenstärke berühmt und in diesem Augenblicke war sie die Rettung des Heeres. Die Moslemen sammelten sich wieder, als sie seine wohlbekannte Stimme hörten, und da sie erkannten, daß sie nicht verfolgt würden, so kehrten sie zurück zum Gefecht. Der Feind war von den Höhen hinabgestiegen und jetzt folgte ein blutiger Zusammenstoß in dem Engpasse. »Der Ofen glühet,« rief Mohammed frohlockend, als er das Glänzen der Waffen und das Blitzen der Wehren sah. Sich aus dem Sattel niederbeugend ergriff er eine Hand voll Staub und streute ihn gegen die Feinde in die Luft. »Verwirrung falle auf ihre Gesichter!« rief er; »mag dieser Staub sie blenden!« Sie wurden demnach geblendet und flohen in Verwirrung, sagen die moslemischen Schriftsteller, obgleich eher der moslemischen Ueberlegenheit an Streitkräften und der Begeisterung, welche ihnen die Ausrufungen des Propheten einflößte, die Niederlage derselben zugeschrieben werden mag. Malec und die Thakefiten suchten Zuflucht in der entfernten Stadt Tayef; die Uebrigen zogen sich in das Lager im Thale Autas zurück.

Während Mohammed im Thale Honein blieb, schickte er Abu Amir mit einer starken Streitmacht ab, um das Lager anzugreifen. Die Hawazinen leisteten tapfern Widerstand. Abu Amir wurde getödtet; aber sein Neffe Abu Musa übernahm den Befehl und errang einen vollständigen Sieg, nachdem er viele Feinde erlegt hatte. Das Lager bot große Beute und viele Gefangene zufolge der unklugen Maßregel Malec Ibn Auf's, nach welcher er es mit den Familien und Habseligkeiten, mit dem kleinen und großen Vieh der Verbündeten anfüllte, und zufolge der Mißachtung des weisen Rathes, welchen der ergraute Doraid ertheilte. Das Schicksal dieses hochbetagten Kriegers der Wüste ist der Erwähnung würdig. Während die moslemischen Truppen, die durch das Lager sich zerstreut hatten, auf Beute bedacht waren, so bemerkte der junge Suleimite Rabia Ibn Rafi eine Sänfte, die ein Kameel auf dem Rücken trug, und verfolgte sie in der Vermuthung, daß sie irgend ein schönes Frauenzimmer berge. Als er sie einholte und die Gardine hinwegzog, bemerkte er die skelettartige Gestalt des greisen Doraid. Verdrießlich und getäuscht hieb er mit dem Schwerte nach ihm, aber die Waffe zerbrach in seiner Hand. »Deine Mutter«, sagte der alte Mann spöttisch, »hat dich mit armseligen Waffen versehen; du wirst die, welche hinter meinem Sattel hängt, besser finden.« Der Jüngling ergriff sie; aber da er sie aus der Scheide zog, bemerkte Doraid, daß es ein Suleimite war, und rief aus: »Sage deiner Mutter, du habest Doraid Ibn Simma erschlagen, welcher viele Frauen ihres Stammes am Schlachttage gerettet habe.« Die Worte waren wirkungslos; der Schädel des Veteranen wurde mit seinem eigenen Säbel gespalten. Als Rabia bei der Rückkehr nach Mekka seiner Mutter von der That erzählte, so sagte sie vorwurfsvoll: »Du hast wirklich einen Wohlthäter unseres Geschlechtes erschlagen. Drei Weiber deiner Familie hat Doraid Ibn Simma aus der Gefangenschaft befreit.«

Abu Musa kehrte im Triumphe zu Mohammed zurück, und machte mit der Beute aus dem Lager von Autas und den Frauen und Kindern, welche er gefangen genommen, ein großes Gepränge. Eine der Gefangenen warf sich dem Propheten zu Füßen und flehte ihn um Barmherzigkeit an, da sie seine Milchschwester Al Schima, die Tochter Halêmas wäre, welche ihn im saaditischen Thale aufgezogen hatte. Vergeblich suchte Mohammed in den verwelkten Zügen die reizende Gespielin seiner Kindheit zu erkennen, sie aber entblößte den Rücken und zeigte da eine Narbe, wo er sie bei ihren lustigen Streichen gebissen hatte. Er zweifelte nicht länger, sondern behandelte sie mit Freundlichkeit, ihr die Wahl lassend, bei ihm und unter seinem Schutze zu bleiben, oder in ihre Heimath und zu ihren Verwandten zurückzukehren.

Eine Bedenklichkeit stieg rücksichtlich der weiblichen Gefangenen unter den Moslemen auf. Konnten sie von solchen, welche verheirathet waren, Gebrauch machen, ohne die Sünde des Ehebruchs zu begehen? Die Offenbarung in einem Spruche des Korans machte der Schwierigkeit ein Ende. »Ihr sollt nicht freie Frauenzimmer, welche verehelicht sind, zu Ehegattinnen nehmen, es sei denn, daß eure rechte Hand sie zu Sclavinnen gemacht hat.« Diesem gemäß konnten alle im Kriege weggenommenen Frauenspersonen zu Eheweibern der Gefangennehmer gemacht werden, wenn schon die früheren Ehemänner derselben noch am Leben waren. Die Sieger von Honein ermangelten nicht, unmittelbaren Vortheil aus diesem Gesetze zu ziehen.

Die Gefangenen und die Beute an einem sicheren Platze und angemessen bewacht zurücklassend, verschritt jetzt Mohammed zur Verfolgung der Thakefiten, welche sich nach Tayef geflüchtet hatten. Ein Rachegefühl mischte sich in die fromme Inbrunst, als er der abgöttischen Stadt, dem Schauplatze früherer Beleidigung und Beschimpfung nahte, und als er die Thore erblickte, aus denen er einst schmachvoll hinausgetrieben worden war. Die Mauern waren jedoch zu stark, um erstürmt zu werden; auch war ein schützendes Castell daselbst. Daher nahmen sie zum ersten Male zu Catapulten (Wurfmaschinen), Sturmböcken und andern bei Belagerungen gebrauchten, aber in der arabischen Kriegführung unbekannten Maschinen ihre Zuflucht. Diese wurden unter der Leitung des moslemischen Persers Salmân errichtet.

Die Belagerten schlugen jedoch jeden Angriff zurück, ängstigten die Stürmenden mit Wurfspießen und Pfeilen und gossen geschmolzenes Eisen auf die Schilde aus Ochsenhäuten nieder, von denen gedeckt sie den Mauern nahten. Mohammed verwüstete jetzt die Felder, die Obstgärten und Weinberge und verkündigte allen Sclaven, die aus der Stadt fliehen würden, die Freiheit. Zwanzig Tage lang setzte er die Belagerung ohne Ergebniß fort, indem er in der Mitte zwischen den Zelten seiner Frauen Omm Salama und Zeinab, welchen es durchs Loos beschieden worden war, ihn auf diesem Feldzuge zu begleiten, täglich Gebete zu Allah emporschickte. Seine Hoffnungen auf Erfolg begannen zu ermatten, und durch einen von Abu Beker, der wegen seiner Geschicklichkeit in der Auslegung von Nachtgesichten berühmt war, ungünstig gedeuteten Traum wurde er noch mehr entmuthigt. Er würde die Belagerung aufgehoben haben, aber die Truppen murrten; hierauf gab er zum Sturm auf eines der Thore Befehl. Wie gewöhnlich wurde es hartnäckig vertheidigt; Viele wurden auf beiden Seiten getödtet; Abu Sofian, welcher bei dieser Gelegenheit mit Tapferkeit kämpfte, verlor ein Auge, und die Moslemen wurden endlich zurückgeschlagen.

Mohammed brach jetzt das Lager ab, den Truppen versprechend, daß er die Belagerung künftig wieder aufnehmen würde, und begab sich an den Platz, wo die Beute von seinem Kriegszuge aufgespeichert war. Diese belief sich, wie die arabischen Schriftsteller sagen, auf vierundzwanzig tausend Kameele, vierzig tausend Schafe, vier tausend Unzen Silber und sechs tausend Gefangene.

Kurze Zeit darauf erschien eine Deputation der Hawazinen, welche die Unterwerfung ihres Stammes erklärte und um die Rückgabe ihrer Familien und Habseligkeiten bat. Mit ihnen kam Halêma, die nun in Jahren vorgerückte Pflegemutter Mohammeds. Die Erinnerungen an seine Kindheit sprachen wiederum zu seinem Herzen. »Was ist euch das Liebste«, sprach er zu den Hawazinen, »eure Familien oder eure Güter?« Sie antworteten: »Unsere Familien.«

»Genug«, fügte er hinzu, »so viel es Al Abbas und mich betrifft, so sind wir bereit, unsern Antheil an den Gefangenen herauszugeben; aber es sind noch Andere dazu zu bewegen. Kommt nach dem Mittagsgebete zu mir und saget: Wir flehen den Gesandten Gottes an, daß er seine Gläubigen ermahne, uns unsere Frauen und Kinder zurückzugeben, und wir rufen seine Gläubigen an, daß sie sich bei ihm zu unseren Gunsten verwenden.«

Die Abgeschickten thaten, wie er ihnen rieth. Mohammed und Al Abbas verzichteten sogleich auf ihren Antheil an den Gefangenen; ihrem Beispiele folgten Alle mit Ausnahme der Stämme Tamim und Fazara; aber er erlangte ihre Einwilligung dadurch, daß er ihnen den sechsfachen Antheil an den bei dem nächsten Kriegszuge gemachten Gefangenen zusicherte. Auf diese Weise brachte Halêmas Verwendung die Freigebung aller Gefangenen ihres Stammes zu Stande. Eine altherkömmliche Anekdote zeigt die Ehrerbietung, mit welcher Mohammed diese geringe Beschützerin seiner Kindheit behandelte. »Ich saß bei dem Propheten«, sagte einer seiner Schüler, »als sich auf einmal ein Weib zeigte, und er aufstand und seinen Mantel für sie hinbreitete, damit sie sich darauf setzen sollte. Als sie fortging, wurde bemerkt, dieses Weib hat den Propheten gesäugt.«

Mohammed schickte nun an Malec, welcher in Tayef eingeschlossen blieb, einen Gesandten, welcher ihm die Ausantwortung aller zu Honein ihm abgenommenen Beute und ein Geschenk von hundert Kameelen anbot, wenn er sich unterwerfen und den Glauben annehmen wollte. Malec wurde durch dieses großmüthige Anerbieten besiegt und bekehrt und brachte mehrere der verbündeten Stämme mit sich zu der Fahne des Propheten. Sofort wurde er zum Häuptling derselben ernannt und bewies sich in der Folgezeit in der Glaubensangelegenheit als eine scharfe Geißel gegen die Thakefiten, seine ehemaligen Bundesgenossen.

Die Moslemen begannen jetzt zu fürchten, daß Mohammed bei diesen hochherzigen Beweggründen den gesammten Ertrag ihrer jüngsten Kämpfe verschleudern möchte. Daher drängten sie sich um ihn und schrieen nach Vertheilung der Beute und der Gefangenen. Unwillig blickte er sie an und sagte: »Habt ihr mich jemals geizig oder unredlich oder ungesetzlich erfunden?« Hierauf riß er ein Haar aus dem Rücken eines Kameels, erhob seine Stimme und rief: »Bei Allah! Ich habe von der gemeinsamen Beute niemals den Werth dieses Kameelhaares mehr genommen als ein Fünftheil, und dieses Fünftheil ist immer zu eurem Besten verwendet worden.«

Hierauf vertheilte er die Beute, wie es herkömmlich war. Vier Fünftel erhielten die Truppen, aber sein eigenes Fünftel spendete er unter die aus, deren Treue er sich zu sichern wünschte. Die Koreischiten hielt er für unsichere Verbündete; vielleicht war ihm das Frohlocken einiger von ihnen, welche seine Niederlage im Geiste vorauszusehen glaubten, zu Ohren gekommen; diese suchte er jetzt durch Geschenke an sich zu ketten. Abu Sofian gab er hundert Kameele und vierzig Unzen Silber zur Entschädigung für das Auge, welches er beim Angriffe auf das Thor von Tayef verloren hatte. Akrema Ibn Abu Jahl und Andern gleichen Ranges gab er in angemessenem Verhältnisse, und zwar Alles von seinem Antheile. Unter den lauen, auf diese Weise begünstigten Neubekehrten befand sich der Dichter Abbas Ibn Mardas. Er war mit seinem Theile unzufrieden und ließ seinen Unmuth in satyrischen Versen aus. Mohammed hatte ihn belauscht. »Nehmt diesen Mann von hier weg«, sagte er, »und schneidet ihm die Zunge aus.« Omar, zu harten Maßregeln stets bereit, würde den Befehl buchstäblich ausgeführt haben, und das auf der Stelle; aber Andere, welche von des Propheten Meinung besser unterrichtet waren, führten Abbas, der am ganzen Leibe zitterte, auf den öffentlichen Platz, wo das erbeutete Vieh zusammen aufgestellt war, und baten ihn, sich davon das, was ihm gefiele, auszuwählen. »Wie!« rief der Dichter fröhlich und von dem Schrecken vor Verstümmelung befreit, »ist das die Art, auf welche der Prophet meine Zunge zum Schweigen bringen wollte? Bei Allah! ich will Nichts nehmen.« Mohammed bestand jedoch auf seiner staatsklugen Großmuth und schickte ihm sechzig Kameele. Von dieser Zeit an wurde der Dichter niemals müde, die Freigebigkeit des Propheten zu besingen.

Während Mohammed auf diese Weise den guten Willen der lauen Neubekehrten aus Mekka reizte, erregte er das Murren der Hülfsvölker Medinas. »Sehet,« sagten sie, »wie er an die verrätherischen Koreischiten Geschenke verschwendet, während wir, die wir ihm in allen Gefahren treu gewesen sind, Nichts als unsern nackten Antheil empfangen. Was haben wir gethan, daß wir also in den Hintergrund gestellt werden sollen?« Mohammed wurde von diesem Murren unterrichtet und forderte die Führer in sein Zelt. »Höret mich an, ihr Männer von Medina,« sagte er; »waret ihr nicht in Zwietracht unter euch selbst, und habe ich euch nicht zur Eintracht geführt? Waret ihr nicht im Irrthume, und habe ich euch nicht auf den Pfad der Wahrheit geleitet? Waret ihr nicht arm, und habe ich euch nicht reich gemacht?« Sie erkannten die Wahrheit dieser Worte an. »Sehet!« fuhr er fort, »ich kam zu euch als Lügner gebrandmarkt, doch ihr glaubtet an mich; als ein Verfolgter, doch ihr beschütztet mich; als ein Flüchtling, doch ihr nahmet mich auf; als ein Hülfloser, doch ihr unterstütztet mich. Denkt ihr denn, ich fühle dies nicht? Denkt ihr denn, ich könne undankbar sein? Ihr beklagt euch, daß ich an diese Leute Geschenke vertheile und euch keine gebe. Zwar gebe ich ihnen irdisches Gut, aber es geschieht, um ihre irdisch gesinnten Herzen zu gewinnen. Euch, die ihr aufrichtig gewesen seid, euch gebe ich mich selbst! Sie kehren mit Schafen und Kameelen heim; ihr kehrt mit dem Propheten Gottes unter euch zurück: Denn bei dem, in dessen Händen Mohammeds Seele ist, ich würde bei euch bleiben, obschon die ganze Welt den einen, und ihr den andern Weg ginget! Wem von euch habe ich nun am meisten vergolten?«

Die Hülfsvölker wurden durch diese Ansprache sogar bis zu Thränen gerührt. »O Prophet Gottes,« riefen sie aus, »wir sind mit unserm Loose zufrieden!«

Nach Vertheilung der Beute zog Mohammed nach Mekka, nicht mit dem Gepränge und dem Frohlocken eines Eroberers, sondern im Pilgerkleide, um die Gebräuche seiner Wallfahrt zu erfüllen. Als diese alle gewissenhaft vollbracht waren, so bestimmte er Moad Ibn Jabal (Dschabal) zum Iman oder Oberpriester, um das Volk in den Lehren des Islams zu unterweisen, und legte die Regierung der Stadt in die Hände Otab's, eines nur achtzehnjährigen Jünglings; hierauf sagte er seiner Geburtsstadt Lebewohl und brach mit seinen Truppen zur Rückkehr nach Medina auf.

Bei dem Dorfe Al Abwa, wo seine Mutter begraben lag, ankommend, sehnte sich sein Herz, ihrem Andenken den kindlichen Tribut zu zahlen; aber sein eigenes geoffenbartes Gesetz verbot jegliche Rücksicht auf das Grab derjenigen, welche im Unglauben verstorben war. In der heftigen Aufregung seiner Empfindungen erflehte er vom Himmel eine Milderung dieses Gesetzes. Wenn es bei einer Gelegenheit dieser Art irgend eine Täuschung gab, so würde man annehmen, daß es eine Selbsttäuschung gewesen sein müßte, und daß er an eine eingebildete Weisung vom Himmel, welche das Gesetz theilweise und in dem gegenwärtigen Falle milderte und ihm gestattete, das Grab zu besuchen, wirklich glaubte. Er brach in Thränen aus, als er der Stätte nahte, wo die zartesten Gefühle eines Kindes sich erproben; aber Thränen waren der gesammte Tribut, welchen er darbringen konnte. »Ich bat Gott um Erlaubniß«, sagte er traurig, »das Grab meiner Mutter besuchen zu dürfen, und sie wurde mir gewährt; als ich aber um die Erlaubniß bat, für sie beten zu dürfen, so wurde sie mir verweigert.«

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