Neunundzwanzigstes Capitel - Absichten auf Mekka – Abu
Sofians Sendung – Ihr Ergebnis
Mohammed hatte durch Gewalt entweder der Waffen oder der
Beredsamkeit über eine große Zahl der arabischen Stämme die
Oberherrschaft erworben. Viele tausend Krieger standen unter
seinem Befehle; Söhne der Wüste, die an Hunger, Durst und die
sengenden Strahlen der Sonne sich gewöhnt hatten, und denen
Krieg eher Vergnügen als Mühseligkeit war. Ihre Zügellosigkeit
hatte er beseitigt, ihre Tapferkeit geregelt und sie der
Ordnung unterworfen. Wiederholte Siege hatten ihnen Vertrauen
auf sich selbst und auf ihren Führer eingeflößt, dessen Fahne
sie mit dem schweigenden Gehorsam des Soldaten und dem blinden
Feuereifer des Jüngers folgten.
Die Pläne Mohammeds erweiterten sich mit den Mitteln, und
ein großes Unternehmen schloß sich jetzt seinem Geiste auf.
Mekka, seine Geburtsstadt, der Wohnort seiner Familie mehrere
Zeitalter hindurch, der Schauplatz seiner glücklichsten Jahre,
war noch in den Händen seiner unversöhnlichen Feinde. Die
Kaaba, der Gegenstand der Andacht und Wallfahrt für alle
Kinder Ismaels, das Haus seiner frühsten Gottesverehrung, war
noch durch die Sinnbilder und Gebräuche der Abgötterei
entweiht. Die Fahne des Glaubens auf die Mauern seiner
Geburtsstadt zu pflanzen, das heilige Haus von der Entweihung
zu säubern, dasselbe der geistigen Anbetung des einen wahren
Gottes zurückzugeben und es zum Vereinigungspuncte des
Islamismus zu machen: das war jetzt das leitende Ziel seines
Ehrgeizes.
Der Friedensvertrag mit den Koreischiten war für jede
militärische Unternehmung ein Hinderniß; aber einige zufällige
Fehden und Scharmützel gaben bald den Vorwand zu der
Beschuldigung, daß sie die Vertragsbestimmungen verletzt
hätten. Die Koreischiten hatten diese Zeit her die schnell
wachsende Macht der Moslemen achten und fürchten gelernt, und
es lag ihnen am Herzen, die Streitigkeiten und Vergehungen
einiger unbesonnener Personen auszugleichen und durch Ersatz
zu sühnen. Sie bewogen sogar ihren Anführer Abu Sofian, als
Friedensbotschafter nach Medina zu reisen, indem sie sich
darauf stützten, daß er durch seine Tochter Omm Habiba einigen
Einfluß auf den Propheten haben könnte.
Für diesen hochmüthigen Häuptling war es eine schmerzliche
Prüfung, fast wie ein Bittender zu dem Manne zu kommen,
welchen er als einen Betrüger verspottet und mit
unvertilgbarer Feindseligkeit behandelt hatte; und sein
stolzes Gemüth war zu noch weiterer Demüthigung verurtheilt,
denn Mohammed würdigte ihn keiner Antwort, weil er von seiner
Botschaft auf die Schwäche der Partei schloß und zum Kriege
geneigt war.
Den Grimm unterdrückend bewarb sich Abu Sofian um Abu
Bekers, Omars und Alis Vermittlung; aber sie alle tadelten und
wiesen ihn ab, weil sie die geheimen Wünsche Mohammeds
kannten. Zunächst war er nun eifrig bemüht, die Gunst Fatimas,
der Tochter Mohammeds und der Gattin Alis sich zu sichern,
indem er dem Mutterstolze durch die Bitte schmeichelte, daß
sie ihren Sohn Hasan, ein Kind von sechs Jahren, seinen
Fürsprecher sein ließe; aber Fatima antwortete stolz: »Mein
Sohn ist zu jung, um ein Fürsprecher sein zu können, und wider
den Willen des Propheten Gottes kann keine Fürsprache Vortheil
bringen.« Sogar seine Tochter Omm Habiba, Mohammeds Gattin,
auf welche er wegen des Einflusses gerechnet hatte, trug zu
seiner Demüthigung bei; denn als er sichs ausbat, sich in
ihrer Wohnung auf eine Matte setzen zu dürfen, so legte sie
dieselbe eiligst zusammen mit dem Ausrufe: »Das ist das Bett
des Propheten Gottes und zu heilig, um der Ruheplatz für einen
Götzendiener zu werden.«
Die Schale der Erniedrigung war zum Ueberlaufen voll, und
in der Bitterkeit des Herzens verfluchte Abu Sofian seine
Tochter. Er wendete sich wiederum an Ali und bat ihn um Rath
in diesem trostlosen Zustande seiner Gesandtschaft. »Ich kann
dir nichts Besseres rathen,« entgegnete Ali, »als deinerseits
als das Oberhaupt der Koreischiten die Fortdauer deiner
Beschützung zu versprechen, und dann in deine Heimath
zurückzukehren.« »Aber meinst du, daß dieses Versprechen von
irgend welchem Nutzen sein wird?« »Ich denke nicht«,
entgegnete Ali trocken, »aber ich kenne auch keinen andern
Bescheid.«
In Folge dieses Rathschlages begab sich Abu Sofian in die
Moschee und gab rücksichtlich der Koreischiten die öffentliche
Erklärung, daß der Friedensvertrag auf ihrer Seite treulich
aufrecht erhalten werden sollte; hierauf kehrte er, durch das
geringfügige Ergebniß seiner Sendung tief gedemüthigt, nach
Mekka zurück. Mit Hohn empfingen ihn die Koreischiten, welche
bemerkten, daß ohne Mohammeds Zustimmung die Friedenserklärung
keinen Werth hätte.