Einundzwanzigstes Capitel - Treulosigkeit gewisser
jüdischer Stämme; ihre Bestrafung – Ergebenheit Zeid's, des
Freigelassenen des Propheten; er verstößt sein schönes Weib
Zeinab, daß sie das Weib des Propheten werden kann
Mohammeds Niederlage in der Schlacht von Ohod wirkte eine
Zeit lang unter einigen arabischen und jüdischen Stämmen
ungünstig für seine Sache, was in gewissen Arten von
Treulosigkeit zu Tage trat. Die Bewohner der zwei Städte Adhal
und Kara schickten eine Deputation an ihn, welche die Neigung,
den Glauben anzunehmen, zu erkennen gab und um Missionäre bat,
welche sie in seinen Lehren unterrichten sollten. Demnach
schickte er in Begleitung der Deputation sechs Glaubenslehrer
ab; aber während sie auf der Reise bei dem Bache Radje (Raddsche)
innerhalb der Gränzen der Hodseititen ausruhten, fielen die
Deputirten über die arglosen Moslemen her, erschlugen vier von
ihnen und führten die zwei übrigen nach Mekka, wo sie
dieselben den Koreischiten auslieferten, welche sie tödteten.
Eine ähnliche Verrätherei wurde durch die Leute der Provinz
Nadjed (Naddsched) verübt. Unter dem Vorwande, Moslemen zu
sein, erbaten sie von Mohammed Hülfe wider ihre Feinde. Er
sandte ihnen eine Anzahl seiner Anhänger zur Unterstützung,
welche von den Beni Suleim oder den Suleimiten beim Bache
Manna, ungefähr vier Tagereisen von Medina, angegriffen und
fast bis auf den letzten Mann getödtet wurden. Einer der
Moslemen, Amru Ibn Omeya, entkam dem Gemetzel und eilte nach
Medina. Unterwegs begegnete er zwei unbewaffneten Juden von
den Beni Amir; da er sie entweder irriger Weise für Feinde
hielt oder durch den Tod seiner Gefährten zu zügelloser Wuth
fortgerissen wurde, so fiel er über sie her und tödtete sie.
Der Stamm, welcher mit Mohammed in Frieden lebte, forderte ihn
zur Abhülfe auf. Er übertrug die Vermittelung dieser
Angelegenheit einem andern jüdischen Stamme, den Beni Nadher,
welchen reiche Besitzungen und die Burg Zohra, drei Meilen von
Medina, gehörten. Dieser Stamm hatte sich bei Mohammeds
Ankunft aus Mekka durch Vertrag verpflichtet, zwischen ihm und
seinen Gegnern Neutralität zu beobachten. Der Häuptling
desselben wurde jetzt als Vermittler gebraucht und lud
Mohammed zu einer Unterredung ein. Von Abu Beker, Omar, Ali
und einigen Andern begleitet begab er sich dorthin. Ein Imbiß
wurde unter freiem Himmel vor der Wohnung des Häuptlings
aufgetragen. Mohammed erhielt jedoch im Geheimen Nachricht,
daß er verrätherisch dorthin gelockt worden wäre und
umgebracht werden sollte, wenn er bei dem Imbiß säße; man
erzählt, daß man ihn durch einen vom terrassenförmigen Dache
des Hauses hinabgerollten Mühlsteine zermalmen wollte. Ohne
seine Kenntniß des Verrathes anzudeuten, verließ er plötzlich
die Gesellschaft und eilte nach Medina zurück.
Seine Wuth entbrannte jetzt gegen den ganzen Stamm Nadher,
und er befahl ihnen bei Todesstrafe, binnen zehn Tagen das
Land zu verlassen. Sie würden auch abgezogen sein, wenn nicht
der Khazradite Abdallah durch die Zusage seines Beistandes sie
heimlich überredet hätte zu bleiben. Er unterließ die
Erfüllung seines Versprechens. Die Beni Nadher, auf diese
Weise »von dem Häuptling der Heuchler« hintergangen, warfen
sich in ihre Burg Zohra, in welcher sie Mohammed belagerte und
die Dattelbäume, an die sie rücksichtlich des Proviants
gewiesen waren, niederhieb und verbrannte. Nach sechs Tagen
capitulirten sie und erhielten Erlaubniß zur Abreise, jeder
mit einem mit Sachen, wovon jedoch Waffen ausgenommen waren,
beladenen Kameele. Einige wurden nach Syrien, Andere nach
Klaibar, einer starken jüdischen Stadt und Festung, die
etliche Tagereisen von Medina entfernt war, verbannt. Da der
Stamm wohlhabend war, so gab es große Beute, die Mohammed
gänzlich an sich nahm. Seine Anhänger wendeten ein, daß dies
dem im Koran geoffenbarten Theilungsgesetze entgegen wäre;
aber er ließ sie wissen, daß zufolge einer andern Offenbarung
jegliche Beute, welche wie die gegenwärtige ohne einen
Schwertstrich erlangt würde, nicht von Menschen gewonnen,
sondern eine Gabe Gottes wäre und dem Propheten überliefert
werden müßte, um von ihm zu guten Werken, zur Unterstützung
der Waisen, der Armen und der Reisenden verwendet zu werden.
Wirklich eignete sich Mohammed dieselbe nicht zu seinem Nutzen
an, sondern vertheilte sie unter die Mohadjeren, d. i. die
mekkanischen Flüchtlinge, unter zwei Juden, welche den Islam
angenommen hatten, und zwei oder drei Ansaren, d. i.
Hülfsmannen aus Medina, welche sich ausgezeichnet verhalten
hatten und arm waren.
Wir enthalten uns, auf die Schilderung der verschiedenen
kleinen Streifzüge Mohammeds in dieser Zeit einzugehen, von
denen einer bis in die Nachbarschaft von Tabuk, auf der
syrischen Gränze, sich erstreckte, um einen Wanderstamm zu
züchtigen, welcher medinäische Karavanen geplündert hatte.
Diese Streifzüge waren untermengt in ihren Ergebnissen,
obschon meistens ergiebig an Beute, welche die Gemüther der
Moslemen jetzt fast ebenso sehr zu beschäftigen anfing, als
die Ausbreitung des Glaubens. Die so plötzlich gewonnene Beute
mag zu rauschenden Lustbarkeiten und Schlemmereien geführt
haben, da wir über diesen Vorfall eine Offenbarung im Koran
finden, welche Wein und Hasardspiele, diese fruchtbaren
Ursachen zu Streit und Zuchtlosigkeit in räuberischen Heeren,
verbietet.
Während dieser Zeit seiner Laufbahn entging Mohammed in
mehr als einem Falle mit genauer Noth der Gefahr, durch die
Hand eines Meuchelmörders zu fallen. Ihm selbst wird die
Anwendung hinterlistiger Mittel, sich von einem Feinde zu
befreien, aufgebürdet; denn er soll Amru Ibn Omeya mit dem
geheimen Auftrage, Abu Sofian zu ermorden, nach Mekka gesandt
haben, aber der Anschlag entdeckt worden und der Meuchelmörder
nur durch eilige Flucht entkommen sein. Diese Anschuldigung
ist jedoch nicht wohl begründet und der Auftrag ist seinem
gewöhnlichen Character und Verhalten zuwider.
Wenn Mohammed unbiegsame Feinde hatte, so hatte er auch
ergebene Freunde, wovon wir in dem Vorfalle mit seinem
Freigelassenen und Pflegesohne Zeid Ibn Hareth ein Beispiel
haben. Er war einer der ersten Bekenner des Glaubens und einer
der wackersten Kämpen für denselben. Mohammed fragte ihn bei
allen Gelegenheiten um Rath und verwendete ihn in seinen
häuslichen Geschäften. Eines Tages betrat er dessen Haus mit
der Freiheit, mit welcher ein Vater die Wohnung eines Sohnes
betritt. Zeid war abwesend, aber sein Weib Zeinab, das er vor
Kurzem geehelicht hatte, war daheim. Sie war die Tochter
Djaseh's (Dschaseh's) aus dem Lande Kaiba, und wurde als die
schönste ihres Stammes betrachtet. In der häuslichen
Zurückgezogenheit hatte sie den Schleier und einen Theil des
Kopfputzes bei Seite gelegt, so daß ihre Schönheit vor
Mohammeds Blicke bei seinem plötzlichen Eintritte enthüllt
dastand. Er konnte Ausdrücke des Staunens und der Verwunderung
nicht zurückhalten; sie erwiderte Nichts auf dieselben,
wiederholte sie jedoch alle ihrem Gatten bei seiner
Nachhausekunft. Zeid kannte Mohammeds Anlage zum Verlieben und
sahe, daß er durch Zeinab's Schönheit gefesselt worden war. Er
eilte zu ihm mit dem Anerbieten, sein Weib zu verstoßen; aber
der Prophet verbot es als etwas Gesetzwidriges. Zeids Eifer
konnte nicht gebändigt werden; er liebte die schöne Gattin,
aber er verehrte den Propheten und vollzog die Ehescheidung
ohne Aufschub. Als die erforderliche Frist nach der Trennung
verflossen war, nahm Mohammed mit Dank dies Opfer der
Ergebenheit an. Seine Hochzeit mit Zeinab übertraf seine
sämmtlichen Eheschließungen an Glanz. Seine Thore waren für
alle Ankommenden geöffnet; sie wurden mit Schaf- und
Lammfleisch, mit Gerstenkuchen, mit Honig und Früchten und
Lieblingsgetränken festlich bewirthet; so aßen und tranken sie
in Fülle und dann gingen sie fort, indem sie die Scheidung als
schimpflich und die Heirath als blutschänderisch bezeichneten.
In dieser bedenklichen Zeit wurde jener Theil der
dreiundvierzigsten Sure des Korans geoffenbart, welcher die
Verwandten aus Adoption (Annahme an Kindes Statt) von den
Verwandten durchs Blut unterscheidet, wornach es keine Sünde
ist, wenn Jemand eine ehelicht, welche das Weib eines
Adoptivsohnes war. Diese zeitgemäße Offenbarung beruhigte die
Gläubigen; um jedoch jeden Schatten eines Anstoßes zu
vertilgen, widerrief Mohammed seine Adoption und befahl, daß
Zeid seinen ursprünglichen Namen Ibn Hareth, nach seinem
leiblichen Vater, wieder führen sollte. Die schöne Zeinab aber
rühmte sich seitdem eines Vorzuges vor den übrigen Frauen des
Propheten auf Grund der Offenbarung, indem sie anführte, daß
ihre Ehe vom Himmel angeordnet wäre.
Ende des ersten Theiles.