Abreise aus Berlin
Da wir zur Erledigung unseres Auftrages elf Monate in
Berlin weilen mussten, so lud man uns während unseres
Aufenthalts, um uns zu amüsieren, in der Winterzeit zu den
Gesellschaften ein, die man Bälle nannte, in der Stadt und im
königlichen Schloss, sowie in Oper und Komödie genannte
Schauspielhäuser; im Sommer jedoch in die innerhalb und
außerhalb der Stadt gelegenen Gärten.
Nachdem wir so die Zeit verlebt hatten, lud man uns, weil
von dem der kaiserlich türkischen Armee zugeteilten Oberst
Götze ihrem Staatsminister unsere Rückkehrerlaubnis zugegangen
war, am 7. dschemaz-Uula des Jahres 1206 [27. Dezember 1791]
zur Audienz in das königliche Schloss, wo uns der König sein
Antwortschreiben aushändigte.
Zur Beschaffung unserer Reisebedürfnisse blieben wir noch
15 Tage in Berlin und trennten uns am 16. des erwähnten Monats
von unserem Wohnsitz in Berlin. Da mit Rücksicht darauf, dass
unsere Reise in den strengsten Winter fiel, versichert wurde,
dass der Weg durch Sachsen nach Böhmen, und von Böhmen nach
Wien der leichteste sei, so wurde über Sachsen nach Wien „das
Kamel des Aufbruchs angetrieben" und von Berlin aus in 6 Tagen
Dresden (Dreste), die Hauptstadt des Sachsenherzogs erreicht.
Diese Stadt liegt auf beiden Seiten des großen, Elbe genannt
ten Flusses. Sie hat viele Wein und Blumengärten und ist mit
ihrem reichen Handel eine wohlkultivierte Stadt. Über die
mitten durch die Stadt fließende Elbe spannt sich eine
fünfzehn oder sechzehnbogige, auf beiden Seiten mit eisernen
Geländern versehene Steinbrücke, die durch ihre
Einzigartigkeit (nedret) in Europa berühmt ist.
Da wir nun angeordnet hatten, dass uns die Meldung
vorausgesandt würde, die nötigen Postpferde zu beschaffen, so
waren wir, um einen Tag in Dresden zu rasten, in einem «ostaria»
genannten Gasthaus abgestiegen, als aus der Umgebung des
Herzogs ein Mann kam mit Namen Conte Markolini. Weil dieser
nach der üblichen Willkommsbezeugung von Seiten des Herzogs
der Bitte Ausdruck gab, dass wir ein paar Tage in Dresden
verweilen möchten, und wir uns dann auf seine Bitte hin auch
entschlossen hatten, noch zwei Tage dort zu rasten und
Aufenthalt zu nehmen, so kam am folgenden Tage wieder ein
besonderer Einlader von dem Herzog, um uns zu der nach
Sonnenuntergang in seinem Schlosse veranstalteten Gesellschaft
einzuladen. Zu der bestimmten Zeit bestiegen wir die Kutsche,
die er gesandt hatte. Bei unserer Ankunft in seinem Schloss
empfing er selbst mit seinem Bruder uns an der Tür der
Empfangshalle.
Nachdem wir uns im Stehen ein wenig unterhalten hatten,
führte er uns in den großen Salon, wo die Gesellschaft war,
und bezeigte uns viel Liebenswürdigkeit und Aufmerksamkeit.
Einer der sonderbaren Gebräuche Europas ist es, einen aus
anderen Ländern kommenden, bemerkenswerten Mann bei seiner
Ankunft in ihrer Stadt sogleich aufzufordern: „Erweisen Sie
uns doch die Güte, einige Tage in unserer Stadt zu bleiben und
unsere Stadt, sowie ihre Sehenswürdigkeiten zu beschauen!"
Ohne sich aber einfallen zu lassen oder zu überlegen, wo er
wohnen wird, und wieviel Geld er durch die Dauer des
Aufenthaltes nutzlos ausgeben wird, hält man ihn so von seinem
Wege ab. Dazu rühmen sie sich dort, ihrem Gast dann die größte
Ehre zu erweisen, wenn sie ihn mit auf eines ihrer Feste
nehmen, wo sie sich gegenseitig die höchsten Ehren bezeigen.
Dem Hauptmann, sowie dem Offizial und den Soldaten, die man
uns zum Schutz in Dresden und den größeren Städten Österreichs
zugeteilt hatte, räumten wir von den Zimmern des Gasthauses,
das wir auf Miete bewohnten, einige ein und ließen den
Hauptmann und die Soldaten darin wohnen. Dass man uns nun aber
während unserer Reise die Miete für die erwähnten Zimmer, ja
sogar die Rechnung für die von dem Hauptmann und dem Offizial
eingenommenen Mahlzeiten bezahlen ließ, war das
Allersonderbarste von allem.