Zivilisation und ...

Azmi Efendis Gesandtschaftsreise an den preußischen Hof

Ein Beitrag zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen Preußens zur Hohen Pforte unter Friedrich Wilhelm II.

Dissertation Otto Müller 1918 n.Chr.

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Abreise aus Berlin

Da wir zur Erledigung unseres Auftrages elf Monate in Berlin weilen mussten, so lud man uns während unseres Aufenthalts, um uns zu amüsieren, in der Winterzeit zu den Gesellschaften ein, die man Bälle nannte, in der Stadt und im königlichen Schloss, sowie in Oper und Komödie genannte Schauspielhäuser; im Sommer jedoch in die innerhalb und außerhalb der Stadt gelegenen Gärten.

Nachdem wir so die Zeit verlebt hatten, lud man uns, weil von dem der kaiserlich türkischen Armee zugeteilten Oberst Götze ihrem Staatsminister unsere Rückkehrerlaubnis zugegangen war, am 7. dschemaz-Uula des Jahres 1206 [27. Dezember 1791] zur Audienz in das königliche Schloss, wo uns der König sein Antwortschreiben aushändigte.

Zur Beschaffung unserer Reisebedürfnisse blieben wir noch 15 Tage in Berlin und trennten uns am 16. des erwähnten Monats von unserem Wohnsitz in Berlin. Da mit Rücksicht darauf, dass unsere Reise in den strengsten Winter fiel, versichert wurde, dass der Weg durch Sachsen nach Böhmen, und von Böhmen nach Wien der leichteste sei, so wurde über Sachsen nach Wien „das Kamel des Aufbruchs angetrieben" und von Berlin aus in 6 Tagen Dresden (Dreste), die Hauptstadt des Sachsenherzogs erreicht. Diese Stadt liegt auf beiden Seiten des großen, Elbe genannt ten Flusses. Sie hat viele Wein und Blumengärten und ist mit ihrem reichen Handel eine wohlkultivierte Stadt. Über die mitten durch die Stadt fließende Elbe spannt sich eine fünfzehn oder sechzehnbogige, auf beiden Seiten mit eisernen Geländern versehene Steinbrücke, die durch ihre Einzigartigkeit (nedret) in Europa berühmt ist.

Da wir nun angeordnet hatten, dass uns die Meldung vorausgesandt würde, die nötigen Postpferde zu beschaffen, so waren wir, um einen Tag in Dresden zu rasten, in einem «ostaria» genannten Gasthaus abgestiegen, als aus der Umgebung des Herzogs ein Mann kam mit Namen Conte Markolini. Weil dieser nach der üblichen Willkommsbezeugung von Seiten des Herzogs der Bitte Ausdruck gab, dass wir ein paar Tage in Dresden verweilen möchten, und wir uns dann auf seine Bitte hin auch entschlossen hatten, noch zwei Tage dort zu rasten und Aufenthalt zu nehmen, so kam am folgenden Tage wieder ein besonderer Einlader von dem Herzog, um uns zu der nach Sonnenuntergang in seinem Schlosse veranstalteten Gesellschaft einzuladen. Zu der bestimmten Zeit bestiegen wir die Kutsche, die er gesandt hatte. Bei unserer Ankunft in seinem Schloss empfing er selbst mit seinem Bruder uns an der Tür der Empfangshalle.

Nachdem wir uns im Stehen ein wenig unterhalten hatten, führte er uns in den großen Salon, wo die Gesellschaft war, und bezeigte uns viel Liebenswürdigkeit und Aufmerksamkeit. Einer der sonderbaren Gebräuche Europas ist es, einen aus anderen Ländern kommenden, bemerkenswerten Mann bei seiner Ankunft in ihrer Stadt sogleich aufzufordern: „Erweisen Sie uns doch die Güte, einige Tage in unserer Stadt zu bleiben und unsere Stadt, sowie ihre Sehenswürdigkeiten zu beschauen!" Ohne sich aber einfallen zu lassen oder zu überlegen, wo er wohnen wird, und wieviel Geld er durch die Dauer des Aufenthaltes nutzlos ausgeben wird, hält man ihn so von seinem Wege ab. Dazu rühmen sie sich dort, ihrem Gast dann die größte Ehre zu erweisen, wenn sie ihn mit auf eines ihrer Feste nehmen, wo sie sich gegenseitig die höchsten Ehren bezeigen. Dem Hauptmann, sowie dem Offizial und den Soldaten, die man uns zum Schutz in Dresden und den größeren Städten Österreichs zugeteilt hatte, räumten wir von den Zimmern des Gasthauses, das wir auf Miete bewohnten, einige ein und ließen den Hauptmann und die Soldaten darin wohnen. Dass man uns nun aber während unserer Reise die Miete für die erwähnten Zimmer, ja sogar die Rechnung für die von dem Hauptmann und dem Offizial eingenommenen Mahlzeiten bezahlen ließ, war das Allersonderbarste von allem.

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