Brief Pierre Lotis an seine Mutter.
Lorient, 22. März 1878.
Geliebte Mutter!
Heute morgen bin ich nach Lorient zurückgekehrt, wo ich
Deinen Brief vorfand. Es wird Dich überraschen, daß ich nicht
aus Paris komme, wohl aber aus Plounès-en-Goëlan, einem
bretonischen Dörfchen, etwa vierzig Meilen von hier, nahe von
Paimpol.
Ich hatte vor, am Sonntag nach Paris zu reisen, als ein
Brief von V. L. eintraf, der mir meldete, daß aus der Sache
nichts würde (die Publikation von Aziyadé). Da schien es mir
unnütz, hinzureisen, da ich doch ohnehin bald auf dem Wege
nach Rochefort vorüberkomme. Blieb mein Urlaubsschein, den ich
ausnützen wollte. Mein Matrose Yves reiste gerade zum Besuch
seiner alten Mutter ab und bestand darauf, mich mitzunehmen.
Dein blaues Trikot kam gerade zurecht: ein roter Gurt und eine
Kappe ergänzten ein Kostüm, das den Umständen angemessen war.
So sind wir denn alle beide am Sonntag nach Plounès
gefahren, woselbst Yves' Rückkehr gefeiert ward, gleich der
des verlorenen Sohnes. Als »ein Bruder von der Küste«
eingeführt, verbrachte ich vier Tage fischend und
umherstreifend in einem malerischen Land. Charakteristische
bretonische Bauernhäuser, gute, alte Mütterchen aus der
Vorzeit mit Rad und Spindel, Krabben, Apfelwein und mildes
Frühlingswetter.
Nach vierundzwanzigstündiger Fahrt kehrten wir heute morgen
zusammen zurück. Für alle anderen Leute komme ich aus Paris,
nur nicht für meine bucklige Freundin, die die Sachlage kennt.
Paris, März 1878.
Für zwei Tage in Paris. Berufung durch ein Telegramm zu
Michel Lévy, dem Verleger. Zwei recht bewegte Tage, die
wenigstens den Vorteil hatten, mich meinem düstern Grübeln zu
entreißen.
V. L. und Delguet wetteiferten miteinander, meine wenigen
freien Augenblicke recht festlich zu gestalten.
Bei Delguet fand ich ein Wesen wieder, dem mehrere Seiten
meiner früheren Aufzeichnungen gelten: die »Fratine«.
Die kleine Fratine in verbesserter Auflage, als elegante
Dame voller Charme, die mir die Honneurs »ihres Hauses«
machte.
Heute abend gab sie ein Diner für V. L. und für mich, und
wir haben in Gemütlichkeit alte Erinnerungen aufgefrischt. Als
aber die Rede auf Annecy kam, war die Fratine so verwirrt, als
glühte ihr Gefühl für mich noch immer in ihrem Herzen. Sie
senkte das Haupt und küßte ihr kleines Kind, das neben ihr
saß.