Auf fernen Meeren

Auf fernen Meeren

Tagebuchfragmente und Briefe

1924 n.Chr.

Pierre Loti

Inhaltsverzeichnis

An Bord des »Petrel«.

Dakar, Februar 1874.

Mahomed Diop, der König von Dakar, ist soeben gestorben. Lange Zeit schon war er ein Todgeweihter. Doch dieser sechs Fuß hohe Greis hatte sich eine seltsame und sehr natürliche Majestät zu bewahren gewußt, und selbst der Gouverneur hatte große Rücksichten für seine Person.

Tatsache ist, daß er wirklich imposant wirkte, dieser König, der einer alten schwarzen Mumie glich. Seine eingeschrumpften Züge hatten noch viel von ihrer früheren Regelmäßigkeit, und sein schon erloschener Blick war noch immer eigensinnig und verschlossen. Wohl war er wie geschaffen zum Haupt dieses öden Landes, in dem die Sonne alles ausdorrt, als wollte sie allem ewige Dauer verleihen.

Mahomed Diop trug eine Art phrygischer Mütze und, gleich den Weisen des Altertums, lange und weite Gewänder. Er war, wohlverstanden, immer grau in grau gekleidet. An seinem Halse hingen eine Menge sonderbarer Dinge: Hörner von Giraffen und Gazellen, sonstige Teile verschiedener Tiere und mehrere Ledersäckchen, die auf kleine Pergamentrollen geschriebene Koran-Verse enthielten. All diese Amulette, denen Zeit und Hitze ihren Stempel aufgedrückt hatten, schienen ebenso alt zu sein als der alte Diop.

Die königliche Hütte bestand, gleich der sämtlicher Untertanen, nur aus vier Balken, die von einer mächtigen Strohkuppel überwölbt waren; Flaschenkürbisse schmückten dies Ganze mit ihren gelben Blättern. Im Innern hing ein Überfluß von Schilden, wild anmutenden Waffen und Fetischen an den Strohwänden, wo hellblaue Eidechsen mit orangefarbenen Köpfen vertrauensselig spazieren liefen.

Zu Beginn meines Weilens im Senegal erbat ich vom König die Erlaubnis, sein Bild malen zu dürfen; er erteilte sie freudig und saß mir, umgeben von seinen alten Favoritinnen und seinen Enkelkindern.

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