Dschem
  Dschem, Cem

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??? - ??? n.d.H.
22.12.1459 - 25.2.1495 n.Chr.

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Dschem, bzw. Cem, Djem, Jem oder Zizim war ein Prinz und Dichter der Osmanen, der für 20 Tage als Sultan über einen kleinen Teil des Osmanischen Reich herrschte.

Dschem war der drittgeborene Sohn von Fatih Sultan Mehmed. Seine Mutter war eine Frau im Harem, deren Name mit Cicek (türkisch für Blume) bekannt ist, vermutlich eine serbische Prinzessin. Dschem ist der einzige Sohn, den Mehmed II. zeugte, nachdem er den Thron bestieg. Dschems ältere Brüder waren der spätere Bayezit II. und dem drei Jahre jüngeren Mustafa (geb. 1450).

Sowohl Bayezit als auch Mustafa waren 1457 von ihrem Vater als Provinzgouverneure eingesetzt worden und nach Amasya beziehungsweise Manisa entsendet worden. Sie waren zu diesem Zeitpunkt neun beziehungsweise sieben Jahre alt. Ihre Posten traten sie in Begleitung ihrer jeweiligen Mütter und begleitet von Lehrern und Beratern an. Wie später auch ihr Bruder Dschem erhielten sie eine sorgfältige Erziehung in Geographie, Geschichte, Literatur und Naturwissenschaften.

Ähnlich wie seine beiden älteren Brüder wurde auch Cem im Alter von acht Jahren von seinem Vater als Provinzgouverneur eingesetzt. Gemeinsam mit seiner Mutter sowie zwei Tutoren nach Kastamonu im Norden Anatoliens. Nach den Überlieferungen von Sadüddin wurde er von seinen Lehrern auch in Persisch und Arabisch unterrichtet, was später bedeutsam für seine Dichtkunst sein sollte.

Dschem kehrte nach Istanbul erstmals kurzfristig im Jahre 1470 anlässlich seiner Beschneidung zurück. Im Februar 1472 wurde Dschem erneut nach Istanbul beordert und von seinem Vater als Regent eingesetzt, während er gemeinsam mit Dschems älteren zwei Brüdern auf einen Feldzug in Ostanatolien begab. Nachdem im Winter 1472 über vierzig Tage lang keine Nachrichten aus Ostanatolien eintrafen, nahmen die Gerüchte zu, dass Mehmed II. in Ostanatolien gestorben und seine Armee vernichtet worden sei. Auf Rat seiner Berater ließ sich Dschem als neuer Sultan ausrufen. Kurz darauf trafen Nachrichten ein, dass Mehmeds II. Feldzug erfolgreich gewesen war und sowohl er als auch seinen beiden ältesten Söhne wohlbehalten waren. Dschem floh, weil er den Zorn seines Vaters fürchtete. Mehmed II. verzieh ihm allerdings seine voreilige Thronbesteigung und 1473 kehrte Dschem auf seinen Posten als Provinzgouverneur nach Kastamonu zurück. Sein Bruder Mustafa erkrankte im Frühjahr 1474 schwer und nachdem er im Juni verstarb, setzte sein Vater Dschem an dessen Stelle als Provinzgouverneur von Karaman (Türkei) ein.

Der Überlieferung nach war Mehmed II. eigentlich unglücklich, Vater eines dritten Sohnes geworden zu sein, da er die üblichen blutigen Erbkriege fürchtete. Schließlich hatte Mehmed II. seinen Halbbruder Ahmet unmittelbar nach dem Tod seines Vaters hinrichten lassen. In einem seiner Edikte legte Mehmed II. später fest, dass es seinem Nachfolger freistünde, seine Brüder beziehungsweise Halbbrüder hinrichten zu lassen, um so den Frieden im Osmanischen Reich zu sichern.

Dementsprechend entbrannte nach dem Ableben von Mehmed II. am 3. Mai 1481  ein Machtkampf zwischen den Brüdern. Bevor Bayezit II. den Thron für sich festigen konnte, entbrannte insbesondere ein intensiver Machtkampf mit seinem Bruder Dschem.

Der Hof war gespalten zwischen den Anhängern Dschems und den Anhängern Bayezits. Zu Dschems Anhänger gehörte der Großwesir Karamami Mehmet sowie der langjährige Oberbefehlshaber Gedik Ahmet Pascha. Auf Bayezits Seite standen allerdings die meisten Wesire – und was sich als viel entscheidender herausstellen sollte – der Kommandeur der Janitscharen.

Der Großwesir Karamami Mehmet hatte versucht, den Tod Mehmet II. möglichst lange geheim zu halten. Heimlich und in der Nacht hatte er den Leichnam vom Sterbeort Gebze am Golf von Nicomedeia nach Istanbul gebracht. Boten waren von ihm ausgesandt worden, Dschem im fernen Konya zu benachrichtigen, damit er nach Istanbul eilen und den Thron für sich beanspruchen konnte. Die Boten allerdings wurden von Anhängern Bayezits abgefangen. Auch den Janitscharen wussten um die Thronneubesetzung. Sie stürmten den Topkapi Serayi, wo Mehmet II. aufgebahrt war, töteten Karamami Mehmet, paradierten durch die Straßen Istanbuls und riefen Bayezit zum neuen Sultan aus.

Dschem hatte vom Tod seines Vaters erst erfahren, als die Beisetzung bereits erfolgt war und Bayezit die Macht übernommen hatte. Dschem entschied sich, um den Thron zu kämpfen und sammelte in Anatolien Truppen um sich. Über Akşehir, Afyonkarahisar, Kütahya und Eskişehir zog er nach Bursa. Etwa 20.000 Mann begleiteten ihn, als er vor Bursa eintraf, die er nach kurzem Widerstand einnahm. Am 2. Juni 1481 pries man ihn in den Moscheen von Bursa als neuer Sultan; gleichzeitig ließ er die ersten Silbermünzen prägen. Mit beiden Maßnahmen wollte er signalisieren, dass er als Sultan über zumindest diesen Teil des Osmanischen Reichs herrschte. An seinen Bruder Bayezit II. richtete er den Vorschlag, das Osmanischen Reich untereinander zu teilen. Bayezit II. sollte von Istanbul aus über die europäischen Provinzen herrschen. Dschem wollte von Bursa aus über Anatolien herrschen. Bayezit lehnte diesen Vorschlag ohne zu zögern ab und sammelte seinerseits Truppen in Iznik, etwa 50 Kilometer nordöstlich von Bursa. In der Nähe von Yenişehir kam es am 22. Juli 1481 zur Entscheidungsschlacht zwischen den Truppen der Brüder. Den 20.000 Mann unter der Führung von Dschmem standen 40.000 unter der Führung von Bayezit gegenüber. Bayezit hatte außerdem einen der Heeresführer von Dschmem mit Geldzuwendungen dazu überredet während der Schlacht zu ihm überzulaufen, was die Schlacht entschied.

Dschem floh unmittelbar nach der Schlacht mit seiner Familie und einer kleinen Truppe von Anhängern. Sie erreichten bereits am nächsten Morgen Eskişehir, das knapp neunzig Kilometer südöstlich von Yenisehir lag. Dort wurden sie von einer Gruppe Turkmenen überfallen, die sie ihrer letzten Habseligkeiten beraubte. Am 26. Juni erreichten sie Konya, wo sie für den Moment sicher waren. Sie brachen allerdings bereits drei Tage später auf, um in Richtung Südost-Anatolien weiter zu fliehen. Sie würden damit mameluckisches Territorium erreichen, wo sie sicher vor weiteren Verfolgungen durch Bayezit sicher glaubten. Von Eregli aus überquerten sie das Taurus-Gebirge, um nach Tarsus zu gelangen. Von den lokalen Fürsten wurde Dschem und seine Anhänger – mittlerweile eine Gruppe von zweihundert bis dreihundert – gastfreundlich empfangen. Sie waren Verbündete der Mamluken und standen damit Sultan Bayezit II. feindlich gegenüber. Ihre Flucht führte Dschem und seine Anhänger weiter von Iskenderun an der Mittelmeerküste über Aleppo, Hama, Homs und Baalbek nach Damaskus. Als Gast des mamlukischen Regenten blieben sie sechs Wochen. Danach reisten sie über Jerusalem, Hebro und Gaza weiter nach Kairo, das sie Anfang Oktober erreichten.

Bayezit II. hatte Dschmem durch den Oberbefehlshaber der Janitscharen Gedik Ahmet verfolgen lassen. Sein Versagen, diesen auf seiner Flucht zu stellen, führte zu Gedik Ahmets Verhaftung. Die Janitscharen reagierten allerdings auf die Verhaftung ihres Oberbefehlshabers mit einem Aufstand, stürmten den Palast und verlangten von Bayezit II. dessen sofortige Freilassung. Da Bayezit II. immer noch befürchtete, dass die Janitscharen sich hinter Dschem stellen könnten, folgte er der Forderungen. Gedik Ahmet erhielt nicht nur seinen Titel als Wesir zurück, sondern wurde auch wieder als Oberbefehlshaber der Janitscharen eingesetzt.

Der mamlukische Sultan hieß Dschem Hof von Kairo willkommen, da ihm daran lag, dass sich die Nachfolgestreitigkeiten innerhalb des Osmanischen Reichs fortsetzten. Dschem nutzte die Gelegenheit zur Pilgerfahrt [hadsch] und reiste auch nach Medina. Bayezit II. bot Dschem an Cem, die streitigkeiten zu beenden. Er sollte finanziell unterstützt werden, wenn er sich in der Nähe von Jerusalem niederließe. Aber Dschem wollte die Macht.

Kasim Bey, der ehemalige Herrscher über das Gebiet von Karamania bis osmanische Truppen diese Region eroberten, bot Dschem an, ihn in einem FEldzug gegen seinen Bruder zu unterstützen. Auch hieß es, dass Mehmet Aga - unter Fatih Sultan Mehmed einst Oberbefehlshaber der Janitscharen - Dschem unterstützen würde. Mit 2.000 Soldaten brach Dschem am 26. März 1482 auf, um nach Adana zurückzukehren, wo Kasim Bey und Mehmet Aga ihn mit ihren Truppen erwarteten. Seine Familie – darunter seine Mutter, sein Sohn Murat und dessen Mutter, seine Tochter Gevher Melek und mehrere Frauen seines Harems – ließ er im Schutz des Mamluken zurück.

Bayezit II. war aber gut informiert und versammelte er ein Heer von 200.000 Mann. Mit großzügigen Geldgeschenken versuchte er sich die Loyalität seiner Truppe gegen mögliche Überwechselabsichten abzusichern. Gleich in mehreren Schlachten verlor die neue Allianz, wobei Mehmet Aga getötet wurde. Der Rest zog sich ins Taurus-Gebirge zurück.

Kasim Bey riet Dschem, in Europa Exil zu suchen. Dschem wandte sich mit seiner Bitte um Asyl zunächst in einem Brief an die Republik Venedig. Venedig lehnte jedoch mit dem Hinweis auf den bestehenden Friedensvertrag mit den Osmanen ab. Daraufhin wandte sich Dschem an den Großmeister des Johanniterordens, Pierre d'Aubusson, den er während der damals gescheiterten Friedensverhandlungen kennen gelernt und mit dem er sich gut verstanden hatte. D’Aubusson hatte sehr rasch auf das Ersuchen von Dschem reagiert. D’Aubusson spekulierte, dass Dschem eine wichtige Rolle darin spielen konnte, seinen Bruder von weiteren Feldzügen in Europa abzuhalten. Kurz nachdem die Galeere, die ihn zum Flaggschiff des Ordens bringen sollte, den Hafen von Corycus verlassen hatten, wurde der Ort von Bayezits Truppen besetzt.

Auf den Weg nach Rhodos begleiteten Dschem unter anderem sein Vorkoster Ayas Bey, sein früherer Lehrer und Tudor Nasuh Bey, der Bruder seiner Mutter Ali Bey, sein Sekretär Haydar Bey, sowie mehrere Mitglieder seines früheren Hofstaates. Am 29. Juli 1482 erreichten sie Rhodos. Dort erhielt er ein Haus zugewiesen. D’Aubusson hatte unterdessen Sixtus IV. darüber informiert, dass Dschem sich in ihrem Gewahrsam befinde und bat ihn um Erlaubnis, mit Bayezit Verhandlungen aufzunehmen. Sobald die Zustimmung des Papstes vorlag, informierte d’Aubusson Bayezit darüber, dass von nun an der Orden keinerlei Tributzahlungen mehr leisten würden. Er bat stattdessen darum, dass den Einwohnern von Rhodos zu gestatten, im gesamten osmanischen Reich freien Handel zu betreiben und dafür nur die normalen Zölle und Gebühren entrichten zu müssen. Die Kosten für den Unterhalt von Dschem und seinem Gefolge sollte Bayezit II. durch eine jährliche Zahlung von 45.000 Dukaten übernehmen. Dafür sicherte d’Aubusson dem Sultan zu, er werde er dafür sorgen, dass Dschem keinen weiteren Krieg gegen seinen Bruder führen würde. Dschem gierte aber weiterhin nach der Macht und bot an, dass falls ihn die christlichen Fürsten in der Eroberung seines Thrones unterstützen würden, alle ehemals christlichen Territorien, die unter Osmanen standen, zurückgegeben werden sollten. Zwar glaubte man ihm letzteres nicht, aber auf Wunsch Dschems, brachte man seine Familie und sein Gefolge auch nach Rhodos. Die Anzahl der Personen, die Dschem in seinem Exil in Rhodos Gesellschaft geleistet haben soll 37 gewesen sein.

Mit der Begründung, dass Rhodos nicht als sicher genug gelte, schickte d'Aubusson Dschem, mit dessen Einwilligung, nach Frankreich, wo er sechs Jahre in verschiedenen Burgen des Ordens unter der Bewachung von d'Aubussons Neffen Guy de Blanchefort stand. 1489 wurde Dschem an Papst Innozenz VIII. ausgeliefert, der mit den Königen von Ungarn und von Neapel um den Besitz dieser wertvollen Geisel gewetteifert hatte. Später wurde Dschem Papst Innozenz VIII. anvertraut, der ihn nicht nur benutzte, um dem Sultan eine jährliche Zahlung zu entlocken, damit er ihn weiter als "Gast" gefangen hielt sondern auch, um Bayezits II.  Eroberungspläne im Mittelmeerraum einzudämmen mit der Drohung, den Machtrivalen frei zu lassen und zu unterstützen. Der nächste Papst Alexander VI. übernahm den "Gast" und drohte Bayezit II. damit, dass Karl VIII. Dschem als Sultan einsetzen und unterstützen wolle. Sein Ziel war, dass der osmanische Sultan dem Papst gegen den mächtigen Kaiser half. D'Aubusson erhielt als Gegenleistung kurz darauf, am 9. März 1489, für sich und seine Nachfolger als Großmeister die Kardinalswürde.

Mit Billigung des Papstes fand Dschem Asyl in Italien.  Dschem starb im Februar 1495 in Neapel. Es ist gemutmaßt worden, dass Bayezit II. den Papst bestach, um Dschem zu vergiften, wofür es aber keinen Nachweis gibt. Eigens für ihn und seine Nachkommen schufen der Papst 1492 und der König von Neapel (König von Spanien) 1509 den kaiserlichen Titel der "Fürsten von Said" bzw. "Grafen von Said", welcher auch vom deutschen Kaiser Friedrich III. bestätigt wurde. Diese osmanischen Fürsten der Europäer bis 1600 in Neapel, danach bis 1668 in Sizilien und übersiedelten schließlich größtenteils nach Malta, worauf sich das Fürstenhaus in eine sizilianische und maltesische Linie spaltete. Die Sizilianer gingen im italienischen Adel auf, die Malteser mit Napoleons Invasion 1798 unter.

Die wichtigste schriftliche Überlieferung über das Leben von Sultan Cem stammt von dem türkischen Historiker Sadüddin, der eine Geschichte des Osmanischen Reiches bis 1520 veröffentlichte.

Während seiner diversen Exile war Dschem auch als Dichter hervorgetreten. Seine Liebesgedichte zeugen von einer mystischen Ausrichtung.

Eines seiner Gedichte hat Prof. Annemarie Schimmel in Reimform ins Deutsche übertragen. Siehe dazu Liste der veröffentlichten Gedichte zum Islam.

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