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zu islamischen Themen finden Sie im Verlag Eslamica.
Abu Ali ibn Sina, der im Abendland auch unter dem Namen Avicenna bekannt
wurde, war der wohl berühmteste Philosoph und Arzt
des Islam im 11. Jh. n.Chr.
Sein Hauptwerk über die
Medizin war die wissenschaftliche Grundlage für die
Medizin der
Westlichen Welt. Mehrere Jahrhunderte
lang - teils bis in 18. Jh. n.Chr. hinein - war es an den Universitäten Europas das wichtigste Lehrbuch für Ärzte.
Ibn Sina
zählte zu den berühmtesten Persönlichkeiten und
Wissenschaftlern einer ganzen Epoche und wird aufgrund seiner
philosophischen Arbeiten und Gedichten auch von einigen
Mystikern dem
Sufismus zugerechnet. In der
Westlichen Welt gilt er zuweilen als berühmtester
Wissenschaftler des
Islam
überhaupt.
Er
wurde um 370
n.d.H. (980 n.Chr.) in Afschana bei
Buchara geboren. Ibn Sinas Vater war ein aus
Balch
stammender
Gelehrter und Beamter, der für die
Ismaeliten arbeitete. Er ließ sich in Afschana nieder und
heiratete dort Avicennas Mutter Setareh. Ibn Sina und ein
Bruder wurden in Afschana geboren, anschließend (981–989
n.Chr.) zog die
Familie in das nahe gelegene
Buchara.
In
Buchara erhielt er die klassische
islamische Lehre, so dass er bereits mit zehn Jahren
Hafidh
war. Auch hatte er viele Werke der Literatur studiert. Während
der nächsten sechs Jahre studierte er
islamisches Recht [scharia], Philosophie,
Logik [mantiq]
sowie Werke großer
Gelehrter. Von einem Gemüsehändler lernte er das Rechnen
mit indischen Zahlen. Mit 17 (nach anderen bereits mit 13)
Jahren konzentrierte er sich auf
die
Medizin und studierte (996 n.Chr.) sowohl ihre Theorie als auch ihre
Praxis. Ibn Sina empfand die bestehende Lehre als
vergleichsweise simpel und vertiefte sich daher auch in
metaphysische Probleme, besonders in die Werke des
Aristoteles, wobei ihm die Bücher von
Farabis besonders halfen. Ibn Sina soll u.a. auf
Farabis Werken aufgebaut haben und diese mit der
aristotelischen Philosophie verschmolzen haben. Mit seiner
Metaphysik übte er später großen Einfluss auf die
christliche Scholastik aus, u. a. auf Albertus Magnus und
Thomas von Aquin.
Im Alter von erst 18 Jahren hatte er sich einen Ruf als
erfolgreicher
Arzt gemacht und wurde 997 n.Chr. aufgefordert, dem
samanidischen Herrscher Nuh ibn Mansur (regierte 976–997) zu
dienen. Als Dank für Ibn Sinas Dienste als Leibarzt erlaubte
der Herrscher ihm die königliche Bibliothek zu benutzen, die
sehr seltene und einzigartige Bücher enthielt, mit denen sich
Ibn Sina weiter bildete. Mit 21 Jahre schrieb er sein erstes
Buch.
Ibn Sina war im Rahmen seiner späteren Reisen auch an
anderen Fürstenhöfen angestellt. 1002 n.Chr. starb sein Vater.
1004 n.Chr. starb die samanidische Dynastie aus. Daraufhin
verließ er
Buchara und reiste durch Nischapur,
Merw und
Chorasan. Er diente einige Zeit Ali ibn Mamun, dem
Herrscher von Chiva, floh aber schnell, um nicht in den Dienst
des Sultans Mahmud von Ghazni treten zu müssen. Nach vielen
Reisen und Diensten bei verschiedenen Herrschern kam er nach
Gorgan (arabisch: Dschurjan), nahe dem Kaspischen Meer,
angezogen vom Ruhm seines Herrschers Qabus als eines Förderers
der Wissenschaft. Der Fürst wurde jedoch nach Ibn Sinas
Ankunft abgesetzt und ermordet. In Gorgan hielt Ibn Sina
Vorlesungen in
Logik [mantiq]
und Astronomie. Dort schrieb er den ersten Teil seines berühmten
Werks "Qanun" und traf hier seinen Freund und Schüler
al-Dschuzyani.
Anschließend ging er nach
Ray,
gründete dort eine medizinische Praxis und verfasste 30 kurze
Werke. Als Ray belagert wurde, floh Ibn Sina nach Hamadan, wo
er eine reiche Frau behandelte, bis er Leibarzt und
medizinischer Berater des Emirs Schamsud-Dawala wurde und
schließlich zu dessen Großwesir aufstieg. Eine Reihe von
Soldaten war jedoch gegen ihn eingestellt und bewirkte seine
Absetzung und Verhaftung. Gleichwohl, als der Emir wieder
einmal an einer Kolik litt, soll Ibn Sina aufs Neue zur
Behandlung herangezogen, nach erfolgreicher Heilung des Emirs
freigelassen und wieder in sein altes Amt eingesetzt worden
sein. Studenten sammelten sich in seinem Haus, um Ausschnitte
aus seinen zwei größten Büchern zu lesen, der "Schiifa" und
dem "Qanun" (s.u.).
Nach dem Tod des Emirs bot Ibn Sina Abu Yafar, dem Wesir
des Herrschers
Isfahans seine Dienste an und wurde deswegen vom neuen
Herrscher Hamadans in dessen Burg eingekerkert. Schließlich
konnte Ibn Sina jedoch 1024 n.Chr. mit seinem Schüler
Abu Ubaid al-Dschuzdschani und zwei Bediensteten nach Isfahan entkommen, wo
ihn der Fürst willkommen hieß. 1025–1036 n.Chr. arbeitet er
als Leibarzt des Herrschers von
Isfahan.
Er verbrachte seine letzten Jahre im Dienst des Herren der
Stadt Ala Al-Dawla, den er in wissenschaftlichen und
literarischen Fragen beriet und bei militärischen Projekten
unterstützte.
Erschöpft durch seine harte Arbeit und sein hartes Leben
starb Ibn Sina im Juni 1037 n.Chr. im Alter von 57 Jahren in
Hamadan.
Nach manchen Informationen stirbt er an Ruhr, andere behaupten
an einer Überdosis von Medikamenten. Er wurde dort begraben,
wo auch heute noch sein Grab gezeigt wird. Sein Schüler
Abu Ubaid al-Dschuzdschani lebte noch zehn weitere Jahre
und verfasste eine Biographie zu seinem Lehrer, die als
Hauptquelle der Information über Ibn Sina gilt.
Insgesamt hinterließ Ibn Sina ca. 450 Werke, von denen ca. 250 als
erhalten gelten. Als sein bedeutendstes Werke gilt:
Der Kanon der Medizin.
Ibn Sina bemerkte vor allem die enge Beziehung
zwischen
Seele [nafs]
und Körper und erahnte, dass Musik einen positiven physischen
und psychischen Effekt auf Patienten hat. Aber auch etwas wie
Liebeskummer analysierte er. Wie es heißt, hat Ibn Sina die
Krankheit des Prinzen von Gorgan diagnostiziert, den örtlichen
Ärzte nicht erkannten. Ibn Sina bemerkte ein Flattern im Puls
des Prinzen, als er die Adresse und den Namen seiner Geliebten
erwähnte. Sein Heilmittel war: Der Kranke sollte mit seiner
Geliebten vereint werden.
Avicenna gilt daher auch als Vorbereiter der Psychoanalyse
und Psychotherapie im Mittelalter. Zudem wird auch deutlich,
dass zu seinen bekannten Diagnosemethoden das feinfühlige
Abtasten des Pulses gehörte.
Gerhard von Cremona übersetzt den Kanon im 12. Jh. n.Chr.
ins Lateinische – damit gilt er bis ins 17. Jahrhundert als
wichtigstes Lehrbuch der abendländischen Medizin. 1650 n.Chr.
wurde der Kanon zum letzten Mal in den Universitäten von Löwen
und Montpellier benutzt. Bis 1470 n.Chr. gab es 15–30
lateinische Ausgaben des Kanons. 1493 n.Chr. erschien eine
erste hebräische Fassung in Neapel.
Neben dem Kanon gibt es noch 15 medizinische Werke Ibn
Sinas, von denen acht in Versen geschrieben sind. Sie
behandeln 25 Zeichen der endgültigen Erkennung von
Krankheiten, hygienischen Regeln, nachgewiesene Arzneien,
anatomischen Notizen usw. Avicenna ist aber auch als
Dichter mystischer Gedichte bekannt.
Weiterhin bekannt sind seine
Kommentare zu verschiedenen Schriften des Aristoteles und
seine philosophische Enzyklopädie Kitab asch-Schiifa (Buch der
Genesung), in dem auch spirituelle und seelische Aspekte
behandelt werden. Das Buch behandelt zudem Arithmetik,
Astronomie, Geometrie, Logik, Musik, Naturwissenschaften,
Philosophie und Psychologie. 1490 n.Chr. erscheint das Werk in
Pavia.
Viele Länder haben zu seinen Ehren Briefmarken
herausgegeben. Die französische Universität "Rene Dekart" hat
eine Gipsstatue als Denkmal für Avicenna vor dem Museum für
Geschichte und Medizin aufgestellt.
2004 widmete die
Islamische Republik Iran ihm eine Briefmarke. Viele
Krankenhäuser in der islamischen Welt sind nach ihm benannt,
wie z.B. das
Ibn Sina Krankenhaus Ankara. Auch die
Private Volksschule Avicenna in Wien ist nach ihm benannt.
Im Jahr 1952 hat die ehemalige DDR eine Gedenkbriefmarke für
Avicenna herausgebracht. Viele andere Länder haben ihn
ebenfalls Briefmarken gewidmet.